In Japan herrscht Aufbruchsstimmung unter Shinzo Abe, der Ende 2012 – nach einer ersten Amtszeit 2006/2007 – erneut Premierminister wurde. In seiner zweiten Regierungszeit will Abe nicht nur den wirtschaftlichen Verfall Japans aufhalten. Er möchte auch verhindern, dass das Land weiter an geopolitischer Bedeutung verliert, und es zu alter Stärke zurückführen.
Dabei hat Abe eine Reihe sicherheitspolitischer Neuerungen initiiert, so die seit Jahren erste Erhöhung des Verteidigungsetats (im Haushaltsjahr 2013), die Einführung eines Nationalen Sicherheitsrates und einer Sicherheitsstrategie (Dezember 2013), die Lockerung bisher geltender Rüstungsexport-Restriktionen (April 2014) und die Neuauslegung des „Friedensartikels“ der Verfassung (Juli 2014). Nach Ansicht vieler Beobachterinnen und Beobachter zeichnen sich damit einschneidende Veränderungen in Japans Sicherheitspolitik ab.
Eine detaillierte Analyse zeigt jedoch, dass den Neuerungen unter Abe international zu viel Bedeutung beigemessen wird. Wer hier bahnbrechende Veränderungen oder gar einen Richtungswechsel zu erkennen glaubt, übersieht den Wandlungs- und Anpassungsprozess, den Tokio bereits seit Ende des Kalten Krieges durchläuft. Abes Reformen sind logische Konsequenz und Resultat einer schon lange vorangetriebenen Neuausrichtung der japanischen Sicherheitspolitik.
Angesichts eines komplexen Umfeldes sucht die Abe-Regierung das Land besser vor Sicherheitsrisiken zu schützen und regionale Entwicklungen im Sinne Japans zu beeinflussen. Dreh- und Angelpunkt der japanischen Außen- und Sicherheitspolitik bleibt dabei das Bündnis mit den USA. Darüber hinaus verstärkt Tokio die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit anderen Partnerinnen und Partnern, besonders Australien und Indien sowie einigen südostasiatischen Staaten.