Für den weltweiten Klimaschutz spielen die USA im »Super-Wahljahr« 2024 eine herausragende Rolle. Denn nach bisher dreieinhalb Jahren, in denen Präsident Joe Biden immense Erfolge im Klimaschutz gelangen, könnte ihm nun laut aktuellen Prognosen Donald Trump folgen. Trump nutzte bereits seine erste Präsidentschaft (2017–2021), um die Klimaschutzmaßnahmen der Vorgängerregierung weitgehend rückgängig zu machen. Dies hat er auch nach einem möglichen Wahlsieg im November vor. Konservative Think-Tanks haben ihm dafür mit dem »Mandate for Leadership« eine detaillierte Blaupause erstellt. Eine Rückkehr Trumps ins Weiße Haus wäre ein fataler Schlag für den Klimaschutz. Denn viele klimapolitische Maßnahmen der Biden-Regierung könnte eine zweite Trump-Administration streichen. Aber nicht alle. Die Zukunft der US-Klimapolitik hängt maßgeblich vom Wahlergebnis für das Weiße Haus, den Kongress, aber auch von den Fortschritten in den US-Bundesstaaten ab. Auch eine weitere demokratische Administration müsste jedoch nachlegen, um die Klimaziele der USA zu erreichen.
Als weltweit zweitgrößter Verursacher von CO2-Emissionen spielen die USA eine zentrale Rolle bei den Bemühungen, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf unter zwei Grad und möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und damit das Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Nach vier Jahren der klimapolitischen Obstruktionspolitik unter der Führung von Donald Trump kehrte mit Joe Biden 2021 neuer Schwung in die US-Klimapolitik zurück. Biden führte die USA zurück in das Pariser Klimaabkommen und verkündete Klimaziele für die Jahre 2030 und 2050. Um diese zu realisieren, brachte er im Anschluss eine Reihe klimapolitischer Maßnahmen auf den Weg.
Wenige Monate vor der US-Wahl im November 2024, bei der neben dem Präsidenten auch das komplette Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt werden, müssen sich Deutschland und die EU darauf vorbereiten, dass die US-Klimapolitik eine erneute Kehrtwende erfahren könnte. Es stellt sich daher die wichtige Frage: Wie resilient ist die US-Klimapolitik angesichts einer republikanischen Präsidentschaft und eines möglicherweise republikanisch dominierten Kongresses?
Bidens klimapolitische Erfolge
Joe Biden konnte in seiner ersten Amtszeit klimapolitische Erfolge auf verschiedenen Ebenen erzielen. Er erließ eine Reihe von exekutiven Verfügungen, um die Klimapolitik der USA Paris-konform zu machen. Sie enthalten beispielsweise das Ziel der USA, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 50 bis 52 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken und bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Zudem deklarierte Biden verschiedene sektorale Unterziele. Bis 2030 soll zum Beispiel die Hälfte der Neuwagenverkäufe auf Nullemissionsfahrzeuge entfallen. Bis 2035 soll die Dekarbonisierung des Stromsektors verwirklicht sein.
Exekutive Maßnahmen und Klimaregulierung
Um diese Ziele zu erreichen, setzte Biden zum einen auf exekutive Maßnahmen. Mit dem Federal Sustainability Plan wies er die Bundesbehörden an, bei der Beschaffung neue Nachhaltigkeitskriterien zu beachten. Mit Hilfe der immensen Kaufkraft der Bundesregierung soll auf diese Weise beispielsweise die Produktion von grünem Stahl, CO2-armen Baustoffen oder Elektrofahrzeugen angekurbelt werden. Zudem führten Behörden wie die Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency, EPA) eine Reihe neuer Regulierungen ein, unter anderem für Kohlekraftwerke und Neubauten von Gaskraftwerken. Die Maßnahmen sehen die Senkung der Emissionen von Kohlekraftwerken um 90 Prozent bis 2032 vor. Ab dann können Kohlekraftwerke und neu errichtete Gaskraftwerke nur noch mit Hilfe der teuren Technologie zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) betrieben werden. Im Verkehrssektor führte die EPA strengere Effizienzstandards für verschiedene Fahrzeugtypen ein mit dem Ziel, den Markt bis 2032 in Richtung Nullemissionsfahrzeuge zu verschieben. Zudem legte die EPA strenge Grenzwerte für Methanemissionen in der Öl- und Erdgasproduktion fest. Für die USA als größten weltweiten Öl- und Gasproduzenten ist diese Maßnahme besonders wirkungsvoll. Einen temporären Stopp für die Genehmigung neuer Exportterminals für Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) hob ein Bundesbezirksgericht im Juli allerdings auf mit dem Argument, es gebe dafür keine rechtliche Grundlage.
