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Traditionelle Konflikte und dynamische Koalitionen auf der Weltklimakonferenz

COP28: Neue Gestaltungsspielräume in der internationalen Klimapolitik

SWP-Aktuell 2024/A 02, 19.01.2024, 8 Seiten

doi:10.18449/2024A02

Forschungsgebiete

Die Ergebnisse der 28. Weltklimakonferenz zeigen, dass internationale Zusammen­arbeit trotz der geopolitisch schwierigen Lage möglich ist. Statt der befürchteten Blockade einigten sich die Staaten drei Jahrzehnte nach Beginn des COP-Prozesses erstmals auf die Abkehr von fossilen Brennstoffen in Energiesystemen. Insgesamt sind die in Dubai vereinbarten Schritte ein Kompromiss, dessen politische Signal­wirkung hinter dem zurückbleibt, was aus wissenschaftlicher Sicht notwendig ist. Einerseits ist die internationale Klimakooperation weiterhin von traditionellen Kon­flikten zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten (Gerechtigkeits­fragen, finanzielle Zusagen), aber auch von neuen handelspolitischen Spannungen und einer zum Teil massiven Blockadehaltung weniger Staaten geprägt; ande­rerseits bildeten sich in Verhandlungssträngen zu »Verlusten und Schäden« und zur globalen Energie­wende dynamische Nord-Süd-Koalitionen. Diese gilt es als Ausgangspunkt für dauer­hafte Allianzen gegen fossile Interessen weiter zu stärken. Die deutsche Klimaaußenpolitik kann hier durch konsequentes diplomatisches Eintreten für strukturelle Reformen des internationalen Finanzsystems und mit attraktiven Partnerschafts­angeboten einen wichtigen Beitrag leisten.

Die 28. Weltklimakonferenz (COP28) fand vor dem Hintergrund multipler Krisen und einer zunehmenden geopolitischen Polari­sierung statt. Die Unzufriedenheit vieler Staaten des globalen Südens mit dem Krisen­management der wohlhabenden Länder im Zuge der Corona-Pandemie und dem Um­gang mit den Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine erschwert den multilate­ralen Verhandlungsprozess. Der Krieg zwi­schen Israel und der Hamas warf nicht nur aufgrund seiner geografischen Nähe seinen Schatten auf die Konferenz, sondern drohte die Fronten zwischen den Ländern des globalen Nordens und Südens weiter zu verhärten. Viele Regierungen des globalen Südens sehen in der westlichen Haltung zum Krieg in Gaza einen weiteren Beweis für die selektive Anwendung liberaler Normen. Dies mindert das für die Klima­kooperation notwendige Vertrauen. Gleich­zeitig war 2023 das heißeste Jahr seit Be­ginn der Aufzeichnungen. Europa erlebte Extremwetterereignisse, nahezu alle Regio­nen und Provinzen Kanadas und Hawaii wurden von verheerenden Waldbränden heimgesucht und Überschwemmungen kosteten in vielen Teilen der Welt Menschenleben und verursachten immense ökonomische Verluste.

Währenddessen erwirtschaftete die Öl- und Gasindustrie vor dem Hintergrund des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und der zunehmenden Priorisierung von Energiesicherheit nie dagewesene Profite. Die Veranstaltung der Konferenz in den Vereinigten Ara­bischen Emiraten (VAE) und die Übernahme der COP-Präsidentschaft durch den CEO des staatlichen Ölkonzerns ADNOC, Sultan Al Jaber, waren von Anfang an umstritten. Al Jabers Glaubwürdigkeit wurde auch während der Verhandlungen von Seiten internationaler Medien und der Zivilgesellschaft immer wieder in Frage gestellt.

