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Die Resilienz der Klimapolitik der Biden‑Administration

Über die Gefahr einer klimapolitischen Kehrtwende unter einer zweiten Präsidentschaft Donald Trumps

SWP-Aktuell 2024/A 38, 24.07.2024, 8 Seiten

doi:10.18449/2024A38

Forschungsgebiete

Für den weltweiten Klimaschutz spielen die USA im »Super-Wahljahr« 2024 eine her­ausragende Rolle. Denn nach bisher dreieinhalb Jahren, in denen Präsident Joe Biden immense Erfolge im Klimaschutz gelangen, könnte ihm nun laut aktuellen Prognosen Donald Trump folgen. Trump nutzte bereits seine erste Präsidentschaft (2017–2021), um die Klimaschutzmaßnahmen der Vorgängerregierung weitgehend rückgängig zu machen. Dies hat er auch nach einem möglichen Wahlsieg im November vor. Kon­servative Think-Tanks haben ihm dafür mit dem »Mandate for Leadership« eine detail­­lierte Blaupause erstellt. Eine Rückkehr Trumps ins Weiße Haus wäre ein fataler Schlag für den Klimaschutz. Denn viele klimapolitische Maßnahmen der Biden-Regierung könnte eine zweite Trump-Administration streichen. Aber nicht alle. Die Zukunft der US-Klima­politik hängt maßgeblich vom Wahlergebnis für das Weiße Haus, den Kongress, aber auch von den Fortschritten in den US-Bundesstaaten ab. Auch eine weitere demokratische Administration müsste jedoch nachlegen, um die Klimaziele der USA zu erreichen.

Als weltweit zweitgrößter Verursacher von CO2-Emissionen spielen die USA eine zen­trale Rolle bei den Bemühungen, den An­stieg der globalen Durch­schnitts­temperatur auf unter zwei Grad und mög­lichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und damit das Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Nach vier Jahren der klimapolitischen Ob­struk­tionspolitik unter der Führung von Donald Trump kehrte mit Joe Biden 2021 neuer Schwung in die US-Klimapolitik zurück. Biden führte die USA zurück in das Pariser Klimaabkommen und ver­kündete Klimaziele für die Jahre 2030 und 2050. Um diese zu realisieren, brachte er im An­schluss eine Reihe klimapolitischer Maß­nahmen auf den Weg.

Wenige Monate vor der US-Wahl im November 2024, bei der neben dem Präsi­denten auch das komplette Repräsentanten­haus und ein Drittel des Senats neu gewählt werden, müssen sich Deutschland und die EU darauf vorbereiten, dass die US-Klima­politik eine erneute Kehrtwende erfahren könnte. Es stellt sich daher die wichtige Frage: Wie resilient ist die US-Klimapolitik angesichts einer republikanischen Präsi­dent­schaft und eines möglicherweise republikanisch dominierten Kongresses?

Bidens klimapolitische Erfolge

Joe Biden konnte in seiner ersten Amtszeit klimapolitische Erfolge auf verschiedenen Ebenen erzielen. Er erließ eine Reihe von exekutiven Verfügungen, um die Klima­politik der USA Paris-konform zu machen. Sie enthalten beispielsweise das Ziel der USA, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 50 bis 52 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken und bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Zudem deklarierte Biden verschiedene sektorale Unterziele. Bis 2030 soll zum Beispiel die Hälfte der Neu­wagenverkäufe auf Nullemissionsfahrzeuge entfallen. Bis 2035 soll die Dekarbonisie­rung des Stromsektors verwirklicht sein.

