Die erneute Präsidentschaft von Donald Trump stellt Alliierte und weitere Länder weltweit vor Herausforderungen. Wir bieten einen Überblick über die Erwartungen, Sorgen und Ansätze des Umgangs ausgewählter Staaten in Europa, dem Nahen Osten und Afrika mit Trump II.
Die Koordination haben Azadeh Zamirirad und Nicolai von Ondarza übernommen.
Donald Trumps erste Auslandsreise als designierter US-Präsident führte nach Paris. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte ihn zur feierlichen Wiedereröffnung der Kathedrale Notre Dame eingeladen. Wie 2017, als Trump Gast der traditionellen Militärparade zum französischen Nationalfeiertag war, setzte Macron darauf, seinen künftigen Amtskollegen zu umgarnen.
Bereits seine Glückwünsche an den Wahlsieger Trump zeigten, dass sich Frankreichs Präsident im Vorteil wähnt. Er war nicht nur einer der ersten Gratulanten. Vielmehr betonte er, dass er - im Unterschied zu vielen anderen europäischen Staats- und Regierungschefs – bereits mit Donald Trump zusammengearbeitet hatte. Diese Kooperation werde nun fortgesetzt, schrieb Macron auf der Plattform X.
Gleichzeitig machte Macron deutlich, wie schwierig eine Zusammenarbeit mit Donald Trump ist. Bereits in Trumps erster Amtszeit gab es Differenzen zwischen Paris und Washington. Dazu zählten Meinungsverschiedenheiten über den Umgang mit dem Iran und eine US-Importsteuer in Höhe von 25 Prozent auf französischen Wein. Der Tiefpunkt der Beziehungen war erreicht, als Trump das Pariser Klimaabkommen aufkündigte.
Auch für die Zukunft prognostiziert Paris gravierende Differenzen in der Klima-, Wirtschafts- und internationalen Politik. In Paris gilt als wahrscheinlich, dass Trump erneut aus dem Klimaabkommen aussteigen wird. Mit Sorge blickt die Regierung auch auf eine protektionistische US-Wirtschaftspolitik. Diese dürfte neben der Agrar- und Autoindustrie erneut die Luftfahrtindustrie sowie Weine und Spirituosen treffen. Die Trump-Steuer für die Jahre 2019 bis 2021 hatte die Umsätze französischer Weinhersteller um 40 Prozent einbrechen lassen und einen Verlust von 600 Millionen Euro verursacht.
Kritisch sieht Paris auch Trumps Ansinnen, den Krieg in der Ukraine beenden zu wollen. Bei dem von Macron im Dezember 2024 organisierten Zusammentreffen zwischen Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gelang es dem französischen Präsidenten nicht, Trump davon zu überzeugen, dass die Europäer es nicht akzeptieren würden, wenn ohne sie über ihre Sicherheit entschieden wird.
Gleichwohl bleibt Frankreich dabei, seine EU-Partner wie schon während der ersten Amtszeit Trumps zu mehr Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik aufzurufen. Dass Macron Paris hier weiterhin in einer Führungsrolle sieht, hatte er im April 2024 in seiner zweiten Sorbonne-Rede betont. Allein, die drastischen Staatsschulden wie auch die politische Instabilität des Landes dürften Macrons Führungsanspruch in Zeiten von Trump II erheblich schwächen.
Italien hat traditionell gute Beziehungen zu den USA gepflegt, unabhängig davon, welche politische Partei dort gerade an der Macht war. Premierministerin Giorgia Meloni ist da keine Ausnahme. Ihre besondere Beziehung zu Trump zeichnet sich jedoch durch ideologische Gemeinsamkeiten aus. Diese Beziehung ist für Meloni eine Chance, ihre Position im In- und Ausland zu stärken.
Meloni hat Trump bereits zweimal persönlich getroffen. Diese Begegnungen unterstreichen ihren Ansatz, Italien als Brücke zwischen Europa und den USA zu positionieren. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der EU und hebt sich durch seine relative politische Stabilität von Frankreich und Deutschland ab.
