Die politische Einigung auf das Europäische Gesetz zu kritischen Rohstoffen (Critical Raw Materials Act, CRMA) markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung einer gemeinsamen Rohstoffpolitik der Europäischen Union (EU). In Anbetracht wachsender geopolitischer Spannungen strebt die EU nach mehr »strategischer Autonomie« entlang von Rohstofflieferketten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine engere Zusammenarbeit mit mineralreichen Drittstaaten unerlässlich. Das geopolitische Umfeld erfordert es, dass die EU in der Rohstoffaußenpolitik koordiniert auftritt. Nur so wird sie diplomatisch wie programmatisch ansprechende Rohstoffpartnerschaften umsetzen können.
Mineralische Rohstoffe bilden die Grundlage für nahezu alle industriellen Wertschöpfungsketten und sind daher von großer strategischer Bedeutung für die europäische Wirtschaft. Da die EU die überwiegende Mehrheit dieser Rohstoffe importieren muss, steht sie aktuell vor gewaltigen Herausforderungen. Gründe sind einerseits die steigende Nachfrage, angetrieben durch den Bedarf an Technologien für die Energiewende, die Elektromobilität und die Digitalisierung, andererseits die Tatsache, dass ein Großteil dieser Rohstoffe aus Nicht-EU-Ländern bezogen wird – mit ausgeprägten Abhängigkeiten von wenigen Lieferanten, insbesondere China.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und ausbleibende russische Gaslieferungen haben in Europa das Bewusstsein für die mit solchen Abhängigkeiten verbundenen Risiken geschärft. Es wächst die Sorge, dass Handel zunehmend als politisches Druckmittel instrumentalisiert werden könnte. Vor diesem Hintergrund strebt die EU an, ihre »strategische Autonomie« auch in wirtschaftlichen Belangen zu stärken. Dementsprechend zielt die im Jahr 2021 vorgestellte Industriestrategie European Green Deal auf eine doppelte Transformation ab: Die EU soll ein grüner und digitaler Wirtschaftsstandort werden und gleichzeitig ihre wirtschaftliche Resilienz verbessern, indem ihre kritischen (Import-)Abhängigkeiten in strategischen Sektoren verringert werden, zu denen auch der Rohstoffsektor gehört.
Der EU-CRMA: Schaffung resilienter Rohstofflieferketten
Im März 2023 präsentierte die EU-Kommission ihren Vorschlag für den Critical Raw Materials Act. Dessen Ziel ist es, die Versorgung der europäischen Industrie mit kritischen Rohstoffen sicherzustellen. Die breite politische Unterstützung ermöglichte eine schnelle Einigung über die EU-Verordnung, die bald in Kraft tritt. Die Einführung des CRMA stärkt die Rolle der EU in der Rohstoffpolitik – ein Bereich, der zuvor hauptsächlich in der Verantwortung der Mitgliedstaaten lag. Die EU-Kommission wird fortan das European Critical Raw Materials Board (CRM-Board) leiten, das in Kooperation mit Vertreter:innen der Mitgliedstaaten die Implementierung des CRMA koordinieren soll. Das europäische Engagement basiert auf der »Liste der kritischen Rohstoffe«, die alle drei Jahre aktualisiert werden soll. Im letzten Update von 2023 wurden 34 kritische Rohstoffe identifiziert. Der CRMA fokussiert auf die Untergruppe der strategischen Rohstoffe (derzeit 17 an der Zahl), die besondere strategische Bedeutung für die EU haben und sehr hohe Versorgungsrisiken aufweisen. Für diese Rohstoffe werden konkrete Ziele für 2030 gesetzt: erstens die Steigerung der europäischen Kapazitäten im Bergbau, bei der Weiterverarbeitung und im Recycling, zweitens die Diversifizierung der Importquellen (siehe Grafik 1).
Ausbau europäischer Kapazitäten: Die Zielmarke 2030 ist zeitlich knapp gewählt, da bei Bergbauprojekten von der Exploration bis zur Inbetriebnahme durchschnittlich über 15 Jahre vergehen. Des Weiteren erfordert auch der Auf- und Ausbau von Weiterverarbeitungs- und Recyclingkapazitäten enorme Anstrengungen. Hier setzt die Förderung strategischer Projekte (strategic projects) an: Diese sollen vom CRM-Board ausgewählt werden und von beschleunigten Genehmigungen sowie der Identifizierung von Finanzierungsquellen profitieren. Der CRMA selbst enthält keine neuen direkten Investitionen. Industrievertreter:innen äußern sich daher kritisch bezüglich der Realisierbarkeit dieser Projekte. Selbst wenn die europäischen Kapazitäten zügig ausgebaut werden, wird die EU nie vollständig autark sein, denn viele kritische Rohstoffe lagern nicht oder nur in unzureichender Menge in der EU, zum Beispiel Nickel und Kobalt, die für Batterien gebraucht werden.