Exekutive Maßnahmen und Klimaregulierung

Um diese Ziele zu erreichen, setzte Biden zum einen auf exekutive Maßnahmen. Mit dem Federal Sustainability Plan wies er die Bundesbehörden an, bei der Beschaffung neue Nachhaltigkeitskriterien zu beachten. Mit Hilfe der immensen Kaufkraft der Bundesregierung soll auf diese Weise bei­spielsweise die Produktion von grünem Stahl, CO2-armen Baustoffen oder Elektrofahrzeugen angekur­belt werden. Zudem führten Behörden wie die Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency, EPA) eine Reihe neuer Regulierungen ein, unter anderem für Kohlekraftwerke und Neubauten von Gaskraftwerken. Die Maß­nahmen sehen die Senkung der Emissionen von Kohle­kraftwerken um 90 Prozent bis 2032 vor. Ab dann können Kohlekraftwerke und neu errichtete Gaskraftwerke nur noch mit Hilfe der teuren Technologie zur Ab­schei­dung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) betrie­ben werden. Im Verkehrssektor führte die EPA strengere Effizienzstandards für ver­schiedene Fahrzeugtypen ein mit dem Ziel, den Markt bis 2032 in Richtung Nullemis­sionsfahrzeuge zu verschieben. Zudem legte die EPA strenge Grenzwerte für Methan­emissionen in der Öl- und Erdgasproduktion fest. Für die USA als größten weltweiten Öl- und Gasproduzenten ist diese Maßnahme besonders wirkungsvoll. Einen temporären Stopp für die Genehmigung neuer Export­terminals für Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) hob ein Bundes­bezirksgericht im Juli allerdings auf mit dem Argument, es gebe dafür keine recht­liche Grundlage.

Klimagesetzgebung

Zum anderen konnte Biden bei der klima­politisch relevanten Gesetzgebung nie da­gewesene Erfolge verzeichnen. Noch im ersten Jahr seiner Amtszeit verabschiedete der Kongress mit parteiübergreifender Zu­stimmung den Infrastructure Investment and Jobs Act. Mit dem Gesetz stehen unter anderem etwa 58 Milliarden US-Dollar an neuen Ausgaben für die Stromsektordekarbonisierung und 7,5 Milliarden US-Dollar für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität bereit.

Im August 2022 unterzeichnete Biden, ebenfalls mit Unterstützung sowohl der Demokratischen als auch der Republikanischen Partei, dann den CHIPS and Science Act. Er sieht zwischen 2023 und 2027 Aus­gaben in Höhe von 280 Milliarden US-Dol­lar vor, um die Halbleiterproduktion und ‌‑forschung zu fördern. Halbleiter sind eine zentrale Komponente für klimafreundliche Energietechnologien wie Elektrofahrzeuge und erneuerbare Energien.

Den größten Erfolg stellt schließlich das eigentliche Klimagesetz der Biden-Adminis­tration, der Inflation Reduction Act (IRA), dar. Das Gesetz wurde ohne eine einzige Stimme aus der Republikanischen Partei verabschiedet. Es sieht finanzielle Mittel in der beispiellosen Höhe von 370 Milliarden US-Dollar für Energiewende und Klimatrans­formation vor. Gefördert werden Techno­logien wie erneuerbare Energien, Wasserstoff, Elektrofahrzeuge, CCS und CO2-Nut­zung (Carbon Capture and Utilization, CCU). Die Ausgaben erfolgen über einen Zeitraum von 10 Jahren in Form von Steueranreizen, Krediten, Kreditgarantien und Zuschüssen. Sie sind grundsätzlich nicht gedeckelt und werden inzwischen sogar auf bis zu 1,2 Bil­lionen US-Dollar geschätzt. Grund dafür ist eine größere Nachfrage nach sauberen Technologien, allen voran Elektrofahr­zeugen. Berechnungen zeigen, dass durch das Gesetz allein eine Emissionsminderung von 32–42 Prozent bis 2030 erreicht wer­den kann. Es bringt die USA also deutlich näher an ihr Klimaziel.

Alle drei Gesetze enthalten sogenannte Local-Content-Klauseln: Gefördert wird ex­plizit die Produktion von Rohstoffen und Komponenten innerhalb der USA. Ziel ist die Schaffung von Arbeitsplätzen im Inland und die Steigerung der Resilienz von Liefer­ketten. Erklärtermaßen geht es auch darum, die teils immense Importabhängigkeit von China im Bereich der grünen Technologien zu verringern.

Die drei Gesetze verbessern die Voraussetzungen für Emissionsminderungen deut­lich und zeigen auch bereits volkswirtschaftliche Resultate. Die Investitionen im Bereich der Produktion von grünen Energie­technologien, zum Beispiel von Nullemis­sionsfahr­zeugen und Elektrolyseuren, sind seit der Verabschiedung des IRA stark ge­stiegen. Eine besondere Erfolgsgeschichte ist die Batteriefertigung. Hier gab es nach der Verabschiedung des IRA bei den jähr­lichen Neuinvestitionen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast eine Verdreifachung auf rund 22 Milliarden US-Dollar. Auch im Bereich der Halbleiterproduktion sind Er­folge zu ver­zeichnen: Aktuell befinden sich allein in den Staaten Arizona und Texas 70 Halb­leiterfabriken im Bau.

