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Trump II und die Folgen für die internationale Politik

360 Grad, 03.12.2024 Research Areas

Wenn Donald Trump im Januar 2025 in das Weiße Haus zurückkehrt, trifft er auf ein internationales Umfeld, das durch die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen geprägt ist. Wir zeigen auf, welche außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen mit Trump II auf Deutschland und die EU zukommen.

Die Koordination hat Daniel Voelsen übernommen.

Militärische Abschreckung

Die Trump-Administration wird die nukleare und konventionelle Abschreckung in Europa nicht aufgeben. Darauf deuten die außenpolitischen Ziele Donald Trumps und die US-Politik seiner ersten Amtszeit hin, gepaart mit der militärischen Vormachtstellung Amerikas.

Wirtschaftlich will Trump die Steuern senken, die Inflation bekämpfen und die Industrieproduktion steigern. Dafür braucht er ein gesundes transatlantisches Wirtschaftsumfeld. Zudem besteht in Washington Einigkeit, Chinas Ambitionen einzudämmen, was ohne ein Mindestmaß an europäischer Kooperation nicht möglich sein wird. Ein instabiles Europa würde auch viele globale Prioritäten der USA negativ beeinflussen – und ist darum nicht im Interesse Trumps.

Nüchtern betrachtet, wird es im Interesse der USA sein, die bestehenden nuklearen Sicherheitszusagen gegenüber Europa aufrechtzuerhalten. Da Frankreich und Großbritannien die nukleare Rolle der USA nicht nahtlos ersetzen können, müsste sich ein von den USA im Stich gelassenes Europa sich politisch integrieren, gemeinsame Abschreckungsoptionen entwickeln oder die nukleare Verteidigung den einzelnen Nationen überlassen. Jede dieser Alternativen würde zu großer wirtschaftlicher und politischer Instabilität in Europa und zum Zusammenbruch der transatlantischen Kooperation führen – die Voraussetzungen für die Verwirklichung von Trumps Zielen.

Das Ergebnis wäre ähnlich, wenn Washington alle konventionellen Verpflichtungen zurücknähme. Die Europäer haben nicht die militärischen Mittel, Russland allein zu konfrontieren, und Moskau könnte Washingtons Entschlossenheit testen. Auch in diesem Fall würden viele Europäer schnell nach radikalen und disruptiven Alternativen suchen – sei es eine kaum vorstellbare Integration, eine Aufrüstung mit enormen politischen Verwerfungen oder eine Neubewertung der Beziehungen zu Russland. Auch deshalb wird Trumps Washington die bestehende Grundlage sichern.

Dennoch sind zahlreiche Herausforderungen zu erwarten. Trump kritisiert Bündnisse und droht Verbündeten bei zu geringen Militärausgaben. Einige seiner Weggefährten neigen zum Isolationismus und wollen Allianzkosten senken. Innen- und außenpolitische Herausforderungen könnten US-Ressourcen binden.

Darum wird die Trump-Administration wahrscheinlich noch stärker versuchen, den Europäern mit Sicherheitsversprechen Zugeständnisse in verschiedenen Politikbereichen abzuringen, von den Verteidigungsausgaben bis hin zur Wirtschafts- und Finanzpolitik. Eine reale Gefahr ist auch, dass einige von Trumps Nominierte aus Unkenntnis oder Ehrgeiz versuchen, die strukturellen Zwänge der transatlantischen Beziehungen zu umgehen und dabei erheblichen Schaden anrichten, bis sie von dem entstehenden Chaos eingeholt werden.

Europa sollte sich auch in diesem Kernbereich der Sicherheitspolitik auf eine transaktionale US-Außenpolitik einstellen. Eine Stärkung der eigenen Abschreckungsfähigkeit würde Europa hierbei mittel- bis langfristig in eine bessere Verhandlungsposition bringen.