Klimagesetzgebung
Zum anderen konnte Biden bei der klimapolitisch relevanten Gesetzgebung nie dagewesene Erfolge verzeichnen. Noch im ersten Jahr seiner Amtszeit verabschiedete der Kongress mit parteiübergreifender Zustimmung den Infrastructure Investment and Jobs Act. Mit dem Gesetz stehen unter anderem etwa 58 Milliarden US-Dollar an neuen Ausgaben für die Stromsektordekarbonisierung und 7,5 Milliarden US-Dollar für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität bereit.
Im August 2022 unterzeichnete Biden, ebenfalls mit Unterstützung sowohl der Demokratischen als auch der Republikanischen Partei, dann den CHIPS and Science Act. Er sieht zwischen 2023 und 2027 Ausgaben in Höhe von 280 Milliarden US-Dollar vor, um die Halbleiterproduktion und ‑forschung zu fördern. Halbleiter sind eine zentrale Komponente für klimafreundliche Energietechnologien wie Elektrofahrzeuge und erneuerbare Energien.
Den größten Erfolg stellt schließlich das eigentliche Klimagesetz der Biden-Administration, der Inflation Reduction Act (IRA), dar. Das Gesetz wurde ohne eine einzige Stimme aus der Republikanischen Partei verabschiedet. Es sieht finanzielle Mittel in der beispiellosen Höhe von 370 Milliarden US-Dollar für Energiewende und Klimatransformation vor. Gefördert werden Technologien wie erneuerbare Energien, Wasserstoff, Elektrofahrzeuge, CCS und CO2-Nutzung (Carbon Capture and Utilization, CCU). Die Ausgaben erfolgen über einen Zeitraum von 10 Jahren in Form von Steueranreizen, Krediten, Kreditgarantien und Zuschüssen. Sie sind grundsätzlich nicht gedeckelt und werden inzwischen sogar auf bis zu 1,2 Billionen US-Dollar geschätzt. Grund dafür ist eine größere Nachfrage nach sauberen Technologien, allen voran Elektrofahrzeugen. Berechnungen zeigen, dass durch das Gesetz allein eine Emissionsminderung von 32–42 Prozent bis 2030 erreicht werden kann. Es bringt die USA also deutlich näher an ihr Klimaziel.
Alle drei Gesetze enthalten sogenannte Local-Content-Klauseln: Gefördert wird explizit die Produktion von Rohstoffen und Komponenten innerhalb der USA. Ziel ist die Schaffung von Arbeitsplätzen im Inland und die Steigerung der Resilienz von Lieferketten. Erklärtermaßen geht es auch darum, die teils immense Importabhängigkeit von China im Bereich der grünen Technologien zu verringern.
Die drei Gesetze verbessern die Voraussetzungen für Emissionsminderungen deutlich und zeigen auch bereits volkswirtschaftliche Resultate. Die Investitionen im Bereich der Produktion von grünen Energietechnologien, zum Beispiel von Nullemissionsfahrzeugen und Elektrolyseuren, sind seit der Verabschiedung des IRA stark gestiegen. Eine besondere Erfolgsgeschichte ist die Batteriefertigung. Hier gab es nach der Verabschiedung des IRA bei den jährlichen Neuinvestitionen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast eine Verdreifachung auf rund 22 Milliarden US-Dollar. Auch im Bereich der Halbleiterproduktion sind Erfolge zu verzeichnen: Aktuell befinden sich allein in den Staaten Arizona und Texas 70 Halbleiterfabriken im Bau.