Der IRA hat besonders international für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Die US-Bevöl­kerung jedoch weiß wenig darüber: Um­fragen aus dem Sommer 2023 zeigten, dass der IRA 70 Prozent der Befragten in den USA kaum bekannt ist. Bleibt dies so, wird die Demokratische Partei für den Wahlkampf aus dem IRA nur schwer Kapital schlagen können.

Die Pläne Donald Trumps und der Republikanischen Partei

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump zweifelt am Erfolg bzw. überhaupt an der Sinnhaftigkeit der grünen Technologien. Erneuerbare Energien be­zeich­nete er als »betrügerisches Geschäft«. Er hat angekündigt, bereits am Tag eins seiner Amtszeit nach Erdöl und Erdgas »bohren, bohren, bohren« zu lassen. Der IRA sei laut Trump mit dem größten Steuer­anstieg der Geschichte verbunden und Bidens Förderung von Elektrofahrzeugen nannte er schlicht verrückt. Klar ist also, dass es Trump auf den IRA, die Förderung von erneuerbaren Energien und Elektrofahrzeugen abgesehen hat. Zudem möchte er die Produktion fossiler Energieträger so stark wie möglich ankurbeln.

Project 2025: Klimaagenda der konservativen Think-Tanks

Wenn auch Trumps klima- und energie­politische Auslassungen wie gewohnt erra­tisch klingen, so haben konservative Think-Tanks doch bereits detailliert vorausgeplant, wie sich die – in ihren Augen – extreme, von einer linken Ideo­logie getriebene Klimapolitik rückabwickeln ließe. Im so­genannten »Project 2025« haben sich unter Leitung der Heritage Foundation konser­vative Think-Tanks zusammengeschlossen, um die Amtszeit des nächsten republikanischen Präsidenten vorzubereiten. Ihre poli­tische Agenda haben sie im »Mandate for Leadership« zusammengefasst. Viele der Kapitel sind von ehemaligen Mitgliedern der Trump-Administration verfasst, was nahe­legt, dass Trump große Teile der Vor­schläge übernehmen würde.

In Bezug auf den Klimaschutz lautet die Prä­misse der beteiligten Denkfabriken, dass die politische Linke die Aus­wirkungen des Klimawandels übertrieben darstelle. Hier spiegelt sich die in den USA traditionell stark ausgeprägte parteipolitische Polarisierung in Bezug auf den Klima­schutz wider. Klimaschutz, so das »Mandate«, schade der US-Wirtschaft. Wirtschaftliches Wachstum soll stattdessen durch eine weitere Expan­sion der Produk­tion fossiler Energieträger erzielt werden.

Entsprechend liegt das Augenmerk der Autorinnen und Autoren des »Mandate« darauf, das Politikziel Klimaschutz aus der Arbeit aller exekutiven Behörden zu elimi­nieren. Dies soll erreicht werden durch Umstrukturierungen, inhaltliche Neu­ausrichtungen, Mittelkürzungen und die Rücknahme von Exekutivverfügungen und Regulierungen. Maßnahmen aus der Zeit von Trumps Präsidentschaft sollen wieder in Kraft treten.

Das Energieministerium soll beispielsweise zukünftig darauf hinarbeiten, die US-Energiedominanz »wiederzuerlangen«. Der Schwerpunkt soll dabei auf der Förderung fossiler Energien liegen, etwa durch die Ver­einfachung von Genehmigungsverfahren für LNG-Exportterminals und die Steigerung des Verkaufs von Öl- und Gaslizenzen. Erneuerbare Ener­gien und Energieeffizienz sollen hingegen in den Hintergrund rücken, entsprechende Abtei­lungen abgeschafft werden. Beson­ders abgesehen haben es die Autorinnen und Autoren des »Mandate« auch auf die EPA. Die Umweltbehörde soll sich nur noch auf Umweltschutz und öffentliche Gesundheit konzentrieren. Nach Möglichkeit soll ihr die rechtliche Grund­lage entzogen werden, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu regulieren. Wissenschaftliche Beratungsgremien im Bereich Klimaschutz sollen reformiert und Gelder für die Klimaforschung sollen, zumindest temporär, ausgesetzt werden. Schließlich sieht das »Mandate« auch den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und der UN‑Klima­rahmenkonvention vor.

