Mit dem Green Deal hat die EU in den vergangenen Jahren nicht nur eine deutliche Ambitionssteigerung ihrer Klimapolitik vollzogen, sondern die europäische Klimainnenpolitik um eine internationale Dimension erweitert. Tatsächlich betreffen zahlreiche Rechtsakte der EU direkt oder indirekt auch internationale Partner. Dennoch werden interne und externe Dimension der Klimapolitik in der neuen EU-Kommission nicht systematisch zusammengeführt, eine strategische diplomatische Flankierung der Maßnahmen ist nicht gegeben. Gerade mit Blick auf die erhöhte Bedeutung von Wettbewerbsfähigkeit und geopolitischen Konstellationen eröffnet sich die Chance für einen neuen Strategieprozess. Dieser könnte dazu beitragen, dass EU-Institutionen und Mitgliedstaaten die externe Dimension koordinieren und eine sinnvolle Weiterentwicklung der europäischen Klimapolitik erreichen.
Mit dem Amtsantritt der neuen Europäischen Kommission im Dezember 2024 nehmen die konkreten Vorbereitungen für die nächste Phase der EU-Klimapolitik an Fahrt auf. Weil davon auszugehen ist, dass der künftige US-Präsident Donald Trump viele klimapolitische Initiativen der Biden-Regierung rückabwickeln wird, richten sich wieder mehr Augen und Erwartungen auf den Kurs der EU in diesem Bereich. Doch auch diesseits des Atlantiks hat sich die klimapolitische Lage deutlich verändert. Nach den Europawahlen 2019 gab die damals neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 100 Tage nach Amtsantritt mit dem europäischen Klimaschutzgesetz den Startschuss für den European Green Deal (EGD). Neben substantiellen Ambitionssteigerungen zu den rechtlich bindenden Emissionsreduktionszielen für 2030 und 2050 wurden in der letzten Legislaturperiode auch Weiterentwicklungen der bestehenden Governance-Architektur beschlossen – trotz großer Krisen wie der Covid-19-Pandemie und der russischen Invasion in der Ukraine. Die Implementierung des Green Deal, für die neben der Kommission auch die Regierungen der Mitgliedstaaten von großer Bedeutung sind, steht indes noch bevor. Sie fällt nun in ein politisches Umfeld, das sich grundlegend gewandelt hat und einer ehrgeizigen Klimapolitik weniger Chancen bietet.
Verzahnung von Klimapolitik und Wettbewerbsfähigkeit
Ein Grund für die neue Lage ist die Krise von Europas Industrie und Wettbewerbsfähigkeit, die nicht zuletzt durch den Bericht des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi von September 2024 ins Zentrum der politischen Debatte gerückt ist. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kündigte an, innerhalb der ersten 100 Tage ihrer neuen Amtszeit einen Clean Industrial Deal vorzulegen. Dies verdeutlicht ihr Bestreben, die klimapolitischen Fortschritte der vergangenen fünf Jahre jetzt industriepolitisch zu flankieren. Neben der Programmatik von der Leyens signalisiert auch die Zusammensetzung ihres designierten Kommissionskollegiums, dass wirtschaftliche Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und strategische Autonomie die Agenda der EU bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2029 prägen werden. Im neuen Zuschnitt der Aufgabenbereiche zeigt sich das Bemühen, Klimapolitik künftig stärker mit Wettbewerbsfähigkeit zu verschränken.
Der Zuständigkeitsbereich der spanischen Sozialdemokratin Teresa Ribera lässt besonders deutlich den Versuch erkennen, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit zusammenzuführen. Sie wird als erste Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission und Leiterin der einflussreichen Generaldirektion (GD) Wettbewerb das Portfolio für eine konkurrenzfähige, saubere und faire Transformation verantworten. Eng zusammenarbeiten wird sie mit dem französischen Liberalen Stéphane Séjourné, der Exekutiv-Vizepräsident für Wohlstand und Industriestrategie sowie Chef der GD Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU (kleine und mittlere Unternehmen) wird. Auf Ebene der nachgeordneten Kommissare besetzen Wopke Hoekstra (Niederlande, Europäische Volkspartei – EVP) in der GD Klimapolitik, Jessika Roswall (Schweden, EVP) in der GD Umwelt, Dan Jørgensen (Dänemark, Socialists & Democrats – S&D) in der GD Energie und Maroš Šefčovič (Slowakei, S&D) in der GD Handel für die klimapolitischen Entwicklungen entscheidende Schnittstellen in der neuen Kommission.
