In den vergangenen 10 Jahren haben die drei verbündeten Regierungen Ägyptens, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erheblichen Einfluss auf Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten genommen. Gemeinsames Ziel war es, demokratische Transformation zu verhindern, den Aufstieg des politischen Islam zu stoppen sowie dem regionalen Einfluss Irans und der Türkei entgegenzuwirken. Gemeinsame regionalpolitische Interventionen waren indes wenig erfolgreich. Überdies treten in den letzten Monaten Interessendivergenzen in den bilateralen Beziehungen zwischen diesen autoritär geführten arabischen Staaten zutage. Konfliktpotenzial wird sowohl in Bezug auf wirtschaftliche als auch auf regionalpolitische Fragen sichtbar und dürfte zukünftig noch steigen. Deutschland und die Europäische Union (EU) sollten diese Interessendivergenzen der drei Länder als Chance begreifen, um eigene Ziele in der Region zu verfolgen.
Seit der Machtübernahme des Militärs in Kairo im Juli 2013 gelten Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate als enge Verbündete. Mit umfangreichen Finanzhilfen unterstützten Riad und Abu Dhabi die neue ägyptische Führung unter dem ehemaligen Verteidigungsminister und heutigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und ermöglichten so, dass er seine autoritäre Herrschaft konsolidieren konnte. In den Folgejahren stimmten sich die drei Staaten regional- und sicherheitspolitisch miteinander ab. Verbindendes Interesse ihrer autoritären Führungen war es, demokratische Bestrebungen in der Region zu unterbinden, die Aktivitäten der moderat-islamistischen Muslimbruderschaft zu stoppen, die vor allem von Abu Dhabi und Kairo als Bedrohung empfunden wurden, sowie dem regionalen Einfluss Irans und der Türkei entgegenzutreten, den vornehmlich Riad als existenzielle Bedrohung ansah.
In drei Fällen war die enge Zusammenarbeit dieser De‑facto-Allianz besonders augenfällig: Saudi-Arabien und die VAE begannen im März 2015 mit politischer Unterstützung Ägyptens eine Militärintervention gegen die mit Iran verbündete Huthi-Miliz in Jemen. In Libyen unterstützten die VAE und Ägypten seit 2014 Milizenführer Khalifa Haftar in seinem Machtkampf mit der Regierung in Tripolis und lieferten sich 2019 und 2020 einen Stellvertreterkrieg mit der Türkei, die dieser zu Hilfe geeilt war. Und alle drei Staaten errichteten im Juni 2017 eine Blockade gegen das Emirat Katar, um Doha zu zwingen, seine Beziehungen zu Iran und zur Türkei zu reduzieren sowie seine Unterstützung für die Muslimbruderschaft einzustellen.
Erfolgreich waren diese Interventionen allerdings nicht. In Jemen konnte sich die Huthi-Miliz auch durch iranische Hilfe gegen die saudisch-emiratische Militärkoalition verteidigen und setzte die beiden Golfmonarchien durch wiederholte Raketenangriffe unter Druck. Infolgedessen mussten diese ihre Politik ändern. Spätestens seit Beginn dieses Jahres setzen beide Staaten nicht mehr auf einen militärischen Sieg, sondern auf Verständigung sowohl mit den Huthis als auch mit Iran. In Libyen gelang es Abu Dhabi und Kairo zwar, General Haftar militärisch zu stärken, zur Machtübernahme konnten sie ihm jedoch nicht verhelfen. Stattdessen konsolidierte die Türkei ihren Einfluss im Westen des Landes. Die Katar-Blockade scheiterte ebenfalls. Sie wurde, offenbar vor allem auf Betreiben Saudi-Arabiens, Anfang 2021 aufgehoben. Durch die Abriegelung ist Doha noch einmal näher an die Seite der Türkei gerückt.
Mittlerweile scheint die Bereitschaft der drei Regime zu gemeinsamem regionalpolitischem Handeln deutlich gesunken. Mehr noch: In ihren Beziehungen untereinander werden immer stärker Interessendifferenzen sichtbar.
