Die Ergebnisse der 28. Weltklimakonferenz zeigen, dass internationale Zusammenarbeit trotz der geopolitisch schwierigen Lage möglich ist. Statt der befürchteten Blockade einigten sich die Staaten drei Jahrzehnte nach Beginn des COP-Prozesses erstmals auf die Abkehr von fossilen Brennstoffen in Energiesystemen. Insgesamt sind die in Dubai vereinbarten Schritte ein Kompromiss, dessen politische Signalwirkung hinter dem zurückbleibt, was aus wissenschaftlicher Sicht notwendig ist. Einerseits ist die internationale Klimakooperation weiterhin von traditionellen Konflikten zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten (Gerechtigkeitsfragen, finanzielle Zusagen), aber auch von neuen handelspolitischen Spannungen und einer zum Teil massiven Blockadehaltung weniger Staaten geprägt; andererseits bildeten sich in Verhandlungssträngen zu »Verlusten und Schäden« und zur globalen Energiewende dynamische Nord-Süd-Koalitionen. Diese gilt es als Ausgangspunkt für dauerhafte Allianzen gegen fossile Interessen weiter zu stärken. Die deutsche Klimaaußenpolitik kann hier durch konsequentes diplomatisches Eintreten für strukturelle Reformen des internationalen Finanzsystems und mit attraktiven Partnerschaftsangeboten einen wichtigen Beitrag leisten.
Die 28. Weltklimakonferenz (COP28) fand vor dem Hintergrund multipler Krisen und einer zunehmenden geopolitischen Polarisierung statt. Die Unzufriedenheit vieler Staaten des globalen Südens mit dem Krisenmanagement der wohlhabenden Länder im Zuge der Corona-Pandemie und dem Umgang mit den Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine erschwert den multilateralen Verhandlungsprozess. Der Krieg zwischen Israel und der Hamas warf nicht nur aufgrund seiner geografischen Nähe seinen Schatten auf die Konferenz, sondern drohte die Fronten zwischen den Ländern des globalen Nordens und Südens weiter zu verhärten. Viele Regierungen des globalen Südens sehen in der westlichen Haltung zum Krieg in Gaza einen weiteren Beweis für die selektive Anwendung liberaler Normen. Dies mindert das für die Klimakooperation notwendige Vertrauen. Gleichzeitig war 2023 das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Europa erlebte Extremwetterereignisse, nahezu alle Regionen und Provinzen Kanadas und Hawaii wurden von verheerenden Waldbränden heimgesucht und Überschwemmungen kosteten in vielen Teilen der Welt Menschenleben und verursachten immense ökonomische Verluste.
Währenddessen erwirtschaftete die Öl- und Gasindustrie vor dem Hintergrund des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und der zunehmenden Priorisierung von Energiesicherheit nie dagewesene Profite. Die Veranstaltung der Konferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und die Übernahme der COP-Präsidentschaft durch den CEO des staatlichen Ölkonzerns ADNOC, Sultan Al Jaber, waren von Anfang an umstritten. Al Jabers Glaubwürdigkeit wurde auch während der Verhandlungen von Seiten internationaler Medien und der Zivilgesellschaft immer wieder in Frage gestellt.
Angesichts dieser denkbar schwierigen politischen Startbedingungen haben der UN-Klimaprozess und die globale Klimakooperation Resilienz bewiesen. Noch im Juni 2023 wurden die Zwischenverhandlungen durch die seit vielen Jahren manifesten Konflikte zwischen Industrie- und Entwicklungsländern über eine gerechte Lastenteilung bei Finanzierungsfragen und Minderungsanstrengungen blockiert, so dass diese kaum über die Abnahme der Agenda hinauskamen. In Dubai choreographierte die Präsidentschaft, auch mit Unterstützung der Bundesregierung, einen erfolgreichen Start: Die Einsetzung des Fonds für Schäden und Verluste und die sofortige Verabschiedung der Tagesordnung in der Eröffnungssitzung schufen Vertrauen und trugen dazu bei, dass später eine breite Koalition aus Industrie- und Entwicklungsländern ein klares Bekenntnis zur Abkehr von fossilen Energien forderte.
