Am 1. Januar 2002 wurde der Euro als Bargeld eingeführt. Die gemeinsame Währung hat die Auswirkungen externer Schocks auf die Volkswirtschaften des Euroraums gemildert und zu einer tieferen Integration geführt. Doch viele Probleme sind noch ungelöst, meint Paweł Tokarski.
Vor 20 Jahren kamen die ersten Euro-Banknoten und -Münzen in Umlauf. Obwohl die Wechselkurse fast aller Teilnehmerländer bereits zwei Jahre zuvor festgelegt worden waren, markierte erst die Einführung des Euro die unumkehrbare wirtschaftliche Integration in Europa. Denn nach der Vergemeinschaftung der Geldpolitik und der Einführung von Hunderten Tonnen an Euro-Bargeld wäre eine Rückkehr zu nationalen Währungen für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten in einer Katastrophe geendet.
Die globale Finanzkrise und die Euro-Krise haben gezeigt, dass der Binnenmarkt ohne die gemeinsame Währung Euro nicht funktionieren würde – ein Grund hierfür wären die Wechselkursunterschiede. Auch wenn der Euro den Dollar nicht vom ersten Platz im globalen Währungssystem verdrängt hat, schützt er die europäischen Volkswirtschaften vor externen Schocks, also vor negativen Impulsen aus der Globalwirtschaft. Darüber hinaus hat die monetäre Integration ihre Vorteile während der Corona-Krise gezeigt. Ohne den Euro wären einige Mitgliedstaaten nicht nur mit einer Nachfrage- und Angebotskrise konfrontiert, sondern auch mit einer starken Abschwächung ihrer Währung, die sogar zu einer Währungskrise führen könnte. Dies würde die Bekämpfung der Pandemie und die Stützung der Arbeitsplätze durch öffentliche Gelder extrem erschweren. Die Bürger der Europäischen Union scheinen die stabilisierende Wirkung der gemeinsamen Währung zu schätzen: Laut der Eurobarometer-Umfrage vom Mai 2021 sind 80 Prozent der Befragten der Meinung, dass der Euro gut für die EU ist. 70 Prozent glauben, dass der Euro gut für ihr eigenes Land ist. Außerdem wird der Beitritt zur Eurozone als attraktiv angesehen: Kroatien wird höchstwahrscheinlich 2023 in die Eurozone aufgenommen. Bulgarien strebt ebenfalls den Beitritt an. Aufgrund des schwindenden Vertrauens in die Währungen Polens und Ungarns könnte sich die Einführung des Euro im Falle eines Regierungswechsels in diesen Ländern zu einem realistischen Szenario entwickeln.
Großer Reformbedarf in der Eurozone
Trotz dieser Entwicklungen sind viele Probleme des Euroraums auch 20 Jahre nach der Währungsumstellung noch immer ungelöst. Das grundlegende Dilemma besteht zwischen Risikovergemeinschaftung versus Risikobeseitigung. Es geht dabei um die Frage, wie viele Reformen die einzelnen Mitgliedstaaten noch durchführen müssen, bevor eine tiefere Integration der Eurozone, die eine stärkere Risikoverteilung zwischen den Mitgliedstaaten voraussetzt, stattfinden kann. Im Bankensektor beispielsweise geht es darum, die finanzielle Gesundheit der Banken zu verbessern, das heißt, die Kapitalisierung zu erhöhen und den Umfang der notleidenden Kredite zu verringern, bevor eine gemeinsame Einlagensicherung geschaffen werden kann.
Ein zweites Problem ist das Verhältnis zwischen Geld- und Finanzpolitik. Derzeit ist die Europäische Zentralbank der wichtigste Stabilisator des europäischen Schuldenmarktes und wird dies auch bleiben, indem sie ihre Bestände an Staatsanleihen mindestens bis 2024 reinvestiert. Um den Schuldenmarkt der Eurozone zu stabilisieren, ist jedoch eine alternative Lösung erforderlich. Die gemeinsamen Schuldengarantien, wie sie kürzlich von Frankreich und Italien vorgeschlagen wurden, müssen mit Anreizen zur Modernisierung der Wirtschaftssysteme der südlichen Länder der Eurozone kombiniert werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich die Grenzen der Finanzpolitik vor Augen zu halten, die derzeit allzu oft als Zaubermittel für alle wirtschaftspolitischen Probleme angesehen wird. Verbunden mit der Finanzpolitik steht auch die Frage im Raum, wie viele Regeln und wie viel Flexibilität im Euroraum erforderlich sind. Über die entsprechenden Änderungen der Fiskalregeln sind in diesem Jahr hitzige Diskussionen zu erwarten. Denn das Misstrauen zwischen den Ländern im Norden und Süden der Eurozone ist groß, was vor allem auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften und die unterschiedlichen Auffassungen von Wirtschaftspolitik zurückzuführen ist. Die anhaltende Inflation und die Probleme bei der Umsetzung des Konjunkturpakets NextGenerationEU, das Corona-bedingte Schäden für Wirtschaft und Gesellschaft abfedern soll, könnten die unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungen und somit auch die Unstimmigkeiten innerhalb der Eurozone noch verstärken.
Die Euro-Krise hat gezeigt, dass Turbulenzen in einem Mitgliedstaat fatale Folgen für den gesamten Währungsraum haben können. In den kommenden Jahren wird die größte Herausforderung für die Eurozone jedoch nicht die Situation in kleinen Mitgliedstaaten wie Griechenland sein, sondern in den größten von ihnen. Denn die Volkswirtschaften Italien, Frankreich und Deutschland, auf die fast 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone entfallen, sind mit ihren komplexen territorialen Strukturen schwer zu reformieren. Gleichzeitig fehlt es ihnen an realer Konvergenz. Ob die Transformation ihrer Wirtschaftsmodelle unter dem Einfluss der digitalen Revolution, der Klimakrise und des demografischen Wandels gelingt, wird für die weitere Entwicklung des Euro-Währungsprojekts entscheidend sein.
Beitrag zu einer Sammelstudie 2021/S 15, 30.09.2021, 134 Seiten, S. 25–28
Grenzen der Stabilisierung durch die Geldpolitik und die Suche nach Alternativen
doi:10.18449/2021A24
Erfolge mit bescheidenen Mitteln
doi:10.18449/2020S16
Die Pandemiekrise öffnet ein Zeitfenster, um strukturelle Veränderungen in den Staaten des Euroraums anzustoßen, meint Paweł Tokarski. Geldpolitik und Finanzhilfen allein reichen nicht aus.
Ursprünge, Merkmale und Folgen der begrenzten Konvergenz