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Vor dem „Forum on China–Africa Cooperation (FOCAC)“ 2024: Welche Strategie im Umgang mit China in Afrika?

Megatrends Spotlight 37, 02.09.2024

Im Vorfeld des FOCAC ist die Aufmerksamkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten für den wachsenden Einfluss Chinas in Afrika ungebrochen. Worin besteht das europäische Dilemma im Umgang mit China in Afrika, fragt Karoline Eickhoff in diesem Spotlight, und gibt Anregungen für den Umgang mit Wettbewerbsdynamiken. 

In europäischen Hauptstädten und Botschaften in Afrika richten sich in diesen Tagen viele Blicke nach Peking. Vom 4. bis 6. September 2024 werden chinesische Staatsvertreter*innen wieder mit zahlreichen afrikanischen Staats- und Regierungschefs zum Forum on China Africa Cooperation, kurz FOCAC, zusammenkommen. FOCAC ist Chinas wichtigste Plattform für die Zusammenarbeit mit Afrika.

Vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen in der Welt ist die politische Aufmerksamkeit für Chinas Ankündigungen auf internationaler Bühne ungebrochen. Die große Bedeutung Chinas als wichtigster bilateraler Handelspartner des Kontinents und zentrale Quelle für Investitionen und Kredite ist unbestritten. Wie kein anderer internationaler Akteur verändert China das Umfeld, in dem afrikanische und europäische Akteure zusammenarbeiten.

Ob und welche strategischen Konsequenzen sich daraus für die EU und ihre Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Afrika ergeben, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Zum einen verbinden Europa und Afrika sehr unterschiedliche Interessen mit China. Zum anderen ist der Zusammenhang zwischen dem Einflussgewinn Chinas und den Veränderungen in der EU-Afrika-Kooperation nicht immer eindeutig.

Neuausrichtung der EU-Afrika-Beziehungen im Zeichen globaler Wettbewerbsfähigkeit

Die EU erlebt derzeit eine „geoökonomische Wende“, die alle Bereiche der europäischen Außenbeziehungen erfasst. Wirtschaftspolitische Instrumente gewinnen an Bedeutung. Seit 2019 will die Union verstärkt eigene geopolitische Interessen verfolgen, wie der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, betont. Je nach Situation gilt die Volksrepublik als Kooperationspartner, wirtschaftlicher Konkurrent oder systemischer Rivale.

Größte politische Aufmerksamkeit erhält China derzeit als wirtschaftlicher Konkurrent. Ein Handelskonflikt zwischen der EU und China zeichnet sich ab. De-Risking-Maßnahmen, die Europas Importabhängigkeiten reduzieren sollen, belasten die Beziehungen zu Peking. Diese Wettbewerbsdynamik hat auch Einfluss auf die EU-Afrika-Beziehungen. Die EU will die Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energien und mineralische Rohstoffe intensivieren, in denen auch China sehr aktiv ist.

In neueren deutschen Strategiepapieren findet sich der Wunsch nach mehr Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Zeilen. So verweist die 2023 verabschiedete China-Strategie der Bundesregierung auf die außerordentliche Bedeutung der EU für Afrika als größter Handelspartner. „Zugleich ist China in Afrika sehr aktiv und gewinnt zunehmend an Einfluss“, heißt es in der Strategie, gefolgt von dem Hinweis, dass der Nachbarkontinent eine Hauptzielregion europäischer Infrastrukturfinanzierung sei. Die im gleichen Jahr veröffentlichte Afrika-Strategie des BMZ sei unter dem Einfluss globaler Herausforderungen entstanden, so Bundesministerin Svenja Schulze in ihrem Grußwort, zu denen auch „der wachsende Einfluss Chinas auf dem afrikanischen Kontinent“ gehöre. Global Gateway soll es richten.

EU Global Gateway: Ein konkurrenzfähiges Alternativangebot?

