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Neue Entwicklungen in der Governance globaler Migration

Nachlese zum ersten International Migration Review Forum

SWP-Aktuell 2022/A 46, 21.07.2022, 6 Seiten

doi:10.18449/2022A46

Forschungsgebiete

Die Umsetzung des 2018 vereinbarten Globalen Pakts für sichere, geordnete und reguläre Migration (kurz Globaler Migrationspakt, GCM) schreitet nur zögerlich voran. Im Nach­gang des ersten International Migration Review Forum (IMRF), einer Zusammenkunft im Mai 2022 in New York zur Überprüfung der Fortschritte, lassen sich dennoch einige signifikante Entwicklungen ausmachen. Inhaltlich gewinnen Geschlechter­gerechtigkeit und klimainduzierte Migration an Bedeutung. Was den Umsetzungsprozess betrifft, stehen Fragen verstärkter Rechen­schaftspflicht und einer systematischeren Beteiligung der Zivilgesellschaft im Vorder­grund. Hinzu kommen Verschiebungen in der Akteurskonstellation der Global Migra­tion Governance: Die Internatio­nale Orga­nisation für Migration (IOM) konsolidiert ihre Rolle im Institutionengefüge der Ver­einten Nationen, und es zeichnet sich ein stärkeres Engagement der Weltbank ab. Diese Veränderungen bieten wichtige Anknüpfungspunkte für die migrationspolitische Agenda der Bundesregierung.

Mit dem Globalen Migrationspakt, dessen Aushandlung und Annahme im Jahr 2018 in vielen Ländern inklusive Deutschland heftige innenpolitische Kontroversen aus­löste, hat die Staatengemeinschaft erst­mals einen gemeinsamen wertebasierten Rahmen für die Ausgestaltung nationaler Migrations­politik und die internationale Kooperation in diesem Bereich geschaffen. Teil des Pakts ist ein Verfahren zur Überprüfung der Fort­schritte bei der Umsetzung (Follow-up and Review). Es sieht sowohl regionale als auch globale Überprüfungskonferenzen vor, die in zwei­jährigem Abstand jeweils alle vier Jahre stattfinden. Als Herzstück des Über­prüfungsprozesses stand das erste IMRF im Mai 2022 unter hohem Erwartungsdruck.

Das IMRF

Das viertägige IMRF umfasste vier Runde Tische, die in ihrer Gesamtheit Fortschritte und Herausforderungen bei der Umsetzung aller 23 Ziele des Globalen Migrationspakts thematisierten, so­wie eine Policy-Debatte und eine Plenardebatte. Vorgeschaltet war ein Multi-Stakeholder Hearing, in dessen Rahmen sich zivilgesellschaftliche und kommunale Akteure über Fortschritte und Hürden bei der Umsetzung des Pakts aus­tauschten. Parallel zum IMRF richteten einzelne Staa­ten sowie internationale und zivilgesellschaft­liche Organisationen 65 Side Events aus, 45 davon digi­tal und 20 in Präsenz.

Staatliche Beteiligung

Angesichts der grundlegenden Skepsis, die den Globalen Migrationspakt von Beginn an begleitete, war die Beteiligung der Staaten am ersten IMRF insgesamt zufrie­den­stellend. 57 Regierungen steuerten freiwillige Be­standsaufnahmen ihrer Fortschritte in der Umsetzung des Glo­balen Migrationspakts bei. Die aus Anlass des IMRF ins Leben ge­rufene Pledging Initia­tive erbrachte bislang 175 Zusagen für weitere konkrete Schritte zur Umsetzung des GCM, darunter auch einige von nichtstaatlichen Akteuren. Die USA, die sich unter Präsident Trump noch expli­zit von dem Pakt distanziert hatten, bekun­deten durch hochrangige Teilnahme von Außenminister Antony Blinken ihre grund­sätzliche Unterstützung.

Der Fortschrittsbericht, den die am GCM beteiligten Staaten im Vorfeld des IMRF ausgehandelt hatten, wurde von der VN-Gene­ralversammlung im Konsens ange­nom­men. Dies bedeutet allerdings keine einhelli­ge Unterstützung für den Pakt. Seine schärf­sten Gegner, etwa Ungarn, betonten ihre prinzipielle Ablehnung des Prozesses, ver­zichteten aber mit Verweis auf den Wert konstruktiver multilateraler Zusammen­arbeit auf ein negatives Votum. Dies zeigt gleichwohl, dass das 2018 prä­sente Narrativ, mit der Annahme des Paktes würden die Staaten die Kontrolle über ihre nationa­le Migrations­politik abgeben, an Bedeutung verloren hat.

