Die Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten hat Konsequenzen für die Rolle der USA in Ostasien, die auch Europa empfindlich treffen könnten. Eine Analyse von Volker Stanzel.
Kurz gesagt, 10.11.2016 ForschungsgebieteDie Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten hat Konsequenzen für die Rolle der USA in Ostasien, die auch Europa empfindlich treffen könnten. Eine Analyse von Volker Stanzel.
Der erste japanische Regierungskommentar zum Ergebnis der US-Wahlen war wenig aussagekräftig: Die gemeinsame Sicherheitspartnerschaft werde Eckstein der japanisch-amerikanischen Beziehungen bleiben, erklärte der Kabinettssprecher und spiegelte damit die Sprachlosigkeit der japanischen Öffentlichkeit. China dagegen sah sich in früheren Kommentaren bestätigt und sprach, so das Parteiorgan »Volkszeitung«, von der »kranken Demokratie« Amerikas. In beiden Ländern hat Trumps Wahlsieg das Bild eines geschwächten Amerikas bestätigt.
China muss nun größere Achtsamkeit walten lassen
Was von der – gewöhnlich sorgsam kontrollierten und vom Propagandaministerium gepflegten – Internet-Öffentlichkeit in China in den letzten Wochen zu lesen war, stimmte passgenau mit der inzwischen generell unter Xi Jinping immer lauter propagierten Linie von der Unterlegenheit des westlichen demokratischen Systems überein: Vom »Chaos« in den USA war die Rede oder davon, dass die »demokratischen Wahlen die USA zur Zielscheibe internationalen Spotts« machten. Entsprechend schrieb die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua nach Trumps Wahlsieg, die Amerikaner »rebellierten gegen die politische Klasse und die Finanzeliten«.
Längst hat sich aus Sicht Pekings auch gezeigt, dass der von Obama eingeleiteten »Neuausrichtung nach Asien« (»pivot to Asia«) die notwendige Durchsetzungskraft fehle. Der vom philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte im Oktober in Peking mit den Worten »Amerika hat verloren« verkündete Bündniswechsel eines der wichtigsten amerikanischen Verbündeten in Asien schien endgültig zu belegen, dass die Dominanz der USA in Ostasien auf tönernen Füßen steht.
Doch ein Ende der Sicherheitsgarantie der USA für die Region, wie von Trump in Aussicht gestellt, etwa mit eigenen Nuklearwaffen Japans und Südkoreas, würde auch größere Unsicherheit für China bedeuten. Mag auch die sich erratisch in populistischen Themen verlierende Wahlkampfrhetorik Donald Trumps zum von der Volksrepublik gern gezeichneten Bild der ziellos taumelnden, absteigenden Supermacht gepasst haben, die Unkalkulierbarkeit des neuen US-Präsidenten dürfte für Peking ein Risiko darstellen. China wird daher zwar versuchen, an seiner bewährten Strategie festzuhalten, mit großzügigen Angeboten wirtschaftlicher Kooperation an die Staaten der Region und Schritten zur militärisch unterfütterten Durchsetzung seiner Territorialansprüche im westlichen Pazifik die USA in die Defensive zu drängen. Es wird dabei aber zunächst größere Achtsamkeit walten lassen müssen als in den vergangenen Jahren, da es sich nicht sicher sein kann, ob Trump nicht womöglich mit größerer Härte auf chinesische Vorstöße reagieren wird als der rational handelnde Obama. So war denn der offizielle Glückwunsch Präsident Xi Jinping fast eine Beschwörung. Er wolle mit Trump an der Aufrechterhaltung »der Prinzipien von Konflikt- und Konfrontationsvermeidung, gegenseitigen Respekts und einer Win-win-Kooperation“ arbeiten.
