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Saudi-Arabien: Aufstrebender Akteur in mineralischen Lieferketten

Kein sicherer Pfeiler für Europas Diversifizierungsstrategie

SWP-Aktuell 2024/A 54, 29.10.2024, 8 Pages

doi:10.18449/2024A54

Research Areas

Saudi-Arabien tritt entschlossen und finanzstark in den geopolitischen Wettbewerb um mineralische Rohstoffe ein. Im Rahmen der Vision 2030 sollen die lokale Weiterverarbeitung und die industrielle Wertschöpfung gestärkt werden. Derzeit verschafft sich Saudi-Arabien mineralische Rohstoffe durch internationale Beteiligungen und Abnahme­verträge, und langfristig soll auch der heimische Bergbau ausgeweitet wer­den. Viele Vor­haben befinden sich noch in der Konzeptionsphase. Für die Verwirk­lichung seiner Pläne ist Saudi-Arabien auf internationale Partner angewiesen. Als geopolitisch »neu­trales Bindeglied« zwischen den Großmächten sucht das Königreich die Annäherung an China, tritt zugleich aber in direkte Konkurrenz zur Volksrepublik. Parallel bietet sich Saudi-Arabien dem Westen als Partner für die Rohstoffdiversifizierung an. Für die EU erscheint eine Kooperation mit Saudi-Arabien als Option, um die eigene Roh­stoffversorgung zu sichern – doch wichtige Grundvoraussetzungen für eine stra­tegische Partnerschaft sind bisher nicht erfüllt.

Die US-chinesische Rivalität, aber vor allem der russische Krieg gegen die Ukraine haben den politischen Willen in der Euro­päischen Union (EU) gestärkt, mehr Auto­nomie in strategischen Sektoren zu erlan­gen. Dies betrifft auch mineralische Roh­stoffe, deren Lieferketten in vielen Fällen von China dominiert werden. Mit dem Critical Raw Materials Act (CRMA) vom Mai 2024 möchte die EU ihre Rohstoffversorgung diversifizieren – zum einen durch den Ausbau euro­päischer Abbau-, Weiterverarbeitungs- und Recyclingkapazitäten, zum anderen durch strategische Part­ner­schaften mit rohstoffreichen Drittstaaten.

Geopolitische Aspekte werden bei der Auswahl von Partnern immer wichtiger. Die USA setzen im Rohstoffsektor auf »Friend-« oder »Allyshoring«, also Partnerschaften mit Staaten, die ähnliche (geo)poli­tische Inter­essen verfolgen. Die USA initi­ierten und leiten die Mine­rals Security Part­nership (MSP), einen Zusam­menschluss vorrangig west­licher Industrienatio­nen für mehr Resilienz in Roh­stoff­lieferketten, dem auch die EU angehört. Diese agiert jedoch diplo­matisch zurück­haltender als die USA, auch wegen ihrer hohen wirtschaftlichen Abhän­gigkeiten von verschiedenen Welt­regionen. Im Fokus der EU stehen die eige­ne Ver­sorgungs­sicherheit und gleichzeitig steigen­de EU-Anforderungen an nachhaltige Liefer­ketten.

Saudi-Arabien präsentiert sich auf internationaler Bühne als neuer Partner für mine­ralische Rohstoffe. Gemäß seiner »Vision 2030« will das Königreich die heimi­sche Wirtschaft modernisieren und diver­si­fizieren. Einen Hauptpfeiler dabei bildet die Beteiligung am globalen Markt mineralischer Rohstoffe. Indem es sich als geopoli­tisch neutra­ler Partner und »Binde­glied« in Lieferketten positioniert, möchte Saudi-Arabien seine außen­wirtschaftlichen Be­zie­hungen erweitern – auch um lukrative Ko­operationen im Roh­stoffsektor einzu­gehen.

Mit dem engen Verbündeten USA arbeitet Saudi-Arabien bereits zusammen. Paral­lel dazu verstärkt es seine Bezie­hungen zu China, doch verläuft die Annäherung zöger­lich. Der Markteintritt Saudi-Ara­biens und dessen enge Bin­dung an die USA lassen das Königreich für die EU als attrak­tive Diversi­fizierungsoption erscheinen. Noch gibt es keine institutionalisierte Ko­operation bei mineralischen Roh­stoffen. Allerdings ist das Königreich kein sicherer Pfeiler für die Diversifizierungs­ziele der EU. Die Umsetzung der ambitionierten saudi­schen Pläne steht vor zahl­reichen Herausforderungen, und die Domi­nanz des saudi­schen Staats­fonds (Public Investment Fund, PIF) in dem Sektor gibt Anlass zu weiteren Bedenken. Auch be­stehen erhebliche Risiken in Bezug auf Umwelt- und Menschenrechte.

