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Ende einer Allianz: Ägypten, Saudi‑Arabien und die VAE

Bilaterale Interessendivergenzen bieten Chancen für Deutschland und die EU

SWP-Aktuell 2023/A 51, 10.08.2023, 6 Seiten

doi:10.18449/2023A51

Forschungsgebiete

In den vergangenen 10 Jahren haben die drei verbündeten Regierungen Ägyptens, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erheblichen Einfluss auf Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten genommen. Gemeinsames Ziel war es, demokratische Transformation zu verhindern, den Aufstieg des politischen Islam zu stoppen sowie dem regionalen Einfluss Irans und der Türkei entgegenzuwirken. Gemeinsame regionalpolitische Interventionen waren indes wenig erfolgreich. Über­dies treten in den letzten Monaten Interessendivergenzen in den bilateralen Bezie­hungen zwischen diesen autoritär geführten arabischen Staaten zutage. Konflikt­poten­zial wird sowohl in Bezug auf wirtschaftliche als auch auf regional­politische Fragen sichtbar und dürfte zukünftig noch steigen. Deutschland und die Europäische Union (EU) sollten diese Interessendivergenzen der drei Länder als Chance begreifen, um eigene Ziele in der Region zu verfolgen.

Seit der Machtübernahme des Militärs in Kairo im Juli 2013 gelten Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabi­schen Emirate als enge Verbündete. Mit umfangreichen Finanzhilfen unterstützten Riad und Abu Dhabi die neue ägyptische Füh­rung unter dem ehemaligen Verteidigungs­minister und heutigen Präsi­denten Abdel Fattah al-Sisi und ermöglichten so, dass er seine autoritäre Herrschaft konsolidieren konnte. In den Folgejahren stimmten sich die drei Staaten regional- und sicherheitspolitisch miteinander ab. Verbindendes Interesse ihrer autoritären Führungen war es, demokratische Bestrebungen in der Region zu unterbinden, die Aktivitäten der moderat-islamistischen Muslimbruderschaft zu stoppen, die vor allem von Abu Dhabi und Kairo als Be­dro­hung empfunden wur­den, sowie dem regio­nalen Einfluss Irans und der Türkei ent­gegen­zutreten, den vor­nehmlich Riad als existenzielle Bedrohung ansah.

In drei Fällen war die enge Zusammen­arbeit dieser De‑facto-Allianz besonders augen­fällig: Saudi-Arabien und die VAE be­gan­nen im März 2015 mit poli­ti­scher Unter­stützung Ägyptens eine Militär­intervention gegen die mit Iran ver­bün­dete Huthi-Miliz in Jemen. In Libyen unterstützten die VAE und Ägypten seit 2014 Milizenführer Khalifa Haftar in seinem Machtkampf mit der Regie­rung in Tripolis und lieferten sich 2019 und 2020 einen Stell­vertreterkrieg mit der Türkei, die dieser zu Hilfe geeilt war. Und alle drei Staa­ten er­rich­teten im Juni 2017 eine Blo­ckade gegen das Emirat Katar, um Doha zu zwingen, seine Beziehungen zu Iran und zur Türkei zu reduzieren sowie seine Unter­stützung für die Muslimbruderschaft ein­zustellen.

Erfolgreich waren diese Interventionen allerdings nicht. In Jemen konnte sich die Huthi-Miliz auch durch iranische Hilfe gegen die saudisch-emiratische Militär­koali­tion verteidigen und setzte die beiden Golf­monarchien durch wiederholte Raketen­angriffe unter Druck. Infolgedessen muss­ten diese ihre Politik ändern. Spätestens seit Beginn dieses Jahres setzen beide Staaten nicht mehr auf einen militärischen Sieg, sondern auf Verständigung sowohl mit den Huthis als auch mit Iran. In Libyen gelang es Abu Dhabi und Kairo zwar, General Haftar militärisch zu stärken, zur Machtübernahme konnten sie ihm jedoch nicht verhelfen. Stattdessen konsolidierte die Türkei ihren Einfluss im Westen des Lan­des. Die Katar-Blockade scheiterte ebenfalls. Sie wurde, offenbar vor allem auf Betreiben Saudi-Ara­biens, Anfang 2021 aufgehoben. Durch die Abriegelung ist Doha noch einmal näher an die Seite der Türkei gerückt.