Mehr Durchschlagskraft soll das »Man­date« dadurch erhalten, dass eine neue Kategorie von Staatsbediensteten geschaffen wird. Angestellte in dieser »Schedule F«- Kategorie wären politisch eingesetztes Per­sonal, das leichter kündbar ist als reguläre Beamte. Schätzungen zufolge würden, wenn die Pläne reali­siert werden, mindestens 50.000 An­gestellte statt bisher 4.000 von der Politik eingesetzt sein. Trump würde so in allen Behörden eine Schicht loyaler Anhängerinnen und -Anhänger platzieren, die seine Agenda unterstützen.

Der konservative »Climate Caucus«

Optimistischer liest sich die Agenda des Con­servative Climate Caucus, eines stetig wachsenden Zusammenschlusses von in­zwischen gut einem Drittel der Republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus, der grundsätzlich bereit ist, den Klima­wandel zu bekämpfen. Der Climate Caucus betrachtet fossile Energieträger in Kombination mit »innovativen Technologien« als einen zentralen Baustein bei der Minderung der weltweiten Treibhausgas­emissionen. Fossile Energien sollen also weiter ge­fördert werden, aber die Emissionen durch Technologien wie CCS reduziert werden. Hier gibt es somit durchaus zu­mindest einen klimapolitischen Minimal­konsens mit der Demokratischen Partei.

Die Widerstandskraft der Klimapolitik

Ob eine zweite Trump-Administration ihre Ziele umsetzen kann, hängt maßgeblich davon ab, wie viele klimapolitische Maß­nahmen in Kraft bleiben. Einige sind schwer abzuschaffen, andere leicht. In letztere Kategorie fallen Bidens exekutive Verordnungen, so bei­spielsweise das Klimaziel für 2030 und die Mitgliedschaft im Pariser Klima­abkommen. Mit einer eige­nen Executive Order könnte Trump sofort alle Dekrete rückgängig machen.

Schwieriger und langwieriger ist dies bei Regulierungen wie den Standardfestlegun­gen für Methanemissionen in der Öl- und Erd­gasproduktion und den Effizienzvorgaben für Fahrzeuge. Diese kann eine Trump-Administration nicht einfach ersatzlos strei­chen. Sie kann aber alternative Regulierung erarbeiten. Im Ergebnis wäre hier eine Ab­schwächung der Regulierung Bidens oder zumindest eine deutlich verspätete Imple­mentierung zu erwarten.

Mehr Freiheit hätte eine Trump-Admi­nis­tration bei Regulierung, die die Biden-Admi­nistration ab Mai 2024 finali­siert hat oder die noch in Arbeit ist. Die EPA plant bei­spielsweise derzeit noch eine Methan-Gebühr für Öl- und Erdgasproduzenten, das Finanzministerium erstellt weitere Richt­linien für die Gewährung von Steuer­erleich­terungen aus dem IRA. Auf Basis des Congressional Review Acts kann ein neuer Präsident mit einfachen Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat darauf hinwirken, dass Regulierung ersatzlos ge­strichen wird, die in den letzten 60 Sitzungs­tagen fertig­gestellt wurde. Sollte die Repu­blikanische Partei in beiden Häusern des Kongresses auch nur eine hauchdünne Mehrheit erlangen, könnte dies leicht ge­lingen. Ist ein Regulierungsverfahren nach der Wahl noch im Gange, könnte eine Trump-Administration es, unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Kongress, noch verändern oder die Bearbeitung stark verlangsamen.