Vision 2030: Bergbau und industrielle Wertschöpfung

Der Wohl­stand Saudi-Arabiens basiert in erster Linie auf der Produktion und dem Export von Erdöl und Erdgas. Doch der globale Ölpreisverfall 2014/15 sowie die an Fahrt gewinnende Grüne Transforma­tion drängen das Königreich, sein Wirtschaftsmodell zu diversifizieren. Mit der im Jahr 2016 verkündeten Vision 2030 reagierte das saudische Königshaus auf diese Heraus­forderungen und investiert nun massiv in Tourismus, erneuerbare Energien (EE) und milliardenteure Bauprojekte wie die Mega­city NEOM. Auch der Ausbau des Bergbausektors wird ehrgeizig vorangetrieben. Dies umfasst die Erschließung mineralischer Rohstoffreserven, der Schwerpunkt liegt jedoch auf der Steigerung der Verarbeitungskapazitäten im Inland. Zudem soll Saudi-Ara­biens industrielle Wertschöpfung durch Batterie- und Wasserstoffproduktion sowie die Herstellung von E-Autos erhöht werden. Hierfür versucht das Land Partner und Know-how zu gewin­nen – sowohl im Westen als auch in China, dessen strategisches Vorgehen im Rohstoffsektor dem jet­zigen Ansatz Saudi-Arabiens ähnelt. Dessen Bemühungen werden auf verschiedenen Stufen der Lieferkette – vom Abbau der Roh­stoffe bis zur Produktion von E‑Autos – im Wesentlichen von der Finanz­kraft des saudischen Staatsfonds getragen. Dies wirft Fragen zur Marktfähigkeit von Projekten und zu mög­lichen Risiken bei Kooperationen auf.

Bisher spielte der Bergbau mit einem Anteil von unter einem Prozent am BIP eine untergeordnete Rolle in der saudischen Wirtschaft. Der Abbau konzentriert sich vor allem auf Gold. Überdies werden derzeit unter anderem Phosphat, Bauxit, Kupfer, Zink, Feldspat und Silber abgebaut. Aller­dings entsprach der Anteil bei den von der EU als strategisch eingestuften Mineralien Kupfer und Feldspat lediglich 0,3 bzw. 1,6 Prozent der globalen Produktion. Nun hat Saudi-Arabien wiederholt beträchtliche Investitio­nen in den inländischen Bergbau angekündigt – zuletzt die Zielmarke von rund 46 Milliarden US-Dollar bis 2030. Allein das Konsortium Ajlan & Bros plant mit dem bri­tischen Unternehmen Moxico Resources bis 2030 Investitionen von un­gefähr 14 Milliar­den US-Dollar.

Auf internationaler Bühne ist Saudi-Arabien bemüht, sich mit positivem Image im internationalen Rohstoffmarkt einzu­fügen. Mit der Ausrichtung des seit 2022 jährlich stattfindenden Future Minerals Forum (FMF) versucht sich Saudi-Arabien als eine Drehscheibe der internationalen Rohstoffdiplomatie zu präsentieren. An­läss­lich des jüngsten FMF im Januar 2024 ver­öffentlichte Saudi-Arabien eine neue Schät­zung seiner mineralischen Rohstoffvorkom­men, deren Gesamtwert sich auf 2,5 Billio­nen US-Dollar belaufen soll. Sie umfassen auch unerschlossene Bodenschätze wie Seltene Erden. Gegen­wärtig betreibt der staatliche saudi­sche Bergbaukonzern Saudi Arabian Mining Company (Ma’aden) 17 lokale Abbaustätten. Wegen der bisher mangelnden geologischen Datengrundlage initiierte Saudi-Arabien 2020 ein 530 Mil­lionen US-Dollar schweres Programm zur geologischen Erkundung, für welches das Königreich mit dem chinesischen geologischen Dienst ko­operiert. Saudi-Arabien ist bei Explorationen wie neuen Bergbau­projekten auf ausländische Expertise sowie Investitionen angewiesen und versucht dafür internationale Unternehmen anzu­werben. So trat im Jahr 2021 eine Reform des Bergbaurechts in Kraft, die den Zugang ausländischer Firmen zu Berg­baulizenzen vereinfachen soll. Tatsächlich stieg die Zahl der erteilten Abbaulizenzen zwischen 2021 und 2023 von 8 auf 19, wäh­rend sich die der Explorationslizenzen von 58 auf 259 mehr als vervierfachte.