Für Japan könnte die EU ein wichtigerer Partner werden
Die japanische Politik und Öffentlichkeit hatten den Wahlkampf mit ungläubigem Staunen verfolgt. Früher als in den USA und in Europa allerdings schrieb man Trump ab, 88 Prozent der Japaner waren auf Seiten Hillarys, nur sieben Prozent auf der Trumps. Wohl auch wegen seiner in der japanischen Gesellschaft kaum vorstellbaren Beleidigungen in alle Richtungen wurde er letztlich nicht ernst genommen.
Japan wird nun jedoch gleich zwei gewichtige Probleme haben. Da ist zum einen das Transpazifische Partnerschaftsabkommen (TPP) über eine weitreichende Freihandelszone, die Nordamerika, lateinamerikanische Pazifikstaaten sowie ost- und südostasiatische Staaten umfassen soll. Tokio hat ein großes Interesse, dass das TPP zustande kommt. Wesentliche Zweifel am Sinn großer Freihandelszonen gibt es dort kaum mehr, seitdem Premierminister Abe die Befürworter stärkeren Schutzes für die japanische Landwirtschaft in seiner eigenen Partei niedergerungen hat. Zum anderen ist da die japanisch-amerikanische Sicherheitsallianz, die Grundlage der amerikanischen Sicherheitsgarantie für ganz Ost- und Südostasien ist.
Mit dem Amtsantritt Trumps sieht Japan nun die Frage auf sich zukommen, ob es lohnt, alle Hebel in Bewegung zu setzen, die TPP-Verhandlungen noch bis zum Jahresende abzuschließen, und entsprechend Druck auf die USA zu entwickeln, dem Trump sich nicht entziehen kann. Die Furcht ist groß, so ein Vertreter des Finanzministeriums, dass Trump die Rolle der USA als Vorkämpfer des Freihandels vollständig aufkündigen könnte. Die Alternative wäre ein pazifisches Abkommen ohne die USA. Ähnlich dramatisch könnte sich die Sicherheitslage Japans entwickeln. Trumps Einlassung während des Wahlkampfs, Japan solle sich mit eigenen Nuklearwaffen um seine Sicherheit kümmern oder den USA mehr zahlen, schien vollständig außerhalb der Realität, eine »Wahnvorstellung«, wie die Tageszeitung Yomiuri Shimbun schrieb. Nun aber geht es für Japan darum, Trump klarzumachen, dass die amerikanisch-japanische Sicherheitsallianz dem Schutz amerikanischer Interessen in der gesamten Region dient und ein Rückzug der USA die bisherigen strategischen Gegebenheiten zugunsten Chinas umkehren würde. Fast als erkläre er dem neuen US-Präsidenten die Welt, klang deshalb wohl der Glückwunsch Premierminister Shinzo Abes: »Die Stabilität der asiatisch-pazifischen Region, die die Weltwirtschaft antreibt, bringt den USA Frieden und Wohlstand«. Japan und die USA seien »unerschütterlich« durch Werte wie Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Recht und Gesetz verbundene Alliierte.
Japan als Antreiber der amerikanischen Politik: dies immerhin wäre als Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen etwas Neues im amerikanisch-japanischen Verhältnis. Möglich auch, so ein Berater Abes am Tag nach der Wahl, dass die japanische Regierung unter diesen Umständen selbst mit der in Sachen Freihandel kaum beweglich scheinenden EU neuen Schwung in die laufenden Verhandlungen über ein EU-Japan-Freihandelsabkommen zu bringen versucht. Europa sollte zudem darauf gefasst sein, dass der Wahlsieg Trumps nicht nur größere Aufgaben für die europäische Politik in Europa selbst bedeutet, sondern dass womöglich angesichts der zu erwartenden größeren Unsicherheit im Wirtschafts- wie im Sicherheitsbereich mehr europäisches Engagement in Ostasien gefordert sein wird.
Botschafter a.D. Dr. Volker Stanzel forscht als Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Asien.
Der Text ist auch bei Handelsblatt.com erschienen.
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