Saudi-Arabien tritt entschlossen und finanzstark in den geopolitischen Wettbewerb um mineralische Rohstoffe ein. Im Rahmen der Vision 2030 sollen die lokale Weiterverarbeitung und die industrielle Wertschöpfung gestärkt werden. Derzeit verschafft sich Saudi-Arabien mineralische Rohstoffe durch internationale Beteiligungen und Abnahmeverträge, und langfristig soll auch der heimische Bergbau ausgeweitet werden. Viele Vorhaben befinden sich noch in der Konzeptionsphase. Für die Verwirklichung seiner Pläne ist Saudi-Arabien auf internationale Partner angewiesen. Als geopolitisch »neutrales Bindeglied« zwischen den Großmächten sucht das Königreich die Annäherung an China, tritt zugleich aber in direkte Konkurrenz zur Volksrepublik. Parallel bietet sich Saudi-Arabien dem Westen als Partner für die Rohstoffdiversifizierung an. Für die EU erscheint eine Kooperation mit Saudi-Arabien als Option, um die eigene Rohstoffversorgung zu sichern – doch wichtige Grundvoraussetzungen für eine strategische Partnerschaft sind bisher nicht erfüllt.
Die US-chinesische Rivalität, aber vor allem der russische Krieg gegen die Ukraine haben den politischen Willen in der Europäischen Union (EU) gestärkt, mehr Autonomie in strategischen Sektoren zu erlangen. Dies betrifft auch mineralische Rohstoffe, deren Lieferketten in vielen Fällen von China dominiert werden. Mit dem Critical Raw Materials Act (CRMA) vom Mai 2024 möchte die EU ihre Rohstoffversorgung diversifizieren – zum einen durch den Ausbau europäischer Abbau-, Weiterverarbeitungs- und Recyclingkapazitäten, zum anderen durch strategische Partnerschaften mit rohstoffreichen Drittstaaten.
Geopolitische Aspekte werden bei der Auswahl von Partnern immer wichtiger. Die USA setzen im Rohstoffsektor auf »Friend-« oder »Allyshoring«, also Partnerschaften mit Staaten, die ähnliche (geo)politische Interessen verfolgen. Die USA initiierten und leiten die Minerals Security Partnership (MSP), einen Zusammenschluss vorrangig westlicher Industrienationen für mehr Resilienz in Rohstofflieferketten, dem auch die EU angehört. Diese agiert jedoch diplomatisch zurückhaltender als die USA, auch wegen ihrer hohen wirtschaftlichen Abhängigkeiten von verschiedenen Weltregionen. Im Fokus der EU stehen die eigene Versorgungssicherheit und gleichzeitig steigende EU-Anforderungen an nachhaltige Lieferketten.
Saudi-Arabien präsentiert sich auf internationaler Bühne als neuer Partner für mineralische Rohstoffe. Gemäß seiner »Vision 2030« will das Königreich die heimische Wirtschaft modernisieren und diversifizieren. Einen Hauptpfeiler dabei bildet die Beteiligung am globalen Markt mineralischer Rohstoffe. Indem es sich als geopolitisch neutraler Partner und »Bindeglied« in Lieferketten positioniert, möchte Saudi-Arabien seine außenwirtschaftlichen Beziehungen erweitern – auch um lukrative Kooperationen im Rohstoffsektor einzugehen.
Mit dem engen Verbündeten USA arbeitet Saudi-Arabien bereits zusammen. Parallel dazu verstärkt es seine Beziehungen zu China, doch verläuft die Annäherung zögerlich. Der Markteintritt Saudi-Arabiens und dessen enge Bindung an die USA lassen das Königreich für die EU als attraktive Diversifizierungsoption erscheinen. Noch gibt es keine institutionalisierte Kooperation bei mineralischen Rohstoffen. Allerdings ist das Königreich kein sicherer Pfeiler für die Diversifizierungsziele der EU. Die Umsetzung der ambitionierten saudischen Pläne steht vor zahlreichen Herausforderungen, und die Dominanz des saudischen Staatsfonds (Public Investment Fund, PIF) in dem Sektor gibt Anlass zu weiteren Bedenken. Auch bestehen erhebliche Risiken in Bezug auf Umwelt- und Menschenrechte.