Nukleare Rüstungskontrolle

Die Rüstungskontrollpolitik der USA hat sich in den vergangenen drei Jahren stark gewandelt. Die Regierung von Joe Biden setzt mittlerweile auf eine härtere Gangart in der Rüstungskontrolle. Da auch die erste Regierung unter Donald Trump diese Linie verfolgte, spricht vieles dafür, dass sie in Trumps zweiter Amtszeit fortgeführt wird. Seine Regierung wird wahrscheinlich mit der Vergrößerung des US-Atomarsenals drohen und vielleicht sogar ihre Bereitschaft zu einem Wettrüsten verkünden, um China und Russland an den Verhandlungstisch und dort zur Begrenzung ihrer Kernwaffenprogramme, gemeinsam mit dem der USA, zu zwingen.

Die Logik hinter diesem Kurs reflektiert einen neuen überparteilichen Konsens. Washington sieht ohne Aufrüstung seine Abschreckungsfähigkeit gegenüber China und Russland sinken und fürchtet, infolgedessen auch im machtpolitischen Wettbewerb Boden zu verlieren. Bis vor einigen Jahren war diese atomar unterlegte Wettbewerbsposition der USA stabil – dank Rüstungskontrollverträgen, die Russlands Arsenal deckelten, und eines bescheidenen chinesischen Atomwaffenprogramms. Doch der russische Präsident Putin ist aus den Verträgen ausgestiegen: 2023 setzte er das New START-Abkommen aus. Bereits 2019 war der INF-Vertrag an russischen Verstößen zerbrochen. Vor allem jedoch rüstet China abseits aller Rüstungskontrollverträge nun massiv auf. Da Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping Verhandlungen mit Washington über atomare Limits bislang ablehnen, soll die Stärkung des US-Atomarsenals auch den Druck auf Moskau und Peking erhöhen, sich rasch gemeinsam auf Obergrenzen zu einigen.

Diese Annahmen entsprachen dem Regierungskurs schon in Trumps erster Amtszeit. Die USA kündigten den gebrochenen INF-Vertrag und entwickelten neue Mittelstreckenwaffen – jene, die ab 2026 in Deutschland stationiert werden. Trump wollte auch New START nur verlängern, wenn Moskau Zugeständnisse macht und Peking möglichst beteiligt wird. Um Druck auszuüben, signalisierte er, New START sonst 2021 auslaufen zu lassen und Amerikas Arsenal auszubauen. Moskau bewegte sich vor den US-Wahlen 2020. Nachdem der kooperativere Biden gewann, kassierte Putin seine Zugeständnisse wieder ein. Auch Biden, der ursprünglich versucht hatte, die Rolle von Kernwaffen in der US-Sicherheitspolitik zurückzudrängen, musste sich angesichts der verhärteten Positionen Moskaus und Pekings anpassen. Seit Mitte 2024 erklären hochrangige Beamte, dass eine Erhöhung der Zahl einsatzbereiter Kernwaffen notwendig werden könnte - eine Kehrtwende in der bisherigen Rüstungskontrollpolitik. Die finale Entscheidung überlässt Biden seinem Nachfolger, der sie treffen wird. Diese in Berlin wenig beachtete überparteiliche Rüstungskontrolllinie sollte Deutschland unterstützen.

Zoll sei das schönste Wort, erklärte Donald Trump vor und nach den Wahlen mehrfach. Bereits in den 1980er Jahren äußerte er sich wiederholt überzeugt davon, dass hohe Schutzzölle sowohl die US-Wirtschaft stärken als auch unerwünschte Warenimporte eindämmen würden. Außenschutz Amerikas gegen Importe und illegale Einwanderung sind das zentrale Wahlversprechen Trumps (vgl. den Beitrag zur Migrationspolitik). Unklar ist nur, ob er seine Ankündigungen, die Außenzölle pauschal um 10 bis 20 Prozent und gegenüber China um 60 Prozent zu erhöhen, direkt umsetzen oder als Drohkulisse einsetzen wird. Angekündigt hat er bereits, als erste Amtshandlung Einfuhren aus Mexiko und Kanada zusätzlich mit einem Strafzoll von 25 Prozent und Einfuhren aus China mit einem Strafzoll von 10 Prozent zu belegen. Aber auch Deutschland und die EU werden sich auf Zoll- und Handelskonflikte mit Amerika einstellen müssen und sind ohnehin über Handelsverflechtungen von Zöllen gegenüber anderen betroffen. So ist anzunehmen, dass europäische und insbesondere deutsche Exporte in die USA sowie Vorleistungsexporte nach China und Mexiko einbrechen werden, mit negativen Folgen für Konjunktur und Wachstum. Zudem wird Amerikas Bruch von internationalem Handelsrecht die WTO weiter beschädigen.

