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Neues Regierungsbündnis
Ein neues Regierungsbündnis
Nach sechs Jahren mit konservativen Regierungen unter Vaclav Klaus und vier Jahren einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung unternimmt CSSD-Chef Vladimir Spidla nun den Versuch, erstmals eine Regierungskoalition der linken Mitte aus Sozialdemokraten, Christdemokraten und gemäßigten Konservativen zusammenzustellen.
Diese Koalition dürfte mit mehreren Problemen konfrontiert werden.
- Mit 101 Stimmen verfügen CSSD, KDU-CSL und US-DEU lediglich über die knappste aller Mehrheiten. Allerdings sind solche Koalitionen oftmals besonders stabil, da sich alle Beteiligten des geringen Manövrierraums bewußt sind. Sollte Vladimir Spidla bei seiner ersten Mission Erfolg haben, so ist davon auszugehen, daß die Koalition mit den christlich-konservativen Parteien zunächst einmal halten würde. KDU-CSL und erst recht US-DEU werden zunächst einmal relativ pflegeleichte Partner für die Sozialdemokraten sein. Widerstand könnte es aus der Parteibasis der CSSD geben. Bereits unmittelbar nach den Wahlen gab es Signale, daß die CSSD-Gefolgschaft in den Regionen eine Alleinregierung bevorzugt hätte.
- Inhaltlicher Kitt wäre für die drei traditionell "proeuropäischen" Gruppierungen der EU-Beitritt der Tschechischen Republik. Friktionen könnte es in Sachen Steuerpolitik und bei den ambitionierten Sozialstaatsplänen des designierten Regierungschefs Spidla zwischen CSSD und US-DEU geben; eventuell könnte es zu Dissonanzen hinsichtlich der Restitution von Kirchenvermögen zwischen CSSD und KDU-CSL kommen. Prinzipiell müßten diese Differenzen aber in den Griff zu bekommen sein. Insbesondere die Aussicht auf eine Vielzahl lukrativer Posten wird Christdemokraten und Freiheitsunion flexibel machen (als Kandidat für das Amt des Außenministers gilt der Chef der Christdemokraten Svoboda). Vor allem durch die Eliminierung von Vertretern der ODS aus staatlichen und halbstaatlichen Einrichtungen und Unternehmen (Konsolidierungsagentur CKA; Fonds für das Nationalvermögen FNM; Cesky Telekom, Energiegigant CEZ usw.) ist Verhandlungsmasse vorhanden. Dazu kommt, daß die US, an der vor vier Jahren noch eine Koalition mit der CSSD scheiterte, ihre Furcht vor den Sozialdemokraten weitgehend abgelegt hat, nachdem sie sah, daß während der Regierung Zeman durchaus eine Reihe von wirtschaftlichen Reformen umgesetzt wurden.
- Mittelfristig wird sich eine sozialdemokratisch geführte Regierung mit dem Grunddilemma zwischen einer generösen Sozialstaatspolitik, wie sie von CSSD-Chef Spidla nachdrücklich angekündigt wurde, und dem Imperativ der Haushaltskonsolidierung (das Budgetdefizit soll von 5,5% des BIP 2001 und noch höheren Werten im laufenden Jahr möglichst rasch auf 3% reduziert werden), wie sie etwa durch den bisherigen Finanzminister Rusnok avisiert wird, auseinandersetzen. Ob sich die sozialliberalen Kräfte in der CSSD im Verein mit der wirtschaftsliberalen US-DEU gegenüber den Wohlfahrtsstaatlern in der Sozialdemokratie durchsetzen, bleibt abzuwarten. Ohne eine Rentenreform und eine Neuordnung des Gesundheitswesens ist aber eine dauerhaft solide Finanzpolitik nur schwer möglich. Vladimir Spidla ist offenbar nicht in Eile: Er erklärte, die öffentlichen Haushalte sollten bis 2007 ausgeglichen sein. Insgesamt wird aber wirtschaftspolitisch vor allem Kontinuität angesagt sein: Man wird versuchen, die Privatisierung voranzubringen bzw. zu beenden (u.a. Telekom, CEZ), das Land für ausländische Investoren weiterhin attraktiv zu halten, den Wohnungsbau anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit effektiver als bisher zu bekämpfen.
- Das eigentliche Problem könnte für die neue Regierung die Opposition werden. Diese besteht aus einer gestärkten radikalen Linken und einer angeschlagenen (und daher besonders unberechenbaren) ODS. Beide Parteien zeichnen sich durch einen Hang zum Populismus, und hierbei insbesondere durch ihr kritisches Verhältnis gegenüber der Europäischen Union und Deutschland, aus. Gerade die ODS könnte versucht sein, noch aggressiver als bisher aufzutreten. Insbesondere wenn das tschechische Referendum über den EU-Beitritt aktuell wird, könnte die ODS eine destruktive Rolle spielen (was sie als bekanntermaßen pragmatische Regierungspartei wohl nicht tun würde).