Die deutsche Regierung signalisierte ihre anhaltende Unterstützung durch eine Reihe von Aktivitäten. Sie erarbeitete einen aus­führlichen freiwilligen Staatenbericht und machte 21 Zusagen im Rahmen der Pledging Initiative. Hierzu zählen unter anderem die Flexibilisierung von Geldern der humanitären Hilfe, eine stärker entwicklungspolitisch aus­gerich­tete Rückkehr­politik und eine systematischere Einbindung von Diaspora-Organisationen in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Zugesichert wurden auch weitere finanzielle Beiträge zum Multi-Partner Trust Fund, welcher der Umsetzung des Globalen Migra­tionspakts gewidmet ist. Vor allem hat die Bundes­regierung ange­kündigt, Minderjährige künftig nicht mehr zur Durchsetzung der Aus­reisepflicht zu inhaftieren. Zusätzlich über­nahm Deutschland gemeinsam mit Ägypten den Ko-Vorsitz des ersten Runden Tisches, dessen Schwerpunkt unter anderem auf regulärer Migra­tion und Arbeitsmigration lag, und setzte in Side Events eigene thematische Schwerpunkte. Die deut­sche Delegation beim IMRF schloss Vertreter und Vertreterinnen dreier Ressorts (Auswärtiges Amt, Bundesministerium für wirtschaft­liche Zusammenarbeit und Ent­wicklung, Bundesministerium für Arbeit und Sozia­les) sowie einen Vertreter der deutschen Zivil­gesellschaft ein. Das lässt sich als Aus­druck eines ernsthaften, auch nach innen gerich­teten deutschen Engagements für die Um­setzung des GCM deuten.

Die EU hingegen bot ein Bild der Uneinig­keit. Statt mit einer Stimme zu sprechen, zerfiel der Staatenverbund in mehrere Lager. Zwei davon beteiligten sich an der Schlussdebatte des IMRF mit diametral ent­gegengesetzten Gruppenstatements. Grie­chenland, Polen, Dänemark und die Nieder­lande betonten gemeinsam mit Großbritan­nien und Norwegen das Primat staat­licher Souveränität und sprachen sich gegen eine mögliche künftige Binde­wirkung des Pakts aus. Dagegen erklärten Portugal, Irland und Finnland, sie fühlten sich verpflichtet, die im Pakt aus­geführten Ziele umzusetzen. Die deutsche Regierung schloss sich keiner dieser beiden Gruppen an.

Thematische Schwerpunkte und Leerstellen

Der GCM-Fortschrittsbericht umfasst einen Rückblick auf die Fortschritte und Hürden bei der Umsetzung des Pakts seit seiner Annahme im Dezember 2018 sowie Hand­lungsempfehlungen für den weiteren Pro­zess. Dieser Rückblick ist stark von den beson­deren Umständen der Covid-19-Pan­demie geprägt. Wichtige Fortschritte, etwa ein besserer Zugang von Migranten und Migrantinnen zu Gesundheitsleistungen, Alter­nativen zu Abschiebehaft sowie die Bemühungen einiger Länder, Migrantinnen und Migranten ohne legalen Aufenthalts­titel zu regularisieren, lassen sich ebenso ursächlich auf die Pan­demie zurück­führen wie verstärkte Diskriminierung, Jobunsicher­heit für Migrantinnen und Migranten und Reise­beschränkungen. Die hieran anknüpfenden Handlungsempfehlungen spiegeln weit­gehend den kleinsten gemeinsamen Nenner in der internationalen Debatte über Migra­tion wider. Von weiten Teilen der Zivil­gesellschaft als zu unambitioniert be­urteilt, gehen sie nur an wenigen Stellen über den ursprünglichen Text des GCM hinaus.