Vision 2030: Bergbau und industrielle Wertschöpfung
Der Wohlstand Saudi-Arabiens basiert in erster Linie auf der Produktion und dem Export von Erdöl und Erdgas. Doch der globale Ölpreisverfall 2014/15 sowie die an Fahrt gewinnende Grüne Transformation drängen das Königreich, sein Wirtschaftsmodell zu diversifizieren. Mit der im Jahr 2016 verkündeten Vision 2030 reagierte das saudische Königshaus auf diese Herausforderungen und investiert nun massiv in Tourismus, erneuerbare Energien (EE) und milliardenteure Bauprojekte wie die Megacity NEOM. Auch der Ausbau des Bergbausektors wird ehrgeizig vorangetrieben. Dies umfasst die Erschließung mineralischer Rohstoffreserven, der Schwerpunkt liegt jedoch auf der Steigerung der Verarbeitungskapazitäten im Inland. Zudem soll Saudi-Arabiens industrielle Wertschöpfung durch Batterie- und Wasserstoffproduktion sowie die Herstellung von E-Autos erhöht werden. Hierfür versucht das Land Partner und Know-how zu gewinnen – sowohl im Westen als auch in China, dessen strategisches Vorgehen im Rohstoffsektor dem jetzigen Ansatz Saudi-Arabiens ähnelt. Dessen Bemühungen werden auf verschiedenen Stufen der Lieferkette – vom Abbau der Rohstoffe bis zur Produktion von E‑Autos – im Wesentlichen von der Finanzkraft des saudischen Staatsfonds getragen. Dies wirft Fragen zur Marktfähigkeit von Projekten und zu möglichen Risiken bei Kooperationen auf.
Bisher spielte der Bergbau mit einem Anteil von unter einem Prozent am BIP eine untergeordnete Rolle in der saudischen Wirtschaft. Der Abbau konzentriert sich vor allem auf Gold. Überdies werden derzeit unter anderem Phosphat, Bauxit, Kupfer, Zink, Feldspat und Silber abgebaut. Allerdings entsprach der Anteil bei den von der EU als strategisch eingestuften Mineralien Kupfer und Feldspat lediglich 0,3 bzw. 1,6 Prozent der globalen Produktion. Nun hat Saudi-Arabien wiederholt beträchtliche Investitionen in den inländischen Bergbau angekündigt – zuletzt die Zielmarke von rund 46 Milliarden US-Dollar bis 2030. Allein das Konsortium Ajlan & Bros plant mit dem britischen Unternehmen Moxico Resources bis 2030 Investitionen von ungefähr 14 Milliarden US-Dollar.
Auf internationaler Bühne ist Saudi-Arabien bemüht, sich mit positivem Image im internationalen Rohstoffmarkt einzufügen. Mit der Ausrichtung des seit 2022 jährlich stattfindenden Future Minerals Forum (FMF) versucht sich Saudi-Arabien als eine Drehscheibe der internationalen Rohstoffdiplomatie zu präsentieren. Anlässlich des jüngsten FMF im Januar 2024 veröffentlichte Saudi-Arabien eine neue Schätzung seiner mineralischen Rohstoffvorkommen, deren Gesamtwert sich auf 2,5 Billionen US-Dollar belaufen soll. Sie umfassen auch unerschlossene Bodenschätze wie Seltene Erden. Gegenwärtig betreibt der staatliche saudische Bergbaukonzern Saudi Arabian Mining Company (Ma’aden) 17 lokale Abbaustätten. Wegen der bisher mangelnden geologischen Datengrundlage initiierte Saudi-Arabien 2020 ein 530 Millionen US-Dollar schweres Programm zur geologischen Erkundung, für welches das Königreich mit dem chinesischen geologischen Dienst kooperiert. Saudi-Arabien ist bei Explorationen wie neuen Bergbauprojekten auf ausländische Expertise sowie Investitionen angewiesen und versucht dafür internationale Unternehmen anzuwerben. So trat im Jahr 2021 eine Reform des Bergbaurechts in Kraft, die den Zugang ausländischer Firmen zu Bergbaulizenzen vereinfachen soll. Tatsächlich stieg die Zahl der erteilten Abbaulizenzen zwischen 2021 und 2023 von 8 auf 19, während sich die der Explorationslizenzen von 58 auf 259 mehr als vervierfachte.
