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Tansania: Gelingt Suluhu Hassan eine Wende?

Die neue Präsidentin weckt Hoffnung auf mehr Freiheit und bessere Corona-Politik

SWP-Aktuell 2021/A 36, 06.05.2021, 4 Seiten

doi:10.18449/2021A36

Forschungsgebiete

Am 17. März 2021 ist Tansanias Präsident John Pombe Magufuli unerwartet verstorben. Unter seiner Nachfolgerin Samia Suluhu Hassan, der bisherigen Vizepräsidentin, steht das Land vor wichtigen Richtungsentscheidungen. Ihre ersten Tage im Amt hat sie genutzt, um politische Änderungen einzuleiten. Zum einen nimmt sie Covid-19 ernst, anders als ihr Vorgänger; ein Expertenkomitee soll den Umgang des Landes mit der Pandemie überprüfen. Zum anderen werden Einschränkungen von Presse- und Meinungsfreiheit aufgehoben. Ob die neue Präsidentin ein eigenes Profil entwickeln kann und Tansania so auch regional wie international wieder an Bedeutung gewinnt, ist zwar noch offen. Doch die Zeichen stehen auf Wandel.

Die Amtszeit von Präsident Magufuli war von großen Ambivalenzen geprägt. Einer­seits trat er besonders zu Beginn 2015 als Korruptionsbekämpfer und Panafrikanist auf, was ihm große Beliebtheit in der Bevöl­kerung verschaffte. Andererseits schränkte er Presse- und Meinungsfreiheit sowie Oppo­sitionsrechte massiv ein und isolierte sein Land zusehends im internatio­nalen Ver­bund. Ob die neue Präsidentin Suluhu Hassan die Regierungspartei Chama Cha Mapinduzi (CCM, Partei der Revolution) ebenso prägen wird wie ihr Vorgänger oder ob sie in dessen Schatten verbleiben wird, dürfte auch Signale in die Region senden. Suluhu Hassan hat Liberata Mulamula zur Außen­ministerin berufen und sich damit eine erfahrene Diplomatin an die Seite ge­holt. Mulamula besitzt nicht nur exzellente Kontakte nach Washington, sondern war auch als Exekutivsekretärin der Internationalen Konferenz zur Region der Großen Seen (ICGLR) mit Fragen der Friedenssicherung, Migration und Ressourcenökonomie befasst. Tansania ist mit seinen rund 58 Mil­lionen Einwohnern ein wichtiger Stabilitätsfaktor und Akteur für die Sicherheit in Ostafrika – zumal vor dem Hintergrund, dass sich die jihadistischen Aktivitäten der somalischen Al-Shabaab Richtung Süden ausbreiten und auch im Norden Mosambiks terroristische Gefahren heranwachsen.

Tansania unter Magufuli

Mit Magufulis Amtsantritt im November 2015 waren nicht nur in Tansania selbst, sondern auch im Ausland große Erwartungen verbunden. Sein Wahlkampfslogan »Hapa kazi tu« (etwa: Hier zählt nur die Arbeit) wurde zum geflügelten Wort im Land. Entsprechende Taten ließ Magufuli folgen, als er direkt nach seinem Wahlsieg gegen müßige oder korrupte Beschäftigte des öffentlichen Dienstes vorging. Im Cor­ruption Perception Index verbesserte sich die Stellung Tansanias seit 2015 von Platz 117 auf aktuell Platz 94. Magufuli erhielt in den ersten Amtsjahren viel Lob für seinen ergebnisorientierten und kompromisslosen Ansatz.

Infrastruktur und Wirtschaft

Magufuli brachte etliche größere Infrastrukturprojekte voran, darunter ein Eisen­bahnvorhaben, den Ausbau der Hauptverkehrsstraßen, die Einführung eines Schnell­bussystems in der Metropole Daressalam und die Erhöhung der Stromproduktion. Unter Magufuli wurden zudem neue Regu­larien zur Kontrolle und Besteuerung multinationaler Bergbauunternehmen eingeführt. Ziel war dabei, Tansania stärker von seinen natürlichen Ressourcen profi­tieren zu lassen. Tatsächlich erreichten die Staatseinnahmen aus dem Bergbausektor unter Magufuli neue Höchstwerte.