Angesichts dieser denkbar schwierigen politischen Startbedingungen haben der UN-Klimaprozess und die globale Klima­kooperation Resilienz bewiesen. Noch im Juni 2023 wurden die Zwischenverhandlungen durch die seit vielen Jahren mani­festen Konflikte zwischen Industrie- und Entwicklungsländern über eine gerechte Lasten­teilung bei Finanzierungsfragen und Minderungsanstrengungen blockiert, so dass diese kaum über die Abnahme der Agenda hinauskamen. In Dubai choreo­graphierte die Präsidentschaft, auch mit Unter­stützung der Bundesregierung, einen erfolg­reichen Start: Die Einsetzung des Fonds für Schäden und Verluste und die sofortige Ver­abschiedung der Tagesordnung in der Eröffnungssitzung schufen Vertrauen und trugen dazu bei, dass später eine breite Koalition aus Industrie- und Entwicklungsländern ein klares Bekenntnis zur Abkehr von fossilen Energien forderte.

Begünstigt wurde diese Dynamik auch durch die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen den USA und China im Vorfeld der COP. Trotz der äußerst angespannten Beziehungen konnten sich die beiden größ­ten Treibhausgasemittenten in der Sunny­lands-Erklärung bilateral auf klimapolitische Gemeinsamkeiten verständigen. Sie einig­ten sich unter anderem darauf, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen und Reduktionsziele für alle Treibhausgase, inklusive Methan, festzulegen. Damit eb­neten sie auch der Einigung in politisch umstrit­tenen Punkten wie der Zukunft fossiler Energien den Weg. Vor allem aber verhinderten sie, dass der zunehmende Antagonismus zwischen den Großmächten die Klima­konferenz zusätzlich belastete.

Erste globale Bestandsaufnahme bestätigt Dringlichkeit

Maßgeblich für den Ausgang der COP28 war die erstmals durchgeführte Globale Bestands­aufnahme (Global Stocktake, GST). Der GST wird alle fünf Jahre durchgeführt, um das kollektive Ambitions- und Implementie­rungs­niveau beim Erreichen der Pariser Ziele in den Bereichen Minderung, Anpas­sung und Finanzierung zu prüfen und ehr­geizigere Zusagen anzureizen. Er gilt daher im Pariser Abkommen als zentraler Mecha­nismus zur Ambitionssteigerung. Damit stand in Dubai auch dessen Funktionsfähig­keit selbst auf dem Prüfstand. Aufgrund seiner Relevanz und thematischen Breite ersetzte der GST-Text die sonst oft übliche Abschlusserklärung.

Der Prozess der Bestandsaufnahme be­gann mit einer zweijährigen technischen Phase, die in den im September 2023 ver­öffentlichen Synthesebericht mündete. Dieser warnt, dass in allen Bereichen im­mense Ambitions- und Implementierungslücken existieren. Selbst bei Umsetzung der bestehenden nationalen Beiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) würde die globale Temperatur um 2,4 bis 2,6°C steigen, so der Bericht. Die anschließende politische Phase der Bestandsaufnahme, die unter anderem dazu dienen sollte, Empfeh­lungen zu erarbeiten, wie die nächste Runde nationaler Beiträge die bestehende Lücke zu den Pariser Zielen zumindest deutlich ver­ringern könnte, wurde in Dubai beendet.

Wie konkret die Empfehlungen formuliert sein sollten, wurde bereits im Vorfeld der Konferenz zum zentralen Streitpunkt. Die G77+China, eine Gruppe von 134 als Entwicklungsländer klassifizierten Staaten, sahen die Funktion des GST primär darin, die für den Klimawandel historisch maß­geblich verantwortlichen Industrieländer für ihren unzureichenden Fortschritt zur Rechenschaft zu ziehen. Diese wiederum forderten eine »zukunftsgerichtete« Be­stands­aufnahme, die zumindest einkommensstarke Schwellenländer, die heute zu den großen Emittenten zählen, zu mehr Ambitionen auffordert. Damit wurde die Diskussion darüber, welche Schlüsse aus dem Synthesebericht zu ziehen sind, in Dubai zur Bühne für den traditionellen Konflikt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern um Gerechtigkeitsfragen und die Auslegung des Prinzips der »gemein­samen, aber differenzierten Verantwortung und jeweiligen Fähigkeiten« (CBDR-RC). Die Auseinandersetzungen über den GST wurden teilweise auch in anderen Verhandlungssträngen, etwa zum globalen Anpas­sungsziel, ausgetragen und verhinderten dort das Zustandekommen ehrgeiziger Ergebnisse.