Im Gegensatz hierzu ließen sich bei den öffentlichen Debatten während des IMRF einige neue Schwerpunktsetzungen aus­machen, an denen auch die Bundesregierung beteiligt war. Hierzu zählten beson­ders eine vertiefte Auseinandersetzung mit Migration im Kontext des Klimawandels und das Bekenntnis vieler, vor allem euro­päischer Staaten zu mehr Geschlechter­gerechtigkeit in der Migrationspolitik. Drin­gender Handlungsbedarf besteht in beiden Bereichen. Die Dis­kus­sio­nen darüber beim IMRF offenbaren allerdings fortbestehende Leerstellen. So findet klimawandelinduzierte Migration bisher weitestgehend innerhalb nationaler Grenzen statt, doch das hiermit eng verknüpfte Thema Binnenvertreibung ist im Globalen Migrationspakt ausgeklammert. Auf der anderen Seite be­schränken sich die Rufe nach gender­responsiver Migrationspolitik häufig auf die Notwendigkeit, Schutzmechanismen für Frauen in besonders vulnerablen Situationen bei Grenz­übertritten zu schaffen. Es fehlt ein gehaltvolleres Verständnis der vie­len unter­schiedlichen Handlungsbedarfe einer genuin geschlechtergerechten Migra­tionspolitik, etwa in der Ausgestaltung von Arbeitsmigrationsprogrammen. Hier zeigt sich eine weitere Leer­stelle. Elementare Rechte von Arbeitsmigran­tinnen und ‑mi­granten, etwa das Recht auf Vereinigungsfreiheit und kollektive Gehaltsverhandlungen, wurden abgesehen von einzelnen Ver­treterinnen und Ver­tretern klassischer Herkunftsländer wie den Philippinen und Bangladesch fast ausschließlich von zivil­gesellschaftlichen Akteuren thematisiert.

Prozessorientierter Änderungsbedarf

Jenseits inhaltlicher Schwerpunktsetzungen war das IMRF Schauplatz intensiver Diskus­sionen über den weiteren Prozess der Um­setzung des GCM. Der Fortschrittsbericht enthält dazu eine signifikante Neuerung. Dort wird empfohlen, Indikatoren zur besse­ren Messbarkeit der Umsetzung in einzel­nen Staaten zu definieren, die unter ande­rem an die migrationsbezogenen Indikatoren der Ziele nachhaltiger Entwick­lung anknüpfen. Auch wenn der Pakt recht­lich nicht bindend ist, würde so der Um­set­zungsprozess dennoch ein Stück weit for­mali­siert und ein erstes Element eines Moni­toring- und Rechenschafts­mechanis­mus ein­geführt. Gemeinsam mit der Er­arbeitung nationaler Umsetzungspläne, die es bisher nur in wenigen Ländern gibt, könnte dies einen qualitativen Sprung in der Umsetzung des GCM bewirken.

Ein zweiter zentraler Aspekt der weiteren Ausgestaltung des Umsetzungsprozesses ist die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure, vor allem von Migrantenselbst­organisationen. Schon im Vorfeld des IMRF hatte eine Gruppe zivilgesellschaft­licher Organisationen in einem offenen Brief an den Präsidenten der VN-Generalversamm­lung die mangelnde Einbindung der Zivil­gesellschaft in die Verhandlungen über den Fortschrittsbericht moniert und so weite­re Konsultationsrunden erwirkt. Während des IMRF übten zivilgesellschaftliche Akteu­re harsche Kritik an der Exklu­sivität des Formats, von dessen Teilnahme besonders Vertreterinnen und Vertreter aus dem Glo­balen Süden aufgrund nicht rechtzeitig ausgestellter US-Einreisevisa ausgeschlossen waren. Diese logistischen Hürden waren zum Teil der erst kurzfristig gefällten Ent­scheidung geschuldet, das IMRF in Präsenz abzuhalten. Dennoch weisen sie dar­auf hin, dass die meisten Staaten dem im Globalen Migrationspakt festgeschriebenen gesamtgesellschaftlichen Ansatz wenig Bedeutung zumessen. Die vielschichtigen Perspektiven, die zivilgesellschaftliche Ak­teure im Vor­feld des IMRF und währenddessen zu den Diskussionen beitrugen, ver­deutlichten dagegen den unverzichtbaren Mehrwert ihrer Einbindung.

Bewegung in der Gover­nance globa­ler Migra­tion

Das alle vier Jahre stattfindende IMRF bietet Staaten ein Forum für den Austausch zu migrationspolitischen Themen untereinander sowie eine Bühne für die Präsentation eigener Fortschritte. Parallel zu den Ent­wick­lungen auf nationaler Ebene beeinflusst der GCM-Prozess aber auch Akteurskonstella­tio­nen auf internationaler Ebene.