Der IRA hat besonders international für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Die US-Bevölkerung jedoch weiß wenig darüber: Umfragen aus dem Sommer 2023 zeigten, dass der IRA 70 Prozent der Befragten in den USA kaum bekannt ist. Bleibt dies so, wird die Demokratische Partei für den Wahlkampf aus dem IRA nur schwer Kapital schlagen können.
Die Pläne Donald Trumps und der Republikanischen Partei
Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump zweifelt am Erfolg bzw. überhaupt an der Sinnhaftigkeit der grünen Technologien. Erneuerbare Energien bezeichnete er als »betrügerisches Geschäft«. Er hat angekündigt, bereits am Tag eins seiner Amtszeit nach Erdöl und Erdgas »bohren, bohren, bohren« zu lassen. Der IRA sei laut Trump mit dem größten Steueranstieg der Geschichte verbunden und Bidens Förderung von Elektrofahrzeugen nannte er schlicht verrückt. Klar ist also, dass es Trump auf den IRA, die Förderung von erneuerbaren Energien und Elektrofahrzeugen abgesehen hat. Zudem möchte er die Produktion fossiler Energieträger so stark wie möglich ankurbeln.
Project 2025: Klimaagenda der konservativen Think-Tanks
Wenn auch Trumps klima- und energiepolitische Auslassungen wie gewohnt erratisch klingen, so haben konservative Think-Tanks doch bereits detailliert vorausgeplant, wie sich die – in ihren Augen – extreme, von einer linken Ideologie getriebene Klimapolitik rückabwickeln ließe. Im sogenannten »Project 2025« haben sich unter Leitung der Heritage Foundation konservative Think-Tanks zusammengeschlossen, um die Amtszeit des nächsten republikanischen Präsidenten vorzubereiten. Ihre politische Agenda haben sie im »Mandate for Leadership« zusammengefasst. Viele der Kapitel sind von ehemaligen Mitgliedern der Trump-Administration verfasst, was nahelegt, dass Trump große Teile der Vorschläge übernehmen würde.
In Bezug auf den Klimaschutz lautet die Prämisse der beteiligten Denkfabriken, dass die politische Linke die Auswirkungen des Klimawandels übertrieben darstelle. Hier spiegelt sich die in den USA traditionell stark ausgeprägte parteipolitische Polarisierung in Bezug auf den Klimaschutz wider. Klimaschutz, so das »Mandate«, schade der US-Wirtschaft. Wirtschaftliches Wachstum soll stattdessen durch eine weitere Expansion der Produktion fossiler Energieträger erzielt werden.
Entsprechend liegt das Augenmerk der Autorinnen und Autoren des »Mandate« darauf, das Politikziel Klimaschutz aus der Arbeit aller exekutiven Behörden zu eliminieren. Dies soll erreicht werden durch Umstrukturierungen, inhaltliche Neuausrichtungen, Mittelkürzungen und die Rücknahme von Exekutivverfügungen und Regulierungen. Maßnahmen aus der Zeit von Trumps Präsidentschaft sollen wieder in Kraft treten.
Das Energieministerium soll beispielsweise zukünftig darauf hinarbeiten, die US-Energiedominanz »wiederzuerlangen«. Der Schwerpunkt soll dabei auf der Förderung fossiler Energien liegen, etwa durch die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren für LNG-Exportterminals und die Steigerung des Verkaufs von Öl- und Gaslizenzen. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz sollen hingegen in den Hintergrund rücken, entsprechende Abteilungen abgeschafft werden. Besonders abgesehen haben es die Autorinnen und Autoren des »Mandate« auch auf die EPA. Die Umweltbehörde soll sich nur noch auf Umweltschutz und öffentliche Gesundheit konzentrieren. Nach Möglichkeit soll ihr die rechtliche Grundlage entzogen werden, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu regulieren. Wissenschaftliche Beratungsgremien im Bereich Klimaschutz sollen reformiert und Gelder für die Klimaforschung sollen, zumindest temporär, ausgesetzt werden. Schließlich sieht das »Mandate« auch den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und der UN‑Klimarahmenkonvention vor.