Diversifizierung der Importe: Importe aus Drittländern werden auf absehbare Zeit die Hauptsäule der Versorgung mit mineralischen Rohstoffen in der EU bilden. Deshalb ist die Diversifizierung der Bezugsquellen ein zentrales Ziel der EU-Rohstoffstrategie. Der CRMA legt fest, dass höchstens 65 Prozent eines strategischen Rohstoffs aus einem einzelnen Drittland importiert werden sollen. Dies ist insbesondere mit Blick auf die dominante Stellung Chinas bedeutsam: Als Schlüsselakteur in transnationalen Lieferketten ist China der Hauptlieferant der EU für die meisten mineralischen Rohstoffe; beispielsweise stammen über 90 Prozent der Seltenen Erden, des Galliums und Magnesiums aus dem Land. Ausgesprochen hoch sind die Abhängigkeiten Europas im Bereich der Weiterverarbeitung. So kontrolliert China zurzeit über 50 Prozent der weltweiten Kapazitäten, um raffiniertes Lithium und Kobalt zu produzieren.
Um ihre Diversifizierungsziele zu erreichen, muss die EU ihre Kooperation mit mineralreichen Staaten intensivieren. Dafür sieht der CRMA vor, strategische Rohstoffpartnerschaften (Strategic Raw Material Partnerships) zu etablieren. Seit 2021 hat die EU-Kommission bereits zwölf solche Partnerschaften initiiert und weitere angekündigt. Neben industrialisierten Bergbauländern wie Kanada gehören zu den Rohstoffpartnern der EU auch zahlreiche Länder aus dem sogenannten »Globalen Süden«.
Die meisten dieser bisher geschlossenen Partnerschaften basieren auf knapp formulierten Absichtserklärungen (Memoranden of Understanding, MoUs), die das Interesse an einer Zusammenarbeit im Rohstoffsektor bekunden. Diese Kooperationen gilt es nun konkret auszugestalten. Hierfür sollen gemeinsame Roadmaps ausgearbeitet werden, in denen den Partnerstaaten die Möglichkeit gegeben werden soll, eigene Prioritäten einzubringen und aktiv an der Gestaltung mitzuwirken. Das erklärte Ziel der EU ist eine Win-win-Situation. Das ist durchaus ambitioniert – vor dem Hintergrund, dass rohstoffreiche Länder konkrete Forderungen nach mehr Wertschöpfung im eigenen Land stellen.
Zu den Kernzielen und der geplanten Umsetzung der strategischen Rohstoffpartnerschaften siehe Grafik 2.
Geoökonomischer Kontext der EU-Rohstoffstrategie
Um als glaubwürdiger Partner im Rohstoffsektor wahrgenommen zu werden, müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Angebote anpassen und mit einer kohärenten Rohstoffaußenpolitik versehen. Denn bislang gelingt es der EU nicht, ihr Angebot an rohstoffreiche Länder wirksam neben etablierten Akteuren wie China zu platzieren. Wenn überhaupt, wird die EU lediglich als Teil von US-angeführten Initiativen gesehen.
Außerdem bleiben viele Partnerländer skeptisch gegenüber Europas Kooperationsversprechen. Dies liegt zum einen an der bisherigen Zurückhaltung europäischer Unternehmen im Rohstoffsektor, zum anderen an signifikanten Machtasymmetrien in der Wertschöpfungskette. Diese Skepsis wird verstärkt durch die europäische Förderpolitik für heimische Industrien und durch die Einführung unilateraler Nachhaltigkeitsstandards wie dem CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM), die oft als europäischer Protektionismus empfunden werden.
Forderungen mineralreicher Länder nach mehr Wertschöpfung
Die lokale Wertschöpfung ist ein Kernanliegen rohstoffreicher Länder. Diese suchen inmitten der steigenden globalen Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen Kooperationspartner, die Risiken des Rohstoffabbaus adressieren und lokale industriepolitische Ziele unterstützen.