Begünstigt wurde diese Dynamik auch durch die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen den USA und China im Vorfeld der COP. Trotz der äußerst angespannten Beziehungen konnten sich die beiden größten Treibhausgasemittenten in der Sunnylands-Erklärung bilateral auf klimapolitische Gemeinsamkeiten verständigen. Sie einigten sich unter anderem darauf, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen und Reduktionsziele für alle Treibhausgase, inklusive Methan, festzulegen. Damit ebneten sie auch der Einigung in politisch umstrittenen Punkten wie der Zukunft fossiler Energien den Weg. Vor allem aber verhinderten sie, dass der zunehmende Antagonismus zwischen den Großmächten die Klimakonferenz zusätzlich belastete.
Erste globale Bestandsaufnahme bestätigt Dringlichkeit
Maßgeblich für den Ausgang der COP28 war die erstmals durchgeführte Globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake, GST). Der GST wird alle fünf Jahre durchgeführt, um das kollektive Ambitions- und Implementierungsniveau beim Erreichen der Pariser Ziele in den Bereichen Minderung, Anpassung und Finanzierung zu prüfen und ehrgeizigere Zusagen anzureizen. Er gilt daher im Pariser Abkommen als zentraler Mechanismus zur Ambitionssteigerung. Damit stand in Dubai auch dessen Funktionsfähigkeit selbst auf dem Prüfstand. Aufgrund seiner Relevanz und thematischen Breite ersetzte der GST-Text die sonst oft übliche Abschlusserklärung.
Der Prozess der Bestandsaufnahme begann mit einer zweijährigen technischen Phase, die in den im September 2023 veröffentlichen Synthesebericht mündete. Dieser warnt, dass in allen Bereichen immense Ambitions- und Implementierungslücken existieren. Selbst bei Umsetzung der bestehenden nationalen Beiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) würde die globale Temperatur um 2,4 bis 2,6°C steigen, so der Bericht. Die anschließende politische Phase der Bestandsaufnahme, die unter anderem dazu dienen sollte, Empfehlungen zu erarbeiten, wie die nächste Runde nationaler Beiträge die bestehende Lücke zu den Pariser Zielen zumindest deutlich verringern könnte, wurde in Dubai beendet.
Wie konkret die Empfehlungen formuliert sein sollten, wurde bereits im Vorfeld der Konferenz zum zentralen Streitpunkt. Die G77+China, eine Gruppe von 134 als Entwicklungsländer klassifizierten Staaten, sahen die Funktion des GST primär darin, die für den Klimawandel historisch maßgeblich verantwortlichen Industrieländer für ihren unzureichenden Fortschritt zur Rechenschaft zu ziehen. Diese wiederum forderten eine »zukunftsgerichtete« Bestandsaufnahme, die zumindest einkommensstarke Schwellenländer, die heute zu den großen Emittenten zählen, zu mehr Ambitionen auffordert. Damit wurde die Diskussion darüber, welche Schlüsse aus dem Synthesebericht zu ziehen sind, in Dubai zur Bühne für den traditionellen Konflikt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern um Gerechtigkeitsfragen und die Auslegung des Prinzips der »gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung und jeweiligen Fähigkeiten« (CBDR-RC). Die Auseinandersetzungen über den GST wurden teilweise auch in anderen Verhandlungssträngen, etwa zum globalen Anpassungsziel, ausgetragen und verhinderten dort das Zustandekommen ehrgeiziger Ergebnisse.