Die drei großen politischen Parteien (EVP, S&D, Renew) übernehmen somit jeweils zentrale klimarelevante Ressorts, um eine ausgewogene Zusammenarbeit an den Schnittstellen sicherzustellen. Doch zeigten schon die intensiven Auseinandersetzungen im Europäischen Parlament bei den Anhörungen der designierten Kommissar:innen, dass – wie schon in der vergangenen Amtszeit – die Komposition der Zuständigkeiten den tatsächlichen Einfluss einzelner GDs und Kommissar:innen zwar vorstrukturiert, umstrittene Fragen bei überlappender Verantwortung aber bewusst offen gehalten werden. Sowohl das Fehlen einer klaren Prioritätensetzung als auch die strukturelle Diffusion von Zuständigkeiten dürften die Konflikte in dem rechtsaktlastigen Politikfeld eher verkomplizieren als zu deren Einhegung beitragen.
Spannungen zwischen Klimainnen- und -außenpolitik
Nicht ausreichend berücksichtigt in der neuen Struktur sind die Spannungen zwischen Klimainnen- und ‑außenpolitik. Im Mandat der EU-Außenbeauftragen Kaja Kallas (Estland, Renew), die als Vizepräsidentin der Kommission auch der GD Internationale Partnerschaften (INTPA) vorsteht, taucht die externen Dimension europäischer Klimapolitik nur am Rande auf. Und das, obwohl im Rahmen des Green Deal in den letzten Jahren Instrumente beschlossen wurden, die zum Teil erhebliche Auswirkungen auf internationale Partner haben und schon jetzt zu diplomatischen Verwerfungen führen. Weder in den politischen Leitlinien von der Leyens noch in der Struktur der neuen Kommission ist erkennbar, dass diese Schnittstelle strategisch und institutionell ausreichend adressiert würde. Zentrale Herausforderung ist also nicht nur die vieldiskutierte Beziehung zwischen den Portfolios Energie- und Klimapolitik (Ribera) sowie Industrie- und Handelspolitik (Séjourné), sondern auch ihr jeweiliges Verhältnis zur Außen- und Entwicklungspolitik (Kallas). Hier bleibt ein maßgebliches Handlungsfeld ambitionierter Klimapolitik unbesetzt, das gerade im Hinblick auf eine stärkere Verschränkung mit neuen industrie- und handelspolitischen Maßnahmen und angesichts der geopolitischen Lage mehr Koordination bedürfte.
Internationale Dimension des European Green Deal
Die Auswirkungen der europäischen Klimapolitik auf internationale Partner wurden durch einige Rechtsakte des Green Deal verstärkt. Dabei ergänzen Letztere die EU-Klimapolitik, die häufig in drei Säulen dargestellt wird – dies sind erstens der Emissionshandel (ETS)-I, zweitens die Effort-Sharing-Verordnung (ESR) und der ETS‑II sowie drittens Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF). Als konzeptioneller Überblick zeigt Graphik 1 im inneren Kern der europäischen Klimapolitik das EU-Klimaschutzgesetz und die drei genannten Säulen, in einem äußeren Ring wiederum eine Auswahl zentraler Rechtsakte aus dem Green Deal, die Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten enthalten, sich aber auch auf Handelspartner außerhalb des EU-Binnenmarkts auswirken (für eine kurze Erläuterung der Rechtsakte siehe Tabelle 1).
Auswirkungen auf Partnerländer
Aus allen in Graphik 1 gelisteten Rechtsakten ergeben sich für Nicht-EU-Staaten direkte oder indirekte Kosten und Verpflichtungen. Sie lassen sich in drei Gruppen aufteilen. Im ersten Fall geht es darum, dass Abgaben beispielsweise auf Importe erhoben oder diese durch höhere Standards verteuert werden, um unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen auszugleichen. Dazu gehören etwa die ETS-Schifffahrt-Integration und der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM). Mit einer zweiten Gruppe von Maßnahmen wird versucht, die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU durch größere Unabhängigkeit und Resilienz zu verbessern. Zu diesem Zweck setzt man etwa auf eine höhere Unabhängigkeit von Energieimporten (REPowerEU) oder auf Zielvorgaben für die Produktion strategisch wichtiger Technologien, mit denen das Netto-Null-Ziel in der EU (NZIA) erreicht werden soll. Eine dritte Kategorie an Maßnahmen bringt keine direkten Kosten mit sich, wohl aber Dokumentationspflichten, mit denen die Ziele des Green Deal auch für internationale Lieferketten etabliert werden sollen. Hierzu zählen unter anderem die Verordnung Entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) und die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD).