Ausländische Investoren müssen zurzeit beim saudischen Investitionsministerium eine Lizenz beantragen, wenn sie im Land tätig sein wollen. Ab Februar 2025 soll dies durch eine Gesetzesänderung erleichtert werden: Statt einer Lizenz wird nur noch eine vereinfachte Registrierung notwendig sein, und ausländischen Investoren wird die Gleichstellung mit saudischen Unternehmen zugesichert. Die weiteren Regularien für Bergbauunternehmen wie die Lizenzierung von Abbauprojekten liegt beim Minis­terium für Industrie und Bergbau. Dieses hat im Januar 2024 ein Förderprogramm für Explorationen im Umfang von 182 Mil­lionen US-Dollar aufgelegt, das finanzielle Risiken für Unternehmen minimieren soll. Trotz dieser Maßnahmen wird es noch Jahre dauern, bis die Produktion im saudi­schen Bergbausektor deutlich gesteigert werden kann – auch weil Planung und Bau neuer Minen enorm zeitaufwendig sind.

Strategische Metalle: Weiterverarbeitung im Fokus

Ein Hauptziel der Vision 2030 ist es, durch den Aufbau strategischer Industriezweige die Wertschöpfung in Saudi-Arabien zu er­höhen und auch Arbeitsplätze für die junge Bevölkerung zu schaffen. Im Fokus stehen derzeit die für Energiewende und Batterieproduktion kritischen Metal­le Nickel, Lithi­um und Kupfer sowie zusätz­lich Eisen. Mit dieser Strategie tritt Saudi-Arabien in Kon­kurrenz zu China, das bereits hohe Produk­tions(über)kapazitäten aufweist, und zu Ländern des Globalen Südens, die eben­falls die Weiterverarbeitung von Rohstoffen sowie nachgelagerte Lieferketten im jeweils eigenen Land aufbauen wollen. Bisher ver­schafft sich Saudi-Arabien diese Rohstoffe haupt­sächlich durch Investitionen und Ab­nahme­verträge im Ausland, da die inländi­schen Vorkommen begrenzt sind und der Ausbau des hei­mischen Bergbausektors noch Zeit braucht.

Anfang 2023 wurde die Manara Minerals Investment Company (kurz Manara) als Joint Venture zwischen Ma’aden und dem saudischen Staatsfonds PIF gegründet, um in Bergbauprojekte und -unternehmen im Aus­land zu investieren. So erwarb Manara für etwa 2,5 Milliarden US-Dollar einen knapp zehnprozentigen Anteil an der Metall-Sparte des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale. Darüber hinaus bahnen sich Investi­tionen in eine Kupfer-Gold-Mine in Pakistan sowie in eine kanadisch geführte Kupfermine in Sambia an. Auch bekundete Manara im Juli 2024 Interesse an einer Partnerschaft mit dem chilenischen Bergbaukonzern Codelco im Lithiumabbau. Zudem fanden Gespräche in afrikanischen Staaten wie Guinea, Tansania und der Demokratischen Republik Kongo statt. Dabei ist Saudi-Arabiens Vor­gehen eher passiv angelegt, da es über Manara vor allem Projektbeteiligungen erwirbt, ohne das Management zu übernehmen. Die Inve­stitions­vorhaben sind jedoch mit vertrag­lichen Abnahmegarantien versehen, für die Manara eine eigene Rohstoffhandelssparte aufbaut.

Bei den Bemühungen, Arbeitsplätze zu schaffen und eine »Saudisierung« der Beschäftigungslandschaft zu forcieren, ist der indus­trielle Bergbausektor jedoch von untergeordneter Bedeutung. Denn der Betrieb großer Minen bietet im Kern relativ wenige gutbezahlte Arbeitsplätze. Das Arbeitsmarktpotenzial liegt im verarbeitenden Gewerbe der nachgelagerten Liefer­ketten, wofür das Land aktiv internationale Partner sucht. So soll die saudische Stah­l­industrie mit Investitionen von etwa 12 Milliarden US-Dollar unter Beteiligung türkischer und chinesischer Unternehmen erweitert werden. Bei der Förderung von Bauxit und der heimischen Verarbeitung zu Aluminiumwalzprodukten kooperiert das Land seit 2009 mit dem US-Konzern Alcoa. Darüber hinaus gründete der saudi­sche Staatsfonds (PIF) mit dem taiwanesischen Elek­tronikkonzern Foxconn im November 2022 das Joint Venture Ceer Motors. Als eigene saudi­sche Automarke soll es eben­falls Elektrofahrzeuge produzieren. BMW ist als Lieferant für Teile der Fahrzeug­technik involviert.