Der Erfolg der US-Populisten unter Trump wirkt sich auch verstärkend auf ihre europäischen Pendants aus. Für Meloni bietet dieser Trend die Chance, mehr Einfluss auf die EU-Politik zu nehmen.
Innenpolitisch nutzt Meloni die Beziehungen zu den USA, um sich als starke Politikerin zu präsentieren, die Italien wieder in eine führende Rolle auf der internationalen Bühne bringt. Ein solches Image könnte ihr helfen, die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu überdecken, ihre Position vor den nächsten Wahlen im Jahr 2027 zu stärken und die Chancen ihres Projekts zur Stärkung der Exekutive zu erhöhen. Angesichts der großen Rolle, die soziale Medien für Melonis Kontakt zu den Wählern in Italien spielen, ist eine enge Beziehung zu Elon Musk und seine Sympathie für sie von Vorteil.
Die Trump-Administration stellt Italien allerdings auch vor eine Reihe von Herausforderungen. Die italienische Wirtschaft ist geschwächt und vom Freihandel abhängig, was sie anfällig für mögliche US-Zölle macht. Meloni hofft, dass eine wirtschaftliche Annäherung an die USA dieses Risiko verringern kann. Angesichts der Lage der öffentlichen Finanzen wird es Italien schwer fallen, mehr Verantwortung für die europäische Sicherheit zu übernehmen und die Militärausgaben, von derzeit etwa 1,5 Prozent des BIP, deutlich zu erhöhen. Eine weitere Herausforderung ist die zunehmende Einmischung von Akteuren wie Elon Musk in die europäische Politik. Sollte Meloni solche Einflüsse tolerieren, könnte dies die rechtspopulistischen Parteien in Europa weiter stärken. Dies könnte die EU-Integration gefährden, insbesondere im Bereich des Binnenmarktes, der für die italienische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung ist.
Zu Beginn der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps blickt Polen zugleich mit Skepsis und Zweckoptimismus nach Washington. Die Skepsis resultiert daraus, dass für das Land ein effektives sicherheitspolitisches Engagement der USA in Europa, an der NATO-Ostflanke sowie bei der Unterstützung für die Ukraine essentiell sind. Einlassungen Trumps, die die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Schutzzusagen relativieren, werden ebenso mit Unbehagen aufgenommen wie ein möglicher »Deal« mit Russland in der Ukraine-Frage oder eine eventuelle Neuausrichtung der USA auf Ostasien.
Trotz dieser Bedenken wird in der politischen Kommunikation Polens auch Hoffnung geäußert. Erfahrungen aus Trumps erster Präsidentschaft liefern Argumente für eine positive Einschätzung: So kritisierte Washington unter Trump das Projekt Nord Stream 2 – ganz im Sinne Polens. Zudem wurde in Polen die US-Militärpräsenz im Rahmen der European Deterrence Initiative ausgebaut. Mit Rüstungsausgaben von mehr als vier Prozent liegt Polen als einziges europäisches NATO-Land in Reichweite der von Trump geforderten Fünf-Prozent-Marke. Ein Großteil der Waffensysteme für die Modernisierung der polnischen Streitkräfte wird in den USA gekauft. Polen wird sich der Trump-Administration daher nicht nur als loyaler, sondern auch als profitabler Partner präsentieren.
Die nationalkonservative Opposition (PiS) und der ihr nahestehende Staatspräsident Andrzej Duda pflegen enge Kontakte zu Trump und seinem Umfeld. Duda könnte Trump zum zehnten Gipfeltreffen der Drei-Meere-Initiative Anfang Mai in Warschau einladen. Trump hatte bereits 2017 an einem solchen Gipfel in Polen teilgenommen. Dadurch erhoffen sich die Nationalkonservativen Unterstützung für die im Mai (und eventuell im Juni) stattfindenden polnischen Präsidentschaftswahlen. Das Regierungslager hat zwar Zugänge zu den Republikanern, muss sich aber solche zur Trump-Entourage erst erarbeiten. Kritische Äußerungen von Ministerpräsident Donald Tusk über Trump könnten hierbei eine zusätzliche Herausforderung darstellen.
