In Deutschland herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass abgelehnte Asylsuchende und andere Ausreisepflichtige das Land so bald wie möglich verlassen sollen. Abschiebungen sind aber aufwendig, teuer und vor allem dann gesellschaftlich heftig umstritten, wenn die politische Situation im Zielland instabil und die Sicherheitslage dort angespannt ist. Um Anreize für freiwillige Rückkehr zu bieten, hat die Bundesregierung daher ihre Programme zur Rückkehrförderung ausgebaut und um Reintegrationsmaßnahmen vor Ort ergänzt. Dabei setzt sie auf die Entwicklungszusammenarbeit. Nichtregierungsorganisationen kritisieren dies, da sie eine Vermischung migrations- und entwicklungspolitischer Ziele ablehnen. Jenseits dieser normativen Debatte wird aber zu wenig diskutiert, inwieweit Entwicklungsprogramme überhaupt geeignet sind, die individuellen und strukturellen Herausforderungen von Rückkehr zu bewältigen.
Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, die Zahl der Rückkehrer aus Deutschland zu erhöhen. So trat im August 2019 das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz in Kraft, das die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer erleichtern soll. Begründet wird dies mit innenpolitischen Notwendigkeiten wie der Durchsetzung des Rechtsstaats und der Akzeptanz von Asylschutz in der Bevölkerung. Diese Akzeptanz könne nur aufrechterhalten werden, wenn ausreisepflichtige Menschen das Land möglichst schnell wieder verlassen. Im Fokus der Bemühungen stehen abgelehnte Asylsuchende. 2018 wurde über 216 837 Asylanträge entschieden. Gut 35% (75 971) der Entscheidungen fielen positiv aus, etwas weniger als 35% (75 395) negativ. Weitere 30% erledigten sich aus formellen Gründen, etwa weil Anträge zurückgenommen wurden oder weil andere EU-Staaten zuständig waren. Damit alle Ausreisepflichtigen rasch in ihre Herkunftsländer zurückkehren, werden Betroffene teils unter Einsatz von Zwang abgeschoben. Diese Maßnahmen werden häufig mit polizeilicher Begleitung durchgeführt. Sie sind organisatorisch aufwendig und teuer. Abschiebungen werden von zivilgesellschaftlichen Gruppen heftig kritisiert. Sie befürchten Menschenrechtsverletzungen, wenn Menschen in Länder mit bewaffneten Konflikten und autokratischen Regimen zurückgeschickt werden. Außerdem beklagen sie Härten bei der Trennung von Familien und bei erkrankten Abzuschiebenden und verurteilen generell Zwangsmaßnahmen während der Abschiebung. Diese Gruppen bezeichnen die aktuellen Reformen der Asylgesetzgebung als »Hau-ab-Gesetz«, da dieses durch die Verschärfung von Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam stark in die Menschenrechte eingreife.
Jenseits von Zwangsmaßnahmen setzt die Bundesregierung finanzielle Anreize, um Ausreisepflichtige zur selbständigen Rückkehr zu bewegen. Neben Informations- und Beratungsangeboten übernehmen Bund und Länder die Reisekosten freiwilliger Rückkehrer, beispielsweise über das Programm REAG/GARP (Reintegration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany/Government Assisted Repatriation Programme). Auch kann weitere finanzielle Unterstützung für die Reise in Höhe von bis zu 200 Euro pro Person gewährt werden. Zudem können maximal 2000 Euro an medizinischen Kosten bis zu drei Monate nach Ankunft im Zielland übernommen werden. Bei sogenannter frühzeitiger Ausreise kann zusätzlich ein Sonderbetrag von 500 Euro gezahlt werden. Dafür müssen die Betreffenden vor oder bis spätestens zwei Monate nach der Asylentscheidung eine Erklärung abgeben, dass sie freiwillig in ihre Heimatländer zurückkehren. Seit 2017 schließlich können freiwillige Rückkehrer in mehr als 40 Zielländern über das ergänzende Programm »StarthilfePlus« eine einmalige Starthilfe von 1000 Euro pro Person erhalten. Finanziert wird sie vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), von den zuständigen Ministerien der Bundesländer sowie vom Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU.
Ob Ausreisewillige Unterstützung erhalten können und wenn ja welche, hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen. Um Hilfen in Anspruch nehmen zu können, müssen sie generell bestätigen, dass sie freiwillig ausreisen sowie dauerhaft nicht wieder nach Deutschland einreisen wollen. Außerdem müssen sie anhängige Rechtsmittel bei Behörden und Gerichten zurücknehmen, beispielsweise zu aufenthaltsrechtlichen Fragen.