Inmitten dieser Spannungen einigten sich die Vertragsstaaten auf eine große Bandbreite von Empfehlungen. Die tiefen Gräben zwischen den verschiedenen Verhandlungsgruppen sind im Abschlussdokument jedoch leicht zu erkennen. So bleiben die Aufforderungen für die nächste Runde der NDCs, die 2025 fällig sind, vage. Es wird zwar die Dringlichkeit bekräftigt, den Klimaschutz in diesem »kritischen Jahrzehnt« zu beschleunigen und die neuen Klimaziele mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel zu gestalten. Gleichzeitig ermutigt der GST-Kompromiss lediglich dazu, alle Treibhausgase und Wirtschaftssektoren in die nationalen Beiträge für 2035 bzw. 2040 aufzunehmen. Zudem waren die GST-Verhandlungen unerwartet heftig von handelspolitischen Spannungen geprägt. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) der EU: Einige Entwicklungsländer und die BASIC-Gruppe (Brasilien, Südafrika, Indien, China) kritisierten ihn als »unilaterale Handelsmaßnahme«, die ohne finanzielle Unterstützung und flexible Gestaltung die wirtschaftliche Entwicklung außerhalb der EU gefährde. Das Abschlussdokument verurteilt unilaterale Handelsmaßnahmen zwar nicht grundsätzlich, der Hinweis darauf, dass diese kein Mittel zur »willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung« sein dürften, spiegelt aber das enorme Misstrauen vieler Entwicklungsländer gegenüber der europäischen Klimapolitik wider.
Energiepaket bleibt Formelkompromiss mit Lücken
Im Abschlussdokument wird bestätigt, dass laut IPCC für eine Beschränkung der Erderwärmung auf 1,5 Grad die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 43 Prozent und bis 2035 um 60 Prozent gegenüber 2019 sinken müssten. Um dies zu erreichen, einigten sich die Vertragsstaaten auf ein umfassendes »Energiepaket«. Darin werden die Länder dazu aufgefordert, sich in »gerechter, geordneter und ausgewogener« Weise von fossilen Brennstoffen in ihren Energiesystemen abzuwenden. Bisher hatte die Staatengemeinschaft in COP-Beschlüssen nur vereinbart, die Kohleverstromung zu reduzieren. Komplementär zur Abkehr von Kohle, Öl und Gas fordern die Unterzeichnerstaaten nun dazu auf, bis 2030 die globale Kapazität an erneuerbaren Energien zu verdreifachen und die jährliche Steigerungsrate bei der Energieeffizienz zu verdoppeln. Mit dem Energiepaket reflektiert eine COP-Entscheidung erstmals, wie die globale Energiewende in nationalen Kontexten implementiert werden muss, um bis 2050 Netto-Null-CO2-Emissionen zu erreichen.
Die genaue Formulierung zur zukünftigen Nutzung fossiler Energieträger war der zentrale Konflikt der COP28. Mit der Einigung auf eine »Abkehr« von fossilen Energien in den Energiesystemen ist es zwar gelungen, die vorher, auch innerhalb der EU, hitzige Debatte über Begriffe wie »Ausstieg/ Herunterfahren« (phase out / phase down) und »emissionsreduziert/ungemindert« (abated / unabated) (SWP-Aktuell 57/2023) zu vermeiden. Jedoch bleibt der ausgehandelte Beschluss vor dem Hintergrund fundamentaler Interessenunterschiede, was den künftigen Umgang mit fossilen Energien betrifft, ein von Ambiguität geprägter Formelkompromiss. Wie sich die »Abkehr von fossilen Energien« von einem »Ausstieg« im Detail unterscheidet, welche Sektoren der Begriff »Energiesystem« abdeckt und ob die Einigung tatsächlich die weitreichende Umstellung signalisiert, die für die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad notwendig wäre, bleibt unklar.
