Direkt zum Seiteninhalt springen

Horn von Afrika: Zeit für präventive Diplomatie

Kurz gesagt, 19.03.2025 Forschungsgebiete

Sowohl in Äthiopien als auch in Südsudan spitzen sich Konflikte erneut zu. Um eine weitere Regionalisierung der Konfliktlandschaft zu verhindern, sollte Europa hochrangige Diplomatie unterstützen, meint Gerrit Kurtz.

Am Horn von Afrika sind zwei Friedensprozesse akut gefährdet: Lokale Machtkämpfe in Südsudan und Äthiopiens Tigray-Region drohen sich zu regionalen Krisen auszuweiten. In Südsudan tobt wie bereits 2013 zu Beginn des letzten Bürgerkriegs ein Machtkampf um die mögliche Nachfolge des 73-jährigen Präsidenten Salva Kiir. Dieser bringt bereits seinen Schwiegersohn als potenziellen Nachfolger in Stellung. Gleichzeitig sorgen Zusammenstöße zwischen der Nuer-Miliz White Army und der südsudanesischen Armee in der Region Upper Nile für Aufregung, nachdem ein UN-Hubschrauber abgeschossen und ein hochrangiger Armeegeneral getötet wurde. 

Die White Army kämpfte während des Bürgerkriegs von 2013 bis 2018 auf Seiten der wichtigsten Rebellengruppe, der Sudan People’s Liberation Army/Movement-in Opposition (SPLA/M-IO) unter dem heutigen ersten Vizepräsidenten Riek Machar. Die Spannungen zwischen Kiir und Machar verschärfen sich erneut – ein gefährliches Déjà-vu für das Land, das nach Jahrzehnten des Konflikts kaum zur Ruhe gekommen ist.

Äthiopien: Spaltung innerhalb der TPLF und wachsende Spannungen mit Eritrea

In Äthiopien droht sich ein lokaler Machtkampf in der Region Tigray zu einer regionalen Krise zwischen der Bundesregierung in Addis Abeba und Eritrea auszuweiten. Die Tigray People’s Liberation Front (TPLF), einst Regierungspartei Äthiopiens und zwischen 2020 und 2022 Kriegsgegnerin der äthiopischen Regierung, ist gespalten: Einer Fraktion um den Vorsitzenden Debretsion Gebremichael steht eine Reformer-Fraktion unter dem Präsidenten der Übergangsverwaltung in Tigray, Getachew Reda, gegenüber.  

Die Debretsion-Fraktion weiß weite Teile des tigrayischen Militärs auf ihrer Seite und übernimmt seit Monaten zum Teil gewaltsam lokale Verwaltungsstrukturen. Mittlerweile hat sie auch Medien und Teile der Verwaltung in der Provinzhauptstadt Mekelle unter ihre Kontrolle gebracht. Der Debretsion-Fraktion der TPLF werden gute Beziehungen zu Eritrea nachgesagt, während Getachew auf den äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed setzt. Die bilateralen Beziehungen zwischen Äthiopien und Eritrea haben sich seit dem Pretoria-Abkommen, das den Krieg zwischen der TPLF und der Regierung 2022 beendete, merklich abgekühlt. Beiden Ländern wird vorgeworfen, Regimegegner des jeweils anderen zu unterstützen.

Aufgrund der zunehmenden Spannungen droht eine Regionalisierung der Konfliktlandschaft. Uganda hat bereits Truppen zur Unterstützung der südsudanesischen Regierung entsandt, wie bereits 2013. Ebenfalls wie bei früheren Auseinandersetzungen greifen sudanesische Akteure ein. Am Wochenende kämpften bereits Milizen der Rapid Support Forces in Südsudan gegen Einheiten der SPLA/M-IO, die anscheinend auf dem Weg waren, Waffen von der sudanesischen Armee zu erhalten.

Scheitern der Friedensabkommen – fehlende internationale Vermittlung

Die aktuellen Eskalationen sind kein Zufall. Die jeweiligen Abkommen zur Beendigung der Bürgerkriege in Südsudan und Äthiopien wurden nur spärlich umgesetzt. Einseitige Abweichungen beider Regierungen von ihren Verpflichtungen haben sich de facto durchgesetzt. Kiir tauschte in zunehmender Geschwindigkeit Kabinettsmitglieder aus und ließ hochrangige Generäle der SPLA/M-IO verhaften. In Äthiopien blieben wichtige Maßnahmen des Pretoria-Abkommens wie die Demobilisierung der Milizen und der Rückzug eritreischer und amharischer Truppen aus Tigray weitgehend aus.

Das internationale Engagement für die Region ist zunehmend fragmentiert – wie auch die Staaten der Region selbst. So fehlt es beispielsweise in Äthiopien an glaubwürdigen Garantiemächten für den Friedensprozess. Am jüngsten Sondergipfel der Intergovernmental Authority on Development (IGAD) zu Südsudan nahmen nur zwei Länder auf Ebene ihres Präsidenten teil. Wo früher die USA der wichtigste internationale Partner für den Frieden in der Region waren, sind heute Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien oder die Türkei einflussreich, die aber eher bestimmte Seiten unterstützen als in innerstaatlichen Konflikten vermitteln.

Angesichts der sich zuspitzenden Lage ist es höchste Zeit für eine hochrangige präventive Diplomatie. Ein koordiniertes internationales Vorgehen könnte die Eskalation eindämmen. Denkbar wäre eine informelle Aufgabenteilung: Einflussreiche Länder wie die Türkei oder Saudi-Arabien könnten Spannungen auf der zwischenstaatlichen Ebene entschärfen, während europäische Akteure IGAD und die AU in innerstaatlichen Vermittlungsprozessen unterstützen.

Dr. Gerrit Kurtz ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.