Inmitten dieser Spannungen einigten sich die Vertragsstaaten auf eine große Bandbreite von Empfehlungen. Die tiefen Gräben zwischen den verschiedenen Ver­handlungsgruppen sind im Abschluss­dokument jedoch leicht zu erkennen. So bleiben die Aufforderungen für die nächste Runde der NDCs, die 2025 fällig sind, vage. Es wird zwar die Dringlichkeit bekräftigt, den Klimaschutz in diesem »kritischen Jahr­zehnt« zu beschleunigen und die neuen Klimaziele mit dem 1,5-Grad-Ziel kompa­tibel zu gestalten. Gleichzeitig ermutigt der GST-Kompromiss lediglich dazu, alle Treib­hausgase und Wirtschaftssektoren in die nationalen Beiträge für 2035 bzw. 2040 auf­zunehmen. Zudem waren die GST-Verhand­lungen unerwartet heftig von handels­politischen Spannungen geprägt. Im Mittel­punkt der Auseinandersetzungen stand der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) der EU: Einige Entwicklungsländer und die BASIC-Gruppe (Brasilien, Südafrika, Indien, China) kritisierten ihn als »unilaterale Han­delsmaßnahme«, die ohne finanzielle Unter­stützung und flexible Gestaltung die wirt­schaftliche Ent­wicklung außerhalb der EU gefährde. Das Abschlussdokument ver­urteilt unilaterale Handelsmaßnahmen zwar nicht grundsätzlich, der Hinweis da­rauf, dass diese kein Mittel zur »willkür­lichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung« sein dürften, spiegelt aber das enorme Misstrauen vieler Entwicklungsländer gegenüber der europäischen Klimapolitik wider.

Energiepaket bleibt Formelkompromiss mit Lücken

Im Abschlussdokument wird bestätigt, dass laut IPCC für eine Beschränkung der Erd­erwärmung auf 1,5 Grad die globalen Treib­hausgasemissionen bis 2030 um 43 Prozent und bis 2035 um 60 Prozent gegenüber 2019 sinken müssten. Um dies zu erreichen, einig­ten sich die Vertragsstaaten auf ein um­fassendes »Energiepaket«. Darin werden die Länder dazu aufgefordert, sich in »ge­rech­ter, geordneter und ausgewogener« Weise von fossilen Brennstoffen in ihren Energiesystemen abzuwenden. Bisher hatte die Staatengemeinschaft in COP-Beschlüssen nur vereinbart, die Kohleverstromung zu reduzieren. Komplementär zur Abkehr von Kohle, Öl und Gas fordern die Unterzeichnerstaaten nun dazu auf, bis 2030 die glo­bale Kapazität an erneuerbaren Energien zu verdreifachen und die jährliche Steigerungs­rate bei der Energieeffizienz zu verdoppeln. Mit dem Energiepaket reflektiert eine COP-Entschei­dung erstmals, wie die globale Energiewende in nationalen Kontexten im­plementiert werden muss, um bis 2050 Netto-Null-CO2-Emissionen zu erreichen.

Die genaue Formulierung zur zukünftigen Nutzung fossiler Energieträger war der zentrale Konflikt der COP28. Mit der Eini­gung auf eine »Abkehr« von fossilen Ener­gien in den Energiesystemen ist es zwar ge­lungen, die vorher, auch innerhalb der EU, hitzige Debatte über Begriffe wie »Ausstieg/ Herunterfahren« (phase out / phase down) und »emissionsreduziert/un­gemindert« (abated / unabated) (SWP-Aktuell 57/2023) zu ver­meiden. Jedoch bleibt der ausgehandelte Beschluss vor dem Hintergrund fundamentaler Interessenunterschiede, was den künf­tigen Umgang mit fossilen Energien betrifft, ein von Ambiguität geprägter Formel­kompromiss. Wie sich die »Abkehr von fossilen Energien« von einem »Ausstieg« im Detail unterscheidet, welche Sektoren der Begriff »Energiesystem« abdeckt und ob die Einigung tatsächlich die weitreichende Umstellung signalisiert, die für die Begren­zung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad notwendig wäre, bleibt unklar.