Das strategische Vorgehen Indonesiens dient dabei vielen mineralreichen Ländern als Vorbild: Ab dem Jahr 2014 implementierte die indonesische Regierung Exportverbote für unverarbeitete Rohstoffe, einschließlich Nickel, einen Schlüsselrohstoff für die Stahl- und Batterieproduktion. Einen Handelskonflikt mit der EU in Kauf nehmend, gelang es Indonesien so, die lokale Weiterverarbeitung zu fördern und höhere Exportgewinne zu erzielen. Aktuell wird mit internationalen Investoren daran gearbeitet, die lokale Batterieproduktion aufzubauen.
In vielen rohstoffreichen Ländern im Globalen Süden ist ein Trend zu industriepolitischen Interventionen zu beobachten, die darauf abzielen, die lokale Wertschöpfung zu steigern. Die Ansätze und Möglichkeiten für derartige Maßnahmen variieren erheblich und sind abhängig von den jeweiligen Rohstoffen sowie dem lokalen und regionalen Kontext. Viele Staaten beabsichtigen, den Rohstoffabbau mit verschiedenen vor- und nachgelagerten Produktionsschritten zu verknüpfen (linkages), was an bestimmte Voraussetzungen wie Energie- und Transportinfrastruktur oder qualifizierte Fachkräfte gebunden ist. Die Fähigkeiten der Regierungen für die industriepolitische Planung unterscheiden sich stark, ebenso die Kapazitäten für die Umsetzung.
So sind es im Wesentlichen zwei Gruppen mineralreicher Länder, die von ihren Partnern fordern, auch an höheren Wertschöpfungsstufen in Lieferketten beteiligt zu werden: Die erste Gruppe umfasst die sogenannten »Mittleren Mächte«, zu denen mineralreiche Schwellenländer wie Indonesien, Argentinien, Chile, Brasilien und Südafrika zählen. Sie haben sich nicht nur als Rohstoffproduzenten etabliert, sondern spielen auch deshalb eine signifikante Rolle auf dem globalen Rohstoffmarkt, weil sie (potenzielle) Zentren für die Weiterverarbeitung von Rohstoffen aus benachbarten Ländern sind. Dazu trägt bei, dass sie einige transnational agierende Bergbaufirmen beheimaten, darunter staatliche Unternehmen wie Codelco (Chile) oder private Konzerne wie Anglo American (Südafrika). Auf der internationalen Bühne treten sie durchaus selbstbewusst auf und verknüpfen Rohstoffkooperationen mit weiteren außen- und handelspolitischen Themen. Einige dieser Länder hinterfragen offen die westliche Dominanz in der Weltwirtschaft, versuchen aber gleichzeitig, ihre eigenen einseitigen Abhängigkeiten zu reduzieren – auch von China. Daher ist ein größerer Zugang zum europäischen Binnenmarkt für sie oft attraktiv. Allerdings fordern sie mehr Mitspracherechte in der Gestaltung von Kooperationsformaten.
Die zweite Gruppe bilden diverse kleinere Volkswirtschaften mit strategischen Rohstoffvorkommen, unter anderem Sambia, die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo), Namibia und Usbekistan. Für diese Staaten ist der Export von unverarbeiteten Rohstoffen oftmals die primäre Einnahmequelle. Viele dieser Länder sind einseitig abhängig von den Aktivitäten weniger Bergbaufirmen oder von bestimmten Exportdestinationen (meistens China), was zu einer hohen wirtschaftlichen Vulnerabilität führt. Strukturelle Herausforderungen wie mangelnde Infrastruktur und geringe administrative Kapazitäten erschweren die Umsetzung industriepolitischer Strategien zusätzlich. Dennoch bemühen sich diese Länder, ihre internationalen Beziehungen aktiv zu gestalten und die derzeit hohe Nachfrage nach Metallen zu nutzen, um gewinnbringende Kooperationen einzugehen.
Beide Gruppen teilen das Bestreben, sich nicht im geopolitischen Spiel der wirtschaftlichen Supermächte aufreiben zu lassen. Sie wollen bestehende Handelsbeziehungen nicht kompromittieren und sich alle Optionen offenhalten.