Die Arbeit des UN Network on Migration und die Rolle der IOM

Mit Annahme des Pakts wurde ein neues Gre­mium zur besseren Abstimmung migra­tionsbezogener Aktivitäten auf VN-Ebene geschaffen, das UN Network on Migration. Koordiniert wird es durch die IOM in Person des Generaldirektors Antonio Vitorino. Das eben­falls bei der IOM angesiedelte Sekre­tari­at des Netzwerks be­rät Staaten bei der tech­nischen Umsetzung des GCM und fördert die bessere Abstimmung der migrations­bezogenen Aktivitäten unterschied­licher VN-Akteure. Zudem unterstützt es die Vor­bereitung des migra­tionsbezogenen Berichts, den der VN-Gene­ralsekretär alle zwei Jahre der VN-General­versammlung vorlegt.

Seit 2018 hat das Sekretariat viel erreicht: Neben der Bereit­stellung der im Pakt vor­gesehenen Struk­turen (Kapazitätsaufbaumechanismus, Start-Up Fund, Global Know­ledge Platform and Connection Hub) hat es in mittler­weile 66 Ländern nationale VN-Migrations­netzwerke zur Unterstützung des GCM-Umsetzungsprozes­ses aufgebaut. Letztere sind in die UN Country Teams eingebettet und werden von IOM-Regional- und Ländervertretern geleitet. Eine weitere wichtige Auf­gabe lautet, migra­tions­politische Standards im Sinne des GCM zu formulieren. So ini­tiiert und begleitet das Netzwerk die Aus­arbeitung von Leitlinien (guidance notes) durch Arbeitsgruppen. Diese Leitlinien bilden einen VN-weiten Konsens zu migra­tions­politischen Themen wie bilateralen Arbeitsmigrationsabkommen oder Rückkehr und Reintegration ab und haben dadurch besonde­res norma­tives Gewicht. Im Kontext dieser unterschiedlichen Akti­vitäten konsolidiert die IOM ihre Identi­tät als vollwertiges Mit­glied des VN-Systems sowie als gestaltender Akteur in der Gover­nance globa­ler Migra­tion. Damit will sie ihre alte Rolle überwinden, die sich früher oft auf die Bereitstellung projekt­basierter Dienstleistungen be­schränkte. Dieses Stre­ben spiegelt sich in den lau­fen­den Ver­hand­lungen über eine grund­legende Änderung der Finanzierungsstruktur der IOM wider. Ziel der Verhandlungen ist, das Kern­budget der IOM deut­lich zu erhöhen und damit ihre Autonomie spür­bar zu stärken.

Bedeutung weiterer Akteure und Prozesse

Neben der stetig wachsenden Bedeutung der IOM als Koordinator des UN Network on Migration sind auch andere internationale Akteure bemüht, sich im GCM-Umsetzungs­prozess aktiv einzubringen. So haben sich die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), das Hohe Kommissariat der VN für Men­schenrechte (OHCHR) und das VN-Entwick­lungsprogramm (UNDP), jeweils vertreten im Exekutivkomitee des UN Network on Migration, mit eigenen Zu­sagen im Rahmen der Pledging Initia­tive des IMRF zur Um­setzung des GCM bekannt. Die Weltbank plant, dem Exekutivkomitee beizutreten. Damit käme auch in den nationalen Netz­werken eine gewichtige entwicklungspoli­tische Stimme hinzu.

An anderer Stelle offenbart der GCM-Umsetzungsprozess institutionelle Lücken. Bisher hat keine VN-Organisation ein klares Mandat dafür, die drängenden Herausforderungen infolge klimainduzierter Flucht zu bearbeiten. In ihrer jetzi­gen Ausstattung ist die von einem kleinen Sekretariat unter­stützte zwischenstaatliche Platform on Disaster Displacement den Zukunftsaufgaben in diesem Bereich nicht annähernd gewachsen. Hier stehen in naher Zukunft Entscheidungen über einen substantiellen Ausbau der Initiative oder ihre Eingliederung in eine der the­matisch verwandten VN-Organisationen Flüchtlings­hilfswerk (UNHCR) oder IOM an.