Für eine »Abkehr«, die mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel ist, müsste der Anteil fos­siler Energien am Ener­gieverbrauch den Berechnungen der Net Zero Roadmap der Internationalen Energieagentur (IEA) zu­folge bis 2030 um 25 Pro­zent zurück­gehen. Dass die Genehmigung neuer »ungemindert emittierender« Kohlekraftwerke hierfür sofort gestoppt werden müsste, bleibt im Abschluss­dokument un­erwähnt. Die Nutzung von Erdgas, dessen Verbrauch gemäß IEA bis 2030 eigentlich um 18 Pro­zent sinken sollte, wird im GST mit Hinweis auf das Gebot der Energiesicherheit als »Brückentechnologie« legitimiert. Auch ob die vage formulierte »substantielle Reduk­tion« von Nicht-CO2-Emissionen wie Methan der not­wendigen Einsparung von 75 Pro­zent bis 2030 (IEA Net Zero) im Energiesektor ent­spricht, ist zweifelhaft. Kritisch zu be­werten ist auch die prominente Rolle, die Technologien zur Speicherung und Ab­scheidung von CO2 im Dokument zugemessen wird. Zwar sind sie auch in IPCC-Szena­rien für den Energiesektor vorgesehen; in der Praxis sind sie aber wegen ihrer bisher geringen Verfügbarkeit und der projizierten Ausbau­rate und Kostenentwicklung weit davon entfernt, bis 2030 zu signifikanten Ein­sparungen beitragen zu können. Ins­gesamt bleiben somit Schlupflöcher, die drohen, von der Notwendigkeit eines schnellen und weitreichenden Ausstiegs aus Kohle, Öl und Gas abzulenken.

Entscheidend für den Rückgang der fossilen Energien ist neben der Steigerung der Energieeffizienz die Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien. Bereits jetzt modelliert die IEA, dass durch das un­aufhaltsame Wachstum der Erneuerbaren noch in dieser Dekade der Scheitelpunkt der Nachfrage nach fossilen Energien er­reicht wird. Vorläufige Analysen lassen darauf schließen, dass das Ziel der Ver­dreifachung bis 2030 durchaus realistisch ist. Die Industriestaaten und China würden im Zuge der Umsetzung bestehender Pro­gramme bis 2030 bereits 85 Prozent ihrer erforderlichen Er­neuerbaren-Kapazität erreichen. Doch Entwicklungsländer be­nötigen angesichts immenser Investitions­erfordernisse und des eingeschränkten fiskalischen Spielraums, der ihnen wegen multipler Krisen nur zur Verfügung steht, um­fassende Unterstützung beim Ausbau ihrer Kapazitäten. Um die Vorgabe zu er­füllen, müssen sich laut der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) die jährlichen Inves­ti­tionen von derzeit 486 Mil­liarden US-Dollar auf 1300 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 erhöhen. Das Fehlen von Unterstützung für die Ent­wicklungsländer – in Form von finanziellen Mitteln, Kapazitätsaufbau und Technologietransfer – ist eine Schwachstelle des GST-Energiepakets, die insbesondere von afrika­nischen Staaten kritisiert wurde.

Insgesamt ist die erstmals in einem UNFCCC-Dokument enthaltende Aufforderung zur Abkehr von fossilen Energien vor allem von symbolischer Bedeutung. Wie wirkmächtig dieser Appell in der Praxis ist, wird sich daran messen lassen, in welchem Umfang die Beschlüsse in nationalen Kon­texten umgesetzt und wie die neuen NDCs im Nachgang des GST ausgestaltet werden.