Diplomatischer Balanceakt
Die meisten mineralreichen Staaten haben Interesse an ungestörten wirtschaftlichen Beziehungen mit China. In den letzten zehn Jahren hat China durch die Belt and Road Initiative (BRI) enge politische wie wirtschaftliche Beziehungen zu rohstoffreichen Staaten aufgebaut; die entstandene Transport- und Logistikinfrastruktur ermöglicht die Vernetzung mit chinesischen Industrien.
Nun steht die chinesische Kreditvergabe, oft abgesichert durch Rohstofflieferungen, immer wieder in der Kritik. Einige Regierungen, wie jüngst diejenige der DR Kongo, hinterfragen die Vertragstreue chinesischer Unternehmen und streben teilweise sogar Neuverhandlungen an. Trotzdem ist für viele Regierungen China ein bedeutsamer Entwicklungspartner, der auch langfristig im Rohstoffsektor involviert bleiben wird. Seit der Covid-19-Pandemie hat die chinesische Regierung ihren Blick zwar verstärkt auf die heimische Wirtschaft gerichtet und chinesische Direktinvestitionen im Ausland sind in vielen Bereichen zurückgegangen, nicht allerdings bei Rohstoffen. Chinesische Investitionen und neue Verträge haben hier 2023 ein neues Hoch erreicht. Zudem hat China den exportierenden Ländern zugesagt, ihre Industrialisierungsbemühungen zu unterstützen und lokale Projekte zu fördern. Dies unterstreicht: Die EU – ebenso wie andere Industrienationen – kann weder mit den Investitionshöhen noch mit dem Umfang und der Attraktivität der Gesamtpakete konkurrieren, die China seinen Partnern bietet.
Und doch haben sich vor allem die Vereinigten Staaten diesem Vorhaben verschrieben. Aufgrund der Rivalität mit China hat die sichere Rohstoffversorgung in den USA politische Priorität erlangt. Die Biden-Administration hat mit dem Inflation Reduction Act (IRA) ein umfassendes Programm zur Stärkung heimischer Industrien vorgestellt. Sie investiert beträchtliche Summen in Form von Subventionen und steuerlichen Anreizen, nicht zuletzt um die Privatwirtschaft zu motivieren, neue Importquellen für Rohstoffe zu erschließen. Bei ausländischen Direktinvestitionen legen indes auch die USA eine gewisse Zurückhaltung an den Tag. Um die Diversifizierung voranzutreiben, setzen sie auch auf internationale Kooperationen, insbesondere die 2022 etablierte Mineral Security Partnership (MSP). In dieser suchen sie den Schulterschluss mit verbündeten Staaten (allies), um finanzielle Synergien zu schaffen und Risiken für Investitionen in Rohstoffprojekte zu minimieren. Mitglied der Initiative sind derzeit 14 Staaten (darunter Deutschland) und die EU.
Die amerikanische Motivation, riskante Abhängigkeiten von China in Lieferketten so weit wie möglich zu reduzieren, findet in Europa Anklang. Jedoch zeigt sich die EU in ihrer diplomatischen Position zurückhaltender als die USA: Kommissionspräsidentin von der Leyen betonte auf dem EU-China-Gipfel im Dezember 2023 erneut, dass eine Entkopplung (decoupling) von China nicht im Interesse Europas liege.
Die europäische Rohstoffdiplomatie gegenüber China und den USA ist ein Balanceakt. Gleichzeitig bedarf es einer sorgfältigen Abwägung im Umgang mit neuen, aufstrebenden Akteuren. Besondere Aufmerksamkeit verdient Saudi-Arabien, das sich als mittlere Macht potenziell im Rohstoffsektor etablieren könnte. Mit der Absicht, die Wirtschaft über den Export fossiler Brennstoffe hinaus zu diversifizieren, richtet Saudi-Arabien seinen Fokus unter anderem auf mineralische Rohstoffe. Das Land stellt in beträchtlichem Umfang Kapital bereit für Investitionen sowohl in den heimischen Bergbau als auch in internationale Projekte. So hat es beispielsweise angekündigt, in den kommenden fünf Jahren etwa 10 Milliarden US-Dollar in afrikanische Bergbauprojekte zu investieren. Eine engere Kooperation mit dem Golfstaat birgt zwar Potenziale, aber auch erhebliche Risiken, nämlich im Hinblick auf deutliche Wertedifferenzen sowie bezüglich Transparenz und Standards in Lieferketten.