Mehr Durchschlagskraft soll das »Mandate« dadurch erhalten, dass eine neue Kategorie von Staatsbediensteten geschaffen wird. Angestellte in dieser »Schedule F«- Kategorie wären politisch eingesetztes Personal, das leichter kündbar ist als reguläre Beamte. Schätzungen zufolge würden, wenn die Pläne realisiert werden, mindestens 50.000 Angestellte statt bisher 4.000 von der Politik eingesetzt sein. Trump würde so in allen Behörden eine Schicht loyaler Anhängerinnen und -Anhänger platzieren, die seine Agenda unterstützen.
Der konservative »Climate Caucus«
Optimistischer liest sich die Agenda des Conservative Climate Caucus, eines stetig wachsenden Zusammenschlusses von inzwischen gut einem Drittel der Republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus, der grundsätzlich bereit ist, den Klimawandel zu bekämpfen. Der Climate Caucus betrachtet fossile Energieträger in Kombination mit »innovativen Technologien« als einen zentralen Baustein bei der Minderung der weltweiten Treibhausgasemissionen. Fossile Energien sollen also weiter gefördert werden, aber die Emissionen durch Technologien wie CCS reduziert werden. Hier gibt es somit durchaus zumindest einen klimapolitischen Minimalkonsens mit der Demokratischen Partei.
Die Widerstandskraft der Klimapolitik
Ob eine zweite Trump-Administration ihre Ziele umsetzen kann, hängt maßgeblich davon ab, wie viele klimapolitische Maßnahmen in Kraft bleiben. Einige sind schwer abzuschaffen, andere leicht. In letztere Kategorie fallen Bidens exekutive Verordnungen, so beispielsweise das Klimaziel für 2030 und die Mitgliedschaft im Pariser Klimaabkommen. Mit einer eigenen Executive Order könnte Trump sofort alle Dekrete rückgängig machen.
Schwieriger und langwieriger ist dies bei Regulierungen wie den Standardfestlegungen für Methanemissionen in der Öl- und Erdgasproduktion und den Effizienzvorgaben für Fahrzeuge. Diese kann eine Trump-Administration nicht einfach ersatzlos streichen. Sie kann aber alternative Regulierung erarbeiten. Im Ergebnis wäre hier eine Abschwächung der Regulierung Bidens oder zumindest eine deutlich verspätete Implementierung zu erwarten.
Mehr Freiheit hätte eine Trump-Administration bei Regulierung, die die Biden-Administration ab Mai 2024 finalisiert hat oder die noch in Arbeit ist. Die EPA plant beispielsweise derzeit noch eine Methan-Gebühr für Öl- und Erdgasproduzenten, das Finanzministerium erstellt weitere Richtlinien für die Gewährung von Steuererleichterungen aus dem IRA. Auf Basis des Congressional Review Acts kann ein neuer Präsident mit einfachen Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat darauf hinwirken, dass Regulierung ersatzlos gestrichen wird, die in den letzten 60 Sitzungstagen fertiggestellt wurde. Sollte die Republikanische Partei in beiden Häusern des Kongresses auch nur eine hauchdünne Mehrheit erlangen, könnte dies leicht gelingen. Ist ein Regulierungsverfahren nach der Wahl noch im Gange, könnte eine Trump-Administration es, unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Kongress, noch verändern oder die Bearbeitung stark verlangsamen.
Der IRA im Kreuzfeuer
Den IRA komplett rückgängig zu machen, dürfte schwierig sein. Dies hat institutionelle und strategische Gründe. Um ein Gesetz zu streichen, braucht es ein neues Gesetzesverfahren und in aller Regel eine Mehrheit von 60 Stimmen im US-Senat. Sollte die Republikanische Partei bei den Wahlen im November eine Mehrheit im Senat erlangen, wird diese laut Prognosen jedoch knapper ausfallen. Eine Ausnahme davon könnte es theoretisch nur geben, wenn mit Zustimmung beider Häuser des Kongresses ein »Reconciliation«-Verfahren beschlossen wird. Bei diesem selten angewendeten Verfahren, das auch beim IRA zum Zuge kam, sind nur 50 Stimmen im Senat notwendig, um ein Gesetz zu verabschieden.