Insgesamt verzeichnete Tansania während seiner Amtszeit bis zur Corona-Pandemie ein stabil hohes Wirtschafts­wachstum von jährlich um die 7 Prozent. Im eigenen Land wie auch in der Region erfuhr er dafür viel Anerkennung. West­liche Geber jedoch reagierten mit Kritik, als Freiheitsrechte in Tansania beschnitten wurden. In der Folge wandte sich Magufuli verstärkt an China, von dem er Kredite und Investitionen ohne Konditionen erwartete. Als einer der größten Investoren ist die Volksrepublik seit Jahren an zahlreichen Projekten in Tansania beteiligt. Im Bau­sektor gehen rund 70 Prozent der Aus­schreibungen an chinesische Unternehmen.

Einschränkung von Freiheiten

Tatsächlich schränkte Magufuli die Presse- und Meinungsfreiheit in Tansania stark ein. Das Land wurde im World Press Freedom Index zwischen 2016 und 2020 um 53 Plätze herabgestuft. Kritische Journalisten sahen sich zunehmend bedroht und an ihrer Arbeit gehindert, was zu einer Atmosphäre der Furcht, Repression und Selbstzensur führte. 2016 wurde ein Mediengesetz ver­abschiedet, das harte Strafen für Inhalte vorsieht, die als diffamierend oder aufrüh­rerisch gelten. Vier regierungskritische Zeitungen wurden unter Magufuli ge­schlos­sen. Seit 2018 sind Blogger und Betreiber von Diskussionsplattformen verpflichtet, Registrierungsgebühren zu bezahlen. Im selben Jahr erging auch ein Gesetz, das die Bestrafung von Personen ermöglicht, die offizielle Statistiken anzweifeln. Innenpolitisch gab es Kritik an diesen Maßnahmen, doch blieb sie in der breiten Bevölkerung ohne nennenswerten Widerhall.

Von Dänemark und der Weltbank indes wurden Gelder für Tansania eingefroren. Anlass dafür waren die Verfolgung von LGBT-Personen im Land, denen unter ande­rem Gesundheitsdienstleistungen verweigert werden, sowie ein Gesetz, das Mädchen und junge Frauen im Falle einer Schwangerschaft vom Schulunterricht ausschließt.

Wahlen 2020

Im Oktober 2020 gewann Magufuli erneut die Präsidentschaftswahlen; nach offiziellen Angaben erreichte er 84 Prozent der Stim­men. Die Oppositionsparteien jedoch warfen der Regierung klaren Wahlbetrug, Einschüchterungen und systematische Behinderungen vor. Wahlbeobachtung war kaum möglich. Im Vorfeld des Urnengangs wurden mindestens 17 Oppositionspolitiker und Regierungskritiker festgenommen so­wie weitere daran gehindert, ihre Kandidatur registrieren zu lassen. Kurz nach den Wahlen flüchtete Tundu Lissu, der Kandi­dat der größten Oppositionspartei, Chadema, nach Belgien, weil er Morddrohungen er­halten hatte. Schon 2017 war er bei einem Anschlag schwer verletzt worden. Lissu be­schuldigt die Regierung, an dem Attentat beteiligt gewesen zu sein.

Im Wahlprogramm der Chadema bildete die Menschenrechtslage in Tansania einen Schwerpunkt. Darüber hinaus sprach sich die Partei für eine Dezentralisierung des Landes aus; zu diesem Zweck forderte sie, Regionalregierungen zu schaffen und den seit 2015 ruhenden Prozess zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung wiederzubeleben.

