Der Abrüstungsplan für Syrien muss um eine Einigung über Schritte zur politischen Konfliktlösung ergänzt werden. Eine solche Initiative müsste vier aufeinander aufbauende Elemente enthalten, meinen Markus Kaim, Oliver Meier und Volker Perthes.
Kurz gesagt, 27.09.2013 ForschungsgebieteMarkus Kaim
Volker Perthes
Der Abrüstungsplan für Syrien muss um eine Einigung über Schritte zur politischen Konfliktlösung ergänzt werden. Eine solche Initiative müsste vier aufeinander aufbauende Elemente enthalten, meinen Markus Kaim, Oliver Meier und Volker Perthes.
Bisher standen zwei Debatten über den Bürgerkrieg in Syrien, der mittlerweile 110.000 Tote gefordert hat, unverbunden nebeneinander: Zum einen versuchte sich die internationale Gemeinschaft in einem ratlosen und unkoordinierten Krisenmanagement, um das Töten zu beenden. Zum anderen steht seit dem 21. August die Chemiewaffenkontrolle im Vordergrund. Präsident Obama begründete die Androhung militärischer Schläge mit der Abschreckung weiterer Chemiewaffeneinsätze. Der am 14. September zwischen Russland und den USA vereinbarte Rahmenplan betrifft allein die Erfassung, Sicherstellung und Vernichtung der syrischen Chemiewaffen. Auch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates dürfte sich auf die Abrüstungsproblematik konzentrieren.
Dieser Fahrplan für die Abrüstung muss nun durch eine Einigung über Schritte zur politischen Konfliktlösung ergänzt werden. Eine Verschränkung von Abrüstung mit politischen Bemühungen um ein Ende des Bürgerkriegs böte eine große Chance. Allerdings besteht die Gefahr, dass eine Synchronisierung dieser beiden Prozesse scheitert. Um die Gefahr zu minimieren, müssen die Beschlüsse zur Abrüstung jetzt in einen konkreten, mit realistischen und verbindlichen Zeitlinien versehenen Friedensplan überführt werden. Eine entsprechende Initiative müsste vier aufeinander aufbauende Elemente enthalten.
Zügige Umsetzung des Abrüstungsplanes
Erstens geht es darum, dass Syrien den Abrüstungsplan zügig umsetzt. Der in Genf vereinbarte Rahmen wird nun durch Beschlüsse der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) und des UN-Sicherheitsrats konkretisiert. Es ist ein gutes Zeichen, dass Damaskus mit dem Beitritt zum Chemiewaffen-Übereinkommen (CWÜ) und der Offenlegung der eigenen Chemiewaffenbestände erste Schritte gemacht hat. Es kommt nun darauf an, dass UN- und OVCW-Inspektoren die syrischen Angaben schnellstmöglich vor Ort überprüfen können. Gewährt das Regime diese Transparenz nicht, wäre rasch klar, dass es nicht wirklich zur Kooperation bereit ist. Danach geht es um die umfassende Erfassung, Überwachung und Sicherung der Bestände. Ab November 2013 soll mit der Vernichtung der Produktionsanlagen und Chemiewaffenbestände begonnen werden.
Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien
In der gegenwärtigen Sicherheitslage ist eine dauerhafte internationale Kontrolle illusorisch. Voraussetzung für einen Einstieg in die wirksame und überwachte Abrüstung der syrischen Chemiewaffen ist daher zweitens ein Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien. Eine Vereinbarung, die auch andere Elemente wie entmilitarisierte Zonen oder internationale Beobachter enthalten könnte, kann aber nur erreicht werden, wenn einerseits Russland die syrische Regierung und andererseits die Gruppe der „Freunde Syriens“, hier nicht zuletzt die USA und Saudi-Arabien, die Opposition unter Druck setzen. Wie im russisch-amerikanischen Entwurf einer Sicherheitsratsresolution vorgesehen, soll ein erstes Treffen der syrischen Konfliktparteien daher so bald wie möglich einberufen werden.
Zugang für humanitäre Organisationen und Einberufung einer Friedenskonferenz
Drittens gälte es, diesen Waffenstillstand dafür zu nutzen, dass humanitäre Organisationen umfassenden Zugang zu allen Gebieten Syriens erhalten, um Verletzte und Flüchtlinge zu versorgen. Ihre dauerhafte Präsenz leistete auch einen Beitrag zur Trennung der Konfliktparteien.
Ein Zerfall Syriens kann nur im Rahmen eines politischen Prozesses verhindert werden. Der vierte Schritt ist daher die Einberufung der Genf-II-Friedenskonferenz. Auf Einladung der Vereinten Nationen unter der Schirmherrschaft der USA und Russlands sollen an dieser Konferenz eine zivil-militärische Delegation der Damaszener Regierung und ein repräsentatives Team der Opposition teilnehmen. Erstes Ziel ist dann die Bildung einer Übergangsregierung.
Sollte es zu einer solchen Einigung kommen, wird die Vernichtung der Chemiewaffen noch lange nicht abgeschlossen sein. Selbst wenn es gelingt, einen signifikanten Teil der Bestände innerhalb eines Jahres zu vernichten oder außer Landes zu schaffen, wird die Aufgabe der Inspektoren noch lange dauern. Damit wird die Präsenz einer internationalen Schutztruppe weiter notwendig bleiben, etwa um den Zugriff terroristischer Gruppen auf die syrischen Restbestände zu verhindern oder um Inspektionen abzusichern, die nach eventuell nicht deklarierten Chemiewaffen suchen. Ob und wie eine solche Schutztruppe auch ein begleitendes Mandat zur Friedenssicherung erhält, wird ebenso im Rahmen eines Friedensabkommens zu klären sein.
Deutschland kann diesen Prozess mit seiner Erfahrung bei der Kontrolle und Vernichtung von Chemiewaffen unterstützen. Berlin hilft etwa Libyen und Russland bei ähnlichen Programmen. Schon vor der vollständigen Abrüstung der syrischen Chemiewaffen könnten in Berlin heiklere Anfragen eingehen, etwa ob deutsche Soldaten einen Beitrag bei der Sicherung der Chemiewaffenbestände oder im Rahmen einer UN-Friedenstruppe leisten. Wenn es der Bundesregierung mit der Unterstützung von Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie einem Friedensprozess in Syrien ernst ist, sollte sie sich einem solchen Ansinnen nicht entziehen.
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