Der IRA im Kreuzfeuer

Den IRA komplett rückgängig zu machen, dürfte schwierig sein. Dies hat institutio­nelle und strategische Gründe. Um ein Gesetz zu streichen, braucht es ein neues Gesetzesverfahren und in aller Regel eine Mehrheit von 60 Stimmen im US-Senat. Sollte die Republikanische Partei bei den Wahlen im November eine Mehrheit im Senat erlangen, wird diese laut Prognosen jedoch knapper ausfallen. Eine Ausnahme davon könnte es theoretisch nur geben, wenn mit Zustimmung beider Häuser des Kongresses ein »Reconciliation«-Verfahren beschlossen wird. Bei diesem selten angewen­deten Verfahren, das auch beim IRA zum Zuge kam, sind nur 50 Stimmen im Senat notwendig, um ein Gesetz zu verabschieden.

Trump kann den IRA jedoch deutlich schwächen: Er kann Prozesse verlangsamen, beispielsweise indem er, wie in seiner ers­ten Amtszeit, die Arbeit des Loan Programs Office (LPO) im Energieministerium tempo­rär anhält. Das LPO verwaltet Kredite und Kreditgarantien im Rahmen des IRA. Zu­dem kann Trump mittelfristig die Richt­linien verändern, die das Finanzministerium für die Vergabe von Steuererleichterungen und Zuschüssen für grüne Technologien fest­gelegt hat. Elemente, die von beiden Par­teien unterstützt werden, wie beispielsweise die Förderung von Biokraftstoffen, Kern­energie und CCS, wären davon wahrschein­lich nicht betroffen. Die Sub­ventionen für Elektrofahrzeuge sind jedoch in der Repu­bli­kanischen Partei besonders unbeliebt. Sollten sich die Richtlinien ändern, könnte sich das negativ auf den Markthochlauf von Elektrofahrzeugen aus­wirken: Zuschüsse beim Kauf von E-Autos und Steuer­erleich­terungen für Automobilhersteller sind aktuell ein wich­tiger Treiber der steigenden Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen in den USA. Auch könnten die Steuererleichterungen für die Wind- und Solarkraft an­gegriffen werden, was den benötigten Zubau stark verlangsamen könnte. Auf der strate­gischen Seite wäre eine komplette Rück­nahme des IRA zum einen politisch nicht opportun, weil das Gesetz zur Belebung der Wirtschaft beiträgt und Schätzungen zu­folge bereits nach knapp zwei Jahren mehr als 100.000 neue Stellen geschaffen hat. Zum anderen fließt der Großteil der Gelder aus dem Gesetz an republikanische Staaten, auch wenn diese allesamt gegen den IRA gestimmt haben. Die Staaten könnten daher wieder für eine gewisse Stabilität der US-Klima­politik sorgen – theoretisch.

Die US-Staaten als (potenzieller) Stabilitätsanker

In der Tat dürfte in vielen republikanischen Staaten eine komplette Abschaffung des IRA unerwünscht sein, da sie seit dessen Verabschiedung überproportional von den sprunghaft gestiegenen Investitionen in grüne Technologien profitieren. Zum einen ist dies den Umweltgerechtigkeitsklauseln zu verdanken, die sich durch Bidens ge­samte Klimapolitik ziehen: 40 Prozent der Gelder, die der Staat für die Klimatrans­formation ausgibt, sollen benachteiligten Gemeinden zugutekommen (»Justice40«). Zu diesen zählen auch (ehemalige) Kohle­reviere, Gegenden mit Öl- und Gasproduk­tion oder Gegenden, die von Strukturwandel und hoher Arbeitslosigkeit betroffen sind. Soll eine Investition in solchen Regionen, die überwiegend republikanisch dominiert sind, stattfinden, fallen die IRA-Steuer­erleichterungen höher aus. Zum anderen befinden sich unter den republikanischen Staaten viele große Flächenstaaten, die besonderes Potential für den Ausbau von Wind- und Solarenergie haben.

