Marianne Beisheim und Bettina Rudloff sprechen im Interview über die Ergebnisse der Studie »Der ›Nexus‹ Wasser-Energie-Nahrung«.
Kurz gesagt, 11.06.2013 ForschungsgebieteMarianne Beisheim
Bettina Rudloff
Marianne Beisheim, Herausgeberin der neuen SWP-Studie »›Nexus‹ Wasser-Energie-Nahrung« und Bettina Rudloff, eine der acht Autor/innen, sprechen im Interview über die Wechselwirkungen zwischen dem Wasser-, Energie- und Nahrungsbereich sowie über den richtigen Umgang mit Versorgungsrisiken.
In Ihrer Studie beschäftigen Sie sich mit Versorgungsrisiken im Wasser-, Energie- und Ernährungsbereich - und den Wechselwirkungen zwischen den Bereichen, dem sogenannten »Water-Energy-Food Security Nexus«. Was macht diese drei Bereiche so bedeutsam?
Beisheim: Essen und trinken müssen wir alle, und auch der Zugang zu Energie ist ein Grundbedürfnis. Problematisch ist, dass die Nachfrage nach Wasser, Energie und Ernährung stark steigt, bis 2030 um je 35, 40 beziehungsweise 50 Prozent. Gleichzeitig sinkt das Angebot drastisch. In vielen Regionen der Welt nimmt besonders die Verfügbarkeit von Wasser ab. Weltweit werden über siebzig Prozent des Wassers im Agrarbereich genutzt. Das Wasser wird benötigt, um Felder zu bewässern, um Nahrung zu produzieren oder Biomasse zur Energieherstellung zu produzieren. Auch konventionelle Kraftwerke brauchen Wasser zur Kühlung. In Asien nimmt die Energieerzeugung durch Wasserkraft sehr stark zu. Wenn das Wasser ausfällt, wirkt sich das also deutlich auf den Energie- und Ernährungsbereich aus. Umgekehrt trägt die Produktion von Nahrung und Energie zur Wasserknappheit bei.
Rudloff: Ein Beispiel aus der Nahrungsmittelproduktion macht deutlich, welche Rolle die Wechselwirkungen zwischen dem Wasser-, Energie- und Ernährungsbereich auch über Ländergrenzen hinweg spielen: In reichen Ländern sind Land und Wasser relativ knapp und teuer. Oftmals verlagern sie ihre Produktion daher in Entwicklungsländer, die ohnehin schon Versorgungsprobleme in den Bereichen Wasser, Energie und Nahrung haben, die sich dann weiter verschärfen. Auch viele Firmen aus der Europäischen Union (EU) beteiligen sich daran, hauptsächlich, um Agrar-Rohstoffe, beispielsweise für die Produktion von Biodiesel anzubauen.
Welche Sicherheitsrisiken können denn durch die Wechselwirkungen der drei Bereiche, durch diesen Nexus, entstehen?
Beisheim: Wenn die Konkurrenz um Ressourcen sich zuspitzt und es zu Wassermangel, Nahrungsmittel- und Energiekrisen kommt, könnte das die Sicherheit von Menschen und die Stabilität politischer Systeme gefährden, sowohl innerhalb einzelner Länder als auch über Grenzen hinweg.
Rudloff: 2008 und 2011 beispielsweise sind die Nahrungsmittelpreise innerhalb weniger Tage explodiert mit Steigerungsraten von bis zu 300 Prozent. In der Folge gab es in mehr als dreißig Staaten der Welt Proteste und Unruhen. Auch Landinvestitionen können Gewalt verursachen: 2009 gab es einen blutigen Regierungswechsel in Madagaskar, als der koreanische Konzern Daewoo eine Million Hektar anbaufähiges Land pachten wollte. Dieser Ausverkauf des Landes wurde von der politischen Opposition des Landes bewusst genutzt, um die Umbruchstimmung zu befeuern.
Welche politischen Strategien sind geeignet, um Versorgungsrisiken bei Wasser, Energie und Ernährung und damit die Gefahr gewalttätiger Auseinandersetzungen um knappe Ressourcen einzudämmen?
Beisheim: Die Zusammenhänge zwischen Wasser-, Energie- und Nahrungssicherheit müssen sich im politischen Handeln niederschlagen. Politiker, die für Ernährung und Landwirtschaft zuständig sind, müssen mit Energiepolitikern und Umweltpolitikern reden, und ihnen muss klar werden, dass Entscheidungen in einem Bereich immer Auswirkungen auf die anderen Sektoren haben. Wenn die Entscheidung fällt, in ein Wasserkraftwerk zu investieren und Wasser aufzustauen, um es später für die Stromproduktion abzulassen, dann hat das Konsequenzen für diejenigen, die am Unterlauf des Flusses leben: Sie haben zu Aufstau-Zeiten weniger Wasser für die Bewässerung in der Landwirtschaft.