Implikationen für die EU
Je nach den Folgen der Rechtsakte für Nichtmitgliedstaaten ergeben sich für die EU selbst unterschiedliche Konsequenzen, welche für die außenpolitische Begleitung richtungsweisend sind. Drei Aspekte lassen sich unterscheiden. Erstens erschwert der zunehmende internationale Widerstand – wie etwa durch Brasilien im Falle der Entwaldungsverordnung – schon jetzt die Gestaltung oder Umsetzung der genannten Rechtsakte. Die USA unter einer Trump-Präsidentschaft könnten auf die Methan-Regulierung oder den CBAM mit asymmetrischen Gegenmaßnahmen reagieren.
Zweitens verschlechtern sich die Bedingungen für internationale Klimakooperation gerade dort, wo wirtschaftsschwache Entwicklungsländer von den Rechtsakten berührt sind. Denn hier droht das Vertrauen in die EU als Vorreiter und fairen Vermittler in internationalen Formaten untergraben zu werden. Brüssel hat es etwa verpasst, den CBAM kompatibel mit den Entwicklungsinteressen von Partnerländern zu gestalten. So unterblieb es, ärmere Länder entweder auszunehmen oder zusätzliche Exportkosten durch gezielte Unterstützung der betroffenen Sektoren auszugleichen.
Drittens droht es die EU außenpolitisch insgesamt zu schwächen, dass der internationalen Dimension des Green Deal eine strategische diplomatische Flankierung fehlt. Maßnahmen wie der CBAM und die EUDR ziehen deutliche Kritik von großen Schwellenländern wie Brasilien, Indonesien oder Südafrika auf sich – ebenjenen Ländern, die die EU angesichts der geopolitischen Situation eigentlich als Partner in anderen Politikfeldern gewinnen will.
Interne Hürden für die Integration von Klimainnen- und -außenpolitik
Am Beispiel des CO2-Grenzausgleichsmechanismus wird deutlich, dass die bisherige institutionelle Logik der zuständigen GDs nicht angemessen funktioniert. An der Schnittstelle von europäischer und internationaler Klimapolitik führen unklare Zuständigkeiten, unterschiedliche EU-interne Zielvorstellungen und eine Ad-hoc-Diplomatie zu enormem Widerstand in Partnerländern.
Innerhalb der Kommission sind eine Vielzahl von Generaldirektionen an der EU-Klimadiplomatie beteiligt. Die zentralen Akteure sind GD Klimapolitik, die jenseits ihrer innenpolitischen Kompetenzen auch für internationale Klimaverhandlungen und ‑partnerschaften zuständig ist, der Europäische Auswärtige Dienst (EAD), der die außenpolitischen Aktivitäten der EU
Erläuterung der Rechtsakte |
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Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), CO2-Grenzausgleichssystem |
CO2-Grenzausgleichssystem zur Bepreisung von CO2 in importierten Produkten (Strom, Zement, Stahl, Aluminium, Düngemittel und Wasserstoff) mit Berichts- und Zahlungsverpflichtungen für Importeure. |
Critical Raw Materials Act (CRMA), Verordnung zu kritischen Rohstoffen |
Europäisches Rohstoffgesetz mit dem Ziel, eigene Kapazitäten aufzubauen und interne wie externe Lieferketten resilienter zu gestalten, unter anderem durch Richtwerte, Stresstests, Partnerschaften. |
Net-Zero Industry Act (NZIA), Netto-Null-Industrie-Verordnung |
Verordnung mit dem Ziel, 2030 bei definierten Netto-Null-Technologien mindestens 40 Prozent der europäischen Nachfrage aus eigener Produktion zu decken. Bis 2040 soll ein globaler Marktanteil von 15 Prozent erreicht werden. Zudem Nachhaltigkeits- und Resilienzkriterien in öffentlichen Ausschreibungen sowie Bürokratieabbau. |
Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine. Ziel ist, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland durch Diversifizierung der Versorgung, durch Energiesparen und eine beschleunigte Energiewende zu beenden. Der Fokus liegt auf der Stärkung der strategischen Autonomie der EU im Energiesektor. |