Trump kann den IRA jedoch deutlich schwächen: Er kann Prozesse verlangsamen, beispielsweise indem er, wie in seiner ersten Amtszeit, die Arbeit des Loan Programs Office (LPO) im Energieministerium temporär anhält. Das LPO verwaltet Kredite und Kreditgarantien im Rahmen des IRA. Zudem kann Trump mittelfristig die Richtlinien verändern, die das Finanzministerium für die Vergabe von Steuererleichterungen und Zuschüssen für grüne Technologien festgelegt hat. Elemente, die von beiden Parteien unterstützt werden, wie beispielsweise die Förderung von Biokraftstoffen, Kernenergie und CCS, wären davon wahrscheinlich nicht betroffen. Die Subventionen für Elektrofahrzeuge sind jedoch in der Republikanischen Partei besonders unbeliebt. Sollten sich die Richtlinien ändern, könnte sich das negativ auf den Markthochlauf von Elektrofahrzeugen auswirken: Zuschüsse beim Kauf von E-Autos und Steuererleichterungen für Automobilhersteller sind aktuell ein wichtiger Treiber der steigenden Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen in den USA. Auch könnten die Steuererleichterungen für die Wind- und Solarkraft angegriffen werden, was den benötigten Zubau stark verlangsamen könnte. Auf der strategischen Seite wäre eine komplette Rücknahme des IRA zum einen politisch nicht opportun, weil das Gesetz zur Belebung der Wirtschaft beiträgt und Schätzungen zufolge bereits nach knapp zwei Jahren mehr als 100.000 neue Stellen geschaffen hat. Zum anderen fließt der Großteil der Gelder aus dem Gesetz an republikanische Staaten, auch wenn diese allesamt gegen den IRA gestimmt haben. Die Staaten könnten daher wieder für eine gewisse Stabilität der US-Klimapolitik sorgen – theoretisch.
Die US-Staaten als (potenzieller) Stabilitätsanker
In der Tat dürfte in vielen republikanischen Staaten eine komplette Abschaffung des IRA unerwünscht sein, da sie seit dessen Verabschiedung überproportional von den sprunghaft gestiegenen Investitionen in grüne Technologien profitieren. Zum einen ist dies den Umweltgerechtigkeitsklauseln zu verdanken, die sich durch Bidens gesamte Klimapolitik ziehen: 40 Prozent der Gelder, die der Staat für die Klimatransformation ausgibt, sollen benachteiligten Gemeinden zugutekommen (»Justice40«). Zu diesen zählen auch (ehemalige) Kohlereviere, Gegenden mit Öl- und Gasproduktion oder Gegenden, die von Strukturwandel und hoher Arbeitslosigkeit betroffen sind. Soll eine Investition in solchen Regionen, die überwiegend republikanisch dominiert sind, stattfinden, fallen die IRA-Steuererleichterungen höher aus. Zum anderen befinden sich unter den republikanischen Staaten viele große Flächenstaaten, die besonderes Potential für den Ausbau von Wind- und Solarenergie haben.
Generell gelten einige der US-Staaten und auch viele Großstädte seit vielen Jahren als Pioniere beim Klimaschutz. Während der ersten Amtszeit Donald Trumps zeigte sich, dass nicht nur klassische Vorreiter wie Kalifornien und New York in der Klimapolitik besonders aktiv sind; auch konservative Staaten, wie Louisiana, haben eigenständig den Kampf gegen den Klimawandel aufgenommen. Doch viele US-Staaten blieben klimapolitisch weiterhin komplett inaktiv. Die Gesetze der Biden-Administration könnten hier nun zumindest für etwas Bewegung gesorgt haben: Das Infrastrukturgesetz verpflichtete beispielsweise alle 50 Staaten, Pläne für den Ausbau der Ladestelleninfrastruktur für Elektrofahrzeuge einzureichen. Durch den IRA konnten Staaten Gelder für die Erstellung sogenannter Priority Climate Action Plans erhalten. Neben einer Inventur der Treibhausgasemissionen sollten diese Pläne Vorschläge enthalten, wie Anreize für die Emissionsminderung in verschiedenen Sektoren gestaltet werden könnten. Fast alle Staaten haben tatsächlich einen Klimaaktionsplan erstellt – viele zum ersten Mal überhaupt.