Für eine »Abkehr«, die mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel ist, müsste der Anteil fossiler Energien am Energieverbrauch den Berechnungen der Net Zero Roadmap der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge bis 2030 um 25 Prozent zurückgehen. Dass die Genehmigung neuer »ungemindert emittierender« Kohlekraftwerke hierfür sofort gestoppt werden müsste, bleibt im Abschlussdokument unerwähnt. Die Nutzung von Erdgas, dessen Verbrauch gemäß IEA bis 2030 eigentlich um 18 Prozent sinken sollte, wird im GST mit Hinweis auf das Gebot der Energiesicherheit als »Brückentechnologie« legitimiert. Auch ob die vage formulierte »substantielle Reduktion« von Nicht-CO2-Emissionen wie Methan der notwendigen Einsparung von 75 Prozent bis 2030 (IEA Net Zero) im Energiesektor entspricht, ist zweifelhaft. Kritisch zu bewerten ist auch die prominente Rolle, die Technologien zur Speicherung und Abscheidung von CO2 im Dokument zugemessen wird. Zwar sind sie auch in IPCC-Szenarien für den Energiesektor vorgesehen; in der Praxis sind sie aber wegen ihrer bisher geringen Verfügbarkeit und der projizierten Ausbaurate und Kostenentwicklung weit davon entfernt, bis 2030 zu signifikanten Einsparungen beitragen zu können. Insgesamt bleiben somit Schlupflöcher, die drohen, von der Notwendigkeit eines schnellen und weitreichenden Ausstiegs aus Kohle, Öl und Gas abzulenken.
Entscheidend für den Rückgang der fossilen Energien ist neben der Steigerung der Energieeffizienz die Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien. Bereits jetzt modelliert die IEA, dass durch das unaufhaltsame Wachstum der Erneuerbaren noch in dieser Dekade der Scheitelpunkt der Nachfrage nach fossilen Energien erreicht wird. Vorläufige Analysen lassen darauf schließen, dass das Ziel der Verdreifachung bis 2030 durchaus realistisch ist. Die Industriestaaten und China würden im Zuge der Umsetzung bestehender Programme bis 2030 bereits 85 Prozent ihrer erforderlichen Erneuerbaren-Kapazität erreichen. Doch Entwicklungsländer benötigen angesichts immenser Investitionserfordernisse und des eingeschränkten fiskalischen Spielraums, der ihnen wegen multipler Krisen nur zur Verfügung steht, umfassende Unterstützung beim Ausbau ihrer Kapazitäten. Um die Vorgabe zu erfüllen, müssen sich laut der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) die jährlichen Investitionen von derzeit 486 Milliarden US-Dollar auf 1300 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 erhöhen. Das Fehlen von Unterstützung für die Entwicklungsländer – in Form von finanziellen Mitteln, Kapazitätsaufbau und Technologietransfer – ist eine Schwachstelle des GST-Energiepakets, die insbesondere von afrikanischen Staaten kritisiert wurde.
Insgesamt ist die erstmals in einem UNFCCC-Dokument enthaltende Aufforderung zur Abkehr von fossilen Energien vor allem von symbolischer Bedeutung. Wie wirkmächtig dieser Appell in der Praxis ist, wird sich daran messen lassen, in welchem Umfang die Beschlüsse in nationalen Kontexten umgesetzt und wie die neuen NDCs im Nachgang des GST ausgestaltet werden.
Nord-Süd-Koalition erwirkt Abkehr von fossilen Energien
Trotz aller Ambiguität kann das Konferenzergebnis in politischer Hinsicht als Erfolg gewertet werden. In Reaktion auf eine kurz vor dem geplanten Ende der COP vorgelegte Beschlussvorlage der Präsidentschaft, die keine konkreten Maßnahmen für die Transformation des Energiesektors enthielt, formierte sich ein in dieser Größe nie dagewesenes Bündnis: Nahezu 170 Entwicklungsländer und Industriestaaten forderten ein deutlicheres Bekenntnis zum Ausstieg aus fossilen Energien. Neben den traditionellen Mitgliedern der High Ambition Coalition (HAC), einem Zusammenschluss der progressivsten Länder, gehörten der Gruppe zahlreiche afrikanische und lateinamerikanische Staaten sowie die USA und Australien an. Insbesondere die Unterstützung Kolumbiens, das als erster Exporteur von fossilen Brennstoffen der Beyond Oil and Gas Alliance beitrat, und des politischen Schwergewichts Brasilien waren wirkungsvolle Signale.