Polens zentrales Interesse ist es, eine Abwendung der USA von Europa und einen aus seiner Sicht faulen Kompromiss in der Ukraine-Frage zu verhindern. Im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft wird Polen verstärkt versuchen, die US-europäischen sowie transatlantischen Beziehungen zu stabilisieren und Eskalationen, etwa im Handelsbereich, einzuhegen. Polen - und insbesondere Donald Tusk - wird versuchen, sich gegenüber Trump als wichtige »Stimme Europas« zu positionieren, um eine Marginalisierung europäischer Partner bei eventuellen Ukraine-Gesprächen abzuwenden. Aus deutscher Sicht wird darauf zu achten sein, ob Polen sich Trumps Versuchen, Europa zu spalten, entziehen wird.
Der Wiedereinzug Donald Trumps ins Weiße Haus stellt Großbritannien vor einen Balanceakt. Zwar ist das Land militärisch und geheimdienstlich fest an die USA gebunden, doch in vielen Politikfeldern bewegt sich London näher an EU-Partnern wie Deutschland, Frankreich oder Polen. Bereits in Trumps erster Amtszeit positionierte sich Großbritannien auch unter dem damaligen Premierminister Boris Johnson an deren Seite, etwa beim Iran-Abkommen.
Seitdem haben sich auf britischer Seite zwei wesentliche Aspekte geändert. Zum einen hat das Land den Brexit vollzogen. In der Handelspolitik könnte Trump nun gezielt versuchen, einen Keil zwischen Großbritannien und die EU zu treiben. Die konservative Opposition fordert bereits ein exklusives Handelsabkommen mit Washington, doch dies könnte die von Labour angestrebte Wiederannäherung an die EU erschweren. Denn während die USA ein attraktiver Markt bleiben und besonders im Finanz- und Dienstleistungssektor bedeutsam sind, entfallen weiterhin mehr als 40 Prozent der britischen Exporte auf die EU. Premierminister Keir Starmer will daher eine Entscheidung zwischen der EU und den USA vermeiden.
Zum anderen hat das Vereinigte Königreich 2024 mit dem Wahlsieg von Labour eine andere politische Richtung eingeschlagen. Enge politische und kulturelle Verflechtungen machen die britische Regierung zur Zielscheibe verbaler Angriffe aus dem Trump-Lager. So rief etwa Trump-Berater Elon Musk zum Sturz von Starmer auf. Dieser bemüht sich hingegen um ein betont kooperatives Auftreten gegenüber der Trump-Administration.
Ein Konfliktpunkt ist die Klimapolitik. Trumps Pläne, das Pariser Klimaabkommen erneut zu verlassen, kollidieren mit Starmers ehrgeiziger Klima-Agenda. Auch in der europäischen Sicherheit könnte es Probleme geben: London hat sich klar auf die Seite der Ukraine gestellt und lehnt Verhandlungslösungen über deren Kopf hinweg ab. Gleichzeitig könnte Großbritannien die US-Hilfen für Kiew nicht ersetzen. Die Regierung verfolgt weiterhin das Ziel, verteidigungspolitisch für Washington relevant zu bleiben und die militärische Präsenz der USA in Europa zu erhalten. Angesichts enger fiskalischer Spielräume gerät sie jedoch bei den Verteidigungsausgaben unter Druck, schon das eigene langfristige Ziel von 2,5 Prozent Verteidigungsausgaben ist für die Regierung aktuell außer Reichweite.
Ein wichtiger Testfall werden die Beziehungen zu China. Einerseits haben die Briten ihren Marktzugang in Richtung China wieder geöffnet, andererseits wollen sie im geostrategischen Konflikt mit Peking Unterstützung für Washington signalisieren, etwa durch ihren Beitritt zum transpazifischen Abkommen CPTPP und zum AUKUS-Militärbündnis.