Nord-Süd-Koalition erwirkt Abkehr von fossilen Energien

Trotz aller Ambiguität kann das Konferenz­ergebnis in politischer Hinsicht als Erfolg gewertet werden. In Reaktion auf eine kurz vor dem geplanten Ende der COP vorgelegte Be­schluss­vorlage der Präsidentschaft, die keine konkreten Maßnahmen für die Trans­formation des Energiesektors enthielt, for­mierte sich ein in dieser Größe nie dagewe­se­nes Bündnis: Nahezu 170 Entwicklungsländer und Industriestaaten forderten ein deut­licheres Bekenntnis zum Ausstieg aus fos­silen Energien. Neben den traditionellen Mitgliedern der High Ambition Coalition (HAC), einem Zusammenschluss der pro­gressivsten Länder, ge­hör­ten der Gruppe zahlreiche afrikanische und lateinamerikanische Staaten sowie die USA und Austra­lien an. Insbesondere die Unterstützung Kolumbiens, das als erster Exporteur von fossilen Brennstoffen der Beyond Oil and Gas Alliance beitrat, und des politischen Schwer­gewichts Brasilien waren wirkungsvolle Signale.

Dem nominell deutlich überlegenen Bündnis gegenüber standen neben der ara­bischen Gruppe, den »gleichgesinnten Ent­wicklungsländern« (Like-Minded Develop­ing Countries, LMDCs), zu denen unter anderem China und Indien gehören, auch einige afrikanische Staaten. Gerade die Golf­staaten sehen ihr Wirtschaftsmodell durch den Ausstieg aus fossilen Energien existen­tiell bedroht. Ein während der Kon­ferenz veröffentlichter interner Brief der OPEC warnte vor einem »Kipp-Punkt« in den Ver­handlungen. Insbesondere Saudi-Arabien versuchte, jede Erwähnung fossiler Brenn­stoffe in den Dokumenten zu ver­hindern und blockierte dafür auch gezielt andere Verhandlungsstränge. Zusammen mit afrika­nischen Ländern wiesen die Golfstaaten vehement auf Pläne westlicher Staaten wie der USA oder Australiens hin, die Förderung fossiler Energien weiter zu steigern.

Mit der temporären Koalition, die für einen Ausstieg aus fossilen Energien eintrat, ist die Dichotomie zwischen Entwicklungs- und Industrieländern, die die Klima­verhand­lungen seit dreißig Jahren prägt, nicht über­wunden. Besonders relevant ist die Bildung dieses Bündnisses aber, weil sie die eigent­liche Konfliktlinie der globalen Energiewende reflektiert. Statt der Einteilung in Entwicklungs- und Industrieländer, deren Stellenwert einer UN-Logik entspringt, han­delt es sich bei der Eindämmung des Klima­wandels auch um einen Gegensatz zwischen fossilen Interessen – Staaten und Firmen, deren Wirtschaftsmodell auf der Extraktion fossiler Energien beruht – und erneuer­baren Interessen, vertreten von denjenigen Staa­ten, die ein nach­haltiges und grünes Energiesystem aufbauen wollen.

Zu welchem Grad sich Koalitionen aus Entwicklungs- und Industrieländern künf­tig gegen fossile Interessen durchsetzen können, hängt maßgeblich davon ab, ob ausreichend finanzielle Unterstützung bereit­gestellt werden kann. Neue Initiativen, wie die von Kenia und Deutschland gestar­tete Partnerschaft zur Beschleunigung der Erneuerbaren in Afrika, können nur be­grenzt zur Bewältigung einer Herausforderung dieser Größenordnung beitragen. Vielmehr bedarf es einer grundlegenden Reform der internationalen Finanzarchitektur. Unter anderem gilt es, multilaterale Entwicklungsbanken besser auszustatten, Sonderziehungsrechte des Internationalen Wäh­rungsfonds für Klima- und Entwicklungs­finanzierung zu nutzen und Währungs­risiken für Investitionen in grüne Projekte abzu­sichern. Der Erfolg des dies­bezüglichen, von Mia Mottley, der Premierministerin von Barbados, an­gestoßenen Prozesses wird mitentscheidend sein für das Gelingen der globalen Energiewende.