Dennoch treffen die ehrgeizigen Pläne der Vision 2030 auf Schwierigkeiten und Verzögerungen. Zum Beispiel sollte die Produktionsstätte von Ceer Motors bereits 2025 E-Autos herstellen, doch der Bau der vorgesehenen Fabrik läuft gerade erst an. Bei seinem Bemühen, Weiterverarbeitung und Automobilproduktion im eigenen Land anzusiedeln, könnte es Saudi-Arabien schwer­fallen, sich gegen die internationale Konkurrenz zu behaupten. So müssen vor allem Fachkräfte angeworben werden, und man ist im hohem Maße auf ausländische Expertise angewiesen. Dafür geht Saudi-Arabien auf deutsche wie auch beispielsweise auf chinesische Unternehmen aktiv zu. Chancen lägen in Standort­­vorteilen wie den momentan vergleichs­weise gerin­gen Energiekosten, besonders aber in den Finanzierungsmöglichkeiten durch den PIF.

Dominanz des Staatsfonds

Wie die gesamte Umsetzung der Vision 2030 wird auch das strategische Vorgehen im Rohstoffsektor und den nachgelagerten Sektoren durch den staatlichen PIF finan­ziert. Das Ziel lautet, mit Hilfe öffent­lich-privater Partnerschaften Know-how und Technologie ins Land zu holen, um lang­fristig den saudischen Privatsektor auf­zubauen. Durch den breiten Finanz­einsatz des PIF hat der Staat derzeit enormen Ein­fluss auf den Sektor.

Der PIF hält den Mehrheitsanteil von etwa 65 Prozent am wichtigsten Bergbaukonzern Ma’aden und steht über Manara auch hinter den zuvor genannten saudischen Auslandsinvestitionen im Bergbausektor. Waren für diese zunächst 15 Milliar­den US-Dollar eingeplant, kündigte der Gouverneur des PIF, Yasir Al-Rumayyan, Anfang 2024 an, in den näch­sten zehn Jahren 25 bis 30 Milliarden US-Dollar in ausländische Bergbauprojekte und minera­lische Lieferketten zu investieren. Dies verdeutlicht auch den strukturellen Vorteil des saudischen Staatsfonds: Mit einem geplanten Gesamtvolumen von knapp einer Billion US-Dollar kann der PIF zum einen großzügig Kapital für Bergbauunternehmen und -projekte zur Verfügung stellen, deren Finanzierung aufgrund von Produktions­risiken unsicher wären.

Zum anderen kann der PIF auch in die entsprechenden nachgelagerten Teile der Lieferkette investieren, darunter die Pro­duktion von Batterien und E-Autos. Neben Ceer Motors beteiligt sich der PIF mit etwa 60 Pro­zent auch am kalifornischen Unter­nehmen Lucid Motors. Dieses hat in der Nähe der Hafenstadt Dschidda eine E-Auto-Fabrik eröffnet, in der ab 2026 rund 150.000 E‑Autos montiert werden sollen. Hatte der PIF in den letzten Jahren groß­zügig in ver­schiedenste Sektoren und Unternehmen im Ausland investiert, werden diese Beteiligungen nun immer öfter an Bedingungen geknüpft, beispielsweise die Schaffung lokaler Arbeitsplätze und Zusammen­arbeit mit saudischen Zulieferern.

Der PIF ist allerdings nicht nur ein kapi­talstarkes Vehikel für das wirtschaftspolitische Programm der Vision 2030. Er sichert auch die staatliche Vormachtstellung in den genannten Sektoren ab und dient der Herrschaftssicherung des Kronprinzen und Premierministers Mohammed bin Salman. Seit seinem politischen Aufstieg ab 2015 übt dieser durch seinen Vorsitz im Direkto­rium die Kontrolle über den Fonds aus und kann daher über die Verteilung der finan­ziellen Ressourcen bestimmen. Dementsprechend folgen Investitionsentscheidungen des PIF bei weitem nicht nur einer Ren­diteorientierung oder industriestrategi­schen Überlegungen, sondern auch klien­tilistischen Mustern zugunsten etablierter Wirtschaftseliten mit engen Beziehungen zum saudischen Königshaus. Daraus er­wächst eine Reihe von Risiken hinsichtlich der Transparenz von Investitionsentscheidungen, der langfristigen Tragfähigkeit von Projekten – Lucid Motors benötigte wieder­holt Finanzspritzen des PIF – bis hin zu Korruptionsrisiken und der Gefahr, dass Lieferbeziehungen politisch instrumentalisiert werden könnten.