Generell gelten einige der US-Staaten und auch viele Großstädte seit vielen Jahren als Pioniere beim Klimaschutz. Wäh­rend der ersten Amtszeit Donald Trumps zeigte sich, dass nicht nur klassische Vorreiter wie Kalifornien und New York in der Klima­politik besonders aktiv sind; auch konser­vative Staaten, wie Louisiana, haben eigen­ständig den Kampf gegen den Klimawandel aufgenommen. Doch viele US-Staaten blie­ben klimapolitisch weiterhin komplett in­aktiv. Die Gesetze der Biden-Administration könnten hier nun zumindest für etwas Bewegung gesorgt haben: Das Infrastruktur­gesetz verpflichtete beispielsweise alle 50 Staaten, Pläne für den Ausbau der Lade­stelleninfrastruktur für Elektrofahrzeuge einzureichen. Durch den IRA konnten Staaten Gelder für die Erstellung sogenannter Priority Climate Action Plans erhalten. Neben einer Inventur der Treibhausgas­emissionen sollten diese Pläne Vorschläge enthalten, wie Anreize für die Emissionsminderung in verschiedenen Sektoren gestaltet werden könnten. Fast alle Staaten haben tatsächlich einen Klima­aktionsplan erstellt – viele zum ersten Mal überhaupt.

Gemischte Bilanz bei den Produzenten fossiler Energien

Als große Hürde bei der Klimatransforma­tion erweisen sich oftmals diejenigen US-Staaten, die fossile Energieträger produzieren. Sollten die grünen Technologien hier Fuß fassen, würde dies die Resilienz der Klimapolitik erheblich erhöhen. Die Trans­forma­tionserfolge sind bisher allerdings begrenzt, wie der Blick auf Texas, New Mexico und Pennsylvania zeigt: In keinem der drei Staa­ten ist eine Abkehr von fossilen Energie­trägern in Sicht; alle drei bleiben, sofern sie überhaupt Klimaziele haben, hinter den Ambitionen der Biden-Adminis­tration zurück. Und auch nicht alle profi­tieren gleichermaßen vom IRA.

Texas bleibt Klimanachzügler

Der republikanisch dominierte Staat Texas ist mit einem Anteil von 42 Prozent an der US-Rohöl­förderung und 27 Prozent an der Erdgas­förderung der größte Produzent fossiler Energieträger in den USA. 2023 war sowohl für die Erdöl- als auch die Erdgasproduktion ein Rekordjahr. Gleichzeitig stieg die installierte Solarkraftleistung 2023 sprunghaft an mit dem Resultat, dass Texas Kalifornien in dieser Kategorie überholte. Auch im Bereich Windenergie ist Texas in­zwischen der Staat mit der größten instal­lierten Kapazität. Bereits Ende der 1990er Jahre hat Texas mit verbindlichen Zielen für den Anteil von erneuerbaren Energien den Grundstein für diese Entwicklung ge­legt. Diese Ziele galten allerdings nicht dem Klimaschutz, sondern sollten der Diversifizierung des stark von fossilen Energien ab­hängigen Stromsystems dienen. Im Jahr 2023 lag der Anteil erneuerbarer Energien im Strommix bei 27 Prozent.

Als größter Emittent unter den US-Bun­desstaaten zeigte Texas bisher keinerlei klimapolitische Am­bition. Die Regierung in Austin erstellte für die EPA 2024 einen Priority Climate Action Plan. Er enthält jedoch keine Klimaziele, sondern aus­schließlich Vorschläge für freiwillige Maß­nahmen. Politischer Wille, wirklichen Klimaschutz zu betreiben, fehlt weiterhin. Gleichzeitig ist Texas einer der größten Pro­fiteure des IRA. Zwischen 2022 und 2023 lag Texas auf Rang 7 der Staaten mit den höchsten privaten Inves­titionen in saubere Energie und industrielle Dekarbonisierung relativ zur Wirtschaftsleistung. Heute flie­ßen laut Schätzungen etwa 20 Prozent aller Investitionen, die mit dem CHIPS Act oder dem IRA zusammenhängen, nach Texas. Besonders viele neue Projekte entstehen im Bereich der E-Mobi­lität.