Unter Joe Biden waren die USA der Hauptlieferant von Militärhilfe für die ukrainische Selbstverteidigung im russischen Angriffskrieg. Deswegen sind die Beziehungen zum künftigen US-Präsidenten Donald Trump und seiner Administration für Kyjiw von essentieller Bedeutung.
Es gibt zwar Indizien, dass die ukrainische Führung bei der US-Präsidentschaftswahl mit einem Sieg von Kamala Harris rechnete. Dennoch begann sie frühzeitig, Kontakte zum Trump-Lager zu knüpfen. Es war für die Ukraine besonders wichtig, dort einen positiven Eindruck zu hinterlassen, weil ein Gespräch zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Juli 2019 als Anlass für das erste Amtsenthebungsverfahren gegen Trump gedient hatte. So war die ukrainische Seite bemüht, möglichst viele persönliche Begegnungen zwischen hochrangigen ukrainischen Vertreter:innen und solchen aus dem Trump-Lager zu organisieren, um etwaige negative Assoziationen bezüglich der Beziehungen zu zerstreuen.
Trump und sein Umfeld sehen die Ukraine-Hilfe sehr skeptisch und legen den Beginn des Krieges gar zu Lasten der Biden-Administration aus. Deswegen ist es für die Führung in Kyjiw von lebenswichtiger Bedeutung, Trump und sein Team vom ukrainischen Narrativ zu überzeugen und dadurch weitere Unterstützung zu sichern.
Trump hat mehrfach betont, den Krieg in der Ukraine beenden zu wollen. Mit der Ernennung von Keith Kellogg zum Sonderbeauftragten für dieses Thema deutet sich eine verstärkte Fokussierung auf Verhandlungen an. In dieser Situation versucht die ukrainische Seite, konstruktiv und gesprächsbereit zu erscheinen, weist aber auch auf ihre roten Linien hin. Dazu gehört insbesondere, dass die Ukraine de jure keinen Gebietsverzicht akzeptiert, auch wenn de facto andere Realitäten bestehen. Zudem fordert Kyjiw Sicherheitsgarantien des Westens, um erneute russische Aggressionen zu verhindern. Um sich für mögliche Verhandlungen besser zu positionieren, intensivieren die Ukrainer ihre Angriffe auf die russische Region Kursk und andere Ziele innerhalb Russlands.
Insgesamt sieht Kyjiw die Trump-Präsidentschaft allerdings nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Chance. Die ukrainische Regierung hofft, dass der russische Machthaber Wladimir Putin die Erwartungen der USA enttäuschen wird und dass diese Entwicklung zu einer effektiveren amerikanischen Unterstützung für die Ukraine führen wird. Der ukrainische Ansatz besteht also in der Stärkung des eigenen Narrativs, gepaart mit dem Glauben an ein mögliches Scheitern des Gegners.
Die Türkei scheint weniger besorgt über eine zweite Präsidentschaft von Donald Trump zu sein als viele andere Länder in Europa. Dafür gibt es drei Gründe: Erstens hat Trump enge Beziehungen zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, die er weiter ausbauen wird. Zweitens hat Trump im Wahlkampf versprochen, sich für Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine einzusetzen. Mit ihrem Balanceakt im Ukraine-Krieg ist die Türkei in einer einzigartigen Position, um eine Schlüsselrolle als Vermittler zu spielen. Dies könnte auch den Druck aus dem Westen verringern, sich von Russland zu distanzieren. Drittens hat der Sturz Baschar al-Assads die türkische Position in Syrien gestärkt und Ankara zu einem wertvollen Verbündeten der USA im Nahen Osten gemacht. In seiner jüngsten Rede sagte Trump, dass die Türkei »der Schlüssel« zu den Ereignissen in Syrien sei. In den vergangenen Jahren ist Ankaras Rolle als multiregionale Macht stetig gewachsen, was es zu einem unverzichtbaren Partner macht.