Saudi-Arabien und Ägypten: Verstimmung durch Inselstreit und ausbleibende Wirtschaftshilfen
Der Herrscherwechsel in Riad Anfang 2015 veränderte ein Stück weit den Blick der saudischen Führung auf Ägypten. Der neue König Salman und dessen Sohn, der heutige Kronprinz Muhammad Bin Salman, setzten die unkonditionierten Finanzhilfen an Kairo, wie sie nach der 2013 erfolgten Machtübernahme des Militärs gewährt wurden, nicht einfach fort. Zwar unterzeichneten beide Länder im Juli 2015 die »Cairo Declaration«, in der sie eine stärkere Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft vereinbarten. Schnell wurde aber klar, dass Riad für neue Hilfen Gegenleistungen einforderte.
Anlässlich eines Staatsbesuchs des saudischen Königs im April 2016 gab die Sisi-Administration bekannt, dass sie dem Königreich zwei Inseln im Roten Meer übereignen würde, Sanafir und Tiran. Saudi-Arabien beanspruchte sie für sich, obwohl sie seit Jahrhunderten unter ägyptischer Kontrolle standen. In der ägyptischen Bevölkerung sorgte diese Entscheidung für erheblichen Unmut. Anfängliche Proteste konnten zwar durch Polizeigewalt unterbunden werden. Für die Sisi-Administration bedeutete die Abgabe territorialer Kontrolle aber einen erheblichen Imageverlust, auch in Teilen des Sicherheitsestablishments des Landes. Unter anderem hieraus lässt sich erklären, dass die »Rückgabe« der Inseln bis heute nicht vollzogen wurde. Der eigentliche Grund dürfte aber in der Sorge der ägyptischen Regierung liegen, Saudi-Arabien könnte seine finanziellen Unterstützungsleistungen nach der Inselrückgabe massiv zurückfahren.
Tatsächlich wurde auf saudischer Seite in den vergangenen Jahren die Kritik an den Entwicklungsdefiziten in Ägypten immer lauter. Journalisten mit Nähe zum Königshaus beanstandeten dabei auch die Rolle des ägyptischen Militärs in der Wirtschaft. Anfang 2023 kam es zu einem regelrechten Schlagabtausch zwischen saudischen und ägyptischen Kommentatoren mit Nähe zu den jeweiligen politischen Führungen. Und es blieb nicht nur bei verbaler Kritik: Zwar überwies das Königreich 2022 weitere 5 Milliarden US-Dollar in Form von Zentralbankeinlagen an Kairo und unterstützte damit zunächst das Zustandekommen eines neuen Hilfsprogramms des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Ägypten. Weitere Investitionszusagen in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar, die der IWF als »kritisch« für die Finanzierungsstrategie des Programms bezeichnete, wurden indes bislang nur zu einem kleinen Teil umgesetzt.
Ägypten und die VAE: Interessenkollision bei Regionalkonflikten
Gemessen an der Kreditvergabe sind die VAE für Ägypten seit 2021 von größerer Bedeutung als Saudi-Arabien. Gemäß ägyptischen Zentralbankstatistiken werden rund 9 Prozent der Auslandsschulden mittlerweile von Abu Dhabi gehalten, 7 Prozent von Riad. Und bei den Direktinvestitionen liegen die Emirate ebenfalls auf dem ersten Platz. Vergleichbare öffentliche Kritik am wirtschaftspolitischen Kurs der ägyptischen Regierung, wie sie in den letzten Jahren aus Saudi-Arabien zu hören war, gab es aus den VAE bisher nicht. Dennoch sind auch die Emirate zunehmend unzufrieden über den Wirtschaftskurs der Regierung in Kairo und drängten offenbar hinter den Kulissen auf eine härtere Gangart des IWF.
Vor allem aber traten in den vergangenen zwei Jahren regionalpolitische Interessendivergenzen zwischen den beiden Staaten zutage. In Libyen erhielten die VAE im Frühjahr 2022 ihre freundschaftlichen Beziehungen zum Chef der Einheitsregierung, Abdel Hamid al-Dabeiba, aufrecht, während die ägyptische Führung diesem die Legitimität absprach und Innenminister Fathi Bashagha für das Amt des Premierministers unterstützte.