Mittlerweile scheint die Bereitschaft der drei Regime zu gemein­samem regional­poli­tischem Handeln deutlich gesunken. Mehr noch: In ihren Beziehungen unter­einander werden immer stärker Inter­essen­diffe­ren­zen sichtbar.

Saudi-Arabien und Ägypten: Verstimmung durch Inselstreit und ausbleibende Wirtschafts­hilfen

Der Herrscherwechsel in Riad Anfang 2015 veränderte ein Stück weit den Blick der saudi­schen Führung auf Ägypten. Der neue König Salman und dessen Sohn, der heutige Kronprinz Muhammad Bin Salman, setzten die unkonditionierten Finanzhilfen an Kairo, wie sie nach der 2013 erfolgten Machtübernahme des Mili­tärs gewährt wur­den, nicht einfach fort. Zwar unterzeich­neten beide Län­der im Juli 2015 die »Cairo Declaration«, in der sie eine stärkere Wirt­schafts- und Sicherheitspartnerschaft ver­einbarten. Schnell wurde aber klar, dass Riad für neue Hilfen Gegenleistungen einforderte.

Anlässlich eines Staatsbesuchs des saudi­schen Königs im April 2016 gab die Sisi-Admi­nist­ra­tion bekannt, dass sie dem König­reich zwei Inseln im Roten Meer übereignen würde, Sanafir und Tiran. Saudi-Arabien beanspruchte sie für sich, obwohl sie seit Jahr­hunderten unter ägyptischer Kontrolle stan­den. In der ägyptischen Bevölkerung sorgte diese Entscheidung für erheblichen Unmut. Anfängliche Proteste konnten zwar durch Polizeigewalt unterbunden werden. Für die Sisi-Administration bedeutete die Ab­gabe territorialer Kontrolle aber einen er­heb­lichen Imageverlust, auch in Teilen des Sicher­heitsestablishments des Landes. Unter anderem hieraus lässt sich erklären, dass die »Rückgabe« der Inseln bis heute nicht voll­zogen wurde. Der eigentliche Grund dürfte aber in der Sorge der ägypti­schen Regie­rung liegen, Saudi-Arabien könnte seine finan­ziellen Unterstützungsleistungen nach der Inselrückgabe massiv zurückfahren.

Tatsächlich wurde auf saudischer Seite in den vergangenen Jahren die Kritik an den Entwicklungsdefiziten in Ägypten immer lauter. Journalisten mit Nähe zum Königs­haus beanstandeten dabei auch die Rolle des ägyptischen Militärs in der Wirtschaft. An­fang 2023 kam es zu einem regelrechten Schlagabtausch zwischen saudischen und ägyptischen Kommentatoren mit Nähe zu den jeweiligen politischen Führungen. Und es blieb nicht nur bei verbaler Kritik: Zwar überwies das Königreich 2022 weitere 5 Mil­liarden US-Dollar in Form von Zentral­bank­einlagen an Kairo und unterstützte damit zu­nächst das Zustandekommen eines neuen Hilfsprogramms des Internationalen Wäh­rungsfonds (IWF) für Ägypten. Weitere Inves­titionszusagen in Höhe von 10 Milliar­den US-Dollar, die der IWF als »kritisch« für die Finanzierungsstrategie des Programms bezeichnete, wurden indes bislang nur zu einem kleinen Teil umgesetzt.