Dennoch bleibt die neue Präsidentschaft Trumps nicht ohne Herausforderungen für die Türkei. Der Gaza-Krieg könnte zu einem Streitpunkt zwischen Ankara und Washington werden. Trumps bedingungslose Unterstützung für Israel steht in scharfem Kontrast zu Erdoğans Engagement für Palästina. Ein weiteres Konfliktpotenzial liegt in der amerikanischen Unterstützung für die kurdischen YPG-Milizen im Nordosten Syriens. Diese hat eine entscheidende Rolle beim Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) gespielt. Ankara betrachtet die YPG als syrischen Ableger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und beide Gruppen als Terrororganisationen. Deshalb drängt die türkische Regierung auf die Entwaffnung und Auflösung der YPG und der PKK, da deren Existenz als Bedrohung für die nationale Sicherheit angesehen wird.
Ankara hofft, dass die USA unter Trump ihre Unterstützung für die kurdischen Milizen zurückfahren und sich für eine Lösung einsetzen, die mit den türkischen Sicherheitsinteressen vereinbar ist. Dabei hat die Türkei erst kürzlich mit einer direkten militärischen Intervention in Syrien gedroht, sollte es der Regierung unter der Hayat Tahrir al-Sham (HTS) in den kurdisch kontrollierten Gebieten nicht gelingen, die Gefängnisse zu sichern, in denen IS-Kämpfer und ihre Familienangehörigen inhaftiert sind.
Angesichts dieser Herausforderungen nimmt die Türkei, wie viele andere europäische Länder, vorerst eine abwartende Haltung gegenüber der neuen US-Administration ein. Die Rückkehr Trumps bietet Ankara zwar Chancen. Doch bleiben sie mit einem hohen geopolitischen Risiko verbunden.
Die israelische Regierung und ein Großteil der Gesellschaft haben den Wahlsieg von Donald Trump enthusiastisch begrüßt. Aufgrund der Erfahrungen aus Trumps erster Amtszeit, seiner Ankündigungen für die zweite und der Nominierungen für relevante Posten sind die Erwartungen von Benjamin Netanyahus rechts-religiöser Koalition hoch: Sie setzt auf eine Festigung der strategischen Beziehungen zwischen beiden Ländern, aktive Unterstützung eines Normalisierungsabkommens mit Saudi-Arabien, ein entschiedenes Vorgehen gegen Iran sowie freie Hand, um das Siedlungs- und Annexionsprojekt im Westjordanland voranzutreiben und die eigene Justiz umzubauen. Gleichzeitig geht sie davon aus, dass die öffentliche Kritik an Völkerrechtsverstößen, Sanktionen gegen gewalttätige Siedler und Drohungen, Waffenlieferungen zurückzuhalten, der Vergangenheit angehören.
Trump hat angekündigt, die Kriege im Nahen Osten rasch beenden zu wollen. Schon vor seiner Amtseinführung hat er den designierten Nahost-Beauftragten Steve Witkoff in die Region geschickt und gemeinsam mit dem Biden-Team ein Abkommen über eine Waffenruhe und den Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Gefangene vermittelt.
Unklar ist hingegen, welche Maßnahmen eine Trump II-Administration ergreifen wird, um die Situation in Israel-Palästina über einen Waffenstillstand hinaus nachhaltig zu stabilisieren. Diese könnten dem Ansatz der Netanyahu-Regierung durchaus widersprechen, wie zwei Beispiele zeigen: Die Trump-Administration könnte kurzfristig darauf hinwirken, dass die israelische Gesetzgebung, die es dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNRWA unmöglich macht, in den palästinensischen Gebieten zu arbeiten, zumindest bis auf weiteres ausgesetzt wird. Vor dem Hintergrund der Einstellung der Finanzierung der UNRWA durch die erste Trump-Administration erscheint dies zwar eher unwahrscheinlich. Allerdings droht andererseits eine gefährliche Zuspitzung der ohnehin katastrophalen humanitären Situation im Gazastreifen; das Überleben der Zivilbevölkerung dort könnte kaum gewährleistet werden.