Rudloff: Das »Reden« der verschiedenen Politiker wird aber durch unterschiedliche Rhythmen erschwert: Die EU-Agrarpolitik ist sehr starr, weil sie sich am Siebenjahres-Rhythmus des Haushalts orientiert. Ein Bereich wie die Handels- und Investitionspolitik dagegen kann viel flexibler reagieren. Für das Beispiel der Landinvestitionen könnte die EU hier etwas zum Besseren verändern. Der Zeitpunkt dafür ist gerade günstig, weil das vormals noch nationale Politikfeld erst kürzlich vergemeinschaftet worden ist und die EU nun klären muss, welchen Grundsätzen sie folgen möchte. Da ist es denkbar, dass in ihren Abkommen auch der Schutz der Bevölkerung des Landes, in dem investiert wird, eine Rolle spielt, dass deren Versorgung mit Nahrung, Wasser oder Energie in Krisenzeiten Priorität bekommt.
Beisheim: An diesem Beispiel wird sehr schön deutlich, dass der Blick auf den Nexus, also auf die Wechselwirkungen zwischen den Bereichen, auch den Blick für neue Lösungen öffnet.
In Ihrer Studie beschreiben Sie, dass es in der Politik bereits integrierte Konzepte gibt, die die Vernetzung des Wasser-, Energie- und Ernährungsbereichs angemessen berücksichtigen. Es scheitert aber an der Umsetzung. Wo liegen die Hindernisse?
Beisheim: Zum einen ist die sektorübergreifende Zusammenarbeit oft schwierig, weil jeder Sektor seine eigenen Abläufe hat, wie das Beispiel der Europäischen Agrarpolitik ja zeigt. Zum anderen gibt es das Problem, dass Umstrukturierungen, die langfristig positive Wirkungen erzielen, mit kurzfristigen Kosten verbunden sind. Ein Entwicklungsland, das einen nachhaltigen Weg einschlagen will, muss erst einmal investieren. Bisher hat es aber möglichst billig und mit geringen Umweltstandards produziert, um im Wettbewerb auf dem internationalen Markt konkurrieren zu können. Ein weiteres Problem besteht darin, dass von Umstrukturierungen in der Regel andere Gruppen profitieren als diejenigen, die im Augenblick privilegiert sind: Wenn ich verstärkt in nachhaltige Landwirtschaft investiere, bekommt die traditionelle Landwirtschaft weniger Subventionen. Derartige kurzfristige Interessen stehen einem Umbau oft im Weg.
Und wie können die Hindernisse überwunden werden?
Beisheim: Auf internationaler Ebene geht es um Überzeugungsarbeit und Anreizsysteme. Ein guter Ansatzpunkt dafür ist die Debatte um die Formulierung internationaler Nachhaltigkeitsziele, die zurzeit im Rahmen der Vereinten Nationen geführt wird. Die Themen Nahrung, Wasser und Energie stehen ohnehin ganz oben auf der Agenda der meisten Mitgliedstaaten. An den vereinbarten Zielen müssten sich dann zukünftig alle messen lassen. Und auch Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit müssten schwerpunktmäßig für Projekte vergeben werden, die im Einklang mit den Zielen stehen. So entstehen Anreize in den Partnerländern, einen nachhaltigen Zugang zu Wasser, Energie und Nahrung zu befördern.
Rudloff: Auch die Welthandelsorganisation könnte großen Einfluss nehmen. Ein Beispiel hierfür ist ein Abkommen von 1994, in dem rechtlich durchsetzbare Kriterien definiert worden sind, an die landwirtschaftliche Subventionen geknüpft werden müssen, darunter der Umweltschutz. Dieses Abkommen hat in allen Staaten, auch in der EU, dazu geführt, dass Agrarsubventionen umgebaut worden sind. Leider aber stocken die WTO-Verhandlungen zurzeit.
Auf der EU-Ebene sind die hohen Preise im Agrarbereich der stärkste Motor, effizienter zu wirtschaften, also zum Beispiel auch Verschwendung zu reduzieren. Zudem herrscht ein öffentlicher Druck, die teuerste EU-Politik abzubauen, also Agrar-Subventionen zu reduzieren, nicht zuletzt wegen der Wirtschaftskrise. Weil der Agrarsektor so starr ist, sollte man aber unbedingt auch schauen, in welchen anderen, flexibleren Sektoren man etwas bewegen kann. Und schließlich ist Aufklärung ein wichtiges Instrument, mit dem der Ressourcenverbrauch beeinflusst werden kann. Sie könnte dazu beitragen, dass Verbraucher und Unternehmen in Deutschland und Europa weniger Lebensmittel verschwenden - und damit auch weniger Wasser und Energie. Ein Trend, der aufgrund der derzeit hohen Preise ohnehin schon zu beobachten ist.
Das Interview führten Candida Splett und Stefan Stahlberg von der Online-Redaktion.
Nachhaltige Entwicklung zielt darauf ab, die Bedürfnisse der heutigen Generation zu befriedigen, ohne dabei die Möglichkeiten zukünftiger einzuschränken. Zu diesem Leitbild bekannten sich Anfang der 90er Jahre die Vereinten Nationen. Wie hat sich die globale Nachhaltigkeitspolitik seither entwickelt?
Wie mit vernetzten Versorgungsrisiken umgehen?