Oppositionsrechte

Die CCM, der Magufuli angehörte, war bis 1992 die einzige existierende Partei des Lan­des. Das Verhältnis zwischen ihr und der Opposition verschärfte sich schon bald nach Magufulis Amtsantritt 2015, als die Regie­rung beschloss, Parlamentssitzungen nicht mehr live im staatlichen Fernsehsender zu übertragen – offiziell aus Kostengründen. Demonstrationen der Opposition gegen diesen Schritt wurden unterbunden, und die Versammlungsfreiheit blieb dauerhaft eingeschränkt.

Im teilautonomen Sansibar annullierte die Wahlkommission das Ergebnis der Abstimmung von 2015. Dieser nach inter­nationalen Beobachtern unrechtmäßige Schritt führte zu starken Kontroversen zwischen CCM und der auf Sansibar damals stärksten Oppositionspartei Civic United Front (CUF). Die USA schlossen Tansania wegen der Wahlaufhebung 2016 aus dem »Millennium Challenge Corporation«-Programm aus, wodurch 470 Millionen Dollar für Entwicklungsprojekte wegfielen.

Umgang mit Covid-19

Im Inland erfreute sich Magufuli bis zum Tod großer Beliebtheit, vor allem bei Älte­ren, weniger Gebildeten und Armen. Doch international isolierte er sich und sein Land, als er Tansania im Juni 2020 nach drei Tagen Staatsgebet für coronafrei er­klär­te. Bereits seit Mai des Jahres veröffentlichte Tansania – trotz eines gegenteiligen Plädo­yers der Weltgesundheitsorganisation – keine Daten mehr zur Pandemie-Lage, so dass die Statistik offiziell bei 500 Infektionen und 20 Todesfällen verblieb.

Magufuli und weitere Regierungsmitglieder stellten nicht nur die Effizienz von Masken und Corona-Tests in Frage, wobei sie sich zum Teil antiwestlicher Rhetorik bedienten. Sie stichelten auch gegen Nach­barländer wie Kenia, die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus angeordnet hatten. In Tansania gab es kaum Einschränkungen, auch nicht für den Tourismus. Die Regie­rung des Landes zeigte zudem kein Inter­esse, sich an der globalen COVAX-Impf­initiative zu beteiligen. Seit Ende Januar 2021 verdichten sich allerdings die Anzei­chen, dass Tansania unter einer neuen Corona-Welle erheblichen Ausmaßes leidet.

Tansania unter Suluhu Hassan

Unter Magufuli bewegte sich Tansania weg von einer Demokratie und hin zu einem autoritär regierten Staat. Ob diese Entwicklung anhalten wird, hängt nun wesentlich von Samia Suluhu Hassan ab, die am 19. März 2021 als Präsidentin in ihr Amt eingeführt wurde.

Die neue Präsidentin

Tansanias neue Staatschefin stammt aus dem teilautonomen Sansibar. Im Jahr 2000 wurde die Entwicklungsökonomin zum ersten Mal in ein öffentliches Amt der dorti­gen Regionalregierung gewählt, 2010 dann in das tansanische Parlament. Bekannt wur­de sie 2014 als stellvertretende Vorsitzende der konstituierenden Versammlung zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Im Jahr darauf machte Magufuli sie zur Kan­di­datin für das Amt der Vizepräsidentin, das sie nach der Wahl übernahm. Für die Wahl 2020 setzte Magufuli erneut auf Suluhu Hassan. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger gilt sie als eher ruhig und bedächtig und als gute Zuhörerin. Sie kann als Brückenbauerin gesehen werden. 2017 besuchte sie den Vize-Chef der Oppositionspartei Chadema, Tundu Lissu, im Krankenhaus, der durch das erwähnte Attentat verletzt worden war. Mit der Geste signalisierte sie, dass sie Gewalt als politisches Instrument ablehnte.

Die tansanische Verfassung sieht vor, dass Suluhu Hassan für die verbleibenden viereinhalb Jahre von Magufulis insgesamt fünfjähriger Amtszeit als Präsidentin fun­gieren wird, also bis 2025. Die 61-Jährige ist nicht nur die erste Frau im höchsten Staats­amt Tansanias, sondern gegenwärtig auch eine von nur zwei Präsidentinnen in Afrika – wobei die Präsidentin Äthiopiens haupt­sächlich eine repräsentative Rolle ausübt.