Dem nominell deutlich überlegenen Bündnis gegenüber standen neben der arabischen Gruppe, den »gleichgesinnten Entwicklungsländern« (Like-Minded Developing Countries, LMDCs), zu denen unter anderem China und Indien gehören, auch einige afrikanische Staaten. Gerade die Golfstaaten sehen ihr Wirtschaftsmodell durch den Ausstieg aus fossilen Energien existentiell bedroht. Ein während der Konferenz veröffentlichter interner Brief der OPEC warnte vor einem »Kipp-Punkt« in den Verhandlungen. Insbesondere Saudi-Arabien versuchte, jede Erwähnung fossiler Brennstoffe in den Dokumenten zu verhindern und blockierte dafür auch gezielt andere Verhandlungsstränge. Zusammen mit afrikanischen Ländern wiesen die Golfstaaten vehement auf Pläne westlicher Staaten wie der USA oder Australiens hin, die Förderung fossiler Energien weiter zu steigern.
Mit der temporären Koalition, die für einen Ausstieg aus fossilen Energien eintrat, ist die Dichotomie zwischen Entwicklungs- und Industrieländern, die die Klimaverhandlungen seit dreißig Jahren prägt, nicht überwunden. Besonders relevant ist die Bildung dieses Bündnisses aber, weil sie die eigentliche Konfliktlinie der globalen Energiewende reflektiert. Statt der Einteilung in Entwicklungs- und Industrieländer, deren Stellenwert einer UN-Logik entspringt, handelt es sich bei der Eindämmung des Klimawandels auch um einen Gegensatz zwischen fossilen Interessen – Staaten und Firmen, deren Wirtschaftsmodell auf der Extraktion fossiler Energien beruht – und erneuerbaren Interessen, vertreten von denjenigen Staaten, die ein nachhaltiges und grünes Energiesystem aufbauen wollen.
Zu welchem Grad sich Koalitionen aus Entwicklungs- und Industrieländern künftig gegen fossile Interessen durchsetzen können, hängt maßgeblich davon ab, ob ausreichend finanzielle Unterstützung bereitgestellt werden kann. Neue Initiativen, wie die von Kenia und Deutschland gestartete Partnerschaft zur Beschleunigung der Erneuerbaren in Afrika, können nur begrenzt zur Bewältigung einer Herausforderung dieser Größenordnung beitragen. Vielmehr bedarf es einer grundlegenden Reform der internationalen Finanzarchitektur. Unter anderem gilt es, multilaterale Entwicklungsbanken besser auszustatten, Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds für Klima- und Entwicklungsfinanzierung zu nutzen und Währungsrisiken für Investitionen in grüne Projekte abzusichern. Der Erfolg des diesbezüglichen, von Mia Mottley, der Premierministerin von Barbados, angestoßenen Prozesses wird mitentscheidend sein für das Gelingen der globalen Energiewende.
Einrichtung des Fonds für Schäden und Verluste als Erfolgskatalysator
Der Umgang mit Verlusten und Schäden, die durch die Folgen des Klimawandels auftreten, wurde wider Erwarten nicht zum Streitthema. Die Einrichtung eines jahrelang hoch umstrittenen Fonds zur Kompensation für besonders von der Klimakrise bedrohte Bevölkerungsgruppen wurde bereits während der Eröffnungssitzung beschlossen. Im direkten Anschluss an die Einrichtung des Fonds wurde er durch finanzielle Zusagen der VAE und Deutschlands in Höhe von jeweils 100 Millionen US-Dollar über die Mindestgrenze gehoben. Insgesamt sagten Länder in den folgenden Tagen 770,6 Millionen US-Dollar zu. Auch die Verhandlungen zum Santiago-Netzwerk, das für technische Unterstützung bei Schäden und Verlusten zuständig ist, wurden in Dubai erfolgreich abgeschlossen. Die Ansiedelung seines Sekretariats im institutionellen Gefüge der UN liefert die Voraussetzungen für einen raschen Arbeitsbeginn.