New Mexico: Erdöl- und Erdgas­produzent mit grünen Ambitionen

New Mexico, ein von der Demokratischen Partei regierter Staat, ist mit einem Anteil von 13 Prozent der zweitgrößte US-Öl­produ­zent. Bei der Erdgasproduktion rangiert der Staat mit 7 Prozent auf Rang sechs. 2023 erreichte auch hier die Rohölproduktion einen neuen Rekordwert. Doch auch bei den erneuerbaren Energien gibt es Bewegung: Der Anteil der Windenergie an der Strom­erzeugung stieg 2023 auf 38 Prozent. Wind­energie war damit die wichtigste Energiequelle im Strommix. Erneuerbare Energien machten 2023 insgesamt einen Anteil von 47 Prozent an der Stromerzeugung aus. New Mexico ist damit bei seinem Bestreben, bis 2030 die Hälfte seines Stroms aus er­neuerbaren Energien zu generieren, auf einem guten Weg. 2019 gab die Gouverneurin zudem das Ziel aus, bis 2030 die Emis­sionen um 45 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. Bis 2050 soll die Klima­neutralität erreicht sein. Um all dies zu schaffen, erließ die Regierung des Staates 2021 unter anderem eine Regulierung für den Öl- und Gassektor, die die In­dustrie dazu verpflichtet, bis 2026 98 Pro­zent der Methanemissionen abzuscheiden.

Auch New Mexico hat einen Priority Climate Action Plan erstellt. Er enthält kon­krete Maßnahmen wie Anreizprogramme zur energetischen Sanierung von Wohn­gebäuden und zum Bau von Ladestationen für E-Lastwagen. New Mexico profitiert in hohem Maße vom IRA. 2023 schaffte es der Wüstenstaat auf Rang 6 der Bundestaaten mit den höchsten privaten Investitionen im Bereich saubere Energie und industrielle Dekarbonisierung. Um »grünes Kapital« anzulocken, gründete die Gouverneurin 2023 eigens ein Klima-Investitionszentrum. Eines der angekündigten Großprojekte ist der Bau einer Fabrik für Solartechnik, dessen Kosten auf eine Milliarde US‑Dollar veranschlagt werden.

Pennsylvania: Stagnation der Energie­wende im Erdgas- und Kohlestaat

Der »Swing State« Pennsylvania ist der Staat mit dem zweitgrößten Anteil an der US-Erd­gasproduktion und dem drittgrößten an der Kohleproduktion. Erneuerbare Ener­gien haben in Pennsylvania bisher kaum Fuß ge­fasst. Sie tragen derzeit lediglich mit 4 Pro­zent zur Stromerzeugung bei. Der Zubau von Solar- und Windenergiekapazitäten stagniert, auch weil der Staat über kein ambitioniertes Programm zur Förderung von erneuerbaren Energien verfügt. 2008 verabschiedete Penn­sylvania ein Klimaschutzgesetz – ohne Klimaziele. Es ver­pflichtet die Regierung lediglich dazu, alle drei Jahre einen Klima­aktionsplan zu ver­öffentlichen. 2019 ordnete der Gouverneur dann per exekutiver Verfügung an, dass der Staat seine Emissionen bis 2025 um 26 Pro­zent und bis 2050 um 80 Prozent mindern müsse. 2024 legte auch Pennsylvania einen Priority Climate Action Plan vor, dessen konkrete Bestimmungen aber erst noch aus­gearbeitet werden sollen. Obwohl der Staat im Nordosten hart vom Strukturwandel betroffen ist, profitierte er bislang nicht tiefgreifend vom IRA. Relativ zu seiner Wirtschaftsleistung rangiert Pennsylvania lediglich auf Platz 47 unter den Staaten mit den höchsten privaten Inves­titionen im Bereich der sauberen Technologien seit Verabschiedung des IRA. Die Regierung in Harrisburg konnte bisher nur wenige Pro­jekte anlocken, darunter den Bau einer Batteriespeicherfabrik und von Windenergieanlagen. Pennsylvania ist damit in der Gruppe der Swing States der einzige, der kaum Nutzen aus dem IRA gezogen hat – und gleichzeitig derjenige mit den meisten Wahlmännerstimmen bei der Wahl des Präsidenten.

Ausblick: Die Zukunft der US‑Klimapolitik

Mit dem Ausstieg Joe Bidens aus dem Präsi­dentschaftswahlkampf rückt die Klimapolitik der möglichen demokratischen Nach­folge­kandidatinnen und -kandidaten in den Fokus. Bei fast allen können sich Deutschland und die EU grundsätzlich auf Konti­nuität in der Klimapolitik einstellen. Denn dass im Dienste des Klimaschutzes dringend gehandelt werden muss, dieser aber auch wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet, ist in der Demokratischen Partei ein breiter Konsens. Bei einer erneuten demokratischen Präsidentschaft wäre daher weiterhin mit einem hohen Maß an klimapolitischen Aktivitäten der US-Exekutive zu rechnen. Dies gilt sowohl für die von Biden favorisierte aktuelle Vizepräsidentin Kamala Harris als auch für weitere demokratische Hoffnungsträgerinnen und -träger, wie den kali­fornischen Gouverneur Gavin Newsom oder Gretchen Whitmer, die Gouverneurin aus Michigan.

