Es ist gut für Deutschland, dass es kein No-Spy-Abkommen mit den USA geben wird. Ein solches Übereinkommen wäre kaum zu überprüfen gewesen, hätte aber Deutschlands Ansehen in Europa beschädigt, meint Johannes Thimm.
Kurz gesagt, 03.03.2014 ForschungsgebieteJohannes Thimm
Es ist gut für Deutschland, dass es kein No-Spy-Abkommen mit den USA geben wird. Ein solches Übereinkommen wäre kaum zu überprüfen gewesen, hätte aber Deutschlands Ansehen in Europa beschädigt, meint Johannes Thimm.
Nach dem Washington-Besuch von Außenminister Steinmeier ist die Forderung nach einem No-Spy-Abkommen de facto vom Tisch. Stattdessen will man sich künftig in einem »Cyber-Dialog« austauschen. Das ist kein Grund zur Enttäuschung. Denn ein Anti-Spionage-Abkommen war nicht nur von Beginn an unrealistisch, es hätte auch den Schutz der Bevölkerung vor Überwachung nicht verbessert. Möglicherweise hätte es ihn sogar verschlechtert.
Zur Erinnerung: Die Idee eines No-Spy-Abkommens war aus der Enttäuschung in Deutschland darüber geboren worden, dass die Spionage durch die USA auch vor dem »Freund und Partner« Deutschland nicht halt gemacht hatte. Besonders die Nachricht, dass die Lauscher der National Security Agency (NSA) auch die Kommunikation der Kanzlerin mitgeschnitten hatten, sorgte hierzulande für Empörung. »Abhören von Freunden, das geht gar nicht«, wie es Regierungssprecher Seibert damals formulierte. Noch im Januar hatte die Meldung, dass die Amerikaner zu einem solchen Abkommen nicht bereit seien, im politischen Berlin für großen Ärger gesorgt. Dabei sollten die Deutschen froh sein, dass Washington die Idee so kategorisch ablehnt. Alles andere hätte die Bundesregierung in Verlegenheit gebracht.
Das Vorhaben, ein rechtlich bindendes Abkommen zu schaffen, in dem sich die USA zum Verzicht auf jegliche Überwachung in Deutschland bereit erklären, war zu keinem Zeitpunkt realistisch. Die Nationale Sicherheitsberaterin der USA, Susan Rice, hat deutlich gemacht, dass man keinen Präzedenzfall schaffen wolle, wie schon im Dezember 2013 in der New York Times nachzulesen war. Denn eine Sonderbehandlung für Deutschland würde Begehrlichkeiten bei anderen Staaten wecken.
Doch nicht nur für Washington wäre die Schaffung eines Präzedenzfalls ein Problem gewesen. Bei unseren europäischen Nachbarn, insbesondere kleineren EU-Staaten, wäre es wohl nicht gut angekommen, wenn Deutschland die Achtung von staatlicher Souveränität und Privatsphäre gegenüber den USA einzig für sich selbst durchgesetzt hätte. Schließlich betont die Bundesrepublik stets ihren Anspruch, ihre Interessen multilateral und im europäischen Rahmen zu vertreten. Ein Alleingang hätte dem Image Deutschlands geschadet.
Ohnehin hätte ein No-Spy-Abkommen die deutsche Bevölkerung nicht effektiv gegen Überwachung geschützt. Warum das so ist, zeigt der Blick auf die sogenannten »Five Eyes«, jenen Zusammenschluss englischsprachiger Staaten, deren Nachrichtendienste eng kooperieren und dafür auf die gegenseitige Spionage verzichten. Die Mitgliedschaft in dem Bündnis erscheint auf den ersten Blick als Privileg, und manche hierzulande forderten, dass Deutschland seinen Platz als Partner der USA an der Seite von Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland einnimmt. Doch zum einen ist der Verzicht auf gegenseitige Spionage unter den Mitgliedern rechtlich nicht bindend. Zum anderen wird erwartet, dass die Geheimdienste im großen Stil Daten ihrer jeweiligen Überwachungsaktivitäten untereinander austauschen. Genau das wollen jedoch Öffentlichkeit und Datenschützer in Deutschland nicht. Zu Recht: mit einer Beteiligung an den "Five Eyes" würden nationale Gesetze zum Datenschutz ausgehebelt, indem man sich bei ausländischen Diensten die Informationen besorgt, die man nach eigenem Recht nicht erfassen darf.
Zwar ist man niemals an den Punkt gekommen, darüber zu verhandeln, wie ein bilaterales No-Spy-Abkommen konkret ausgestaltet werden könnte. Dass die USA Deutschland jedoch mehr entgegengekommen wären als ihren Partnern der »Five Eyes«, ist komplett utopisch. Im besten Fall hätten sie zugesagt, die deutsche Regierung nicht weiter zu belauschen, und auch das wäre vermutlich nicht rechtlich verbindlich gewesen. Deutsche Bürger hätten sie sicher nicht von den Überwachungsaktivitäten der NSA ausgenommen und dennoch womöglich eine engere Zusammenarbeit beim Datenaustausch gefordert. Für diesen zweifelhaften Nutzen wäre der Ansehensverlust Deutschlands in Europa ein sehr hoher Preis gewesen.
Der Text ist auch bei EurActiv.de erschienen.
Deutschland allein ist zu schwach, um seine Interessen in den transatlantischen Beziehungen durchzusetzen. Die EU hingegen hat das Zeug, auf Augenhöhe mit den USA über Datensicherheit zu verhandeln. Die Handelspolitik könnte ein Ansatzpunkt sein, Druck auszuüben.
Assessing U.S.–EU Relations in the Wake of the NSA Surveillance Affair
Die amerikanische Debatte und die europäische Reaktion auf die Praxis der NSA