Gemischte Bilanz bei den Produzenten fossiler Energien
Als große Hürde bei der Klimatransformation erweisen sich oftmals diejenigen US-Staaten, die fossile Energieträger produzieren. Sollten die grünen Technologien hier Fuß fassen, würde dies die Resilienz der Klimapolitik erheblich erhöhen. Die Transformationserfolge sind bisher allerdings begrenzt, wie der Blick auf Texas, New Mexico und Pennsylvania zeigt: In keinem der drei Staaten ist eine Abkehr von fossilen Energieträgern in Sicht; alle drei bleiben, sofern sie überhaupt Klimaziele haben, hinter den Ambitionen der Biden-Administration zurück. Und auch nicht alle profitieren gleichermaßen vom IRA.
Texas bleibt Klimanachzügler
Der republikanisch dominierte Staat Texas ist mit einem Anteil von 42 Prozent an der US-Rohölförderung und 27 Prozent an der Erdgasförderung der größte Produzent fossiler Energieträger in den USA. 2023 war sowohl für die Erdöl- als auch die Erdgasproduktion ein Rekordjahr. Gleichzeitig stieg die installierte Solarkraftleistung 2023 sprunghaft an mit dem Resultat, dass Texas Kalifornien in dieser Kategorie überholte. Auch im Bereich Windenergie ist Texas inzwischen der Staat mit der größten installierten Kapazität. Bereits Ende der 1990er Jahre hat Texas mit verbindlichen Zielen für den Anteil von erneuerbaren Energien den Grundstein für diese Entwicklung gelegt. Diese Ziele galten allerdings nicht dem Klimaschutz, sondern sollten der Diversifizierung des stark von fossilen Energien abhängigen Stromsystems dienen. Im Jahr 2023 lag der Anteil erneuerbarer Energien im Strommix bei 27 Prozent.
Als größter Emittent unter den US-Bundesstaaten zeigte Texas bisher keinerlei klimapolitische Ambition. Die Regierung in Austin erstellte für die EPA 2024 einen Priority Climate Action Plan. Er enthält jedoch keine Klimaziele, sondern ausschließlich Vorschläge für freiwillige Maßnahmen. Politischer Wille, wirklichen Klimaschutz zu betreiben, fehlt weiterhin. Gleichzeitig ist Texas einer der größten Profiteure des IRA. Zwischen 2022 und 2023 lag Texas auf Rang 7 der Staaten mit den höchsten privaten Investitionen in saubere Energie und industrielle Dekarbonisierung relativ zur Wirtschaftsleistung. Heute fließen laut Schätzungen etwa 20 Prozent aller Investitionen, die mit dem CHIPS Act oder dem IRA zusammenhängen, nach Texas. Besonders viele neue Projekte entstehen im Bereich der E-Mobilität.
New Mexico: Erdöl- und Erdgasproduzent mit grünen Ambitionen
New Mexico, ein von der Demokratischen Partei regierter Staat, ist mit einem Anteil von 13 Prozent der zweitgrößte US-Ölproduzent. Bei der Erdgasproduktion rangiert der Staat mit 7 Prozent auf Rang sechs. 2023 erreichte auch hier die Rohölproduktion einen neuen Rekordwert. Doch auch bei den erneuerbaren Energien gibt es Bewegung: Der Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung stieg 2023 auf 38 Prozent. Windenergie war damit die wichtigste Energiequelle im Strommix. Erneuerbare Energien machten 2023 insgesamt einen Anteil von 47 Prozent an der Stromerzeugung aus. New Mexico ist damit bei seinem Bestreben, bis 2030 die Hälfte seines Stroms aus erneuerbaren Energien zu generieren, auf einem guten Weg. 2019 gab die Gouverneurin zudem das Ziel aus, bis 2030 die Emissionen um 45 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. Bis 2050 soll die Klimaneutralität erreicht sein. Um all dies zu schaffen, erließ die Regierung des Staates 2021 unter anderem eine Regulierung für den Öl- und Gassektor, die die Industrie dazu verpflichtet, bis 2026 98 Prozent der Methanemissionen abzuscheiden.