In Vorbereitung auf anstehende Konflikte sollte es daher in sorgfältiger Abwägung das Ziel sein, den Schaden für die europäische Wirtschaft möglichst gering zu halten. Die EU sollte glaubwürdige Gegenmaßnahmen gegen als WTO-widrig identifizierte US-Zölle vorbereiten, dabei aber auf die für Trump politisch sensible Bereiche abzielen. Sie sollte sich aber nicht an Strafzöllen gegen China beteiligen oder sich gar in einen eskalierenden Zollkrieg hineinziehen lassen. Vielmehr sollte sie Koalitionen mit gleichgesinnten Handelsnationen schmieden. Der ausstehende Abschluss des EU-Mercosur-Freihandelsabkommens und der zügige Abschluss weiterer wären ein starkes Signal für das Festhalten an kooperativer Handelsliberalisierung und der bestehenden Welthandelsordnung – die insbesondere wirtschaftlich schwächere Staaten schützt.

Transatlantisch sollte die EU verhandlungsbereit bleiben und den USA attraktive Angebote machen, wie es dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker in  Trumps erster Amtszeit gelungen ist: Hierzu zählt die Zusammenarbeit im Trade and Technology Council. Zudem könnte die EU anbieten, Industriezölle abzubauen, wenn die USA ihre Zölle senken, und damit ein »level playing field« schaffen. Sie könnte auch eine Ausweitung der Importe aus den USA in Aussicht stellen, beispielsweise von Flüssiggas. Auch im eigenen Interesse sollte die EU den Handel mit Dienstleistungen im Binnenmarkt liberalisieren. Davon würden gerade auch amerikanische Anbieter profitieren.

Das Ergebnis der US-Wahlen wird signifikante Auswirkungen auf die internationale Klimapolitik haben. Nach den Ankündigungen aus dem Wahlkampf und der Nominierung von Chris Wright zum Energieminister droht mindestens der Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen. Zu erwarten ist auch ein Rückzug aus bi- und plurilateralen Formaten der Klimakooperation, in denen die USA eine konstruktive Rolle gespielt haben. Ein Ende der US-Beteiligung an der internationalen Klimafinanzierung, zu der die USA zuletzt rund zehn Prozent beisteuerten, ist ebenfalls wahrscheinlich (2024: 11 Milliarden US-Dollar).

Ein vollständiger Austritt der USA aus der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) wäre ein besonders einschneidender Schritt, da ein Wiedereintritt politisch fast unmöglich ist. In diesem Fall würden langfristig die US-CO₂-Emissionen der internationalen Regulierung entzogen, die immerhin 13 Prozent der globalen Emission ausmachen.

Klar ist: Wenn die USA aus der internationalen Klimapolitik aussteigen, werden sich die Kräfteverhältnisse unter den verbleibenden Staaten neu sortieren. Die bisherige bilaterale Klimakooperation zwischen den USA und China würde als stabilisierendes Element entfallen. Auf der COP 29 in Baku war zu beobachten, wie China vermehrt versucht, seine Führungsrolle bei grünen Technologien auch in eine (narrative) Vorreiterrolle in der internationalen Klimapolitik zu übersetzen, etwa durch Offenlegung der eigenen Beiträge zur Klimafinanzierung in Entwicklungsländern. Die bisherige diplomatische Strategie der EU, mit Unterstützung der USA progressive Koalitionen zur Beschleunigung der globalen Energiewende zu bilden, wird hingegen deutlich erschwert. In der Folge droht Klimaminderung – wie auf der COP29 ersichtlich – im UNFCCC zunehmend hinter Finanzierung und Anpassung zurückzutreten.