Ausländische Investoren müssen zurzeit beim saudischen Investitionsministerium eine Lizenz beantragen, wenn sie im Land tätig sein wollen. Ab Februar 2025 soll dies durch eine Gesetzesänderung erleichtert werden: Statt einer Lizenz wird nur noch eine vereinfachte Registrierung notwendig sein, und ausländischen Investoren wird die Gleichstellung mit saudischen Unternehmen zugesichert. Die weiteren Regularien für Bergbauunternehmen wie die Lizenzierung von Abbauprojekten liegt beim Ministerium für Industrie und Bergbau. Dieses hat im Januar 2024 ein Förderprogramm für Explorationen im Umfang von 182 Millionen US-Dollar aufgelegt, das finanzielle Risiken für Unternehmen minimieren soll. Trotz dieser Maßnahmen wird es noch Jahre dauern, bis die Produktion im saudischen Bergbausektor deutlich gesteigert werden kann – auch weil Planung und Bau neuer Minen enorm zeitaufwendig sind.
Strategische Metalle: Weiterverarbeitung im Fokus
Ein Hauptziel der Vision 2030 ist es, durch den Aufbau strategischer Industriezweige die Wertschöpfung in Saudi-Arabien zu erhöhen und auch Arbeitsplätze für die junge Bevölkerung zu schaffen. Im Fokus stehen derzeit die für Energiewende und Batterieproduktion kritischen Metalle Nickel, Lithium und Kupfer sowie zusätzlich Eisen. Mit dieser Strategie tritt Saudi-Arabien in Konkurrenz zu China, das bereits hohe Produktions(über)kapazitäten aufweist, und zu Ländern des Globalen Südens, die ebenfalls die Weiterverarbeitung von Rohstoffen sowie nachgelagerte Lieferketten im jeweils eigenen Land aufbauen wollen. Bisher verschafft sich Saudi-Arabien diese Rohstoffe hauptsächlich durch Investitionen und Abnahmeverträge im Ausland, da die inländischen Vorkommen begrenzt sind und der Ausbau des heimischen Bergbausektors noch Zeit braucht.
Anfang 2023 wurde die Manara Minerals Investment Company (kurz Manara) als Joint Venture zwischen Ma’aden und dem saudischen Staatsfonds PIF gegründet, um in Bergbauprojekte und -unternehmen im Ausland zu investieren. So erwarb Manara für etwa 2,5 Milliarden US-Dollar einen knapp zehnprozentigen Anteil an der Metall-Sparte des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale. Darüber hinaus bahnen sich Investitionen in eine Kupfer-Gold-Mine in Pakistan sowie in eine kanadisch geführte Kupfermine in Sambia an. Auch bekundete Manara im Juli 2024 Interesse an einer Partnerschaft mit dem chilenischen Bergbaukonzern Codelco im Lithiumabbau. Zudem fanden Gespräche in afrikanischen Staaten wie Guinea, Tansania und der Demokratischen Republik Kongo statt. Dabei ist Saudi-Arabiens Vorgehen eher passiv angelegt, da es über Manara vor allem Projektbeteiligungen erwirbt, ohne das Management zu übernehmen. Die Investitionsvorhaben sind jedoch mit vertraglichen Abnahmegarantien versehen, für die Manara eine eigene Rohstoffhandelssparte aufbaut.
Bei den Bemühungen, Arbeitsplätze zu schaffen und eine »Saudisierung« der Beschäftigungslandschaft zu forcieren, ist der industrielle Bergbausektor jedoch von untergeordneter Bedeutung. Denn der Betrieb großer Minen bietet im Kern relativ wenige gutbezahlte Arbeitsplätze. Das Arbeitsmarktpotenzial liegt im verarbeitenden Gewerbe der nachgelagerten Lieferketten, wofür das Land aktiv internationale Partner sucht. So soll die saudische Stahlindustrie mit Investitionen von etwa 12 Milliarden US-Dollar unter Beteiligung türkischer und chinesischer Unternehmen erweitert werden. Bei der Förderung von Bauxit und der heimischen Verarbeitung zu Aluminiumwalzprodukten kooperiert das Land seit 2009 mit dem US-Konzern Alcoa. Darüber hinaus gründete der saudische Staatsfonds (PIF) mit dem taiwanesischen Elektronikkonzern Foxconn im November 2022 das Joint Venture Ceer Motors. Als eigene saudische Automarke soll es ebenfalls Elektrofahrzeuge produzieren. BMW ist als Lieferant für Teile der Fahrzeugtechnik involviert.