Auch New Mexico hat einen Priority Climate Action Plan erstellt. Er enthält konkrete Maßnahmen wie Anreizprogramme zur energetischen Sanierung von Wohngebäuden und zum Bau von Ladestationen für E-Lastwagen. New Mexico profitiert in hohem Maße vom IRA. 2023 schaffte es der Wüstenstaat auf Rang 6 der Bundestaaten mit den höchsten privaten Investitionen im Bereich saubere Energie und industrielle Dekarbonisierung. Um »grünes Kapital« anzulocken, gründete die Gouverneurin 2023 eigens ein Klima-Investitionszentrum. Eines der angekündigten Großprojekte ist der Bau einer Fabrik für Solartechnik, dessen Kosten auf eine Milliarde US‑Dollar veranschlagt werden.
Pennsylvania: Stagnation der Energiewende im Erdgas- und Kohlestaat
Der »Swing State« Pennsylvania ist der Staat mit dem zweitgrößten Anteil an der US-Erdgasproduktion und dem drittgrößten an der Kohleproduktion. Erneuerbare Energien haben in Pennsylvania bisher kaum Fuß gefasst. Sie tragen derzeit lediglich mit 4 Prozent zur Stromerzeugung bei. Der Zubau von Solar- und Windenergiekapazitäten stagniert, auch weil der Staat über kein ambitioniertes Programm zur Förderung von erneuerbaren Energien verfügt. 2008 verabschiedete Pennsylvania ein Klimaschutzgesetz – ohne Klimaziele. Es verpflichtet die Regierung lediglich dazu, alle drei Jahre einen Klimaaktionsplan zu veröffentlichen. 2019 ordnete der Gouverneur dann per exekutiver Verfügung an, dass der Staat seine Emissionen bis 2025 um 26 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent mindern müsse. 2024 legte auch Pennsylvania einen Priority Climate Action Plan vor, dessen konkrete Bestimmungen aber erst noch ausgearbeitet werden sollen. Obwohl der Staat im Nordosten hart vom Strukturwandel betroffen ist, profitierte er bislang nicht tiefgreifend vom IRA. Relativ zu seiner Wirtschaftsleistung rangiert Pennsylvania lediglich auf Platz 47 unter den Staaten mit den höchsten privaten Investitionen im Bereich der sauberen Technologien seit Verabschiedung des IRA. Die Regierung in Harrisburg konnte bisher nur wenige Projekte anlocken, darunter den Bau einer Batteriespeicherfabrik und von Windenergieanlagen. Pennsylvania ist damit in der Gruppe der Swing States der einzige, der kaum Nutzen aus dem IRA gezogen hat – und gleichzeitig derjenige mit den meisten Wahlmännerstimmen bei der Wahl des Präsidenten.
Ausblick: Die Zukunft der US‑Klimapolitik
Mit dem Ausstieg Joe Bidens aus dem Präsidentschaftswahlkampf rückt die Klimapolitik der möglichen demokratischen Nachfolgekandidatinnen und -kandidaten in den Fokus. Bei fast allen können sich Deutschland und die EU grundsätzlich auf Kontinuität in der Klimapolitik einstellen. Denn dass im Dienste des Klimaschutzes dringend gehandelt werden muss, dieser aber auch wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet, ist in der Demokratischen Partei ein breiter Konsens. Bei einer erneuten demokratischen Präsidentschaft wäre daher weiterhin mit einem hohen Maß an klimapolitischen Aktivitäten der US-Exekutive zu rechnen. Dies gilt sowohl für die von Biden favorisierte aktuelle Vizepräsidentin Kamala Harris als auch für weitere demokratische Hoffnungsträgerinnen und -träger, wie den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom oder Gretchen Whitmer, die Gouverneurin aus Michigan.