Ägypten und die VAE: Interessenkollision bei Regional­konflikten

Gemessen an der Kreditvergabe sind die VAE für Ägypten seit 2021 von größerer Be­deu­tung als Saudi-Arabien. Gemäß ägyp­ti­schen Zentralbankstatistiken werden rund 9 Pro­zent der Auslandsschulden mittlerweile von Abu Dhabi gehalten, 7 Prozent von Riad. Und bei den Direktinvestitionen lie­gen die Emirate ebenfalls auf dem ersten Platz. Ver­gleich­bare öffentliche Kritik am wirt­schafts­poli­tischen Kurs der ägyptischen Regierung, wie sie in den letzten Jahren aus Saudi-Arabien zu hören war, gab es aus den VAE bisher nicht. Dennoch sind auch die Emi­rate zunehmend unzufrieden über den Wirt­schaftskurs der Regierung in Kairo und drängten offenbar hinter den Kulissen auf eine härtere Gangart des IWF.

Vor allem aber traten in den vergangenen zwei Jahren regionalpolitische Interessendivergenzen zwischen den beiden Staaten zutage. In Libyen erhielten die VAE im Früh­jahr 2022 ihre freundschaftlichen Be­zie­hungen zum Chef der Einheitsregierung, Abdel Hamid al-Dabeiba, aufrecht, während die ägyptische Führung diesem die Legiti­mität absprach und Innenminister Fathi Bashagha für das Amt des Premier­ministers unterstützte.

Noch deutlicher gingen die Interessen der beiden Länder in Sudan auseinander, wo sich seit April 2023 die Armee und die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) in einem bewaffneten Konflikt gegen­überstehen. Ägypten unterstützt in seinem südlichen Nachbarland bereits seit Jahren die regulären Streit­kräfte unter Führung von General Abdel Fattah al-Burhan. Zu­min­dest zu Beginn der Kämpfe waren sogar kleinere ägyptische Truppeneinheiten auf Basen der sudane­sischen Armee stationiert. Die VAE wieder­um unterhalten enge Be­ziehungen zum Chef der RSF, Mohamed Hamdan Dagalo (genannt Hemedti). Dieser kontrolliert erheb­liche Teile der sudane­sischen Wirtschaft, darunter den für das Land wichtigen Gold­handel, der in der Ver­gangenheit über Dubai abgewickelt wurde. Zwar dürften weder Kairo noch Abu Dhabi ein Interesse an den krie­gerischen Ausein­ander­setzungen zwischen ihren jeweiligen sudane­sischen Partnern haben. Jedoch ist es ihnen bislang offen­kundig nicht gelungen, ihr Vorgehen in diesem Konflikt aufein­ander abzustimmen.

Zudem ist der regionale Konflikt um die Nutzung des Nilwassers immer mehr zur Belastung geworden für die ägyptisch-emi­ra­tischen Beziehungen. Äthiopien treibt seit 2011 ein großes Dammbauprojekt am Oberlauf des Nils voran, durch das Ägypten seine Wasserversorgung gefährdet sieht. Die VAE sind in diesem Wasserstreit um Neut­ralität bemüht und haben sich die ägyp­tische Position nicht zu eigen gemacht. Viel­mehr unterstützen sie zum Ärger Kairos Äthiopiens Regierung mit umfangreichen Finanzhilfen und belieferten sie während des Bürgerkriegs in Tigray sogar mit Kampf­drohnen.

Und schließlich beinhaltet die zunehmend enge Partnerschaft zwischen den VAE und Israel Zündstoff für die bilateralen Bezie­hungen. Zum einen fürchtet Kairo vermut­lich, weiter an regionalem Einfluss zu ver­lieren, auch mit Blick auf seine langjährige Rolle als »wichtigster arabischer Gesprächspart­ner Israels«. Zum anderen könnten durch diese Partner­schaft neue Transportwege und Pipelines zwischen den Golfstaaten und dem Mittel­meer entstehen, die sich negativ auf die ägyptischen Staatseinnahmen aus dem Transitverkehr durch den Suez-Kanal auswirken würden.