Saudi-Arabiens Allianzen: Taktieren zwischen West und Ost

Saudi-Arabien strebt im Rahmen der Vision 2030 verstärkte transaktionale Wirtschaftsbeziehungen an und präsentiert sich als geopoli­tisch neutraler Partner, um diese Position in seiner Rohstoffdiplomatie zu nutzen. Dies zeigte sich auch beim FMF im Januar 2024, das 14.000 Teilnehmende und 75 Regie­rungsvertreter:innen zählte. Dabei wurden zahlreiche Absichtserklärungen (Memoranda of Understanding, MoUs) über geopolitische Kon­flikt­linien hinweg ab­gegeben. In der Praxis zeichnet sich jedoch eine engere Zusammenarbeit mit dem Westen ab, für den sich Saudi-Arabien als verlässlicher Part­ner für dessen Diversifizierungsbemühungen positioniert.

Dieser Blick nach Westen zeigt sich auch in der neuen saudischen »Green Shoring Initiative«, mit der das Königreich westliche Investoren mit Blick auf saudische Poten­ziale im Bereich grüner Energie anspricht. Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit den USA, dem trotz wiederholter Span­nungen nach wie vor wichtigsten poli­tischen Partner des Königreichs. Im Jahr 2023 belegten die USA den sechsten Platz bei saudischen Exporten und den zweiten Platz bei den Importen. Die USA und ihre westlichen Ver­bündeten sind auch im saudischen Berg­bau aktiv: Die Netzwerke sind bereits etab­liert, und es wächst die Zahl von Joint Ven­tures mit westlichen Unternehmen, wie im Fall der Bauxitförderung mit Alcoa.

Auf institutioneller Ebene ist die Rohstoffkooperation mit den USA jedoch begrenzt: Es besteht kein Freihandelsabkommen, durch das saudische Firmen direkt vom Inflation Reduction Act (IRA) profitieren könnten, und Saudi-Arabien ist kein Mitglied der US-geleiteten Minerals Security Partnership (MSP). Ein künftiger Beitritt ist unwahrscheinlich, da dieser der zur Schau gestellten geopolitischen Neutra­lität zuwiderliefe. Und doch ist Saudi-Arabien im Zuge des Decoupling von China ein zentraler Partner für die USA. Die beiden Länder führten bereits Gespräche, um kritische Rohstoffe in Afrika zu sichern. Offenbar sehen die USA in Saudi-Arabien einen strategischen Partner für Investitionen in riskanteren Regionen, in denen westliche Unternehmen zögern.

Derartige Kooperationen wären auch für die EU und Deutschland attraktiv. Noch besteht keine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Saudi-Arabien und der EU bei mineralischen Rohstoffen. Doch der Weg wird geebnet: 2022 gaben die EU und der Golfkooperationsrat (GCC) eine gemein­same Erklärung zur strategischen Partnerschaft ab. Beim ersten EU-Golf-Gipfel im Oktober 2024 standen neben regionaler Sicherheit auch die Zusammenarbeit in den Bereichen Energie- und mineralische Liefer­ketten sowie ein mögliches Freihandels­abkommen auf der Agenda. Bisher sind die Lieferbeziehungen zwischen der EU und Saudi-Arabien bei mineralischen Rohstoffen marginal. So gingen 2022 beispielsweise rund 12 Prozent der saudischen Aluminium­exporte in die EU. Deutsche Unter­neh­men sind vor Ort aktiv, darunter Siemens mit einem milliardenschweren Kraftwerks­auftrag. Zudem ist eine zweite Lithium-Verarbeitungsanlage in Planung, die öster­reichisches Lithiumerz verarbeiten und unter anderem BMW beliefern soll.

Nach Osten stärkt das Königreich seine Beziehung mit China – die bis jetzt eher transaktional ist und auf politischer Ebene als ausbaufähig gilt. Die Annäherung ist maßgeblich durch den Energiesektor ge­prägt: China ist der mit Abstand größte Abnehmer saudischen Öls. Gegen­seitige Investitionen nehmen zu, auch wenn sie noch hinter denen mit westlichen Staaten zurückbleiben. Im Rohstoffsektor arbeiten die geologischen Dienste der beiden Länder zusammen. Ferner wur­den bei einem Be­such saudischer Vertreter in China Koopera­tionen im Bereich der Weiterverarbeitung mineralischer Roh­stoffe vereinbart.

