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Die Tschechische Republik nach den Parlamentswahlen

Arbeitspapier 02, 15.06.2002, 1 Pages

Kai-Olaf Lang

Die Tschechische Republik nach den Parlamentswahlen

Diskussionspapier, Juni 2002

Wahlergebnisse

Die Wahlen zur tschechischen Abgeordnetenkammer haben das politische Koordinatensystem des Landes nach links verschoben: Zusammen erreichten die Kommunisten und die Sozialdemokraten knapp 49% der abgegebenen Stimmen - mehr als je zuvor. Der Linksschwenk ist Folge des Popularitätszuwachses der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSCM), die einen unerwartet hohen Stimmenanteil von 18,5% und als einzige relevante Gruppierung einen Stimmengewinn erzielen konnte. Die bisher regierenden Sozialdemokraten (CSSD) mußten zwar Terrainverluste hinnehmen, blieben aber mit 30% stärkste Kraft. Zu den Verlierern der Wahlen gehört die Demokratische Bürgerpartei (ODS) von Vaclav Klaus, die ihr Ergebnis von 1998 nicht halten konnte (24,5%). Eine herbe Niederlage mußte auch die christlich-liberale Zweierkoalition (KDU-CSL und US-DEU) hinnehmen, deren Popularität gegenüber den letzten Wahlen von 18,6% auf 14,3% sank. Mit der Regierungsbildung wurde von Staatspräsident Havel der sozialdemokratische Parteichef Vladimir Spidla beauftragt, der eine Koalition der linken Mitte aus CSSD und Zweierbündnis anstrebt. Diese hätte eine sehr knappe Mehrheit von 101 der 200 Mandate.

Im Wahlergebnis manifestierten sich Abneigung und Kritik an den politischen Verhältnissen sowie an den etablierten politischen Eliten. Hierbei sind zwei Typen frustrierter Wähler zu unterscheiden: diejenigen, die sich - enttäuscht von der Regierungspolitik der Sozialdemokraten - der radikalen Linken zuwandten; und diejenigen, die - unzufrieden mit der Politik schlechthin und mit der intransparenten Zusammenarbeit zwischen regierender CSSD und tolerierender Quasi-Opposition ODS - gar nicht zu den Wahlurnen gingen. Die Wahlbeteiligung sank dementsprechend auf ein Rekordtief von 58% (-16 Prozentpunkte gegenüber 1998).

Die Wahlen bestätigten überdies, daß Osteuropa anders wählt als Westeuropa. Während im Westen des Kontinents das elektorale Pendel nach rechts ausschlägt, wendet sich der Osten der Linken zu: im vergangenen Herbst in Polen, vor wenigen Wochen in Ungarn und jetzt in der Tschechischen Republik. Rechtsextreme und nationalistische Parteien scheinen momentan mehr Anklang im Westen zu finden als im Osten. Hier sind es vor allem linksradikale und linkspopulistische Gruppierungen, denen Protestwähler zulaufen.