Ein Versuch der griechischen Regierung, das Privatfernsehen zu kontrollieren, ist am Einspruch des Staatsrates vorerst gescheitert. Ioannis N. Grigoriadis erkennt illiberale Tendenzen in der griechischen Politik, die die Überwindung der Krise des Landes gefährden.
Kurz gesagt, 10.11.2016 ForschungsgebieteEin von der griechischen Regierung erlassenes Fernsehgesetz ist als verfassungswidrig eingestuft worden. Ein Versuch der Regierung Tsipras, das Privatfernsehen zu kontrollieren, ist damit vorerst gescheitert. Ioannis N. Grigoriadis erkennt illiberale Tendenzen in der griechischen Politik, die die Überwindung der Krise des Landes gefährden.
Der Versuch der griechischen SYRIZA-ANEL-Regierung, das Privatfernsehen ihren politischen Interessen unterzuordnen, lässt ernsthafte Zweifel am Zustand der griechischen Demokratie aufkommen. Die Regierung hatte angekündigt, Ordnung in die Fernsehwelt bringen zu wollen, denn seit Jahrzehnten fehlt es an einer Regulierung der privaten Sender. Doch das von ihr hierzu initiierte und verabschiedete Gesetz kann nur als Versuch gewertet werden, das Privatfernsehen unter ihre Kontrolle zu bringen. Es sieht vor, nur vier private Fernsehlizenzen zu vergeben, deren Versteigerung die Regierung und nicht wie von der Verfassung vorgesehen der Rundfunkrat steuert; die restlichen landesweiten Privatsender sollen laut Gesetz geschlossen werden. Damit hätte die Regierung die Möglichkeit, nur noch Fernsehsender zuzulassen, die in ihrem Sinne berichten. Dies allein wäre ein schwerer Eingriff in die Pressefreiheit und damit ein Verstoß gegen die Grundrechte.
Doch damit nicht genug: Offenbar wollte die Regierung den Staatsrat ködern, das Gesetz als verfassungskonform einzustufen. So traf sich Ministerpräsident Alexis Tsipras vor der Entscheidung mit den Präsidien der drei obersten Gerichte des Landes – Staatsrat, Kassationsgerichtshof und Rechnungshof –, um etwas in Aussicht zu stellen, das eigentlich zwischen Gewerkschaften und Justizministerium ausgehandelt werden muss: Er wolle sich dafür einsetzen, dass die Richter ihre im Zuge der Finanzkrise gekürzten Gehälter wieder in voller Höher erhielten, zudem sollten sie den nicht erhaltenen Kürzungsbetrag rückwirkend zurückerstattet bekommen. Man darf davon ausgehen, dass Tsipras dieses Angebot an die Erwartung knüpfte, dass die Richter ihm im Gegenzug bei der Entscheidung über das Fernsehgesetzt entgegenkämen. Gleichzeitig verbreiteten regierungsnahe Medien Gerüchte über das Privatleben eines Mitglieds des Staatsrats, das das Gesetz als verfassungswidrig betrachtete. Anstatt dieser eindeutigen Verletzung der Privatsphäre des Richters nachzugehen, hat der Justizminister Disziplinarmaßnahmen gegen ihn ergriffen – ein klarer Einschüchterungsversuch. Als der Staatsrat das bereits beschlossene Gesetz einschließlich der bereits erfolgten Versteigerung der Lizenzen am 19. Oktober schließlich als verfassungswidrig einstufte, da die Kompetenz des Rundfunkrats verletzt worden sei, griff Regierungssprecherin Olga Gerovassili das Gericht frontal an. Die Regierung werde sich vom Staatsrat nicht darin behindern lassen, den Fernsehmarkt zu regulieren, und umgehend ein neues Gesetz beschließen.
Die europäischen Regierungen und EU-Institutionen hatten sich in letzter Zeit mit der Arbeitsweise der Koalitionsregierung Griechenlands zufrieden gezeigt, obwohl die Umsetzung des im Sommer 2015 beschlossenen EU-Finanzpakets nicht nach Plan verläuft. Hauptsächlich ist man wohl froh, dass der soziale Frieden in dem Land hält. Mit ihrem Aufstieg zur Regierung hat SYRIZA ihre Politik der Polarisierung zumindest vorläufig eingestellt. Da die Opposition größtenteils aus Parteien besteht, die eine europäische Zukunft Griechenlands und die von der EU vorgesehenen Reformen unterstützen, glauben die europäischen Partner, dass es der SYRIZA-ANEL-Regierung gelingen könnte, die griechische Wirtschaft und Gesellschaft zu stabilisieren.
Eine solch konziliante Haltung aber ignoriert nicht nur die ökonomische Realität, sondern auch die beunruhigenden illiberalen Entwicklungen in der Politik. Die Gewaltenteilung hatte seit dem Ende des Militärregimes im Jahre 1974 problemlos funktioniert; man konnte sich zwar stets über die Effizienz der Regierung, des Parlaments oder der Justiz beschweren, aber die Unabhängigkeit der Legislative und der Judikative war gesetzt. Die Auseinandersetzung zwischen der SYRIZA-ANEL-Regierung und dem Staatsrat gibt Anlass zu großer Sorge, dass es damit nun vorbei ist.
Sicherlich ist der Einfluss der europäischen Institutionen begrenzt, wenn es sich um innenpolitische Angelegenheiten eines Mitgliedstaates handelt. Verletzungen der Pressefreiheit oder der Gewaltenteilung dürfen dennoch nicht ohne jegliche Reaktion bleiben. Nicht nur, weil diese demokratischen Prinzipien zu den gemeinsamen politischen Werten Europas gehören, sondern auch, weil es ohne sie nicht gelingen wird, die Krise Griechenlands zu überwinden. Auch das neue Fernsehgesetz muss diesen Werten gerecht werden.
Der Text ist auch bei Handelsblatt.com und EurActiv.de erschienen.
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