Obgleich den VAE – in Koordination mit Deutschland – mit der frühen Operationalisierung des Fonds ein diplomatischer Coup gelang, bleibt dessen zukünftige Wirksamkeit fraglich. Der Fonds ist thematisch breit angelegt, so dass er von kurzfristigen Extremereignissen bis hin zu langsam auftretenden und nicht-ökonomischen Schäden alles abdeckt. Jedoch sind Industrieländer nicht verpflichtet, in den Fonds einzuzahlen, und auch eine Zielgröße wurde nicht festgelegt. Der mit 17,5 Millionen US-Dollar verhältnismäßig geringe Beitrag der USA, der zudem von der Zustimmung des Kongresses abhängt, ist auf Kritik gestoßen. Insgesamt decken die zugesagten Mittel, von denen ein großer Teil in die institutionelle Einrichtung des Fonds fließen, Schätzungen zufolge lediglich 0,2 Prozent des jährlichen Bedarfs der Entwicklungsländer ab.
Die Industriestaaten, allen voran die USA, sperrten sich lange gegen Forderungen der Entwicklungsländer, insbesondere der kleinen Inselstaaten, nach finanzieller Unterstützung. Eine Debatte über ihre eventuelle Haftung für Klimaschäden aufgrund ihrer überragenden Rolle bei den historischen Emissionen – die das Pariser Abkommen aber ausschließt – wollten sie unbedingt vermeiden. Die frühe Einigung konnte das Vertrauen der besonders vulnerablen Staaten, von denen viele auch zur Gruppe hoch ambitionierter Staaten (High Ambition Coalition, HAC) gehören, in den multilateralen Prozess stärken. Sie verhinderte so, dass sich eine Kontroverse über historische Verantwortung hinderlich auf andere Verhandlungsstränge auswirkte. Mit den VAE beteiligt sich zudem ein einkommensstarkes Schwellenland an der Klimafinanzierung. Gerade deutsche Vertreter und Vertreterinnen hatten dies im Vorfeld immer wieder gefordert, mit klarem Bezug auf China und die Golfstaaten. Da kein anderes Schwellenland dem emiratischen Beispiel folgte, bleibt der Erfolg zunächst symbolisch. Im Kontext der Festsetzung des neuen globalen Ziels für die Klimafinanzierung nach 2025 (New Collective Quantified Goal, NCQG), die dieses Jahr ansteht, könnte die Debatte über die Ausweitung der traditionellen Geberbasis an Fahrt aufnehmen.
Verhärtete Fronten verhindern ehrgeiziges Anpassungsergebnis
Zentrales Anliegen besonders jener Bevölkerungsgruppen, die von der Klimakrise akut bedroht sind, war neben dem Fonds für Schäden und Verluste der Beschluss eines Rahmenwerks zum Globalen Anpassungsziel (GGA). Formen und Umfang der Anpassung an klimabedingte Umweltveränderungen sind stark kontextspezifisch und Erfolge schwer zu messen. Das Rahmenwerk soll helfen, Fortschritte bei der Stärkung der Widerstandsfähigkeit zu beurteilen und die am stärksten gefährdeten Länder und Gemeinschaften zu unterstützen. Es listet eine Reihe von Bewertungskategorien wie Gesundheit, Landwirtschaft oder Infrastruktur auf, wobei die genannten Unterziele jedoch vage bleiben und nicht mit quantifizierbaren Indikatoren hinterlegt sind. Dies soll in den nächsten zwei Jahren nachgeholt werden. Im Lichte der enorm verhärteten Fronten während der Verhandlungen ist zwar die bloße Einigung auf das Rahmenwerk positiv zu sehen; in seiner derzeitigen Form bietet es jedoch keine ausreichende Orientierung. Anders als von Entwicklungsländern gefordert, wurde es nicht zu einem ständigen Agendapunkt erhoben. Weitere für das Thema Anpassung relevante Verhandlungsstränge kamen zu keinem Ergebnis und wurden vertagt.