Solche Rückkehrförderprogramme richten sich in der Regel an Menschen, deren Asylantrag in Deutschland abgelehnt wurde oder wenig Aussicht auf Erfolg hat, sowie an weitere Ausreisepflichtige. Personen, die zu dieser Gruppe gehören, können also nicht frei über ihre Ausreise entscheiden, sondern sie lediglich selbständig organisieren.
Rolle der Entwicklungspolitik in der Rückkehrförderung
Diese Möglichkeiten der finanziellen Rückkehrförderung hat die Bundesregierung um eine Reintegrationsförderung in den Herkunftsländern ergänzt. Dafür setzt sie Mittel, Akteure und Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ein. Zentraler Baustein dieser neuen Rückkehrförderung ist das Programm »Perspektive Heimat« des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit einem Finanzvolumen von bis zu 150 Millionen Euro (2017–2020). Mit diesem Programm sollen Rückkehrer umfassend unterstützt werden, von der Beratung und Qualifizierung noch in Deutschland bis zu Maßnahmen vor Ort. Einen Schwerpunkt bilden sogenannte Beratungszentren für Jobs, Migration und Reintegration, die bisher in den Herkunftsländern Afghanistan, Albanien, Ghana, Irak, Kosovo, Marokko, Nigeria, Senegal, Serbien und Tunesien eingerichtet wurden. Die Zentren sollen vor allem Unterstützung bei der Ausbildung und beruflichen Weiterbildung sowie bei der Jobsuche anbieten.
Oppositionsparteien kritisieren, auf diese Weise werde die Entwicklungspolitik zur Erfüllungsgehilfin der Asyl- und Migrationspolitik gemacht. Zu wenig beachtet wird die Frage, ob die aktuellen Programme überhaupt geeignet sind, Rückkehrern zu helfen, individuelle und strukturelle Hindernisse bei ihrer Rückkehr und Reintegration besser zu überwinden.
Komplexe Kontexte
Die Herausforderungen für Rückkehrer variieren je nach Herkunftsland stark. Das BMZ-Programm versucht dem gerecht zu werden, indem bereits in Deutschland Beratungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten angeboten werden, die den Bedarfen von Rückkehrern individuell angepasst werden. Die Beratungszentren vor Ort sollen Einzelnen dann weiter bei der Suche nach Arbeit unter die Arme greifen.
Eine Analyse der Situation in den Herkunftsländern zeigt jedoch, dass die Schwierigkeiten dort meist weit gravierender sind, als dass sie mit diesen EZ-Angeboten beseitigt werden könnten. So leiden manche Länder unter großflächigen Zerstörungen und einer schlechten Sicherheitslage, die oft durch religiöse und ethnische Spannungen verursacht und die Präsenz nichtstaatlicher Gewaltakteure verstärkt wird. Häufig sind staatliche und institutionelle Strukturen dysfunktional oder fehlen gänzlich, was ebenfalls erhebliche Probleme erzeugt. Rückkehrer in Afghanistan beispielsweise berichten von Gefahren durch Anschläge und Kampfhandlungen. Im Irak benötigen Rückkehrer gültige Identitätsdokumente, um sich im Land bewegen oder Basisdienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Diese Papiere werden dort ausgestellt, wo die Familie vor ihrer Flucht registriert war. Die dafür notwendigen administrativen Prozesse funktionieren jedoch meist nur unzureichend und langsam – wenn es den Betroffenen überhaupt gelingt, ohne Dokumente innerirakische Checkpoints zu passieren und zur zuständigen Behörde zu gelangen.
In vielen Herkunftsländern gibt es zudem kaum Zukunftsperspektiven. In Nigeria etwa fehlt es an Arbeitsplätzen und einem guten Bildungssystem. Um Arbeit zu finden oder Rechte einfordern zu können, sind viele daher auf Netzwerke angewiesen, die auf Nepotismus und Klientelismus beruhen. Weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft tragen zu großer Armut und Ungleichheit bei. Zahlreiche Rückkehrer haben darüber hinaus erhebliche Mittel in ihre Flucht investiert und sich teilweise hoch verschuldet. Ohne Arbeitsplatz, Startkapital oder ein belastbares Netzwerk an Beziehungen haben sie häufig nur geringe Chancen auf erfolgreiche Reintegration.
Entwicklungspolitische Rückkehrförderung: Ansätze und Lücken
Nicht alle Rückkehrer sind von den genannten Herausforderungen gleichermaßen betroffen. Vielmehr hängen Perspektiven im Herkunftsland stark von ihrem individuellen Profil ab. Daher ist es sinnvoll, ihnen maßgeschneiderte Unterstützung zu bieten und sicherzustellen, dass sie vorab umfassende Informationen erhalten und eine fundierte Rückkehrentscheidung treffen können.