Noch deutlicher gingen die Interessen der beiden Länder in Sudan auseinander, wo sich seit April 2023 die Armee und die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) in einem bewaffneten Konflikt gegenüberstehen. Ägypten unterstützt in seinem südlichen Nachbarland bereits seit Jahren die regulären Streitkräfte unter Führung von General Abdel Fattah al-Burhan. Zumindest zu Beginn der Kämpfe waren sogar kleinere ägyptische Truppeneinheiten auf Basen der sudanesischen Armee stationiert. Die VAE wiederum unterhalten enge Beziehungen zum Chef der RSF, Mohamed Hamdan Dagalo (genannt Hemedti). Dieser kontrolliert erhebliche Teile der sudanesischen Wirtschaft, darunter den für das Land wichtigen Goldhandel, der in der Vergangenheit über Dubai abgewickelt wurde. Zwar dürften weder Kairo noch Abu Dhabi ein Interesse an den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen ihren jeweiligen sudanesischen Partnern haben. Jedoch ist es ihnen bislang offenkundig nicht gelungen, ihr Vorgehen in diesem Konflikt aufeinander abzustimmen.
Zudem ist der regionale Konflikt um die Nutzung des Nilwassers immer mehr zur Belastung geworden für die ägyptisch-emiratischen Beziehungen. Äthiopien treibt seit 2011 ein großes Dammbauprojekt am Oberlauf des Nils voran, durch das Ägypten seine Wasserversorgung gefährdet sieht. Die VAE sind in diesem Wasserstreit um Neutralität bemüht und haben sich die ägyptische Position nicht zu eigen gemacht. Vielmehr unterstützen sie zum Ärger Kairos Äthiopiens Regierung mit umfangreichen Finanzhilfen und belieferten sie während des Bürgerkriegs in Tigray sogar mit Kampfdrohnen.
Und schließlich beinhaltet die zunehmend enge Partnerschaft zwischen den VAE und Israel Zündstoff für die bilateralen Beziehungen. Zum einen fürchtet Kairo vermutlich, weiter an regionalem Einfluss zu verlieren, auch mit Blick auf seine langjährige Rolle als »wichtigster arabischer Gesprächspartner Israels«. Zum anderen könnten durch diese Partnerschaft neue Transportwege und Pipelines zwischen den Golfstaaten und dem Mittelmeer entstehen, die sich negativ auf die ägyptischen Staatseinnahmen aus dem Transitverkehr durch den Suez-Kanal auswirken würden.
Saudi-Arabien und die VAE: Wachsende wirtschaftliche Konkurrenz
Riad und Abu Dhabi begannen unmittelbar nach Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings ihre Regionalpolitik miteinander abzustimmen. Dies zeigte sich schon 2011 bei der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste im Nachbarland Bahrain, zwei Jahre bevor sie die Machtübernahme des ägyptischen Militärs in Kairo unterstützten. Allerdings war es erst der Thronwechsel in Riad, der die beiden Herrscherhäuser stärker zusammenrücken ließ. Die offenbar guten persönlichen Beziehungen zwischen Muhammad Bin Salman und dem damaligen Kronprinzen von Abu Dhabi und De‑facto-Herrscher der VAE, Muhammad Bin Zayed, begründeten zunächst eine enge Abstimmung der Regionalpolitik beider Länder. Diese hielt aber nicht lange an.
Seit 2019 wurden Abstimmungsprobleme im Jemen-Konflikt immer offensichtlicher, die sich aus unterschiedlichen Interessen der beiden Länder erklärten. Für Saudi-Arabien hatte der Kampf gegen die Huthi-Miliz, die als Statthalter Teherans im Nachbarland gesehen wurde, oberste Priorität. Die VAE hingegen wollten vor allem die Kontrolle der südlichen Küstenregion erlangen, die für ihre Hafenpolitik relevant ist, und die Schwächung der jemenitischen Muslimbruderschaft erreichen. Und auch während der Katar-Blockade waren schnell Differenzen zwischen den beiden Partnern zu erkennen. Riad war schon bald an einer Lösung des Konflikts mit dem kleinen Nachbarland interessiert, Abu Dhabi setzte auf dessen vollständige Isolation. Ausschlaggebend hierfür war, dass Abu Dhabi die Unterstützung Katars für die islamistische Muslimbruderschaft letztlich als sehr viel bedrohlicher einschätzte als Riad.
Der größte Interessenkonflikt dürfte indes in der Wirtschaftspolitik der beiden Golfmonarchien seine Ursache haben. Beide Staaten verfolgen ein ambitioniertes Entwicklungsmodell, das darauf ausgerichtet ist, ihre Ökonomien auf die Zeit nach dem Öl vorzubereiten. Durch gigantische Infrastrukturvorhaben und gezielte staatliche Investitionen in strategische Wirtschaftsbereiche wollen beide Staaten ihre Attraktivität als Investitionsstandort steigern. Die VAE unternahmen bereits in den 1990er Jahren erste Schritte in diese Richtung und haben etwa Dubai als internationalen Finanz- und Handelsplatz ausgebaut, wohingegen in Saudi-Arabien ein solcher Transformationsprozess erst mit der faktischen Machtübernahme Muhammad Bin Salmans 2015 eingeleitet worden ist. Dieser versucht nun mit aller Macht, den Entwicklungsrückstand des Landes aufzuholen, und agiert dabei auch gegen die Interessen des kleineren Nachbarn.