Eine abermalige demokratische Adminis­tration wird noch in beträchtlichem Umfang Maßnahmen nachlegen müssen, um das aktuelle Klimaziel für 2030 zu erreichen. Einige Regulierungen dafür sind schon in Arbeit, so beispielsweise die Leitlinien für IRA-Steuererleichterungen für sauberen Strom und Wasserstoff. Es ist zu erwarten, dass diese Arbeit fortgeführt wird. Anderes ist in Planung, wie die Festsetzung von Emissionsgrenzen für bereits bestehende Gaskraftwerke. Auch hatten Expertinnen für die zweite Amtszeit Bidens mit einem Regulierungsschub bei den bisher nicht begrenzten Industrieemissionen gerechnet. Sollte eine neue demokratische Administration diese Agenda weiterverfolgen, kann sich die EU auch auf Maßnahmen zum Schutz vor »Carbon Leakage« und gegen das Abwandern von Industrie in Länder mit geringeren Umweltstandards einstellen. Denn John Podesta, der Sonderbeauftrage des Präsidenten für das Klima, hat bereits eine Task Force zu Klimawandel und Han­del gegründet. Sie soll sich unter anderem mit Handels­maßnahmen wie Klimazöllen beschäftigen. Letztere müssten allerdings vom Kongress beschlossen werden. Obwohl die Idee eines Zolls auf Produkte wie Stahl durchaus auch in der Republikanischen Partei Unterstützung genießt, scheiterten entsprechende Gesetzesvorschläge bisher stets am Kongress.

Eine Begrenzung der Öl- und Gasproduk­tion schaffte es während Bidens Amtszeit bislang nicht auf die poli­tische Agenda. Die USA stiegen unter Biden vielmehr zum größten LNG-Exporteur der Welt auf, die Öl- und die Erdgasproduktion erreichten Rekordwerte. Davon profitierte vor allem die EU, die den Wegfall Russlands als Gas­lieferanten kompensieren musste. Eine Senkung der Gasnachfrage der EU könnte hier also ein wichtiger Impuls für eine neue demokratische Administration sein. Die EU sollte in bilateralen Gesprächen und in Foren wie der G7 gegenüber den USA mit größerem Nachdruck auf eine Abkehr von der Produktion fossiler Energien drängen.

Sollte Donald Trump erneut zum Präsiden­ten gewählt werden, müssen sich Deutschland und die EU auf einen noch schwierigeren Akteur in der Klimapolitik einstellen als während dessen erster Amts­zeit. Trump wird seine exekutive Macht nutzen, um die USA aus sämtlichen inter­nationalen Klimaschutzformaten zurück­zuziehen, Bidens Klimaregulierung so weit wie möglich abzuschaffen und die Produk­tion fossiler Energien anzutreiben. Auch wird Trump versuchen, die Vergabe von Geldern und Steueranreizen im Rahmen des IRA zu behindern. Die Republikaner haben hier vor allem die Elektromobilität im Visier. Ihre aktuellen Klimaziele würden die USA so sicher verfehlen, zumal die US‑Staaten die Politik Trumps nicht aus­reichend auffangen bzw. umgehen können. Den Bundesstaaten sollte in der transatlantischen Kooperation trotzdem wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden; das Gleiche gilt für jene klimarelevanten Themen, an denen beide Seiten weiterhin ein Interesse teilen, wie CCS, CCU, Wasser­stoff und die Förderung resilienter Rohstoff­lieferketten. Für die EU selbst würde es, wenn es zu einer zweiten Amtszeit Trumps kommt, unerlässlich werden, einen ambi­tionierten Klimaschutz zu betreiben und die klimapolitischen Partnerschaften jen­seits der USA zu stärken, damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens erhalten bleiben.

Dr. Sonja Thielges ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen.

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