Die EU hat es bisher versäumt, europäische Klimaschutzinstrumente außenpolitisch adäquat zu begleiten. Daraus resultierende diplomatische Verwerfungen mit Ländern wie China, Brasilien und Indien, die unter anderem das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) als klimaschädliche »unilaterale Handelsmaßnahme« kritisieren, schränken die Handlungsfähigkeit der EU ein. Die Trump-Administration könnte ebenfalls antagonistisch auf den CBAM reagieren und diesen Trend verschärfen.

Drei Maxime sollten daher europäische und deutsche Klimaaußenpolitik leiten. Erstens, die Implementierung europäischer Klimapolitik gewährleisten, indem sie stärker diplomatisch flankiert wird und Auswirkungen auf Partnerländer abgemildert werden. Zweitens, eine noch engere Koordinierung mit China, die Chinas klimapolitische Verantwortung im Gegenzug zu seinem Führungsanspruch einfordert. Drittens, die Beziehungen mit wichtigen Partnern des Globalen Südens wie Brasilien vertiefen.

Migrationspolitik

Donald Trump hat nach seinem Wahlerfolg mit Stephen Miller einen prominenten Vordenker einer drastischen Verschärfung der US-Migrationspolitik nominiert. Direkt nach Amtsantritt will Trump mit der Abschiebung Hunderttausender undokumentierter Migrant:innen beginnen - möglicherweise unter Ausrufung eines nationalen Notstandes und im Extremfall dem Einsatz des Militärs. Dieser Plan könnte sich als administrativ und logistisch schwer umsetzbar erweisen oder durch Gerichtsentscheidungen zumindest gebremst werden. Die Trump-Administration kann allerdings von Maßnahmen profitieren, mit denen die Biden-Administration in ihren letzten Monaten die Ankunftszahlen an der Südgrenze erheblich reduzieren konnte. Dazu gehört die Einschränkung der Asylantragsmöglichkeiten, aber auch die Zusammenarbeit mit Mexiko, die eine Rekordzahl an Menschen am Grenzübertritt gehindert hat. Trump hat jedoch deutlich gemacht, dass ihm das nicht ausreicht und Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf Wareneinfuhren aus den Nachbarländern Mexiko und Kanada angekündigt, wenn irreguläre Ankünfte in die USA nicht noch wirksamer eingedämmt werden.

Es ist davon auszugehen, dass sich die Debatten über eine restriktive Migrationspolitik in den USA und Europa in Zukunft zunehmend gegenseitig befruchten. So wird der Versuch Italiens, Asylverfahren nach Albanien auszulagern, in den USA aufmerksam verfolgt; die erste Trump-Administration hatte selbst -  damals erfolglos - versucht, Asylverfahren nach El Salvador, Guatemala und Honduras auszulagern. Europäische Akteure dürften ihrerseits die Probleme der neuen US-Politik beobachten - von gesellschaftlichen Protesten gegen die Abschiebemaßnahmen bis hin zu den wirtschaftlichen Folgen. In den USA sind viele Branchen von der Beschäftigung gering bezahlter, irregulär aufhältiger Menschen abhängig.

Den größten direkten Effekt auf Europa würde das Einfrieren des Ukrainekrieges zu russischen Bedingungen haben, da dies zu weiteren Fluchtbewegungen in die EU führen könnte. Darüber hinaus droht der ohnehin unter Druck stehende internationale Flüchtlingsschutz erheblich in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Die USA sind traditionell wichtigster Geldgeber humanitärer Hilfe und des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) und haben unter der Biden-Administration durch Resettlement und andere humanitäre Programme wieder eine große Zahl Schutzbedürftiger aufgenommen. Mit dem wahrscheinlichen Wegfall dieses Engagements unter Trump droht die eigentlich im Globalen Pakt für Flüchtlinge festgeschriebene Verantwortungsteilung im internationalen Flüchtlingsschutz vollends zu erodieren. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland dagegenhält, vor allem in dem es die angekündigten Kürzungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe revidiert, die auch Flüchtlingen und Aufnahmegemeinden in Krisenregionen zu Gute kommen.