Anpassung ist als Priorität der Entwicklungsländer traditionell eng mit Fragen der Finanzierung und globaler Gerechtigkeit verbunden. Die Lücke zwischen geleisteter und benötigter Anpassungsfinanzierung ist riesig: Das Versprechen der Industrieländer, die hierfür bestimmten Gelder bis 2025 gegenüber 2019 auf 40 Milliarden US-Dollar zu verdoppeln, wird Prognosen zufolge weder erreicht noch steht es im Verhältnis zu den tatsächlich erforderlichen Mitteln, die laut UN Adaptation Gap Report jährlich fünf- bis zehnmal höher liegen. Im Gegensatz zu Minderungsprojekten, die häufig rentabel sind und private Investitionen anziehen, ergeben sich Gewinne aus Anpassung erst indirekt. Entsprechende Projekte sind dadurch fast vollständig auf öffentliches Kapital angewiesen.
Im Unterschied zu anderen Verhandlungssträngen konnte sich in Sachen Anpassung bisher keine funktionsfähige Koalition zwischen Entwicklungs- und Industrieländern bilden, so dass alte Gräben das Zustandekommen eines ambitionierten Ergebnisses verhinderten. Die Verhandlungen waren, wie auch schon die Zwischenverhandlungen in Bonn, stark von Konflikten über CBRD-RC und die historische Verantwortung der Industriestaaten für den Klimawandel geprägt. Strittig war primär die Forderung der G77+China, ein konkretes Finanzierungsziel in das Rahmenwerk aufzunehmen. Die USA, EU und andere Industriestaaten verweigerten das. Sie verwiesen darauf, dass es mit den Verhandlungen zum neuen globalen Ziel für Klimafinanzierung (NCQG) bereits einen Prozess für die Aktualisierung des Ziels gebe. Die Ausführungen zu internationaler finanzieller Unterstützung im finalen Text blieben vage. Zur Frustration vulnerabler Länder wurden die Verhandlungen über Anpassung zudem für andere Themen instrumentalisiert. Mitglieder der LMDCs und der arabischen Gruppe blockierten die Gespräche zeitweise gezielt, um Fortschritt in den Verhandlungen zum GST-Energiepaket zu erschweren. Die Kritik an dieser Verzögerungstaktik, auch von Seiten einiger Entwicklungsländer, zeigt, dass auch im Hinblick auf Anpassung Interessenkonflikte innerhalb der G77 + China-Gruppe bestehen.
Herausforderungen für die deutsche Klimaaußenpolitik
Die deutsche und europäische Klimadiplomatie haben maßgeblich zu den Ergebnissen der COP28 beigetragen. Das im Rahmen des Petersberger Dialogs im Mai 2023 erstmals offiziell vorgestellte Ausbauziel für erneuerbare Energien gewann durch geschickte diplomatische Vorarbeit Deutschlands und der EU bereits vor der Konferenz die Unterstützung bedeutender Akteure, vor allem der VAE und der USA. Deutschlands eng mit den VAE koordinierte Einzahlung in den Fonds für Schäden und Verluste schuf eine positive Gesamtdynamik und ebnete den Weg für weitere Zusagen. Das EU-Verhandlungsteam trug dazu bei, den Druck auf die Gegner eines fossilen Ausstiegs aufrechtzuerhalten. In der abschließenden Phase der Konferenz verhandelte Außenministerin Annalena Baerbock für die EU zu Emissionsminderung. Trotz der Kritik daran, dass Deutschland sich im Vorfeld der Konferenz einer Erklärung der HAC nicht angeschlossen hatte, spielte das Team um Staatssekretärin Jennifer Morgan durch geschicktes Brückenbauen zwischen Verhandlungsgruppen eine entscheidende Rolle bei dem erfolgreichen Bemühen, eine Koalition zugunsten einer Abkehr von fossilen Energien zu bilden.