Saudi-Arabien und die VAE: Wachsende wirtschaftliche Konkurrenz

Riad und Abu Dhabi begannen unmittelbar nach Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings ihre Regionalpolitik miteinander abzustimmen. Dies zeigte sich schon 2011 bei der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste im Nachbarland Bahrain, zwei Jahre bevor sie die Machtübernahme des ägyp­ti­schen Militärs in Kairo unterstützten. Aller­dings war es erst der Thronwechsel in Riad, der die beiden Herrscherhäuser stärker zusam­menrücken ließ. Die offenbar guten per­sön­lichen Beziehungen zwischen Muhammad Bin Salman und dem da­ma­ligen Kronprinzen von Abu Dhabi und De‑facto-Herrscher der VAE, Muhammad Bin Zayed, begründeten zu­nächst eine enge Abstimmung der Regional­politik beider Länder. Diese hielt aber nicht lange an.

Seit 2019 wurden Abstimmungsprobleme im Jemen-Konflikt immer offensichtlicher, die sich aus unterschiedlichen Interessen der beiden Länder erklärten. Für Saudi-Ara­bien hatte der Kampf gegen die Huthi-Miliz, die als Statthalter Teherans im Nach­barland gesehen wurde, oberste Priorität. Die VAE hingegen wollten vor allem die Kont­rolle der südlichen Küstenregion erlangen, die für ihre Hafenpolitik relevant ist, und die Schwächung der jemenitischen Muslimbruderschaft erreichen. Und auch wäh­rend der Katar-Blockade waren schnell Differenzen zwischen den beiden Partnern zu er­ken­nen. Riad war schon bald an einer Lösung des Konflikts mit dem kleinen Nach­barland interessiert, Abu Dhabi setzte auf dessen vollständige Isolation. Ausschlag­gebend hierfür war, dass Abu Dhabi die Unterstützung Katars für die islamistische Muslimbruderschaft letztlich als sehr viel bedrohlicher einschätzte als Riad.

Der größte Interessenkonflikt dürfte indes in der Wirtschaftspolitik der beiden Golfmonarchien seine Ursache haben. Beide Staaten verfolgen ein ambitioniertes Entwicklungsmodell, das darauf ausgerichtet ist, ihre Ökonomien auf die Zeit nach dem Öl vorzubereiten. Durch gigantische Infrastrukturvorhaben und gezielte staat­liche Investitionen in strategische Wirtschaftsbereiche wollen beide Staaten ihre Attraktivität als Investitionsstandort stei­gern. Die VAE unternahmen bereits in den 1990er Jahren erste Schritte in diese Rich­tung und haben etwa Dubai als internationalen Finanz- und Handelsplatz ausgebaut, wohingegen in Saudi-Arabien ein solcher Transformationsprozess erst mit der fak­tischen Machtübernahme Muhammad Bin Salmans 2015 eingeleitet worden ist. Dieser versucht nun mit aller Macht, den Entwick­lungsrückstand des Landes aufzuholen, und agiert dabei auch gegen die Interessen des kleineren Nachbarn.

Ein Beispiel hierfür ist das 2021 erstmals angekündigte Ultimatum an ausländische Unternehmen, ihren regio­nalen Haupt­sitz in das Königreich zu ver­legen, andern­falls würden sie von der öffentlichen Auftrags­vergabe ausgeschlossen. Da die meisten der in der Golfregion tätigen internationalen Unter­nehmen ihre Zentrale in Dubai haben, rich­tet sich dieses Regional Head­quarters Pro­gram in erster Linie gegen die VAE. Hinzu kommen von saudischer Seite die selektive Strei­chung bislang bestehender Zollbefreiungen im zwischenstaatlichen Handel sowie sekto­rale Entwicklungsprogramme, durch die regio­nale Konkurrenz etwa in der Tou­ris­mus- und Transportwirtschaft er­wächst. So hat der saudische Staatsfonds im Frühjahr 2023 die Gründung einer neuen Fluggesellschaft verkündet, die zukünftig den etab­lierten Fluglinien aus Dubai und Abu Dhabi ernsthafte Konkurrenz machen könnte.