Ungeklärt ist schließlich auch das Verhältnis zwischen dem GCM-Prozess und dem Glo­bal Forum on Migration and Devel­opment (GFMD). Dieses bildete über lange Jahre den wichtigsten multilateralen Ort für den zwischenstaatlichen Aus­tausch zu Migra­tion und wird zumindest bis Ende 2023 unter senegalesisch-französi­schem Vorsitz fort­geführt. Nun stellt sich die Frage, ob der GCM das GFMD wegen begrenz­ter zeit­licher und finanzieller Res­sourcen perspek­tivisch ablösen sollte oder ob beide Prozesse parallel fort­geführt wer­den sollten, da andernfalls ein entscheiden­der Mehrwert etwa hinsichtlich der Einbindung nichtstaatlicher Akteure und des Privat­sektors verlorenginge.

Welchen Beitrag kann die Bundesregierung leisten?

Ungeachtet der damaligen Kontroversen um die Annahme des GCM hat sich der daraus folgende Prozess zum zentralen Schauplatz migrationspolitischer Debatten auf inter­nationaler Ebene entwickelt. Die Ergebnisse des ersten IMRF in New York bleiben zwar hinter den Erwartungen vieler zivilgesellschaftlicher Akteure zurück, die sich für die Interessen von Migrantinnen und Migranten einsetzen. Den­noch bieten sie wichtige Anknüpfungspunkte für die progressive Ausgestaltung künftiger Migrationspolitik.

Seit der sogenannten europäischen Flücht­­lingskrise der Jahre 2015 und 2016 wird Deutschland international als bedeu­tender migrationspolitischer Akteur wahr­genommen. Die vorherige Bundesregierung hat den GCM-Prozess von Beginn an unter­stützt, und die jetzige Regierung sollte die­ses Engagement weiter ausbauen. Die im GCM enthaltenen Ziele einer rechtebasierten und entwicklungsfördernden migra­tionspolitischen Zusammenarbeit weisen große Schnitt­mengen mit dem migrationspolitischen Paradigmenwechsel auf, den die Ampel-Koalition in Aussicht gestellt hat. Das betrifft vor allem die Aushandlung neuer Migra­tionspartnerschaften. Anders als frühere Versuche sollten sie sich nicht nur auf Rückkehr konzentrieren, sondern sich auch vor dem Hintergrund deutscher und euro­päischer Arbeitsmarktbedarfe am um­fassenden Ansatz des GCM orientieren. Voraussetzung hierfür ist ein entsprechender Zuschnitt des im Koalitionsvertrag an­gekündigten Amts eines oder einer Sonder­bevollmächtigten der Bundesregierung für diese Aufgabe.

Den größten Beitrag zum GCM-Um­set­zungs­prozess leistet die Bundesregierung, wenn sie in entscheidenden Bereichen mit gutem Beispiel vorangeht. Erstens sollte sie mit den Zielen des Pakts übereinstimmende innen­politische Reformen durch­setzen, mit denen sie einen Kontra­punkt zu der nach wie vor weit ver­breiteten Vorstellung »der Norden finanziert, der Süden implementiert« setzt. Zweitens sollte sie einen insti­tutionalisierten Prozess zur Überprüfung der Umsetzung des GCM auf nationaler Ebene etablieren, in den auch die deutsche Zivil­gesellschaft kontinuierlich eingebunden wird und der die Erarbeitung eines nationa­len Umsetzungsplans einschließt. Drittens sollte sie die Maßnahmen sek­toral aus­differenzieren, die für eine geschlechter­gerechte Migra­tionspolitik erforderlich sind. Viertens sollte sie sich dafür einsetzen, dass die Staatengemeinschaft die institutionelle Leerstelle bezüglich Binnenvertreibung füllt. Fünftens sollte sie ent­schlossen dafür eintreten, dass aus­sage­kräftige Indikatoren zur Überprüfung von Umsetzungsfortschrit­ten erarbeitet werden.

In vielen dieser Bereiche agiert Deutschland schon jetzt als tatkräftiger Förderer und Unterstützer des GCM. Ein offizieller Beitritt zur Champion Countries Initiative des GCM könnte dieses Engagement noch sichtbarer machen.

Dr. Anne Koch ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen. Dieses SWP-Aktuell wurde verfasst im Rahmen des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderten Projekts »Flucht, Migration und Entwicklung – Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten für deutsche und europäische Politik«.

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DOI: 10.18449/2022A46