Einrichtung des Fonds für Schäden und Verluste als Erfolgskatalysator

Der Umgang mit Verlusten und Schäden, die durch die Folgen des Klimawandels auf­treten, wurde wider Erwarten nicht zum Streitthema. Die Einrichtung eines jahre­lang hoch umstrittenen Fonds zur Kompensation für besonders von der Klimakrise be­drohte Bevölkerungsgruppen wurde bereits während der Eröffnungssitzung beschlossen. Im direkten Anschluss an die Einrichtung des Fonds wurde er durch finanzielle Zusagen der VAE und Deutschlands in Höhe von jeweils 100 Millionen US-Dollar über die Mindestgrenze gehoben. Insgesamt sagten Länder in den folgenden Tagen 770,6 Millionen US-Dollar zu. Auch die Ver­handlungen zum Santiago-Netzwerk, das für technische Unterstützung bei Schäden und Verlusten zuständig ist, wurden in Dubai erfolgreich abgeschlossen. Die An­siedelung seines Sekretariats im institutionellen Gefüge der UN liefert die Voraus­setzungen für einen raschen Arbeitsbeginn.

Obgleich den VAE – in Koordination mit Deutschland – mit der frühen Opera­tionalisierung des Fonds ein diplomatischer Coup gelang, bleibt dessen zukünftige Wirk­samkeit fraglich. Der Fonds ist thema­tisch breit angelegt, so dass er von kurzfristigen Extremereignissen bis hin zu langsam auftretenden und nicht-ökonomischen Schä­den alles abdeckt. Jedoch sind Indus­trieländer nicht verpflichtet, in den Fonds einzuzahlen, und auch eine Zielgröße wurde nicht festgelegt. Der mit 17,5 Millio­nen US-Dollar verhältnismäßig geringe Beitrag der USA, der zudem von der Zu­stim­mung des Kongresses abhängt, ist auf Kritik gestoßen. Insgesamt decken die zugesagten Mittel, von denen ein großer Teil in die institutionelle Einrichtung des Fonds fließen, Schätzungen zufolge lediglich 0,2 Prozent des jährlichen Bedarfs der Entwicklungsländer ab.

Die Industriestaaten, allen voran die USA, sperrten sich lange gegen Forderungen der Entwicklungsländer, insbesondere der klei­nen Inselstaaten, nach finanzieller Unter­stützung. Eine Debatte über ihre eventuelle Haftung für Klimaschäden aufgrund ihrer überragenden Rolle bei den historischen Emissionen – die das Pariser Abkommen aber ausschließt – wollten sie unbedingt vermeiden. Die frühe Einigung konnte das Vertrauen der besonders vulnerablen Staa­ten, von denen viele auch zur Gruppe hoch ambitionierter Staaten (High Ambition Coalition, HAC) gehören, in den multilateralen Prozess stärken. Sie verhinderte so, dass sich eine Kontroverse über historische Verantwortung hinderlich auf andere Ver­handlungsstränge auswirkte. Mit den VAE beteiligt sich zudem ein einkommens­starkes Schwellenland an der Klimafinan­zie­rung. Gerade deutsche Vertreter und Vertreterinnen hatten dies im Vorfeld immer wieder gefordert, mit klarem Bezug auf China und die Golfstaaten. Da kein anderes Schwellenland dem emiratischen Beispiel folgte, bleibt der Erfolg zunächst symbolisch. Im Kontext der Festsetzung des neuen globalen Ziels für die Klimafinanzierung nach 2025 (New Collective Quantified Goal, NCQG), die dieses Jahr ansteht, könn­te die Debatte über die Ausweitung der tradi­tionellen Geberbasis an Fahrt aufnehmen.

Verhärtete Fronten verhindern ehrgeiziges Anpassungsergebnis

Zentrales Anliegen besonders jener Bevöl­kerungsgruppen, die von der Klima­krise akut bedroht sind, war neben dem Fonds für Schäden und Verluste der Beschluss eines Rahmenwerks zum Globalen Anpas­sungsziel (GGA). Formen und Umfang der Anpassung an klimabedingte Umwelt­veränderungen sind stark kontextspezifisch und Erfolge schwer zu messen. Das Rahmen­werk soll helfen, Fortschritte bei der Stär­kung der Widerstandsfähigkeit zu beurteilen und die am stärksten gefährdeten Län­der und Gemeinschaften zu unterstützen. Es listet eine Reihe von Bewertungskategorien wie Gesund­heit, Landwirtschaft oder Infrastruktur auf, wobei die genannten Unterziele jedoch vage bleiben und nicht mit quantifizierbaren Indikatoren hinterlegt sind. Dies soll in den nächsten zwei Jahren nachgeholt werden. Im Lichte der enorm verhärteten Fronten während der Verhandlungen ist zwar die bloße Einigung auf das Rahmenwerk positiv zu sehen; in seiner derzeitigen Form bietet es jedoch keine ausreichende Orientierung. Anders als von Entwicklungsländern gefordert, wurde es nicht zu einem ständigen Agenda­punkt erhoben. Weitere für das Thema Anpassung relevante Verhandlungsstränge kamen zu keinem Ergebnis und wurden vertagt.