Ein Beispiel hierfür ist das 2021 erstmals angekündigte Ultimatum an ausländische Unternehmen, ihren regionalen Hauptsitz in das Königreich zu verlegen, andernfalls würden sie von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen. Da die meisten der in der Golfregion tätigen internationalen Unternehmen ihre Zentrale in Dubai haben, richtet sich dieses Regional Headquarters Program in erster Linie gegen die VAE. Hinzu kommen von saudischer Seite die selektive Streichung bislang bestehender Zollbefreiungen im zwischenstaatlichen Handel sowie sektorale Entwicklungsprogramme, durch die regionale Konkurrenz etwa in der Tourismus- und Transportwirtschaft erwächst. So hat der saudische Staatsfonds im Frühjahr 2023 die Gründung einer neuen Fluggesellschaft verkündet, die zukünftig den etablierten Fluglinien aus Dubai und Abu Dhabi ernsthafte Konkurrenz machen könnte.
Vor allem aber in der Erdölpolitik der beiden Staaten werden zunehmend Konflikte sichtbar. Saudi-Arabien als größter Erdölexporteur weltweit und innerhalb der Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC) ist bemüht, den Marktpreis für Rohöl auf einem möglichst hohen Niveau zu halten, was wiederum Förderkürzungen der Organisation erforderlich macht. Im Gegensatz dazu setzt Abu Dhabi auf den Ausbau seiner Förderinfrastruktur und damit auf eine Ausweitung seiner Exporte. Einigungen über eine gemeinsame Förderpolitik innerhalb der OPEC gelangen hierdurch in den vergangenen Jahren immer schwerer und waren gegenüber den Akteuren auf dem internationalen Ölmarkt kaum glaubwürdig zu vermitteln.
Eskalationspotenzial
In Ägypten, Saudi-Arabien und den VAE lebt mehr als ein Drittel der Bevölkerung der arabischen Welt, die drei Länder erwirtschaften weit über die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts der Region. Ihre Interessendivergenzen bergen prinzipiell ein nicht unerhebliches Eskalationspotenzial. Eine Eskalation würde sich möglicherweise über die Region hinaus auswirken.
So könnte Ägypten in die Zahlungsunfähigkeit getrieben werden, sollten die Golfmonarchien ihre Finanzhilfen aussetzen. Damit verbundene sozioökonomische Verwerfungen im bevölkerungsreichsten arabischen Land könnten Folgen für die Stabilität des politischen Systems haben, zumindest aber die gegenwärtige Führung unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi massiv unter Druck setzen. Denkbar wäre ferner, dass Ägypten seinerseits versucht, durch direktes militärisches Eingreifen in Sudan die dortigen Kräfteverhältnisse zugunsten der mit Kairo verbündeten regulären Streitkräfte zu verändern. Ein solcher Schritt würde wiederum die Beziehungen zwischen Kairo und Abu Dhabi schwer belasten. Und schließlich könnte der Konkurrenzkampf zwischen Saudi-Arabien und den VAE nicht nur den Wirtschaftsraum der Arabischen Halbinsel schwächen, beispielsweise durch die Errichtung tarifärer wie nichttarifärer Handelshemmnisse oder gar Grenzschließungen – ein Austritt der VAE aus der OPEC würde darüber hinaus das Erdölkartell in eine existenzielle Krise stürzen.
