Die zahlreichen deutschen Initiativen für Afrika könnten besser regional wirken, wenn sie über die Regionalorganisation ECOWAS gebündelt würden. Dies hätte den zusätzlichen Nutzen, der Organisation den Rücken zu stärken, meint Wolf Kinzel.
Kurz gesagt, 26.09.2017 ForschungsgebieteDie zahlreichen deutschen Initiativen für Afrika könnten besser regional wirken, wenn sie über die Regionalorganisation ECOWAS gebündelt würden. Dies hätte den zusätzlichen Nutzen, der Organisation den Rücken zu stärken, meint Wolf Kinzel.
Wenn es um die Bewältigung des Klimawandels, den Kampf gegen den Terror oder die Eindämmung von Flüchtlingsströmen und Fluchtursachen geht, ist unstrittig, dass dies nicht von einzelnen afrikanischen Ländern allein bewerkstelligt werden kann; ein regionaler Ansatz ist nötig. Die Initiativen, mit denen Deutschland Afrika unterstützen möchte, diese Probleme zu lösen, verfolgen jedoch unterschiedliche Ansätze verschiedener Ministerien und richten sich bilateral an einzelne Länder oder kleine Gruppen von Ländern. Auf den ersten Blick mag diese eher kleinteilige Herangehensweise erfolgversprechend erscheinen, weil sie es ermöglicht, die jeweilige Lage vor Ort zu berücksichtigen. Bei der Lösung regionaler Probleme aber stößt sie an ihre Grenzen. So ist etwa der zwischenstaatliche Handel in Westafrika weitgehend unterentwickelt. Um dieses Problem zu lösen, bedarf es einer regional übergreifenden Handelspolitik. Sie muss dafür sorgen, dass die Infrastruktur ausgebaut wird, damit Warenströme besser fließen können. Zudem müssen Absatzmärkte auf dem Kontinent selbst geschaffen werden.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass einige Initiativen dem selbst formulierten Anspruch nicht gerecht werden, Afrikas Probleme langfristig zu lösen. So wird die von Frankreich initiierte und mit Deutschland gemeinsam beschlossene »Allianz für den Sahel« mit Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und dem Tschad zurecht dafür kritisiert, dass es hier eher um ein vorgelagertes Grenzmanagement der Europäer als um eine Stärkung der jeweiligen afrikanischen Länder im Sinne der Bekämpfung von Fluchtursachen gehe. Zwar soll die Stärkung der örtlichen Sicherheitskräfte gerade an den jeweiligen Ländergrenzen der Sahelzone Schmuggel und Terrorismus erschweren, wird aber auch, so die Hoffnung der Europäer, den Flüchtlingsstrom aus Westafrika eindämmen; von den Migranten, die über die zentrale Mittelmeer-Route nach Europa kamen, war dieses Jahr bisher etwa die Hälfte aus Westafrika bzw. aus Nigeria, Guinea, der Elfenbeinküste, Gambia, Senegal und Mali.
Um sicherzustellen, dass afrikanische Länder langfristig gestärkt und Initiativen länderübergreifend wirksam werden, sollten Deutschland und seine Partner die afrikanischen Regionalorganisationen ins Boot holen. Diese können dabei helfen, deutsche Initiativen konzeptionell und organisatorisch zu bündeln.
ECOWAS hat ihre Relevanz für die Region bewiesen
Der natürliche Ansprechpartner für ganz Afrika ist die Afrikanische Union (AU). Diese ist zwar nach dem Vorbild der EU aufgebaut, ihre bisherige Bilanz als Regionalorganisation ist allerdings nicht besonders ermutigend. Deutlich geeigneter für eine Zusammenarbeit scheint daher die Wirtschaftsorganisation der Westafrikanischen Staaten (ECOWAS). Seit Jahren ist sie die am besten funktionierende Regionalorganisation in Afrika, mit inzwischen durchaus politischem Mandat und einer ausgeprägten Strahlkraft. Bis auf Mauretanien sind alle westafrikanischen Staaten Mitglied. Marokko und Tunesien würden gerne – mangels geeigneter Alternativen in Nordafrika – aufgenommen werden. Es gibt einen regional anerkannten ECOWAS-Pass, der die Reisefreiheit zwischen den Mitgliedstaaten garantiert, eine eigene Währung ist seit Jahren im Gespräch. Darüber hinaus hat sich ECOWAS mit der weiter im Süden benachbarten Subregionalorganisation ECCAS geeinigt, mit Hilfe einer mehrere Tausend Kilometer langen Kette von Radarstationen und Überwachungszentren die Sicherheitslage im Seegebiet vom Golf von Guinea zu verbessern. Spätestens mit ECOWAS‘ Einflussnahme im Nachgang zur Wahl in Gambia, als der abgewählte Präsident erst auf Druck von außen abdankte, hat die Organisation ihre Relevanz in der Region bewiesen. Dennoch wird ECOWAS bei der Umsetzung von deutschen Initiativen nicht mit einbezogen.
So wichtig dies wäre, so notwendig ist es auch, sich mit den Schwierigkeiten der Organisation auseinanderzusetzen, der vielfach mangelhafte Kompetenz und Wirksamkeit unterstellt werden. Tatsächlich leidet ECOWAS zurzeit an einer Führungsschwäche. Die Handlungsfähigkeit der Organisation hängt stark von Nigeria ab, dessen Wirtschaftskraft in etwa so groß ist wie die aller anderen westafrikanischen Staaten zusammen. Auch ist Nigeria das bevölkerungsreichste Land in ganz Afrika mit steigender Tendenz. Allerdings kann das Land seine daraus resultierende Führungsrolle in ECOWAS nicht ausreichend ausfüllen. Eine katastrophale wirtschaftliche Lage, Korruption, interne Konflikte und Terrorismus haben Nigeria ins Wanken gebracht. Die ominöse Krankheit des nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari nährt Zweifel, ob er seine jetzige Amtszeit zu Ende führen wird, geschweige denn eine zweite antreten kann.
Dies ist jedoch kein Grund, die Organisation zu meiden, im Gegenteil. Bilaterale Verhandlungen mit einzelnen westafrikanischen Staaten untergraben ihre Legitimität zusätzlich und schwächen sie weiter – was nicht bedeuten soll, dass es solche Verhandlungen gar nicht mehr geben darf. Der regionale Ansatz über ECOWAS aber muss im Zentrum der Bemühungen stehen. Er kann dazu beitragen, dass Initiativen regional wirksam werden, und sorgt zugleich für Nachhaltigkeit, indem er der wichtigsten Regionalorganisation Afrikas den Rücken stärkt und dazu beiträgt, sie krisenfester zu machen. Über eine Zusammenarbeit mit ECOWAS würde auch eine »African Ownership« der Initiativen gestärkt und damit der Vorwurf ausgehebelt, Deutschland und andere europäische Staaten würden nur ihre eigenen Interessen verfolgen, ohne die Afrikaner einzubeziehen.
Der Text ist auch bei EurActiv.de erschienen.
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