Dennoch treffen die ehrgeizigen Pläne der Vision 2030 auf Schwierigkeiten und Verzögerungen. Zum Beispiel sollte die Produktionsstätte von Ceer Motors bereits 2025 E-Autos herstellen, doch der Bau der vorgesehenen Fabrik läuft gerade erst an. Bei seinem Bemühen, Weiterverarbeitung und Automobilproduktion im eigenen Land anzusiedeln, könnte es Saudi-Arabien schwerfallen, sich gegen die internationale Konkurrenz zu behaupten. So müssen vor allem Fachkräfte angeworben werden, und man ist im hohem Maße auf ausländische Expertise angewiesen. Dafür geht Saudi-Arabien auf deutsche wie auch beispielsweise auf chinesische Unternehmen aktiv zu. Chancen lägen in Standortvorteilen wie den momentan vergleichsweise geringen Energiekosten, besonders aber in den Finanzierungsmöglichkeiten durch den PIF.
Dominanz des Staatsfonds
Wie die gesamte Umsetzung der Vision 2030 wird auch das strategische Vorgehen im Rohstoffsektor und den nachgelagerten Sektoren durch den staatlichen PIF finanziert. Das Ziel lautet, mit Hilfe öffentlich-privater Partnerschaften Know-how und Technologie ins Land zu holen, um langfristig den saudischen Privatsektor aufzubauen. Durch den breiten Finanzeinsatz des PIF hat der Staat derzeit enormen Einfluss auf den Sektor.
Der PIF hält den Mehrheitsanteil von etwa 65 Prozent am wichtigsten Bergbaukonzern Ma’aden und steht über Manara auch hinter den zuvor genannten saudischen Auslandsinvestitionen im Bergbausektor. Waren für diese zunächst 15 Milliarden US-Dollar eingeplant, kündigte der Gouverneur des PIF, Yasir Al-Rumayyan, Anfang 2024 an, in den nächsten zehn Jahren 25 bis 30 Milliarden US-Dollar in ausländische Bergbauprojekte und mineralische Lieferketten zu investieren. Dies verdeutlicht auch den strukturellen Vorteil des saudischen Staatsfonds: Mit einem geplanten Gesamtvolumen von knapp einer Billion US-Dollar kann der PIF zum einen großzügig Kapital für Bergbauunternehmen und -projekte zur Verfügung stellen, deren Finanzierung aufgrund von Produktionsrisiken unsicher wären.
Zum anderen kann der PIF auch in die entsprechenden nachgelagerten Teile der Lieferkette investieren, darunter die Produktion von Batterien und E-Autos. Neben Ceer Motors beteiligt sich der PIF mit etwa 60 Prozent auch am kalifornischen Unternehmen Lucid Motors. Dieses hat in der Nähe der Hafenstadt Dschidda eine E-Auto-Fabrik eröffnet, in der ab 2026 rund 150.000 E‑Autos montiert werden sollen. Hatte der PIF in den letzten Jahren großzügig in verschiedenste Sektoren und Unternehmen im Ausland investiert, werden diese Beteiligungen nun immer öfter an Bedingungen geknüpft, beispielsweise die Schaffung lokaler Arbeitsplätze und Zusammenarbeit mit saudischen Zulieferern.
Der PIF ist allerdings nicht nur ein kapitalstarkes Vehikel für das wirtschaftspolitische Programm der Vision 2030. Er sichert auch die staatliche Vormachtstellung in den genannten Sektoren ab und dient der Herrschaftssicherung des Kronprinzen und Premierministers Mohammed bin Salman. Seit seinem politischen Aufstieg ab 2015 übt dieser durch seinen Vorsitz im Direktorium die Kontrolle über den Fonds aus und kann daher über die Verteilung der finanziellen Ressourcen bestimmen. Dementsprechend folgen Investitionsentscheidungen des PIF bei weitem nicht nur einer Renditeorientierung oder industriestrategischen Überlegungen, sondern auch klientilistischen Mustern zugunsten etablierter Wirtschaftseliten mit engen Beziehungen zum saudischen Königshaus. Daraus erwächst eine Reihe von Risiken hinsichtlich der Transparenz von Investitionsentscheidungen, der langfristigen Tragfähigkeit von Projekten – Lucid Motors benötigte wiederholt Finanzspritzen des PIF – bis hin zu Korruptionsrisiken und der Gefahr, dass Lieferbeziehungen politisch instrumentalisiert werden könnten.