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Seit 2024 umfasst der EU-ETS auch CO2-Emissionen großer Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von mehr als 5.000 (ab 2026 zudem Methan und Lachgas). Bei Fahrten von bzw. mit einem Ziel außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) werden 50 Prozent der Emissionen abgedeckt, Fahrten innerhalb des EWR mit 100 Prozent (sukzessive Einführung bis 2027). |
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Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), Europäische Lieferkettenrichtlinie |
Die Richtlinie zielt darauf, nachhaltiges unternehmerisches Handeln in eigenen Geschäftsfeldern und in globalen Wertschöpfungsketten zu fördern. Zu diesem Zweck sollen innerhalb und außerhalb Europas nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt reduziert werden. Für verursachte Schäden können Firmen haftbar gemacht werden. Die Regeln gelten zeitlich gestaffelt (2026–2029) für zunehmend mehr Unternehmen, je nach Mitarbeiterzahl und Umsatz innerhalb der EU. |
Seit 2024 verpflichtet die neue Verordnung die europäische Gas-, Öl- und Kohleindustrie, ihre Methanemissionen aus der Bereitstellung fossiler Brennstoffe zu messen, Leckagen schnell zu beseitigen und das Ablassen und Abfackeln von Gasen zu verringern. Es gelten schrittweise strengere Anforderungen für Importe. Sichergestellt werden soll, dass auch außerhalb der EU nach und nach äquivalente Überwachungs-, Berichterstattungs- und Überprüfungspflichten wie bei EU-Betreibern angewandt werden. |
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EU Deforestation Regulation (EUDR), Verordnung Entwaldungsfreie Lieferketten |
Die Verordnung zielt darauf ab, dass bestimmte Waren, die in der EU in Verkehr gebracht werden, dort und anderswo in der Welt nicht zu Entwaldung und Waldschädigung beitragen. Sie umfasst die Produkte Palmöl, Rindfleisch, Soja, Kaffee, Kakao, Holz und Kautschuk sowie daraus hergestellte Erzeugnisse. Händler müssen nachweisen, dass die Produkte entwaldungsfrei sind. Die Umsetzung ist bis Anfang 2026 ausgesetzt. |
koordinieren soll, und DG Internationale Partnerschaften, die eine zentrale Rolle gegenüber Entwicklungsländern und im Bereich Klimafinanzierung spielt – mit Formaten wie Global Gateway und den Just Energy Transition Partnerships (JETPs).
Klar wird angesichts der Kompetenzaufteilung und des »Mission Letter« der Kommissionspräsidentin an Kaja Kallas aber auch, dass Klimadiplomatie und Außenpolitik der EU weiter in getrennten Sphären ablaufen werden. Eine stärkere Integration ist damit strukturell erschwert. Dabei wäre eine verstärkte Koordinierung gerade im Lichte der Zuständigkeiten innerhalb der EU – wo Außenpolitik vor allem durch Mitgliedstaaten, Klimapolitik aber maßgeblich auf Unionsebene bestimmt wird – von besonderer Bedeutung. Eine zusätzliche Herausforderung bildet die inter-institutionelle Position des EAD, dessen Rolle unklar ist, was die neue Wirtschaftsaußenpolitik und Fragen der wirtschaftlichen Sicherheit angeht.
Jenseits der GDs müssten weitere europäische Institutionen besser einbezogen werden. Auch das EU-Parlament gehört dazu, das bei klimadiplomatischen Aktivitäten zwar nur eine Nebenrolle spielt, in der Gesetzgebung zum Green Deal aber ein wichtiger Akteur ist. Für einen solchen Ansatz braucht es einen politisch-strategischen Rahmen, der neben inhaltlichen Zielen auch Prinzipien der Zusammenarbeit vorgibt. Die Schlussfolgerungen der Ratsformation für Auswärtige Angelegenheiten (FAC), die jährlich die Energie- und Klimadiplomatie-Prioritäten der EU definieren, gehen theoretisch in diese Richtung. In der Praxis fungieren sie allerdings selten als tatsächliche Grundlage für EU-weites Handeln und lösen keine Koordinationsprobleme zwischen den GDs der Kommission. In Abwesenheit einer übergreifenden Strategie dominieren Prioritäten, die sich aus der Logik einzelner Institutionen oder GDs ergeben. An die Partner der EU gelangen damit widersprüchliche Signale zur externen Dimension europäischer Klimapolitik.