Die Global Gateway Initiative der EU ist deutlicher Ausdruck des Wettbewerbs mit China. Das 2021 verabschiedete Investmentpaket, das ähnlich wie Chinas Seidenstraßenprojekt (Belt and Road Initiative, BRI) auf transregionale Vernetzung und Infrastruktur setzt – gilt als Gegenangebot der EU an afrikanische Staaten. Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, gab in diesem Zusammenhang die Devise aus, dass es für die EU keinen Sinn mache, eine perfekte Straße zwischen einer Kupfermine und einem Hafen zu bauen, wenn beide in chinesischem Besitz seien. EU-Investitionen sollen einem Win-Win-Prinzip folgen, also europäischen und afrikanischen Interessen dienen – nicht aber China.

Seither ist eine der zentralen Fragen politischer Akteure in europäischen Staaten, ob dieses Instrument geeignet ist, um die EU wettbewerbsfähig zu machen, insbesondere in Afrika. Die Ambitionen sind hoch. Global Gateway soll Europas „positives Angebot“ darstellen, ein Angebot, das mit hohen Standards, Transparenz und nachhaltigen Finanzierungsmodellen wirbt. Die Kritik am Finanzierungsmodell chinesischer Infrastrukturprojekte, in dem manche mit Blick auf die hohe Verschuldung einiger afrikanischer Staaten ein großes Risiko sehen, schwingt deutlich mit.

Spürbare Erfolge sind bisher jedoch ausgeblieben. Der EU und ihren Mitgliedstaaten fällt es schwer, Afrika herausragende Produkte oder gar besonders günstige Preise anzubieten. Ein materieller Wettbewerb mit China ist kostspielig und erweckt den Eindruck der Nachahmung, insbesondere im Bereich der Infrastrukturentwicklung. Zudem hat Peking mit der Global Development Initiative bereits eine neue globale, stärker multilateral ausgerichtete Entwicklungsinitiative gestartet, die die infrastrukturorientierte BRI ergänzt.

Verstärkt wird dieses Problem der EU dadurch, dass Europa und Afrika unterschiedliche Interessen im Umgang mit China haben. Für die meisten afrikanischen Staaten gibt es kein „China-Problem“. Vielmehr sehen sie in der Zusammenarbeit mit der Volksrepublik einen wichtigen Schlüssel zur Lösung zentraler (vor allem ökonomischer) Probleme. Konkurrenz belebt aus afrikanischer Sicht das Geschäft. Der Abbau noch bestehender privilegierter wirtschaftlicher und politischer Zugänge ehemaliger Kolonialmächte wird tendenziell begrüßt. Diplomatische Versuche, afrikanische Akteure davon zu überzeugen, dass eine Kooperation mit China auch nicht in ihrem Interesse liegt, laufen Gefahr, als unangemessene Einflussnahme wahrgenommen zu werden.

Die EU und China in Afrika: Ein Nullsummenspiel?

Dem derzeitigen Umgang mit China in Afrika scheint die Annahme zugrunde zu liegen, dass der Einflussgewinn Pekings und der (teils reale, teils diffus wahrgenommene) Bedeutungsverlust europäischer Akteure in einem direkten kausalen Zusammenhang stehen. „Machen wir es nicht, macht es China“, ist in politischen Debatten zu den EU-Afrika-Beziehungen oft zu hören. Doch ist der Zusammenhang zwischen der Entscheidung afrikanischer und europäischer Akteure für oder gegen eine Zusammenarbeit und der Verfügbarkeit von chinesischen Angeboten selten so eindeutig. Eine Aufschlüsselung der Wettbewerbsintensität nach Sektoren/Politikfeldern kann helfen, zwischen der politischen Rhetorik, die globale Wettbewerbsfähigkeit zum Thema macht, und tatsächlichen Veränderungen im Umfeld der EU-Afrika Beziehungen zu unterscheiden.

Anlass dazu geben Einschätzungen von einigen Expert*innen, dass der Investitionsbedarf in Afrika i.d.R. so groß ist, dass die EU, China und andere externe Akteure in den gleichen Räumen aktiv sein können, ohne sich gegenseitig in die Quere zu kommen (oder gar zu kooperieren, was unter den derzeitigen weltpolitischen Bedingungen als außenpolitische Option weitgehend entfällt). Wenn China für einen Staat ein wichtiger Handelspartner ist, bedeutet dies zum Beispiel nicht, dass dessen Regierung weniger Interesse an Investitionen aus Europa hat – siehe zum Beispiel Kenia.