Saudi-Arabiens Allianzen: Taktieren zwischen West und Ost
Saudi-Arabien strebt im Rahmen der Vision 2030 verstärkte transaktionale Wirtschaftsbeziehungen an und präsentiert sich als geopolitisch neutraler Partner, um diese Position in seiner Rohstoffdiplomatie zu nutzen. Dies zeigte sich auch beim FMF im Januar 2024, das 14.000 Teilnehmende und 75 Regierungsvertreter:innen zählte. Dabei wurden zahlreiche Absichtserklärungen (Memoranda of Understanding, MoUs) über geopolitische Konfliktlinien hinweg abgegeben. In der Praxis zeichnet sich jedoch eine engere Zusammenarbeit mit dem Westen ab, für den sich Saudi-Arabien als verlässlicher Partner für dessen Diversifizierungsbemühungen positioniert.
Dieser Blick nach Westen zeigt sich auch in der neuen saudischen »Green Shoring Initiative«, mit der das Königreich westliche Investoren mit Blick auf saudische Potenziale im Bereich grüner Energie anspricht. Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit den USA, dem trotz wiederholter Spannungen nach wie vor wichtigsten politischen Partner des Königreichs. Im Jahr 2023 belegten die USA den sechsten Platz bei saudischen Exporten und den zweiten Platz bei den Importen. Die USA und ihre westlichen Verbündeten sind auch im saudischen Bergbau aktiv: Die Netzwerke sind bereits etabliert, und es wächst die Zahl von Joint Ventures mit westlichen Unternehmen, wie im Fall der Bauxitförderung mit Alcoa.
Auf institutioneller Ebene ist die Rohstoffkooperation mit den USA jedoch begrenzt: Es besteht kein Freihandelsabkommen, durch das saudische Firmen direkt vom Inflation Reduction Act (IRA) profitieren könnten, und Saudi-Arabien ist kein Mitglied der US-geleiteten Minerals Security Partnership (MSP). Ein künftiger Beitritt ist unwahrscheinlich, da dieser der zur Schau gestellten geopolitischen Neutralität zuwiderliefe. Und doch ist Saudi-Arabien im Zuge des Decoupling von China ein zentraler Partner für die USA. Die beiden Länder führten bereits Gespräche, um kritische Rohstoffe in Afrika zu sichern. Offenbar sehen die USA in Saudi-Arabien einen strategischen Partner für Investitionen in riskanteren Regionen, in denen westliche Unternehmen zögern.
Derartige Kooperationen wären auch für die EU und Deutschland attraktiv. Noch besteht keine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Saudi-Arabien und der EU bei mineralischen Rohstoffen. Doch der Weg wird geebnet: 2022 gaben die EU und der Golfkooperationsrat (GCC) eine gemeinsame Erklärung zur strategischen Partnerschaft ab. Beim ersten EU-Golf-Gipfel im Oktober 2024 standen neben regionaler Sicherheit auch die Zusammenarbeit in den Bereichen Energie- und mineralische Lieferketten sowie ein mögliches Freihandelsabkommen auf der Agenda. Bisher sind die Lieferbeziehungen zwischen der EU und Saudi-Arabien bei mineralischen Rohstoffen marginal. So gingen 2022 beispielsweise rund 12 Prozent der saudischen Aluminiumexporte in die EU. Deutsche Unternehmen sind vor Ort aktiv, darunter Siemens mit einem milliardenschweren Kraftwerksauftrag. Zudem ist eine zweite Lithium-Verarbeitungsanlage in Planung, die österreichisches Lithiumerz verarbeiten und unter anderem BMW beliefern soll.
Nach Osten stärkt das Königreich seine Beziehung mit China – die bis jetzt eher transaktional ist und auf politischer Ebene als ausbaufähig gilt. Die Annäherung ist maßgeblich durch den Energiesektor geprägt: China ist der mit Abstand größte Abnehmer saudischen Öls. Gegenseitige Investitionen nehmen zu, auch wenn sie noch hinter denen mit westlichen Staaten zurückbleiben. Im Rohstoffsektor arbeiten die geologischen Dienste der beiden Länder zusammen. Ferner wurden bei einem Besuch saudischer Vertreter in China Kooperationen im Bereich der Weiterverarbeitung mineralischer Rohstoffe vereinbart.