Auch erhöhen sich die Chancen auf nachhaltige Reintegration, wenn die Betreffenden bereits in Deutschland wichtige Qualifikationen erwerben können sowie Beratung und Finanzierung für eine Unternehmensgründung im Herkunftsland erhalten. Vor allem in Ländern wie Nigeria mit seinem ausgeprägten informellen Sektor und erschwerten Zugang zu beruflicher Qualifizierung können Angebote wie Jobvermittlung, Weiterbildung und Startkapital für selbständige Arbeit attraktiv sein. Doch für die Lösung struktureller Probleme, die in den Herkunftsländern existieren und viele Menschen zur Flucht bewegen, sind die Reintegrationsprogramme nicht konzipiert.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Förderung ist die Freiwilligkeit der Rückkehr: Abschiebungen machen Beratung, Vorbereitung und Vorabqualifizierung praktisch unmöglich und erschweren so die Reintegration. Wenig Potential für eine positive Entwicklungswirkung bietet auch die staatlich unterstützte Ausreise von Menschen, deren Rückkehr zwar nicht unter physischem Zwang erfolgt, mangels Alternativen aber auch nicht als freiwillig bezeichnet werden kann.
Fazit
Aufgrund der Länderexpertise der Entwicklungszusammenarbeit sowie ihrer Umsetzungsstrukturen in Herkunftsländern ist es wenig verwunderlich, dass die Bundesregierung bei der Rückkehrförderung stärker auf EZ-Akteure und ihre Instrumente zurückgreifen möchte. Die deutsche Rückkehrpolitik ist zwar vor allem innenpolitisch motiviert, aber das zuständige Bundesinnenministerium kann sich nicht auf vergleichbare Erfahrungen und Wissen in Entwicklungs- und Schwellenländern stützen. Allerdings fallen Programme zur Förderung der Rückkehr aus Deutschland nicht in den klassischen Zuständigkeitsbereich der Entwicklungspolitik. Sie verfolgt Ziele wie Armutsminderung, Förderung von Menschenrechten oder Klimaschutz und richtet sich an den Zielen für nachhaltige Entwicklung aus. Rückkehrprogramme bergen daher Reputationsrisiken für entwicklungspolitische Akteure, weil sie deren Glaubwürdigkeit verringern können. Daher besteht die Gefahr, dass künftige partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, EZ-Zielgruppen oder Behörden in Entwicklungsländern erschwert wird und sich der Handlungsspielraum von EZ-Akteuren auf diese Weise reduziert.
Zwar können EZ-Programme einzelnen Rückkehrern die individuelle Reintegration erleichtern und mögliche Härten mildern. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Programme die strukturellen Bedingungen in den Herkunftsländern so weit verbessern können, dass Rückkehr für Ausreisepflichtige in Deutschland eine attraktive Option wird und aus freien Stücken erfolgt. Eine positive Entwicklungswirkung ist daher ebenfalls nur in eingeschränktem Maße zu erwarten.
In diesem Spannungsfeld zwischen innenpolitischen Ansprüchen und entwicklungspolitischen Grundsätzen sollte die EZ rote Linien bei der Förderung von Rückkehr ziehen. So sollte Entwicklungszusammenarbeit immer den Mindestansprüchen eines Do-No-Harm-Ansatzes genügen. Dieser steht nämlich dann in Frage, wenn mit dem Hinweis auf Entwicklungsprogramme die Rückkehr gerade in Krisenländer gerechtfertigt wird. Zudem sollte sich die Entwicklungspolitik weiterhin klar davon distanzieren, Abschiebungen logistisch oder organisatorisch zu unterstützen.
Mangels alternativer Konzepte und Instrumente zum Umgang mit abgelehnten Asylsuchenden und anderen Ausreisepflichtigen sollte die Bundesregierung generell ihr entwicklungspolitisches Engagement durch umfassende außen- und sicherheitspolitische Bemühungen ergänzen, um die wirtschaftliche und politische Situation in den Herkunftsländern zu verbessern. Angesichts der menschlichen, finanziellen und gesellschaftlichen Kosten der Rückkehrpolitik wäre es sinnvoll, die Asyl- und Migrationspolitik grundsätzlich zu überdenken: Mehr Möglichkeiten für legale Migrationswege würden Rückkehrprogramme zumindest teilweise überflüssig machen.
Statt Rückkehr sollte der Austausch mit den Herkunftsländern über deren Interessen und Perspektiven in den Vordergrund rücken. Im Globalen Flüchtlingspakt (GCR), den die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 2018 verabschiedete, wird Rückkehr in Sicherheit und Würde als eines von vier Zielen genannt und bietet damit einen gemeinsamen inhaltlichen Rahmen. Informelle Plattformen wie das Globale Forum für Migration und Entwicklung (GFMD) eignen sich dazu, Formen konkreter Kooperation auszuhandeln und aus Erfahrungen der Zusammenarbeit zu lernen.
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doi: 10.18449/2019A50