Vor allem aber in der Erdölpolitik der bei­den Staaten werden zunehmend Kon­flikte sichtbar. Saudi-Arabien als größter Erdöl­exporteur weltweit und innerhalb der Orga­nisation der Erdöl exportierenden Län­der (OPEC) ist bemüht, den Marktpreis für Roh­öl auf einem möglichst hohen Niveau zu halten, was wiederum Förderkürzungen der Orga­nisation erforderlich macht. Im Gegen­satz dazu setzt Abu Dhabi auf den Ausbau seiner Förderinfrastruktur und damit auf eine Ausweitung seiner Exporte. Einigungen über eine gemeinsame Förderpolitik inner­halb der OPEC gelangen hierdurch in den vergangenen Jahren immer schwerer und waren gegenüber den Akteuren auf dem internationalen Ölmarkt kaum glaub­würdig zu vermitteln.

Eskalationspotenzial

In Ägypten, Saudi-Arabien und den VAE lebt mehr als ein Drittel der Bevölkerung der arabischen Welt, die drei Länder er­wirtschaften weit über die Hälfte des Brutto­inlandsprodukts der Region. Ihre Interessen­divergenzen bergen prinzi­piell ein nicht unerhebliches Eskalations­potenzial. Eine Eskalation würde sich möglicherweise über die Region hinaus auswirken.

So könnte Ägypten in die Zahlungs­unfähig­keit getrieben werden, sollten die Golf­monarchien ihre Finanzhilfen aus­setzen. Damit verbundene sozioökonomische Verwerfungen im bevölkerungsreichsten arabischen Land könnten Folgen für die Stabilität des politischen Systems haben, zumindest aber die gegenwärtige Führung unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi massiv unter Druck setzen. Denkbar wäre ferner, dass Ägypten seinerseits versucht, durch direktes militärisches Eingreifen in Sudan die dor­tigen Kräfteverhältnisse zugunsten der mit Kairo verbündeten regulären Streit­kräfte zu verändern. Ein solcher Schritt würde wieder­um die Beziehungen zwi­schen Kairo und Abu Dhabi schwer belasten. Und schließlich könnte der Konkurrenzkampf zwischen Saudi-Arabien und den VAE nicht nur den Wirtschaftsraum der Arabischen Halbinsel schwächen, beispielsweise durch die Errichtung tarifärer wie nichttarifärer Handelshemmnisse oder gar Grenzschließungen – ein Austritt der VAE aus der OPEC würde darüber hinaus das Erdölkartell in eine existenzielle Krise stürzen.

Wenn man davon ausgeht, dass sich die Entscheidungsträger in den drei Ländern rational verhalten, sind solche Eskalationsszenarien indes wenig wahrscheinlich. Zu hoch wären die Kosten für die drei Staaten, die über wirtschaftliche und finanzielle Verflechtun­gen eng miteinander verbunden sind. Und bei einzelnen Themen dürf­ten sie sich trotz divergierender Interessen­ auch weiter­hin abstimmen. Die beiden Golfmonarchien etwa gelten ungeachtet ihrer Diffe­ren­zen in der Erdölpolitik bei den internationalen Klimaverhandlungen als entscheidende Bremser, wenn es um den Ausstieg aus fos­silen Brennstoffen geht. Dass sie ihre Posi­tionen bei der bevorstehenden Klima­konfe­renz der Vereinten Natio­nen im Dezember in Dubai (COP 28) gut koordinieren werden, ist anzunehmen. Dennoch sollten Eska­lationsszenarien in den bilateralen Beziehungen nicht vollständig ausgeschlossen werden. In den hochpersonalisierten auto­ritären Herrschaftssystemen der drei Staa­ten wurden auch in der Ver­gan­genheit Entscheidungen nicht immer auf Grund­lage rationaler Interessenabwägungen getroffen, wie etwa die Blockade des Emi­rats Katar verdeutlicht.