Selbst im Infrastrukturbereich – in dem BRI-Investitionen chinesischen Unternehmen starken Auftrieb gegeben haben mit dem Ergebnis, dass diese häufig Marktführer sind – ist der Konkurrenzdruck nur ein Aspekt strategischen Entscheidungen, die europäische Unternehmen für oder gegen Projekte auf den afrikanischen Märkten treffen. Andere Faktoren wie politische Stabilität, Rechtssicherheit und eigene Standards spielen oft eine maßgeblichere Rolle als die Wettbewerbsintensität. Ansätze, die sich primär darauf konzentrieren, wie die eigenen Produkte (seien sie politischer oder unternehmerischer Natur) im direkten Vergleich zur Konkurrenz abschneiden, sind mit dem Risiko verbunden, dass diese ebenfalls wichtigen Veränderungen des Umfelds und der Nachfrage aus dem Blick geraten.

Kundenorientierung statt Konkurrenzfokus: ‘Going the Extra Mile‘

Welche Optionen bleiben der EU und ihren Mitgliedstaaten, um sich von der Konkurrenz abzuheben, wenn sie weder ein herausragendes Produkt, noch einen besonders günstigen Preis oder eine schnelle Lieferung anbieten können? Unter diesen Bedingungen spricht – unternehmerisch gedacht – viel dafür, sich auf „Kundenorientierung“ zu konzentrieren, also die Nachfrage ins Zentrum strategischer Überlegungen zu stellen.

Die Orientierung an den Prioritäten afrikanischer Staaten sollte nicht als entwicklungspolitischer Selbstzweck verstanden werden. Vielmehr handelt es sich um eine aussichtsreiche Wettbewerbsstrategie, die darauf abzielt, die langfristigen Kooperationsaussichten zu verbessern. Wichtig ist es, eine aktivere Kundenorientierung an den Tag zu legen als die Konkurrenz – wirtschaftlich und politisch. Ungeachtet der Bekenntnisse der EU zu einem Perspektivwechsel und gleichberechtigten EU-Afrika-Beziehungen ist diesbezüglich viel Luft nach oben, auch mit Blick auf Global Gateway.

Zentralen Anliegen afrikanischer Staaten wie eine bessere Integration in die globale Wertschöpfung, eine Korrektur des Umgangs mit Impfstoffen im Pandemiefall, Reformen im Agrarhandel, bessere Kreditkonditionen, Umschuldungen in Härtefällen sowie die stärkere Repräsentation Afrikas in multilateralen Organisationen kann dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Europäische Akteure sollten jetzt strategische Entscheidungen darüber treffen, in welchen Bereichen sie als glaubwürdige und sichtbare First Mover auftreten können – nicht im Sinne von Innovation (Vorschläge für entsprechende Maßnahmen liegen in den meisten Fällen schon länger auf dem Tisch), sondern im wörtlichen Sinne: wer sich zuerst bewegt.

Europäische Akteure können ihre Reputation in den Augen afrikanischer Staaten verbessern, wenn sie die „extra mile“ gehen, Afrika also bei substantiellen Anliegen entgegenkommen, die mit eigenen Kosten verbunden sind und wo Änderungen nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden können. Am praktikabelsten ist dies derzeit vielleicht im Bereich der Klimafinanzierung („loss and damage“), wo erhebliche Mittel mobilisiert und „der Kuchen vergrößert“ werden kann.

Das Zeitfenster, um durch entsprechende Ansätze Wettbewerbsvorteile zu generieren, schließt sich jedoch rasch. Auch Peking setzt – nicht zuletzt angesichts US-amerikanischer und europäischer De-Risking-Maßnahmen –verstärkt auf wirtschaftliche und politische Kooperationen mit dem globalen Süden. Entsprechende Ankündigungen im Rahmen des FOCAC sind zu erwarten.

Dr. Karoline Eickhoff ist Wissenschaftlerin bei Megatrends Afrika und Teil der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten der SWP.