Eine außenpolitische Flankierung des European Green Deal
Da die Bedeutung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit gestiegen ist, steht die Klimapolitik unter einem stärkeren Rechtfertigungsdruck als in den vergangenen fünf Jahren. In der strategischen Verknüpfung von Klimainnen- und -außenpolitik liegen dabei zwei Chancen. Zum einen können Synergien zwischen Green-Deal-Beschlüssen und internationaler Wettbewerbsfähigkeit identifiziert und durch neue Initiativen vorangetrieben werden. Gerade bei strategisch wichtigen Technologien und Lieferketten, die für die Transition zu Netto-Null-Treibhausgasemissionen relevant sind, besteht hier großes Potential. Zweitens bietet eine strukturierte Bearbeitung der externen Dimension europäischer Klimapolitik einen wichtigen Ansatzpunkt, damit neue Instrumente wie der CBAM bei Partnern nicht primär als Quelle der Irritation wirken, sondern als Bestandteil neuer Allianzen dienen können, indem sie diplomatisch flankiert und in breitere Initiativen eingebettet werden.
Außenpolitische Instrumente
Der EU steht eine Vielzahl an Instrumenten zur Verfügung, die effektiver zur diplomatischen Begleitung europäischer Klimapolitik genutzt werden könnten. Bestehende Instrumente sollten gestärkt und konsequenter an bereits im Green Deal beschlossene Rechtsakte ausgerichtet werden; neue Instrumente gilt es von Beginn an entsprechend zu konzipieren.
Die Global-Gateway (GG)-Initiative zielt etwa schon darauf ab, den zunehmenden Fokus der EU auf Wettbewerbsfähigkeit und strategische Interessen mit dem Engagement für die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zu verbinden. Im Vergleich zu anderen Infrastrukturprojekten wie der chinesischen Belt and Road Initiative (BRI) ist das angekündigte Budget von GG, das 300 Milliarden Euro bis 2027 umfasst, allerdings gering. Überhaupt ist Global Gateway von Fragmentierung und Strategielosigkeit geprägt. Abgesehen davon, dass für GG keine neuen EU-Mittel zur Verfügung stehen, besteht Zweifel, ob die Brüsseler Garantien tatsächlich private Investitionen in der anvisierten Höhe von 135 Milliarden Euro anlocken können.
Zusammen mit den angekündigten Partnerschaften für sauberen Handel und Investitionen (Clean Trade and Investment Partnerships, CTIP) könnte eine gestärkte GG-Initiative das beschädigte Vertrauen in die EU als Vorreiter und fairen Vermittler erneuern. Dazu müsste Global Gateway die EU-Interessen in den Bereichen Handel und Investitionen besser mit Entwicklungs- und Klimazielen in Einklang bringen. Erforderlich dafür wäre wiederum, die Prioritäten der Partnerländer vermehrt zu berücksichtigen und die Koordinierung zwischen den involvierten EU-Institutionen, den Mitgliedstaaten und den Finanzinstituten zu verbessern. Gerade im Hinblick auf den stärker wettbewerbspolitischen Fokus der Kommission können beide Instrumente strategischer eingesetzt werden, um beispielsweise den Widerstand gegen CBAM oder EUDR zu verringern. Die CTIP sollten hier ein umfassendes und klares Angebot an ausgewählte Länder machen, das bestehende Initiativen einbindet.
Hierfür wären länderspezifisch differenzierte Ansätze wünschenswert, doch solche gestalten sich schwierig angesichts der vielfältigen Allianzen von EU-Mitgliedstaaten mit Partnerländern und häufig stark divergierender Interessen, etwa was den Umgang mit China betrifft. In der Konsequenz bleibt für Partnerländer häufig unklar, worin der Mehrwert einer Zusammenarbeit mit der EU liegt, so dass bilaterale Kooperationsformate der Mitgliedstaaten als vielversprechender angesehen werden. Die Mitglieder der Group of Friends for an Ambitious EU Climate Diplomacy, darunter Deutschland, sollten es sich zu einem Schwerpunkt machen, existierende Zielkonflikte offenzulegen, Interessenunterschiede zu minimieren und sicherzustellen, dass die jeweiligen Kooperationsformate der EU-Staaten stärker als bisher berücksichtigt werden.