Schlussfolgerungen für die deutsche und europäische Politik

Deutsch­land und die EU sollten die Inter­essendivergenzen zwischen den drei ara­bi­schen Staaten als Chance sehen, um selbst Einfluss auf Entwicklungen in der Region zu nehmen. Aufgrund ihrer auto­ri­tären Herr­schafts­systeme bestehen mit allen drei Staaten insbesondere bei Men­schen­rechts­fragen fundamentale Differenzen. In ein­zelnen Kontexten gibt es aber Interessenkonvergenzen mit einer oder zwei der drei Regierungen; auf dieser Basis sollte die Möglichkeit für eine gezielte Zusammen­arbeit ausgelotet bzw. eine existierende Kooperation ausgeweitet werden. An zwei Beispielen lässt sich dies illustrieren:

Mit den beiden Golfmonarchien teilen die Europäer das Interesse an Reformen zur Stabilisierung der taumelnden ägyptischen Wirtschaft. Im Fall der Zahlungsunfähigkeit Ägyptens erlitten Saudi-Arabien und die VAE als größte staatliche Gläubiger des Lan­des erheblichen wirtschaftlichen Schaden. Für die Europäer wäre der Staatsbankrott des mit rund 110 Millio­nen Einwohnern bevölkerungsreichsten arabischen Landes fatal, nicht zuletzt mit Blick auf die sozia­len Verwerfungen und den damit einhergehenden Migrationsdruck. Für beide Seiten ist es daher wichtig, gegenüber Kairo darauf zu drängen, dass Reformen umgesetzt wer­den, etwa im Kontext des IWF-Abkommens. Vor­aussetzung hierfür wäre der Rückzug des Militärs aus der ägyptischen Wirtschaft, zu der die Sisi-Administration bislang nicht bereit war, dessen Notwendigkeit mittlerweile aber auch die Golf­monarchien er­kannt haben. Durch ein gemeinsames, ab­ge­stimmtes Vorgehen mit Riad und Abu Dhabi könnte die EU hier zukünftig deut­lich mehr Druck gegenüber Kairo erzeugen, als das bisher der Fall ist.

Mit Saudi-Arabien verbinden die Euro­päer ähnlich gelagerte Interessen in Bezug auf eine Konfliktlösung in Sudan. Für Riad ist Stabilität und Sicherheit in der Region des Roten Meeres nicht nur im Hinblick auf den Schiff­fahrtsverkehr essenziell. Für die Umsetzung der ambitionierten saudi­schen Entwicklungspläne – und hier insbesondere den Ausbau des Küstentourismus – ist re­gionale Stabilität ebenfalls wichtig. Zudem gilt es, bereits getätigte Investitionen in die sudanesische Wirtschaft zu retten. Anders als Kairo und Abu Dhabi, deren Interessen mit einer der beiden Konfliktparteien as­so­zi­iert sind, unterhält Saudi-Arabien sowohl mit den sudanesischen Streitkräften als auch mit den RSF gute Beziehungen. Dabei dürfte Riad angesichts der beschriebenen bilateralen Spannungen keinesfalls ein Interesse daran haben, dass Ägypten oder die VAE im Falle militärischer Gelände­gewinne des jeweiligen Verbündeten ihren Einfluss in Sudan ausbauen können.

Auch aus Sicht der EU wäre die militärische Überlegenheit einer der beiden Kon­flikt­parteien keine positive Entwicklung, da in einer militärischen Pattsituation die Chance liegt, die zivilen Kräfte als moderierende Kraft zwischen den beiden Lagern zu stär­ken. Bislang waren saudische Vermittlungs­bemühungen zwar nicht erfolgreich, die Europäer sollten diese aber dennoch weiter­hin unterstützen und gegenüber Riad dafür werben, dass die Lösung des Sudan-Konflikts unter Einbeziehung von Kairo und Abu Dhabi höhere außenpolitische Priorität als bisher bekommt.

Dr. Stephan Roll ist Leiter der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.

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