Die erste Amtszeit von Präsident Donald Trump war geprägt vom Ausbruch der COVID-19-Pandemie und von Spannungen mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die in der Ankündigung eines US-Austritts gipfelten – eine Entscheidung, die von der Biden-Regierung widerrufen wurde. Ein zweiter, voraussichtlich definitiver Rückzug der Vereinigten Staaten würde nicht nur einen finanziellen Schlag für die WHO und andere globale Gesundheitsprogramme bedeuten, sondern auch das Risiko eines großen blinden Fleckes mit sich bringen, da der offizielle Datenaustausch der Regierung eines Landes mit mehr als 300 Millionen Einwohnern möglicherweise eingestellt würde.

Gleichzeitig hat der designierte Präsident Trump angekündigt, Robert F. Kennedy Jr. (RFK Jr.) zum Gesundheitsminister zu ernennen. RFK Jr. ist für seine Skepsis gegenüber Impfstoffen bekannt, die im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen über ihre Sicherheit und Wirksamkeit steht. RFK Jr. hat außerdem versprochen, das Personal in Gesundheitsbehörden wie den Centers for Disease Control and Prevention, der Food and Drug Administration und den National Institutes of Health drastisch zu reduzieren. Geringere Kapazitäten dieser Behörden hätte Auswirkungen über die nationalen Grenzen hinaus, da sie weltweit als wichtige Referenz für die Festlegung von Standards und für regulatorische Entscheidungen gelten.

Für Deutschland und die EU ergibt sich aus dem möglichen Rückzug der USA aus der globalen Gesundheitspolitik - insbesondere der WHO - und der Schwächung ihrer nationalen Gesundheitseinrichtungen die Notwendigkeit, Alternativen zu entwickeln. Im Bereich Finanzierung wurde bei der kürzlich abgeschlossenen »WHO-Investitionsrunde« auf dem G20-Gipfel die Hälfte der für die 2025–2028 WHO-Strategie beantragten Mittel von 46 verschiedenen Geldgebern aufgebracht - ohne einen Beitrag der Vereinigten Staaten. Deutschland und die EU könnten dieses Momentum nutzen, um die Finanzierungsquellen der WHO zu erweitern und die Auswirkungen eines möglichen Rückzugs der USA abzumildern.

Die EU sollte ihre eigenen Gesundheitsbehörden, wie das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) weiter stärken, da sich viele Länder in Europa und darüber hinaus bei ihren eigenen Zulassungen und Entscheidungen auf diese Institutionen verlassen. Darüber hinaus könnte das ECDC gemeinsam mit der WHO versuchen, einen gewissen Datenaustausch über Gesundheitsbedrohungen mit akademischen Einrichtungen in den USA sicherzustellen, auch wenn die US-Regierung nicht kooperiert.

Technologiepolitik

Donald Trump ist nicht bekannt für ein ausgeprägtes Interesse an den Details technischer Entwicklungen. Doch ist er sich der Rolle von Technologie als Machtressource bewusst. Ohne Zweifel gilt dies auch für mindestens zwei Personen aus seinem engsten Umfeld, den designierten Vize-Präsidenten J.D. Vance und Elon Musk. Eine konsistente Technologiepolitik ist jedoch nicht zu erwarten. Wahrscheinlicher ist ein erratisches, von Einzelpersonen und politischen »Deals« geprägtes Vorgehen.