Die Trump-Administration könnte auch mittelfristig auf einen politischen Prozess drängen, der »irreversible Schritte« in Richtung eines palästinensischen Staates vorsieht, wie ihn Saudi-Arabien als Bedingung für eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel fordert. Zwar bestehen auch hieran ernsthafte Zweifel, nicht zuletzt aufgrund der Haltung gegenüber der Palästinensischen Autonomiebehörde und bisheriger Blaupausen für Frieden in Nahost. Gleichwohl ist zu erwarten, dass Trump und seine Berater aufgrund eigener unternehmerischer Interessen oder der Ambition, als »Dealmaker« zu reüssieren, ein offenes Ohr für die Anliegen Saudi-Arabiens und anderer Golfstaaten haben und keineswegs durchweg die Positionen der israelischen Regierung priorisieren werden.
Die Golfmonarchien reagierten auf Trumps Wahlsieg mit bemerkenswerter Gelassenheit. Sie hatten sich bereits während seiner ersten Amtszeit auf seinen unkonventionellen Politikstil eingestellt und hielten auch unter der Biden-Administration enge Verbindungen zum Ex-Präsidenten aufrecht. Dabei investierten sie gezielt in Trumps Wirtschaftsimperium und in Personen aus seinem engsten Umfeld. Herausragendes Beispiel hierfür ist Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn: Staatsfonds aus Saudi-Arabien und Katar sowie ein Finanzunternehmen der Herrscherfamilie der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind die größten Investoren in Kushners Investmentfirma Affinity. Und auch Elon Musks KI-Start-up xAI konnte von entsprechenden Investitionen profitieren. Durch solche Geschäftsverbindungen sind für beide Seiten anhaltend gute Beziehungen von großer Bedeutung. Dennoch gibt es aus Sicht der Golfmonarchien auch Unsicherheiten, die mit der zweiten Präsidentschaft Trumps einhergehen.
So könnte Trumps Nähe zur gegenwärtigen israelischen Regierung und seine harte Haltung gegenüber Teheran den Konflikt um das iranische Atomprogramm militärisch eskalieren - ein Szenario, das keineswegs im Interesse der Golfmonarchien ist. Vor allem Saudi-Arabien und die VAE, die während der ersten Präsidentschaft Trumps ein hartes Vorgehen gegen Teheran unterstützt hatten, setzen nun auf gute Beziehungen zum großen Nachbarn, nicht zuletzt um die für ihre wirtschaftliche Entwicklung so wichtige regionale Stabilität zu fördern. Differenzen gibt es auch mit Blick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt. Während die Golfstaaten einen eigenständigen palästinensischen Staat als alternativlos für eine Konfliktlösung sehen, hält sich Trump in dieser Frage auffällig bedeckt.
Und auch zwei wirtschaftliche Themen dürften die Herrscherhäuser am Golf beunruhigen. Zum einen könnte ein härterer Kurs der Trump-Administration gegenüber China ihre eigenen Wirtschaftsbeziehungen zur Volksrepublik deutlich beeinträchtigen. Diese haben die Golfstaaten in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut, auch um der sicherheitspolitischen Abhängigkeit von den USA etwas entgegenzusetzen. Gerade im Hochtechnologiebereich könnte nun aber der Druck auf die Golfstaaten wachsen, sich aus Verträgen mit Peking zurückzuziehen. Zum anderen dürfte vor allem der weltgrößte Erdölexporteur Saudi-Arabien mit Sorge auf Trumps Ankündigung einer expansiven Ölförderpolitik blicken. Hierdurch könnte der aus Sicht des Königreichs ohnehin zu niedrige Weltmarktpreis für Rohöl weiter sinken. Der Staatshaushalt des Königreichs, der sich zu einem großen Teil aus den Erdöleinnahmen speist und in den vergangenen Jahren überwiegend Defizite erwirtschaftete, würde dadurch weiterunter Druck geraten.