Politische Linien

Erste Anhaltspunkte, wie sie ihre Politik ausrichten will, vermittelte Suluhu Hassan in einer Rede am 6. April 2021. Zum einen kündigte sie an, ein Expertenkomitee ein­zusetzen, das über das Ausmaß von Covid-19 in Tansania und den Umgang mit der Pandemie beraten soll. Zum anderen ver­sprach sie internationale Kooperation bei der Pandemiebekämpfung. Darüber hinaus gab sie bekannt, das Verbot mehrerer kriti­scher Medien aufheben zu lassen und da­mit die Presse- und Meinungsfreiheit wieder zu stärken. Der erste Monat ihrer Amtszeit kann als Beginn einer Wende verstanden werden. Nach innen und außen signalisiert die Präsidentin, dass sie sowohl Freiheitsrechte als auch das internationale Ansehen Tansanias im Blick hat. Ihre Rede lässt Men­schenrechtsaktivistinnen und ‑aktivisten sowie Medienvertreterinnen und -vertreter im In- und Ausland hoffen. Dass es schwie­rig ist, einen trägen Tanker wie die Regie­rungspartei CCM auf einen vollkommen neuen Kurs zu steuern, darf dabei nicht übersehen werden. Auch würde es wohl die Beliebtheit Suluhu Hassans gefährden, soll­te sie sich allzu schnell vom Kurs des weiter­ sehr populären Vorgängers abwenden.

Angesichts ihrer Herkunft ist zu hoffen, dass sich das angespannte Verhältnis zwi­schen Sansibar und dem Festland Tanga­nyi­ka, die seit 1964 den Staat Tansania bilden, unter Suluhu Hassans Präsidentschaft ver­bessern wird. Es besteht die Chance, dass sich die sansibarische Bevölkerung künftig besser repräsentiert fühlt. Im fast vollständig muslimisch geprägten Sansibar wird von radikalen Splittergruppen immer wie­der die Abtrennung vom mehrheitlich christlichen Festland gefordert. Vor allem zwischen 2012 bis 2014 war die fundamentalistische Gruppe Uamsho (»Das Erwachen«) in dieser Richtung aktiv.

Anders als im benachbarten Kenia gab es während der letzten Jahre in Tan­sa­nia keine spektakulären jihadistischen Anschläge. Doch häuften sich in den letzten Monaten Angriffe der IS-affiliierten mosambikanischen Ahlu Sunna Wal Jamaah (ASWJ) –auch als Ansar al-Sunna bekannt – auf tansanischem Boden. In Mosambik wie bei der somali­schen Al-Shabaab sind tansanische Rekru­ten aktiv. Religiöser Extremismus ist in Tan­sania, wie in Ost­afrika gene­rell, ein wach­sendes Problem, wobei er sich im islami­schen Fundamentalismus ebenso zeigt wie in christlichen Gruppierungen.

Ausblick

Für 2021 sind Regierungsverhandlungen zwischen Deutschland und Tansania über die künftige Zusammenarbeit ge­plant. Die deutsche Seite sollte sich dringend für die Aufnahme Tansanias – sofern dies von Suluhu Hassan als Bestandteil ihres Covid-19-Kurses angestrebt wird – in die COVAX-Impfinitiative und deren Beschleunigung einsetzen. Zudem sollte die Bundesrepublik das Land bei der Stärkung seiner Gesundheitsinfrastruktur unterstützen. Die kriti­sche Aufarbeitung deutscher Kolonial­geschichte in Deutsch-Ostafrika sowie die Rückgabe von Kulturgütern und mensch­lichen Gebeinen wären darüber hinaus wichtige Schritte, mit denen sich eine gleichwertige Beziehung zu Tansania be­fördern ließe.

Lisa Erlmann ist Praktikantin in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.
Dr. Annette Weber ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.

© Stiftung Wissenschaft und Politik, 2021

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