Zentral wird dabei auch für die zweite Trump-Administration die technologische Rivalität mit China sein. Seit langem besteht in Washington ein breiter Konsens, die eigene technologische Dominanz gegenüber China zu verteidigen, auch mit restriktiven Maßnahmen wie Exportkontrollen. Dies wird als wesentlich für die nationale Sicherheit und die wirtschaftliche Perspektive des Landes gesehen. Einst erwünschte wirtschaftliche Verflechtungen werden nun als Sicherheitsrisiko betrachtet. Zu erwarten ist, dass sich dieser Konflikt zuspitzt und Trump von den Europäern eine härtere Linie gegenüber Peking einfordert, auch mit Verweis auf die sicherheitspolitische Abhängigkeit Europas. Die wechselhafte Haltung Trumps zu einem TikTok-Verbot in den USA zeigt aber auf, dass er auch hier einen »Deal« mit China anstreben könnte.

Die Rivalität mit China ist dabei auch ein Faktor bei einer zweiten zentralen Dimension der US-Digitalpolitik: dem kartellrechtlichen Umgang mit den oligopolistischen Strukturen in der Tech-Branche, besonders sichtbar etwa im Bereich von Künstlicher Intelligenz und »sozialen Medien«. Die enorme Marktkonzentration ist eine wesentliche Stütze in der Auseinandersetzung mit China, steht aber innenpolitisch in einem Spannungsverhältnis zur kartellrechtlichen Tradition der USA. Auch das Trump-Lager ist hier skeptisch, in einer ihm eigenen Mischung aus libertären Motiven und der Sorge vor dem vermeintlich »woken« Silicon Valley. Dass nun Musk als einer der größten Tech-Unternehmer privilegierten Zugang zum Präsidenten hat, macht eine konsistente Politik allerdings unwahrscheinlich. Zu erwarten ist eher eine selektive Anwendung des Kartellrechts - oder aber dessen Instrumentalisierung als innenpolitisches Druckmittel.

Für Europa wird es kurzfristig darauf ankommen, im Sinne des transaktionalen Politikverständnisses von Trump möglichst gute »Deals« auszuhandeln. Um mittelfristig wieder mehr politische Handlungsspielräume zu gewinnen, führt kein Weg an der schwierigen Aufgabe vorbei, den technologischen Abstand zu den USA wieder zu verringern.

Cyber- und Weltraumsicherheitspolitik

Die US-Cyber- und Weltraumsicherheitspolitik zeichnet sich durch einen vergleichsweise großen überparteilichen Konsens aus. Das sind gute Nachrichten für die Bundesregierung, die mit der Trump-Regierung trotz einiger Meinungsverschiedenheiten in diesen Bereichen Kooperationen auf- und ausbauen kann.

In der Cybersicherheitspolitik deuten sich vier Trends an: Erstens wird sie angesichts wachsender Bedrohungen aus Russland, China, Iran und Nordkorea weiterhin großen Wert auf die Resilienz kritischer Infrastrukturen (KRITIS) legen, gleichzeitig aber auch die Befugnisse von Militär und Nachrichtendiensten für aktive Cyberabwehr und offensive Cyberoperationen ausweiten. Zweitens wird sie nach mehr Unabhängigkeit von China bei kritischen Softwareprodukten streben. Außerhalb dieser Bereiche wendet sich die US-Regierung drittens gegen jegliche Cybersicherheits-Regulierung, da diese als Belastung für die Wirtschaft angesehen wird. Viertens wird sie sich weitgehend aus multilateralen Formaten zurückziehen, von denen sie sich keine unmittelbaren Vorteile verspricht, wie etwa dem Cybersicherheits-Dialog der Vereinten Nationen.

Die Bundesregierung sollte daher den transatlantischen Cybersicherheits-Dialog auf die Bereiche KRITIS-Schutz - aufgrund der nationalen Umsetzung der NIS-2-Direktive aktuell ein europaweites Top-Thema - und Entwicklung internationaler Standards, etwa für resiliente Software-Lieferketten, konzentrieren. Außerdem sollte sie für ein weitergehendes Engagement der USA in der Counter Ransomware Initiative werben. Meinungsverschiedenheiten sind dagegen etwa bei der Implementierung des EU Cyber Resilience Act, der auch US-Hersteller stärker in die Pflicht nehmen wird, zu erwarten.