Die Islamische Republik hat demonstrativ gelassen auf den Wahlsieg von Donald Trump reagiert. Doch die zur Schau gestellte Gleichgültigkeit kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die erneute Präsidentschaft Trumps Iran vor große Herausforderungen stellt. In seiner ersten Amtszeit verfolgte Trump eine Politik des »maximalen Drucks« gegenüber Iran, zog sich aus der Atomvereinbarung mit Teheran zurück, verhängte ein weitreichendes Sanktionsregime und versuchte, ein israelisch-arabisches Militärbündnis gegen Iran zu bilden. Trump war es auch, der 2020 die gezielte Tötung des einflussreichsten iranischen Kommandeurs, Qassem Soleimani, anordnete.
Sein neues Kabinett strebt eine verschärfte Neuauflage der Politik des maximalen Drucks an. Wie zuvor dürften dabei vor allem iranische Erdölexporte im Fokus stehen. Hierzu müsste Washington Staaten wie China, aber auch eigene Partner wie die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ins Visier nehmen. Peking ist der größte Abnehmer iranischen Rohöls und damit der zentrale Akteur in Teherans Sanktionsumgehungsstrategie. Für seine Schattenwirtschaft nutzt Iran darüber hinaus auch Banken in den VAE. Dagegen vorzugehen, könnte sich jedoch als schwierig erweisen.
Die politischen Bedingungen haben sich seit dem ersten Amtsantritt Trumps stark gewandelt. Die Islamische Republik hat ihre Beziehungen zu China – ebenso wie zu Russland – auf diplomatischer, wirtschaftlicher und militärischer Ebene erheblich ausgebaut. Zudem verfolgen arabische Golfstaaten wie die VAE und Saudi-Arabien heute eine Politik der Annäherung an Iran und stehen einer schärferen Sanktionspolitik skeptisch gegenüber. Darüber hinaus ist es Teheran gelungen, sein Atomprogramm so weit auszubauen, dass es bei Bedarf eigene Nuklearwaffen produzieren könnte.
In anderen Bereichen ist Irans Handlungsspielraum dagegen kleiner geworden. Die Islamische Republik ist seit dem »Frau, Leben, Freiheit«-Aufstand von 2022 gesellschaftspolitisch unter Druck. Zudem sind iranische Verbündete wie die Hisbollah und die Hamas militärisch geschwächt, das Assad-Regime in Syrien ist gestürzt. Und israelische Militärschläge haben die iranische Flugabwehr fast vollständig außer Gefecht gesetzt. Nicht zuletzt besteht für Teheran die Gefahr, dass die neue US-Regierung israelische oder auch eigene Angriffe auf Nuklearanlagen und kritische Energieinfrastruktur in Iran befürworten könnte. Irans Präsident Masoud Peseschkian setzt daher auf direkte Gespräche mit Washington und neue Nuklearverhandlungen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Irans staatliches Oberhaupt Ali Khamenei hierfür grünes Licht gibt. Am Feindbild USA würde dies jedoch nichts ändern. Das Misstrauen gegenüber Washington bleibt groß.
Am Horn von Afrika erhoffen sich einige Akteure, die Gunst der kommenden US-Administration für ihre jeweilige Agenda zu gewinnen. Transaktionale, kurzfristig orientierte Politik, die Donald Trump oft zugesprochen wird, ist hier bereits weit verbreitet. Dabei dürfte die neue US-Regierung diese Region primär vor dem Hintergrund ihrer globalen Konkurrenz mit China sowie als Fortsetzung der eigenen Nahostpolitik betrachten. Das schließt die enge Zusammenarbeit mit Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Ägypten und Saudi-Arabien ein, die eine zentrale Rolle am Horn von Afrika spielen. Die VAE haben beispielsweise massiv in Äthiopien, Somaliland und die sudanesischen Rapid Support Forces (RSF) investiert.