Anpassung ist als Priorität der Entwicklungsländer traditionell eng mit Fragen der Finanzierung und globaler Gerechtigkeit verbunden. Die Lücke zwischen geleis­teter und benötigter Anpassungsfinanzierung ist riesig: Das Versprechen der Indus­trieländer, die hierfür bestimmten Gelder bis 2025 gegenüber 2019 auf 40 Milliarden US-Dollar zu verdoppeln, wird Prognosen zu­folge weder erreicht noch steht es im Ver­hältnis zu den tatsächlich erforderlichen Mitteln, die laut UN Adaptation Gap Report jährlich fünf- bis zehnmal höher liegen. Im Gegen­satz zu Minderungsprojekten, die häufig rentabel sind und private Investitionen an­ziehen, ergeben sich Gewinne aus Anpas­sung erst indirekt. Entsprechende Projekte sind dadurch fast vollständig auf öffent­liches Kapital an­gewiesen.

Im Unterschied zu anderen Verhandlungs­strängen konnte sich in Sachen An­passung bisher keine funktionsfähige Koali­tion zwischen Entwicklungs- und Industrieländern bilden, so dass alte Gräben das Zustandekommen eines ambitionierten Er­gebnisses verhinderten. Die Verhandlungen waren, wie auch schon die Zwischen­verhandlungen in Bonn, stark von Konflik­ten über CBRD-RC und die histo­rische Verantwortung der Industriestaaten für den Klimawandel geprägt. Strittig war primär die Forderung der G77+China, ein konkretes Finanzierungsziel in das Rahmenwerk aufzunehmen. Die USA, EU und andere Indus­triestaaten verweigerten das. Sie ver­wiesen darauf, dass es mit den Ver­hand­lungen zum neuen globalen Ziel für Klima­finanzierung (NCQG) bereits einen Prozess für die Aktualisierung des Ziels gebe. Die Aus­füh­rungen zu internationaler finanzieller Unter­stützung im finalen Text blieben vage. Zur Frustration vulnerabler Länder wurden die Verhandlungen über Anpassung zudem für andere Themen instrumentali­siert. Mitglieder der LMDCs und der arabi­schen Gruppe blockierten die Gespräche zeit­weise gezielt, um Fortschritt in den Ver­hand­lungen zum GST-Energiepaket zu erschweren. Die Kritik an dieser Verzögerungstaktik, auch von Seiten einiger Ent­wicklungsländer, zeigt, dass auch im Hin­blick auf Anpassung Interessenkonflikte innerhalb der G77 + China-Gruppe bestehen.

Herausforderungen für die deutsche Klimaaußenpolitik

Die deutsche und europäische Klimadiplomatie haben maßgeblich zu den Ergebnissen der COP28 beigetragen. Das im Rahmen des Petersberger Dialogs im Mai 2023 erst­mals offiziell vorgestellte Ausbauziel für erneuerbare Energien gewann durch ge­schickte diplomatische Vorarbeit Deutschlands und der EU bereits vor der Konferenz die Unterstützung bedeutender Akteure, vor allem der VAE und der USA. Deutschlands eng mit den VAE koordinierte Ein­zahlung in den Fonds für Schäden und Ver­luste schuf eine positive Gesamtdynamik und ebnete den Weg für weitere Zusagen. Das EU-Verhandlungsteam trug dazu bei, den Druck auf die Gegner eines fossilen Ausstiegs aufrechtzuerhalten. In der ab­schließenden Phase der Konferenz verhan­delte Außenministerin Annalena Baerbock für die EU zu Emissionsminderung. Trotz der Kritik daran, dass Deutschland sich im Vorfeld der Konferenz einer Erklärung der HAC nicht angeschlossen hatte, spielte das Team um Staatssekretärin Jennifer Morgan durch geschicktes Brückenbauen zwischen Ver­handlungsgruppen eine entscheidende Rolle bei dem erfolgreichen Bemühen, eine Koalition zugunsten einer Abkehr von fos­silen Energien zu bilden.