Die Weltraumsicherheit dürfte für Präsident Trump eine hohe Priorität haben. Zum einen war es Trump, der 2019 die Teilstreitkraft Space Force aufstellte. Zum anderen liegt es am Kreis der Vertrauten, mit denen sich Trump umgibt, insbesondere Elon Musk, Gründer des Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmens Space X, zu dessen Projekten die Internet-Konstellation Starlink und zum Teil wiederverwendbare Raketen gehören. In seiner Siegesrede lobte Trump beide Projekte, darunter auch den Starlink-Einsatz im Katastrophengebiet in North Carolina. Von daher ist davon auszugehen, dass diese Weltraumkapazitäten unter Trump gefördert werden.

Dies ist zum einen gut für Deutschland und Europa, die von amerikanischen Weltraum-Fähigkeiten abhängig sind. Deutschland und die USA arbeiten bereits im Bereich Weltraumlagebewusstsein zusammen – ein Bereich, in dem eine Fortsetzung der Kooperation abzusehen ist. Aber auch militärische Fähigkeiten der USA, wie etwa satellitengestützte Aufklärung, werden von europäischen Staaten gebraucht. Es besteht die Gefahr, dass Trump im Gegenzug mehr Engagement von Europa auch im Weltraum erwartet.

Desinformation

Donald Trumps Wahlversprechen, »Project 2025« sowie seine Personalentscheidungen zeigen: Die Wahrheit wird in seiner zweiten Amtszeit eine untergeordnete Rolle spielen. Für Trump ist die unabhängige Presse mitunter der »Feind des Volkes«, öffentlich-rechtliche Medien betitelte er als »liberale Desinformationsmaschine« und der für die Medienaufsicht vorgesehene Brendan Carr sieht in Apple, Meta, Google und Microsoft ein »Zensurkartell«, das es zu zerschlagen gelte. Den USA droht eine bewusste Ausschaltung demokratischer Kontrollmechanismen und die systematische Verankerung von Desinformation als Instrument der Staatsführung.

Diese politische Ausrichtung fällt in eine Zeit, in der Desinformationskampagnen weltweit gezielt eingesetzt werden, um Diskurse über Kriege, Migration und Wahlen zu beeinflussen. Künstliche Intelligenz beschleunigt diese Entwicklung, indem sie es einfacher denn je macht, massenhaft realistisch wirkende Bilder, Videos und Tonaufzeichnungen, sogenannte Deepfakes, zu erstellen und über soziale Medien nahezu in Echtzeit zu verbreiten. Wenn etablierte Medien und Politiker:innen solche Inhalte in Interviews oder Debatten übernehmen, erhöhen sie deren Reichweite und Glaubwürdigkeit.

Die bisherigen Ankündigungen Trumps deuten darauf hin, dass die USA auf absehbare Zeit kein verlässlicherer Partner im Kampf gegen Desinformation sein werden. Er droht vielmehr offen damit, unliebsame Journalist:innen ins Gefängnis werfen zu lassen, kritischen Medien die Sendelizenz zu entziehen und Bundesmittel für gemeinnützige Organisationen, Hochschulen und Universitäten zu streichen, sofern diese Inhalte moderieren, einschließlich der Kennzeichnung von Fehlinformationen und Desinformationen. 

Das schwierige Verhältnis von Präsident Trump zur Wahrheit wird auch für Deutschland und Europa Folgen haben. Derzeit müssen große US-Kommunikationsplattformen wie Meta und X die Verbreitung von Desinformation eindämmen oder Daten zur Erfassung ausländischer Informationsmanipulation bereitstellen. Derartige Regelungen lehnt der designierte Vizepräsident J.D. Vance ab und sieht etwa in der Regulierung von X in Europa eine Gefährdung der Meinungsfreiheit und damit US-amerikanischer Werte. Seine Forderung nach Deregulierung verbindet er mit der Drohung, die US-Unterstützung für die NATO zu reduzieren.