Bislang sind keine größeren chinesisch-saudischen Investi­tionsprojekte im Bergbau bekannt. Ein Grund dafür ist sicher die (potenzielle) Konkurrenz im Rohstoffsektor. China verfügt bereits über hohe Weiterverarbeitungskapazitäten, von denen es stra­te­gisch profitieren kann. Fraglich bleibt, in­wiefern die Volksrepublik gewillt ist, eigene Technologien zu teilen oder Joint Ventures anzustre­ben. Überdies zeichnet sich auch bei der Rohstoffdiplomatie Konkurrenz ab. Auf dem FMF 2024 stellte Riad das Konzept einer mineralischen »Super-Region« vor, die sich unter saudischer Füh­rung von Afrika bis Zentralasien erstrecken soll – ein Pro­jekt, das stark an die chine­sische Belt and Road Initiative erinnert.

Ähnliches zeigt sich bei der BRICS+-Ko­operation im Rohstoffsektor. Das Angebot an Saudi-Arabien, BRICS+ beizutreten, hatte internationale Aufmerksamkeit erregt, da ein Beitritt das Forum um einen wichtigen Rohstoffproduzenten erweitern würde. Doch Saudi-Arabien zeigt wenig Interesse. Es nimmt zwar an BRICS+-Treffen teil, wird jedoch als passiv wahrgenommen und hat noch keinen offiziellen Mitgliedsstatus. Zudem ist die BRICS+-Rohstoffkooperation weniger aktiv, als es die öffentliche Wahr­nehmung nahelegt. Zwar wurden erste Schritte zur Zusammen­arbeit der geologischen Dienste eingeleitet. Unkonkret aber bleibt die Ein­richtung einer präferentiellen Handelsplattform, wie sie seitens der MSP-Mitglieder geplant ist. Die Befürch­tung west­licher Akteure, BRICS+ bereite eine Kartellbildung im Rohstoffsektor vor, sind gegenwärtig unbegründet. Im Gegensatz zum Ölmarkt sind mineralische Lieferketten komplexer, was die Bildung eines Kartells erschwert. Außerdem besteht eine starke Standortkonkurrenz, besonders in der bis­lang von China domi­nierten Weiterverarbeitung.

Die diplomatischen Bemühungen Saudi-Arabiens – wie auch anderer Golfstaaten – richten sich zunehmend auf mineral­­reiche Länder im Globalen Süden, vorrangig in Afrika und Lateinamerika, um Beteiligungen an Bergbauprojekten zu erzielen. So besuchte der saudi­sche Bergbauminister Bandar Al-Khorayef im Juli 2024 Chile und Brasilien. Auch beim ersten Saudi-Arabien-Afrika-Gipfel 2023 spielte das Thema Roh­stoffe eine zentrale Rolle, und saudische Delegationen sind in Ländern mit geplanten Investitionen wie Sambia aktiv.

Im Globalen Süden wird das saudische Engagement als zwiespältig wahrgenommen: Einerseits wird begrüßt, dass Saudi-Arabien als geopolitisch »neutraler« Akteur ohne westliche Kolo­nialgeschichte und finanzstarker fast-track-Investor neben China auftritt. Ande­rer­seits begegnen einige Akteure dem Newcomer mit Vorbehalten. Erstens bietet das Königreich mineralreichen Entwicklungsländern »Investitionspakete« ähnlich denen Chinas, wird jedoch aufgrund seiner Unerfahrenheit und der Zweifel an der Umsetzung kritisch betrachtet. Verstärkt wird diese Sorge durch schnelle und intrans­parente Deals. Zweitens werden die Pläne, Weiterverarbeitung und Technologieproduktion im eigenen Land anzusiedeln, in Frage gestellt, da sie den Am­bitionen der Förderländer widersprechen.