Während der Konferenz stellte die Bundesregierung ihre lang erwartete Klima­außenpolitik-Strategie vor. Sie soll die Akti­vitäten der für internationale Klimapolitik relevanten Ministerien bündeln und an gemeinsamen Prioritäten ausrichten. Zen­trale Aufgabe deutscher Klimaaußenpolitik nach der COP sollte sein, die Bedingungen für eine langfristige und handlungsfähige Allianz gegen fossile Interessen zu schaffen. Klimapolitisches Engagement außerhalb des COP-Prozesses, im Rahmen von bi- und plurilateralen Partnerschaften, ist dafür essentiell. Die konsequente Koordination zwischen der Diplomatie des Auswärtigen Amtes und den Aktivitäten diverser Klima- und Energiepartnerschaften des Bundes­ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und des Bundesministe­riums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) kann das Vertrauen in Deutschlands Klimaaußenpolitik weiter stärken. Inhaltlich sollte in deren Fokus im kommenden Jahr die Frage der Finanzierung erneuer­barer Energien in Entwicklungsländern stehen. Hierfür ist neben der Reform des inter­nationalen Finanzsystems, die einen Schwer­punkt der brasilianischen G20-Präsident­schaft darstellen wird, der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen über das NCQG auf der COP29 in Aserbaidschan zentral.

Ob das in Dubai entstandene breite Bünd­nis für eine Abkehr von fossilen Energien und der daraus resultierende Gestaltungsspielraum Bestand haben können, wird zu­dem davon abhängen, ob die Industrie­länder ambitionierten nationalen Klimaschutz betreiben. Die Beschlüsse des GST müssen von den Vertragsstaaten auf natio­naler Ebene zügig auf eine Weise implemen­tiert werden, die insbesondere die Ambi­tions- und Umsetzungslücke bis 2030 deut­lich verringert. Der Lackmustest hierfür ist die Aktualisierung der NDCs, die alle Staa­ten bis 2025 abschließen müssen. Die EU kann eine glaubwürdige Führungsrolle übernehmen und dazu beitragen, große Emittenten wie China oder Indien zu stär­keren Anstrengungen zu bewegen, indem sie ambitionierte Ziele für 2035 und 2040 deutlich vor der COP30 vorlegt.

Zwar hatte die angespannte Haushalts­lage keine unmittelbaren Auswirkungen auf die deutsche Klimadiplomatie in Dubai. Doch werden nationale Debatten über Finanzierung, Sektorziele und neue Erdgas­förderprojekte im Ausland international kritisch verfolgt. Auch die Einführung des europäischen CBAMs muss seitens der EU über die nächs­ten Jahre mit diplomatischem Fingerspitzengefühl begleitet wer­den. Es gilt, konstruktiv auf die Bedenken von Partnerländern einzugehen. Auf Platt­formen wie dem Klimaclub, der seine Arbeit auf der COP28 offiziell aufgenommen hat, können klimapolitische Maßnahmen wie CBAM offen diskutiert werden, um handels­politische Spannungen zu minimieren. Eine Klimaaußenpolitik, die Sicherheit, Energie, Handels- und Finanzpolitik sowie Entwicklungszusammenarbeit konsequent integriert, kann solche Herausforderungen antizipieren und steuern. Dafür ist die enge Verzahnung der deutschen Klimaaußen­politik mit der Green-Deal-Diplomatie der EU, auch außerhalb der multilateralen Verhandlungen, unabdingbar.

Jule Könneke ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen und im Projekt »Deutsche Klimadiplomatie im Kontext des European Green Deal«. Ole Adolphsen ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen und im Projekt »Klimaaußenpolitik und Mehrebenengovernance«.

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