Wenn man davon ausgeht, dass sich die Entscheidungsträger in den drei Ländern rational verhalten, sind solche Eskalationsszenarien indes wenig wahrscheinlich. Zu hoch wären die Kosten für die drei Staaten, die über wirtschaftliche und finanzielle Verflechtungen eng miteinander verbunden sind. Und bei einzelnen Themen dürften sie sich trotz divergierender Interessen auch weiterhin abstimmen. Die beiden Golfmonarchien etwa gelten ungeachtet ihrer Differenzen in der Erdölpolitik bei den internationalen Klimaverhandlungen als entscheidende Bremser, wenn es um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen geht. Dass sie ihre Positionen bei der bevorstehenden Klimakonferenz der Vereinten Nationen im Dezember in Dubai (COP 28) gut koordinieren werden, ist anzunehmen. Dennoch sollten Eskalationsszenarien in den bilateralen Beziehungen nicht vollständig ausgeschlossen werden. In den hochpersonalisierten autoritären Herrschaftssystemen der drei Staaten wurden auch in der Vergangenheit Entscheidungen nicht immer auf Grundlage rationaler Interessenabwägungen getroffen, wie etwa die Blockade des Emirats Katar verdeutlicht.
Schlussfolgerungen für die deutsche und europäische Politik
Deutschland und die EU sollten die Interessendivergenzen zwischen den drei arabischen Staaten als Chance sehen, um selbst Einfluss auf Entwicklungen in der Region zu nehmen. Aufgrund ihrer autoritären Herrschaftssysteme bestehen mit allen drei Staaten insbesondere bei Menschenrechtsfragen fundamentale Differenzen. In einzelnen Kontexten gibt es aber Interessenkonvergenzen mit einer oder zwei der drei Regierungen; auf dieser Basis sollte die Möglichkeit für eine gezielte Zusammenarbeit ausgelotet bzw. eine existierende Kooperation ausgeweitet werden. An zwei Beispielen lässt sich dies illustrieren:
Mit den beiden Golfmonarchien teilen die Europäer das Interesse an Reformen zur Stabilisierung der taumelnden ägyptischen Wirtschaft. Im Fall der Zahlungsunfähigkeit Ägyptens erlitten Saudi-Arabien und die VAE als größte staatliche Gläubiger des Landes erheblichen wirtschaftlichen Schaden. Für die Europäer wäre der Staatsbankrott des mit rund 110 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten arabischen Landes fatal, nicht zuletzt mit Blick auf die sozialen Verwerfungen und den damit einhergehenden Migrationsdruck. Für beide Seiten ist es daher wichtig, gegenüber Kairo darauf zu drängen, dass Reformen umgesetzt werden, etwa im Kontext des IWF-Abkommens. Voraussetzung hierfür wäre der Rückzug des Militärs aus der ägyptischen Wirtschaft, zu der die Sisi-Administration bislang nicht bereit war, dessen Notwendigkeit mittlerweile aber auch die Golfmonarchien erkannt haben. Durch ein gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen mit Riad und Abu Dhabi könnte die EU hier zukünftig deutlich mehr Druck gegenüber Kairo erzeugen, als das bisher der Fall ist.
Mit Saudi-Arabien verbinden die Europäer ähnlich gelagerte Interessen in Bezug auf eine Konfliktlösung in Sudan. Für Riad ist Stabilität und Sicherheit in der Region des Roten Meeres nicht nur im Hinblick auf den Schifffahrtsverkehr essenziell. Für die Umsetzung der ambitionierten saudischen Entwicklungspläne – und hier insbesondere den Ausbau des Küstentourismus – ist regionale Stabilität ebenfalls wichtig. Zudem gilt es, bereits getätigte Investitionen in die sudanesische Wirtschaft zu retten. Anders als Kairo und Abu Dhabi, deren Interessen mit einer der beiden Konfliktparteien assoziiert sind, unterhält Saudi-Arabien sowohl mit den sudanesischen Streitkräften als auch mit den RSF gute Beziehungen. Dabei dürfte Riad angesichts der beschriebenen bilateralen Spannungen keinesfalls ein Interesse daran haben, dass Ägypten oder die VAE im Falle militärischer Geländegewinne des jeweiligen Verbündeten ihren Einfluss in Sudan ausbauen können.
Auch aus Sicht der EU wäre die militärische Überlegenheit einer der beiden Konfliktparteien keine positive Entwicklung, da in einer militärischen Pattsituation die Chance liegt, die zivilen Kräfte als moderierende Kraft zwischen den beiden Lagern zu stärken. Bislang waren saudische Vermittlungsbemühungen zwar nicht erfolgreich, die Europäer sollten diese aber dennoch weiterhin unterstützen und gegenüber Riad dafür werben, dass die Lösung des Sudan-Konflikts unter Einbeziehung von Kairo und Abu Dhabi höhere außenpolitische Priorität als bisher bekommt.
Dr. Stephan Roll ist Leiter der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.
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DOI: 10.18449/2023A51