Bislang sind keine größeren chinesisch-saudischen Investitionsprojekte im Bergbau bekannt. Ein Grund dafür ist sicher die (potenzielle) Konkurrenz im Rohstoffsektor. China verfügt bereits über hohe Weiterverarbeitungskapazitäten, von denen es strategisch profitieren kann. Fraglich bleibt, inwiefern die Volksrepublik gewillt ist, eigene Technologien zu teilen oder Joint Ventures anzustreben. Überdies zeichnet sich auch bei der Rohstoffdiplomatie Konkurrenz ab. Auf dem FMF 2024 stellte Riad das Konzept einer mineralischen »Super-Region« vor, die sich unter saudischer Führung von Afrika bis Zentralasien erstrecken soll – ein Projekt, das stark an die chinesische Belt and Road Initiative erinnert.
Ähnliches zeigt sich bei der BRICS+-Kooperation im Rohstoffsektor. Das Angebot an Saudi-Arabien, BRICS+ beizutreten, hatte internationale Aufmerksamkeit erregt, da ein Beitritt das Forum um einen wichtigen Rohstoffproduzenten erweitern würde. Doch Saudi-Arabien zeigt wenig Interesse. Es nimmt zwar an BRICS+-Treffen teil, wird jedoch als passiv wahrgenommen und hat noch keinen offiziellen Mitgliedsstatus. Zudem ist die BRICS+-Rohstoffkooperation weniger aktiv, als es die öffentliche Wahrnehmung nahelegt. Zwar wurden erste Schritte zur Zusammenarbeit der geologischen Dienste eingeleitet. Unkonkret aber bleibt die Einrichtung einer präferentiellen Handelsplattform, wie sie seitens der MSP-Mitglieder geplant ist. Die Befürchtung westlicher Akteure, BRICS+ bereite eine Kartellbildung im Rohstoffsektor vor, sind gegenwärtig unbegründet. Im Gegensatz zum Ölmarkt sind mineralische Lieferketten komplexer, was die Bildung eines Kartells erschwert. Außerdem besteht eine starke Standortkonkurrenz, besonders in der bislang von China dominierten Weiterverarbeitung.
Die diplomatischen Bemühungen Saudi-Arabiens – wie auch anderer Golfstaaten – richten sich zunehmend auf mineralreiche Länder im Globalen Süden, vorrangig in Afrika und Lateinamerika, um Beteiligungen an Bergbauprojekten zu erzielen. So besuchte der saudische Bergbauminister Bandar Al-Khorayef im Juli 2024 Chile und Brasilien. Auch beim ersten Saudi-Arabien-Afrika-Gipfel 2023 spielte das Thema Rohstoffe eine zentrale Rolle, und saudische Delegationen sind in Ländern mit geplanten Investitionen wie Sambia aktiv.
Im Globalen Süden wird das saudische Engagement als zwiespältig wahrgenommen: Einerseits wird begrüßt, dass Saudi-Arabien als geopolitisch »neutraler« Akteur ohne westliche Kolonialgeschichte und finanzstarker fast-track-Investor neben China auftritt. Andererseits begegnen einige Akteure dem Newcomer mit Vorbehalten. Erstens bietet das Königreich mineralreichen Entwicklungsländern »Investitionspakete« ähnlich denen Chinas, wird jedoch aufgrund seiner Unerfahrenheit und der Zweifel an der Umsetzung kritisch betrachtet. Verstärkt wird diese Sorge durch schnelle und intransparente Deals. Zweitens werden die Pläne, Weiterverarbeitung und Technologieproduktion im eigenen Land anzusiedeln, in Frage gestellt, da sie den Ambitionen der Förderländer widersprechen.