Für Deutschland heißt es jetzt: an den EU-Maßnahmen zur Erhöhung der Plattformtransparenz festzuhalten, eigene Maßnahmen zur Erkennung und Bekämpfung von Desinformation sowohl national als auch international voranzutreiben, Qualitätsjournalismus als Grundpfeiler einer informierten Öffentlichkeit zu fördern und die seit 2023 angekündigte Strategie zum Umgang mit Desinformation fertigzustellen.

Vereinte Nationen

Die US-amerikanische Politik in den Vereinten Nationen (UN) dürfte während der Trump-II-Präsidentschaft vom Leitsatz »America first« bestimmt werden. Es ist zu erwarten, dass die USA erneut aus Verträgen wie dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen und Zahlungen an UN-Organisationen einstellen werden, die aus Sicht Washingtons missliebige Ziele verfolgen. Statt globale Ziele solidarisch umzusetzen, droht ein Aufleben transaktionaler »Deals« die auf einer engen Interpretation nationaler Interessen basieren.

Dem liegt ein Verständnis der UN als strikt zwischenstaatlicher Organisation zugrunde, in der allein souveräne Nationalstaaten entscheiden, während gesellschaftliche Akteure wenig zu sagen haben und die sich nicht in innerstaatliche Angelegenheiten einmischt. Viele Autokratien teilen dieses Verständnis, das im Gegensatz zum stärker vernetzten, inklusiven und effektiven Multilateralismus steht, der im September 2024 im UN-Zukunftspakt vereinbart wurde. Der Zukunftspakt bietet jedoch Anknüpfungspunkte, um staatliche und nichtstaatliche Verbündete für den Multilateralismus zu mobilisieren. Eine wichtige Aufgabe wäre es, die Lücken zu schließen, die der finanzielle und politische Rückzug der USA hinterlassen wird und die nicht allein von China ausgefüllt werden sollten. 

Deutschland kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. In der ersten Amtszeit Trumps hatten Deutschland und Frankreich eine Allianz für den Multilateralismus initiiert, die breite Unterstützung fand. Namibia und Deutschland, die den Zukunftspakt verhandelt haben, könnten eine ähnliche Initiative mit jenen Mitgliedstaaten auflegen, die sie dabei engagiert unterstützt haben - etwa Mexiko, Costa Rica, Indonesien und Singapur neben vielen anderen. 

Mit Helga Schmid wird 2025/26 eine deutsche Diplomatin Präsidentin der Generalversammlung sein. In ihre Amtszeit fällt die Wahl des nächsten UN-Generalsekretärs beziehungsweise der ersten Generalsekretärin. Wie im Zukunftspakt angeregt, sollte der Auswahlprozess transparent, partizipativ und inklusiv gestaltet werden - auch, um eine schwache Besetzung zu erschweren.

Schließlich haben sich die Mitgliedstaaten im Zukunftspakt darauf verpflichtet, sich stärker um die Sicherheitsratsreform zu bemühen. US-Unilateralismus, russischer Revanchismus und der wachsende Einfluss Chinas erhöhen den Druck, den Sicherheitsrat repräsentativer, demokratischer und handlungsfähiger zu machen. Die Kampagne für die deutsche Sicherheitsratskandidatur 2027/28 sollte dies aufgreifen.

Schnittmengen mit US-Interessen sollten ebenfalls genutzt werden. Mit Elise Stefanik will Trump eine ambitionierte Politikerin zur UN-Botschafterin berufen, die sich beweisen will. Es dürfte ihr darum gehen, die Organisation auf Kurs zu bringen. Effizienzgewinne, eine Reform des Peacekeeping, individuelle Freiheitsrechte und die Einhegung des chinesischen Einflusses könnten geteilte Anliegen sein.

Zitiervorschlag

Zitiervorschlag 360 Grad gesamt:

Daniel Voelsen (Koord.), Trump II und die Folgen für die internationale Politik, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 03.12.2024 (360 Grad)

Zitiervorschlag einzelner 360 Grad-Beitrag:

Liviu Horovitz, „Militärische Abschreckung“, in: Daniel Voelsen (Koord.), Trump II und die Folgen für die internationale Politik, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 03.12.2024 (360 Grad)