EU-interne Zusammenarbeit
Da weder Global Gateway (für das GD INTPA zuständig ist) noch die CTIP (GD TRADE) hauptverantwortlich im Cluster von Kommissarin Teresa Ribera liegen, sind eine Zusammenarbeit über Generaldirektionen hinweg und eine klare Verteilung von Kompetenzen notwendig, etwa dem Ansatz der Team-Europe-Initiative folgend. Eine stärkere Einbindung und ein proaktives Engagement der EAD-Delegationen in ausgewählten Partnerländern können die Koordination unterstützen.
Als ersten Schritt erhielt Ribera mit von der Leyens »Mission Letter« das Mandat, eine »Vision für die Klima- und Energiediplomatie« zu entwickeln. Dieses Leitbild sollte die außenpolitische Flankierung des European Green Deal als Ausgangspunkt nehmen. Es könnte auch als Anstoß für eine Reihe informeller Inter-GD-Kooperationsformate auf Arbeitsebene genutzt werden, um innerhalb von Riberas Cluster systematisch durch Zielkonflikte zu navigieren. Darauf aufbauend sollte die Europäische Kommission einen breiteren Strategieprozess anstoßen; die Erfahrungen mit der deutschen Klimaaußenpolitik-Strategie ließen sich hier als Referenz und Ideengeber nutzen. Die im Anschluss an die 2040-Ziel-Empfehlung neu geschaffene Taskforce zu internationaler CO2-Bepreisung und CO2-Markt-Diplomatie wiederum könnte ein Impulsgeber und Startpunkt für eine weitere Taskforce mit breiterem Mandat sein. Dieser Prozess sollte alle EU-Institutionen und auch die Regierungen der Mitgliedstaaten einbeziehen. Zur Umsetzung der Strategie könnte die Kommission ein koordinierendes Gremium auf hoher Ebene einsetzen, ähnlich der deutschen Staatssekretärsrunde für die Klimaaußenpolitik.
Im Europäischen Parlament könnte sich eine ausschussübergreifende Arbeitsgruppe bilden, bestehend aus Vertreter:innen der Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten (AFET), für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI), Industrie, Forschung und Energie (ITRE) sowie internationalen Handel (INTA). Damit ließe sich eine Plattform für den Austausch und neue Initiativen hinsichtlich der außenpolitischen Dimension europäischer Klimapolitik etablieren.
Schließlich wird es auch darum gehen, die klimaaußenpolitischen Aktivitäten der Mitgliedstaaten regelmäßig zu sammeln und dann auf Synergien sowie etwaige widersprüchliche Aktivitäten und politische Prioritäten hin zu analysieren. Hierzu bedarf es klarer Zuständigkeiten bzw. einer strukturierten Zusammenarbeit zur Klimadiplomatie zwischen den Ratsformationen auswärtige Angelegenheiten, Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt und gegebenenfalls Verkehr, Telekommunikation und Energie. Darüber hinaus wäre denkbar, die nationalen Energie- und Klimapläne, die regelmäßig zu aktualisieren sind, künftig um eine klimaaußenpolitische Dimension zu ergänzen. Sie könnten so als Monitoring-Instrument und Ausgangspunkt für die Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten genutzt werden und europäische wie nationale Initiativen anstoßen.
Die neue Kommission sollte erste Schritte zur Verwirklichung der genannten Vorschläge frühestmöglich und im Kontext des Clean Industrial Deal einleiten, der für die ersten 100 Tage nach Amtsantritt angekündigt wurde. Möglichkeiten zur Umsetzung bieten auch das 2040-Reduktionsziel und das darauf folgende Legislativpaket für die Fortschreibung der Klimapolitik nach 2030 und für das 2040-Reduktionsziel, ebenso der nationale Klimabeitrag der EU für das Pariser Abkommen.
Ole Adolphsen ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen und im Projekt »Klimaaußenpolitik und Mehrebenengovernance«. Jule Könneke ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen und Leiterin des Projekts »Deutsche Klimadiplomatie im Kontext des European Green Deal«. Dr. Felix Schenuit ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe EU/Europa und im Projekt »Hochskalieren von CO₂-Entnahme (UPTAKE)«. Alle Autor:innen sind Mitglieder des Forschungsclusters Klimapolitik.
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DOI: 10.18449/2024A67