Risiken bei Lieferkettenstandards und Transparenz
Die Frage der Transparenz und Standardsetzung in Rohstofflieferketten beschäftigt auch die EU in ihrem Diversifizierungsstreben. Saudi-Arabien zeigt den Willen, »Best Practices« in Bezug auf ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) umzusetzen. Doch die EU sollte hier genauer hinschauen, denn es gibt Lücken bei der Standardsetzung und -umsetzung im saudischen Bergbausektor und entlang der Lieferketten. Das ist für europäische Abnehmer unmittelbar relevant: Mit der Verabschiedung des europäischen Lieferkettengesetzes (CSDDD) und dem bevorstehenden Verbot von Zwangsarbeit bei Produkten auf dem EU-Markt werden die gesetzlich verankerten unternehmerischen Sorgfaltspflichten erheblich ausgeweitet. Die Informationen zur Nachhaltigkeits-Governance im saudischen Bergbausektor sind derzeit spärlich. Das 2021 überarbeitete Bergbaurecht gilt zwar als das fortschrittlichste in der Golfregion, doch verweisen die Analysen auf Defizite bei der Standardsetzung und -umsetzung. Außerdem bemängeln Beobachter den begrenzten Zugang zu aktuellen und transparenten Daten.
Die Dekarbonisierung steht im Fokus der saudischen Vision 2030. Künftig soll günstige grüne Energie einen Standortvorteil bieten, vor allem für energieintensive Industrien wie Stahl und Aluminium, die dem Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) der EU unterliegen. So strebt auch Ma’aden Klimaneutralität bis 2050 an. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, denn zurzeit basiert der Standortvorteil der niedrigen Energiekosten Saudi-Arabiens auf der Nutzung fossiler Brennstoffe. Dagegen lag der saudische EE-Anteil an der Stromerzeugung 2023 bei nur 1,4 Prozent. Neben der Dekarbonisierung bleibt bei anderen Umweltstandards im saudischen Bergbausektor noch einiges zu tun. Lizenzbewerber in Saudi-Arabien müssen eine Umweltverträglichkeitsprüfung und einen Managementplan vorlegen und seit 2021 finanzielle Garantien für die Umweltrehabilitation bereitstellen. Laut einer Studie besteht jedoch Anpassungsbedarf, denn zum einen seien die aktuellen Regelungen zu vage, zum anderen behinderten fehlende Leitlinien und schwache Sanktionen eine wirksame Umsetzung.
Bezüglich der ehrgeizigen Pläne zum Ausbau des Sektors sind Herausforderungen bei sozialen und Arbeitnehmerrechten sowie bei Menschenrechtsrisiken zu verzeichnen: Ma’aden hat zwar ein Community Management System, also einen Leitfaden für den Umgang mit betroffenen lokalen Gemeinden. Wenig verankert in Saudi-Arabien sind jedoch gesetzliche Vorgaben zur Unternehmensverantwortung oder eine in anderen Bergbaunationen übliche Social License to Operate, das heißt die Zustimmung und fortlaufende Unterstützung aller lokalen Interessengruppen. Besorgnis erregen Berichte von Menschenrechtsorganisationen: Beim Großprojekt NEOM seien Aktivisten, die sich gegen Zwangsumsiedlungen wehrten, verfolgt und manche zum Tode verurteilt worden.
Im Hinblick auf lokale Beschäftigung sticht die »Saudisierungs«-Politik hervor. Laut Ma’aden liegt der Anteil saudischen Personals im Unternehmen bereits bei 70 Prozent, doch sei es trotz guter Bezahlung schwierig, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Viele neue Stellen sind eher geringqualifizierte, oft wenig attraktive Jobs, die vor allem temporär beim Bau neuer Minen und Weiterverarbeitungsanlagen entstehen. Ob Saudis hierfür gewonnen werden können, bleibt fraglich. Die Arbeitsbedingungen für ausländische Arbeitskräfte in Saudi-Arabien stehen stark in der Kritik. Trotz Verbesserungen der rechtlichen Situation bleibt die Rechtsdurchsetzung schwach, und die Missbrauchsrisiken sind nach wie vor hoch. Darauf verwies auch Amnesty International im Kontext des MoU zwischen dem Vereinigten Königreich und Saudi-Arabien zu Rohstoffen. Hinzu kommt, dass der Arbeitsschutz im Bergbau unzureichend ist, es an effektiven Beschwerdemechanismen fehlt sowie die Gründung freier Gewerkschaften und Streiks unterbunden werden.