Risiken bei Lieferkettenstandards und Transparenz

Die Frage der Transparenz und Standardsetzung in Rohstofflieferketten beschäftigt auch die EU in ihrem Diversifizierungsstreben. Saudi-Arabien zeigt den Wil­len, »Best Practices« in Bezug auf ESG-Kri­terien (Um­welt, Soziales und Unternehmensführung) umzusetzen. Doch die EU sollte hier genau­er hinschauen, denn es gibt Lücken bei der Standardsetzung und -umsetzung im saudi­schen Bergbausektor und entlang der Liefer­ketten. Das ist für euro­päische Abnehmer unmittelbar relevant: Mit der Verabschiedung des europäischen Lieferkettengesetzes (CSDDD) und dem bevorstehenden Verbot von Zwangs­arbeit bei Produkten auf dem EU-Markt werden die gesetzlich ver­ankerten unternehmerischen Sorgfaltspflich­ten erheb­lich ausgeweitet. Die Informa­tionen zur Nachhaltigkeits-Gover­nance im saudischen Bergbausektor sind derzeit spär­lich. Das 2021 überarbeitete Bergbaurecht gilt zwar als das fortschrittlichste in der Golfregion, doch verweisen die Ana­lysen auf Defizite bei der Standard­setzung und -umsetzung. Außerdem bemängeln Beobachter den begrenzten Zugang zu aktuellen und trans­parenten Daten.

Die Dekarbonisierung steht im Fokus der saudischen Vision 2030. Künftig soll gün­stige grüne Energie einen Standortvorteil bieten, vor allem für energieintensive Indu­strien wie Stahl und Aluminium, die dem Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) der EU unterliegen. So strebt auch Ma’aden Klimaneutralität bis 2050 an. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, denn zurzeit basiert der Standortvorteil der nied­rigen Energiekosten Saudi-Arabiens auf der Nutzung fossiler Brennstoffe. Dagegen lag der saudische EE-Anteil an der Stromerzeugung 2023 bei nur 1,4 Prozent. Neben der Dekarbonisierung bleibt bei anderen Um­weltstandards im saudi­schen Bergbausektor noch einiges zu tun. Lizenzbewerber in Saudi-Arabien müssen eine Umweltverträglichkeitsprüfung und einen Managementplan vorlegen und seit 2021 finanzielle Garantien für die Umweltrehabilitation bereitstellen. Laut einer Studie besteht jedoch Anpas­sungsbedarf, denn zum einen seien die ak­tu­ellen Regelungen zu vage, zum anderen behinderten fehlende Leit­linien und schwa­che Sanktionen eine wirksame Umsetzung.

Bezüglich der ehrgeizigen Pläne zum Ausbau des Sektors sind Herausforderungen bei sozialen und Arbeitnehmerrechten sowie bei Menschenrechtsrisiken zu ver­zeichnen: Ma’aden hat zwar ein Community Management System, also einen Leit­faden für den Umgang mit betroffenen lokalen Gemeinden. Wenig ver­ankert in Saudi-Arabien sind jedoch gesetzliche Vor­gaben zur Unternehmensverantwortung oder eine in anderen Bergbaunationen übliche Social License to Operate, das heißt die Zustimmung und fortlaufende Unter­stützung aller lokalen Interessengruppen. Besorgnis erregen Berichte von Men­­schen­rechtsorganisationen: Beim Groß­projekt NEOM seien Aktivisten, die sich gegen Zwangsumsiedlungen wehr­ten, ver­folgt und manche zum Tode ver­urteilt worden.

Im Hinblick auf lokale Beschäftigung sticht die »Saudisierungs«-Politik hervor. Laut Ma’aden liegt der Anteil saudischen Personals im Unternehmen bereits bei 70 Prozent, doch sei es trotz guter Bezahlung schwierig, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Viele neue Stellen sind eher geringqualifizierte, oft wenig attraktive Jobs, die vor allem tem­porär beim Bau neuer Minen und Weiterverarbeitungs­anlagen entstehen. Ob Saudis hierfür gewonnen werden können, bleibt fraglich. Die Arbeitsbedingungen für aus­ländische Arbeitskräfte in Saudi-Arabien stehen stark in der Kritik. Trotz Verbesserungen der rechtlichen Situation bleibt die Rechtsdurchsetzung schwach, und die Missbrauchs­risiken sind nach wie vor hoch. Darauf verwies auch Amnesty International im Kontext des MoU zwischen dem Vereinig­ten Königreich und Saudi-Arabien zu Roh­stoffen. Hinzu kommt, dass der Arbeitsschutz im Bergbau unzureichend ist, es an effektiven Beschwerde­mechanismen fehlt sowie die Gründung freier Gewerkschaften und Streiks unterbunden werden.