Während der Konferenz stellte die Bundesregierung ihre lang erwartete Klimaaußenpolitik-Strategie vor. Sie soll die Aktivitäten der für internationale Klimapolitik relevanten Ministerien bündeln und an gemeinsamen Prioritäten ausrichten. Zentrale Aufgabe deutscher Klimaaußenpolitik nach der COP sollte sein, die Bedingungen für eine langfristige und handlungsfähige Allianz gegen fossile Interessen zu schaffen. Klimapolitisches Engagement außerhalb des COP-Prozesses, im Rahmen von bi- und plurilateralen Partnerschaften, ist dafür essentiell. Die konsequente Koordination zwischen der Diplomatie des Auswärtigen Amtes und den Aktivitäten diverser Klima- und Energiepartnerschaften des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) kann das Vertrauen in Deutschlands Klimaaußenpolitik weiter stärken. Inhaltlich sollte in deren Fokus im kommenden Jahr die Frage der Finanzierung erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern stehen. Hierfür ist neben der Reform des internationalen Finanzsystems, die einen Schwerpunkt der brasilianischen G20-Präsidentschaft darstellen wird, der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen über das NCQG auf der COP29 in Aserbaidschan zentral.
Ob das in Dubai entstandene breite Bündnis für eine Abkehr von fossilen Energien und der daraus resultierende Gestaltungsspielraum Bestand haben können, wird zudem davon abhängen, ob die Industrieländer ambitionierten nationalen Klimaschutz betreiben. Die Beschlüsse des GST müssen von den Vertragsstaaten auf nationaler Ebene zügig auf eine Weise implementiert werden, die insbesondere die Ambitions- und Umsetzungslücke bis 2030 deutlich verringert. Der Lackmustest hierfür ist die Aktualisierung der NDCs, die alle Staaten bis 2025 abschließen müssen. Die EU kann eine glaubwürdige Führungsrolle übernehmen und dazu beitragen, große Emittenten wie China oder Indien zu stärkeren Anstrengungen zu bewegen, indem sie ambitionierte Ziele für 2035 und 2040 deutlich vor der COP30 vorlegt.
Zwar hatte die angespannte Haushaltslage keine unmittelbaren Auswirkungen auf die deutsche Klimadiplomatie in Dubai. Doch werden nationale Debatten über Finanzierung, Sektorziele und neue Erdgasförderprojekte im Ausland international kritisch verfolgt. Auch die Einführung des europäischen CBAMs muss seitens der EU über die nächsten Jahre mit diplomatischem Fingerspitzengefühl begleitet werden. Es gilt, konstruktiv auf die Bedenken von Partnerländern einzugehen. Auf Plattformen wie dem Klimaclub, der seine Arbeit auf der COP28 offiziell aufgenommen hat, können klimapolitische Maßnahmen wie CBAM offen diskutiert werden, um handelspolitische Spannungen zu minimieren. Eine Klimaaußenpolitik, die Sicherheit, Energie, Handels- und Finanzpolitik sowie Entwicklungszusammenarbeit konsequent integriert, kann solche Herausforderungen antizipieren und steuern. Dafür ist die enge Verzahnung der deutschen Klimaaußenpolitik mit der Green-Deal-Diplomatie der EU, auch außerhalb der multilateralen Verhandlungen, unabdingbar.
Jule Könneke ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen und im Projekt »Deutsche Klimadiplomatie im Kontext des European Green Deal«. Ole Adolphsen ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen und im Projekt »Klimaaußenpolitik und Mehrebenengovernance«.
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DOI: 10.18449/2024A02