Saudi-Arabien dürfte als Handels- und Verarbeitungsstandort künftig an Bedeutung gewinnen. Da das Land aber ähnlich wie China ein »Bindeglied« in der Lieferkette wäre, könnten mangelnde Transparenz und ungenügende Standards europäische Abnehmer vor Herausforderungen stellen. In diesem Zusammenhang sind multilaterale Formate mitentscheidend, um internationale Kooperation und Standards voranzutreiben. Saudi-Arabiens Beteiligung wäre hier wichtig. So ist das Königreich inzwischen Mitglied im International Governmental Forum on Mining and Minerals (IGF), fehlt aber bisher in wichtigen Initiativen wie der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) oder dem neuen Gremium der Vereinten Nationen zu kritischen Mineralien.
Empfehlungen für punktuelle Kooperation mit Saudi-Arabien
Die Stärkung der Resilienz der europäischen Rohstoffversorgung und das De-Risking gegenüber China haben für die EU und Deutschland hohe politische Priorität. Vor diesem Hintergrund sucht Europa nach strategischen Partnern, um seine Lieferketten zu diversifizieren. Saudi-Arabien bietet sich aktiv als Partner in diesem Bereich an – der Boden für engere Kooperation wird derzeit auch über den Golfkooperationsrat bereitet. Bei genauer Betrachtung offenbaren sich jedoch Hindernisse, die Saudi-Arabien für eine strategische Rohstoffpartnerschaft ungeeignet machen.
Zum einen bestehen gravierende systemische Differenzen zwischen Saudi-Arabien und der EU, besonders im Hinblick auf die Regierungsführung, die unmittelbar Folgen für die Wirtschaftspolitik zeitigen. Mit der Vision 2030 will Saudi-Arabien seine Wirtschaft unter staatlicher Kontrolle diversifizieren. Auch der Rohstoffsektor steht durch die Dominanz des Staatsfonds PIF – vor allem durch die Mehrheitsbeteiligungen an Ma’aden und Manara – unter direktem politischem Einfluss. Dies könnte sich auf die operative Effizienz des Sektors auswirken und birgt das Risiko, dass Lieferbeziehungen für außenpolitische Ziele vereinnahmt werden. Ferner trägt die direkte staatliche Kontrolle nicht zur Transparenz bei, und es gibt erhebliche Bedenken hinsichtlich der Umwelt- und Menschenrechtsstandards im Bergbau und in der Weiterverarbeitung. Eine strategische Rohstoffpartnerschaft, die von EU-Unternehmen als politische Unterstützung gewertet und eventuell staatliche Finanzierungen, etwa aus deutschen Rohstofffonds, ermöglichen würde, wird daher gegenwärtig nicht empfohlen.
Dennoch sollte eine gezielte, punktuelle Kooperation mit dem Königreich angestrebt werden. Zum einen spielt Saudi-Arabien eine immer wichtigere Rolle in den mineralischen Lieferketten, zum anderen ist der Wille des Königreichs erkennbar, seine Standardsetzung in Richtung internationaler Best Practices zu verbessern. Die EU könnte gemeinsam mit MSP-Partnern wie den USA und dem Vereinigten Königreich, die bereits mit Saudi-Arabien kooperieren, den Dialog in den Bereichen Governance und Standardsetzung intensivieren und die Einbindung Saudi-Arabiens in internationale Formate wie die EITI fördern.
Des Weiteren ist davon auszugehen, dass europäische Unternehmen künftig mehr in saudi-arabische Lieferketten eingebunden werden, sowohl durch Direktinvestitionen als auch durch Abnahmeverträge, wie im Falle von BMW. Auf deutscher Seite sollte daher der Privatsektor nachdrücklicher unterstützt werden. Zu diesem Zweck böte es sich beispielsweise an, Expertise und Beratungsangebote der Außenhandelskammer (AHK) sowie der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) im Hinblick auf Potenziale, aber auch Risiken und konkrete Sorgfaltspflichten im saudischen Rohstoffsektor auszubauen.
Meike Schulze ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Sie arbeitet im Projekt »Internationale Rohstoffkooperationen als Instrument für eine nachhaltige und resiliente Rohstoffversorgung«, finanziert von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Mark Schrolle ist Informations- und Datenmanager an der SWP und ist tätig im »Forschungsnetzwerk Nachhaltige Globale Lieferketten«, das durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wird.
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DOI: 10.18449/2024A54