Eine abermalige demokratische Administration wird noch in beträchtlichem Umfang Maßnahmen nachlegen müssen, um das aktuelle Klimaziel für 2030 zu erreichen. Einige Regulierungen dafür sind schon in Arbeit, so beispielsweise die Leitlinien für IRA-Steuererleichterungen für sauberen Strom und Wasserstoff. Es ist zu erwarten, dass diese Arbeit fortgeführt wird. Anderes ist in Planung, wie die Festsetzung von Emissionsgrenzen für bereits bestehende Gaskraftwerke. Auch hatten Expertinnen für die zweite Amtszeit Bidens mit einem Regulierungsschub bei den bisher nicht begrenzten Industrieemissionen gerechnet. Sollte eine neue demokratische Administration diese Agenda weiterverfolgen, kann sich die EU auch auf Maßnahmen zum Schutz vor »Carbon Leakage« und gegen das Abwandern von Industrie in Länder mit geringeren Umweltstandards einstellen. Denn John Podesta, der Sonderbeauftrage des Präsidenten für das Klima, hat bereits eine Task Force zu Klimawandel und Handel gegründet. Sie soll sich unter anderem mit Handelsmaßnahmen wie Klimazöllen beschäftigen. Letztere müssten allerdings vom Kongress beschlossen werden. Obwohl die Idee eines Zolls auf Produkte wie Stahl durchaus auch in der Republikanischen Partei Unterstützung genießt, scheiterten entsprechende Gesetzesvorschläge bisher stets am Kongress.
Eine Begrenzung der Öl- und Gasproduktion schaffte es während Bidens Amtszeit bislang nicht auf die politische Agenda. Die USA stiegen unter Biden vielmehr zum größten LNG-Exporteur der Welt auf, die Öl- und die Erdgasproduktion erreichten Rekordwerte. Davon profitierte vor allem die EU, die den Wegfall Russlands als Gaslieferanten kompensieren musste. Eine Senkung der Gasnachfrage der EU könnte hier also ein wichtiger Impuls für eine neue demokratische Administration sein. Die EU sollte in bilateralen Gesprächen und in Foren wie der G7 gegenüber den USA mit größerem Nachdruck auf eine Abkehr von der Produktion fossiler Energien drängen.
Sollte Donald Trump erneut zum Präsidenten gewählt werden, müssen sich Deutschland und die EU auf einen noch schwierigeren Akteur in der Klimapolitik einstellen als während dessen erster Amtszeit. Trump wird seine exekutive Macht nutzen, um die USA aus sämtlichen internationalen Klimaschutzformaten zurückzuziehen, Bidens Klimaregulierung so weit wie möglich abzuschaffen und die Produktion fossiler Energien anzutreiben. Auch wird Trump versuchen, die Vergabe von Geldern und Steueranreizen im Rahmen des IRA zu behindern. Die Republikaner haben hier vor allem die Elektromobilität im Visier. Ihre aktuellen Klimaziele würden die USA so sicher verfehlen, zumal die US‑Staaten die Politik Trumps nicht ausreichend auffangen bzw. umgehen können. Den Bundesstaaten sollte in der transatlantischen Kooperation trotzdem wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden; das Gleiche gilt für jene klimarelevanten Themen, an denen beide Seiten weiterhin ein Interesse teilen, wie CCS, CCU, Wasserstoff und die Förderung resilienter Rohstofflieferketten. Für die EU selbst würde es, wenn es zu einer zweiten Amtszeit Trumps kommt, unerlässlich werden, einen ambitionierten Klimaschutz zu betreiben und die klimapolitischen Partnerschaften jenseits der USA zu stärken, damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens erhalten bleiben.
Dr. Sonja Thielges ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen.
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DOI: 10.18449/2024A38