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Die Tschechische Republik nach den Parlamentswahlen

Arbeitspapier 02, 15.06.2002, 1 Seiten
Ratloser Vaclav Klaus

Ernüchterung und Ratlosigkeit kehrte nach Bekanntgabe der Wahlresultate bei der ODS ein, denn in den Umfragen hatte man lange Zeit geführt und lag vor den Wahlen zumindest gleichauf mit den Sozialdemokraten. Nur noch in der konservativen Hauptstadt und im nordböhmischen Liberec (Reichenberg) ist die ODS stärkste Partei. Gerade in ihrer Hochburg Prag erlitt die Klaus-Partei mit einem Minus von fast 9% ihre schmerzlichsten Einbußen.

Der Wahlausgang zeigte, daß eines der zentralen Elemente der Wahlkampfstrategie der ODS nicht verfangen hat: der verbale Radikalismus, der nicht zuletzt die "Verteidigung nationaler Interessen" betonte und sich nicht davor scheute, die europäische, deutsche und fremdenfeindliche Karte zu spielen. Klaus' schwaches Abschneiden in den Fernsehdebatten, der Abgang des Klaus-Kontrahenten und Prager Bürgermeisters Kasl aus der ODS sowie der weitgehend als störend empfundene Kampagnen-Gag, hunderttausende Bürger per elektronischem Telefonanruf zu überzeugen, dürften mitverantwortlich dafür sein, daß der ODS im Endspurt gegen die CSSD der Atem ausging.

Der ODS-Vorsitzende Klaus, der auf dem letzten Parteikongreß sein politisches Schicksal mit dem Wahlausgang verknüpfte, ist durch das schlechte Ergebnis unter Druck geraten. Er wird aber zunächst kaum zurücktreten, sondern sich bis zu einem eventuellen Sonderparteitag im Herbst Zeit lassen, um Kräfte zu sammeln und sein weiteres Vorgehen zu überdenken. Seine Aussage, er werde sich intensiver Gedanken über einen Nachfolger machen, sind mit Vorsicht zu genießen. Innerparteiliche Widersacher werden ebenfalls zurückhaltend agieren, da sie wissen, daß eine ODS ohne oder gar gegen Vaclav Klaus noch stärker ins Schlingern geraten würde als jetzt.