Saudi-Arabien dürfte als Handels- und Verarbeitungsstandort künftig an Bedeu­tung gewinnen. Da das Land aber ähnlich wie China ein »Bindeglied« in der Liefer­kette wäre, könnten man­gelnde Trans­parenz und ungenügende Standards euro­päische Abnehmer vor Herausforderungen stellen. In diesem Zusammenhang sind multilaterale Formate mitentscheidend, um internatio­nale Koope­ration und Standards voranzutreiben. Saudi-Arabiens Beteiligung wäre hier wich­tig. So ist das Königreich in­zwischen Mit­glied im International Govern­mental Forum on Mining and Mine­rals (IGF), fehlt aber bisher in wichtigen Initia­tiven wie der Extractive Industries Trans­parency Initia­tive (EITI) oder dem neuen Gremium der Vereinten Nationen zu kriti­schen Mineralien.

Empfehlungen für punktuelle Kooperation mit Saudi-Arabien

Die Stärkung der Resilienz der europäischen Rohstoffversorgung und das De-Risking gegenüber China haben für die EU und Deutschland hohe politische Priorität. Vor diesem Hintergrund sucht Europa nach strategischen Partnern, um seine Liefer­ketten zu diversifizieren. Saudi-Ara­bien bietet sich aktiv als Part­ner in diesem Bereich an – der Boden für engere Ko­operation wird derzeit auch über den Golf­kooperationsrat bereitet. Bei genauer Be­trachtung offen­baren sich jedoch Hindernisse, die Saudi-Arabien für eine strate­gische Rohstoff­partnerschaft ungeeignet machen.

Zum einen bestehen gravierende systemische Differenzen zwischen Saudi-Arabien und der EU, besonders im Hinblick auf die Regierungsführung, die unmittelbar Folgen für die Wirtschaftspolitik zeitigen. Mit der Vision 2030 will Saudi-Arabien seine Wirt­schaft unter staatlicher Kontrolle diversifizieren. Auch der Rohstoff­sektor steht durch die Dominanz des Staats­fonds PIF – vor allem durch die Mehr­heitsbeteiligungen an Ma’aden und Manara – unter direktem politischem Einfluss. Dies könnte sich auf die operative Effizienz des Sektors aus­wirken und birgt das Risiko, dass Liefer­beziehungen für außenpolitische Ziele vereinnahmt werden. Ferner trägt die direkte staat­liche Kontrolle nicht zur Trans­parenz bei, und es gibt erhebliche Bedenken hin­sichtlich der Umwelt- und Menschenrechtsstandards im Bergbau und in der Weiterverarbeitung. Eine strategische Rohstoffpartnerschaft, die von EU-Unter­nehmen als politi­sche Unter­stützung gewertet und eventuell staat­liche Finanzierungen, etwa aus deut­schen Rohstofffonds, ermöglichen würde, wird daher gegenwärtig nicht empfohlen.

Dennoch sollte eine gezielte, punktuelle Kooperation mit dem Königreich angestrebt werden. Zum einen spielt Saudi-Arabien eine immer wichtigere Rolle in den mine­ralischen Lieferketten, zum anderen ist der Wille des Königreichs erkennbar, seine Standardsetzung in Richtung internatio­naler Best Practices zu verbessern. Die EU könnte gemeinsam mit MSP-Partnern wie den USA und dem Vereinigten Königreich, die bereits mit Saudi-Arabien kooperieren, den Dialog in den Bereichen Governance und Standardsetzung intensivieren und die Einbindung Saudi-Arabiens in internatio­nale Formate wie die EITI fördern.

Des Weiteren ist davon auszugehen, dass europäische Unternehmen künftig mehr in saudi-arabische Lieferketten eingebunden werden, sowohl durch Direktinvestitionen als auch durch Abnahmeverträge, wie im Falle von BMW. Auf deutscher Seite sollte daher der Privatsektor nachdrücklicher unterstützt werden. Zu diesem Zweck böte es sich bei­spielsweise an, Ex­pertise und Beratungsangebote der Außenhandelskammer (AHK) sowie der Deutschen Roh­stoffagentur (DERA) im Hinblick auf Poten­ziale, aber auch Risiken und konkrete Sorgfaltspflichten im saudi­schen Rohstoff­sektor auszubauen.

Meike Schulze ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Sie arbeitet im Projekt »Internationale Rohstoffkooperationen als Instrument für eine nachhaltige und resili­ente Rohstoffversorgung«, finanziert von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Mark Schrolle ist Informations- und Datenmanager an der SWP und ist tätig im »Forschungsnetzwerk Nachhaltige Globale Lieferketten«, das durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wird.

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