In Äthiopien unterstützten die USA während der ersten Präsidentschaft von Trump den damals neuen Premierminister Abiy Ahmed so klar, dass dieser sich ermutigt fühlen konnte, kompromisslos gegen die frühere Regierungspartei der Tigray People’s Liberation Front (TPLF) vorzugehen. Die von den Golfmächten geförderte Zusammenarbeit zwischen Abiy und Eritrea spielte dabei ebenfalls eine wichtige Rolle. Unter Biden spielten die USA eine wesentliche Vermittlungsrolle, um den Krieg zwischen der TPLF und der äthiopischen Regierung zu beenden und den Friedensprozess zu begleiten. Diese könnte jetzt zurückgefahren werden.
Somaliland hofft, von der neuen US-Regierung als völkerrechtlich unabhängig von Somalia anerkennt zu werden. Mehrere Republikaner befürworten einen entsprechenden Schritt. Eine Passage im »Project 2025« konservativer Organisationen verweist ebenfalls auf die Möglichkeit, Somaliland anzuerkennen. Eine größere militärische Zusammenarbeit mit Somaliland sollte in dieser Argumentation dem wachsenden chinesischen Einfluss im benachbarten Dschibuti Rechnung tragen, wo sowohl die USA als auch China eine Militärbasis betreiben. Gleichzeitig gibt es im republikanischen Lager Vorbehalte gegenüber der bisherigen militärischen Unterstützung der somalischen Regierung in Mogadischu.
Die sudanesischen Streitkräfte, die sich seit April 2023 im Krieg mit den RSF befinden, bemühen sich um die Anerkennung als legitime Regierungsvertretung durch die USA. Auch hier gibt es Sympathien im republikanischen Lager. Allerdings müssten sich die Streitkräfte dafür wahrscheinlich von ihren aktuellen Verbündeten Iran, Russland und der Sudanesischen Islamischen Bewegung distanzieren. In jedem Fall müsste Washington die gegensätzlichen Einflüsse seiner Partner in Kairo und Abu Dhabi ausbalancieren. Die mangelnde Rücksichtnahme und teilweise offene Parteinahme der neuen Trump-Administration könnten somit die Spannungen am Horn von Afrika weiter verschärfen.
Zitiervorschlag 360 Grad gesamt:
Nicolai von Ondarza, Azadeh Zamirirad (Koord.), Perspektiven auf Trump II aus Europa, Nahost und Afrika, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 20.01.2025 (360 Grad)
Zitiervorschlag einzelner 360 Grad-Beitrag:
Ronja Kempin, „Frankreich: Führungsanspruch eines geschwächten Landes”, in: Nicolai von Ondarza, Azadeh Zamirirad (Koord.), Perspektiven auf Trump II aus Europa, Nahost und Afrika, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 20.01.2025 (360 Grad)
Zu den Perspektiven eines Friedens zwischen Israel und Saudi-Arabien
doi:10.18449/2025A03
Asien blickt gelassen auf die Rückkehr von Donald Trump – trotz zahlreicher sicherheits- und wirtschaftspolitscher Konfliktthemen. Angela Stanzel, Hanns Günther Hilpert und Eric Ballbach erklären, wie sich China, Südkorea und Japan auf Trump II vorbereiten und welche Schlüsse Europa ziehen kann.
Zwischen Interessendivergenzen und Geschäftsbeziehungen
doi:10.18449/2025A01
Was der Wahlsieg der Republikaner von 2024 bedeutet
doi:10.18449/2024A66
doi:10.18449/2024C54
Wenn Donald Trump im Januar 2025 in das Weiße Haus zurückkehrt, trifft er auf ein internationales Umfeld, das durch die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen geprägt ist. Wir zeigen auf, welche außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen mit Trump II auf Deutschland und die EU zukommen.
European Perspectives on potential consequences and the policy areas most affected