Europas Profil schärfen
Im globalen Wettstreit um eine resiliente Rohstoffversorgung muss die EU einen eigenen, unabhängigen Ansatz in der Rohstoffaußenpolitik entwickeln, um ihre »strategische Autonomie« zu stärken. Ebenso wie mineralreiche Staaten sollte sie ihre Kooperationen gründlich abwägen. Die Koordination über die MSP ist zweckmäßig, um Ressourcen zu bündeln. Gleichwohl muss die EU darauf achten, sich nicht von US-Initiativen abhängig zu machen. Die Einführung des IRA zeigt den enormen Willen der US-Administration, die nationale Wirtschaft zu fördern und die eigene Rohstoffversorgung zu sichern. Die EU kritisierte den IRA von Beginn an scharf, da er ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffe. Der Versuch, den umfassenden Zugang europäischer Unternehmen zu IRA-Fördermitteln zu verhandeln, scheiterte bislang. Die Europäer sollten sich auf das Fortbestehen solcher industriepolitischen Eingriffe seitens der USA einstellen, unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen im November.
Überdies erwartet die US-Regierung von Verbündeten, ihre Position gegenüber China mitzutragen. Hier muss sich die EU in ihrer Rohstoffaußenpolitik klarer positionieren. Sie sollte Kooperationen mit China im Rohstoffsektor offener gegenüberstehen, als es die USA tun. Denn China bleibt auf unbestimmte Zeit ein bedeutender Rohstofflieferant und ist gleichfalls in Bezug auf Standardsetzung und Transparenz relevant. Außerdem wird China auch künftig für viele mineralreiche Länder ein wichtiger Entwicklungs- und Handelspartner sein, sodass die EU von präferenziellen Angeboten an diese Länder ohnehin Abstand nehmen muss. Stattdessen sollte sie anstreben, in Schlüsselbereichen wie Energie- und Infrastrukturplanung die Geber zielgerichtet zu koordinieren; dies wäre für alle Seiten von Nutzen.
Für einen unabhängigen Ansatz in der Rohstoffaußenpolitik muss die EU ihre Bemühungen verstärken, Rohstoffpartnerschaften effektiv umzusetzen. Hierbei steht sie vor zwei Herausforderungen:
Erstens fehlt es an öffentlichen Geldern, da es keine politische Bereitschaft gab, im CRMA festzuschreiben, dass EU-Mittel zur direkten Finanzierung von Rohstoffprojekten verwendet werden. Angesichts des hohen Investitionsbedarfs für strategische Rohstoffprojekte und begleitende Maßnahmen wird die Umsetzung sehr schwierig. Der CRMA sieht vor, die 2021 ins Leben gerufene europäische Infrastrukturinitiative Global Gateway auch für den Rohstoffsektor zu nutzen. Die Kapazität dieser Initiative sollte jedoch nicht überbewertet werden, weil der Finanzrahmen von 300 Milliarden Euro bis 2027 bereits stark beansprucht ist und die geplanten Investitionen größtenteils gebunden sind – es stehen also keine neuen Gelder zur Verfügung. Dennoch ist es sinnvoll, auf die Initiative zurückzugreifen, um bereits geplante Projekte, etwa im Energiesektor, für den Rohstoffsektor nutzbar zu machen. Im Vergleich zu China besitzt die EU hier zudem ein Alleinstellungsmerkmal, indem sie neben Krediten auch großzügige Zuschüsse vergibt und Transparenz einen höheren Stellenwert einräumt.
Zweitens ist ein strategisches Vorgehen entlang von Rohstofflieferketten ohne den europäischen Privatsektor nicht realisierbar. Die Industrie zeigt sich sehr enttäuscht über das Fehlen eines EU-Rohstofffonds. Die finanzielle Förderung strategischer Projekte obliegt folglich den Mitgliedstaaten. Hier gibt es positive Entwicklungen: Deutschland, Italien und Frankreich planen die Einführung nationaler Rohstofffonds und koordinieren sich bereits auf Arbeitsebene. Es ist entscheidend, dieses Engagement auf europäischer Ebene zu bündeln und innereuropäischen Wettbewerb zu minimieren.
Wie bei Global Gateway setzen auch die Rohstofffonds auf die Beteiligung des Privatsektors, um sogenannte »Crowding-in«-Effekte zu erzielen. Das heißt, staatliche Investitionen und Garantien sollen privates Kapital anziehen. Europäische Unternehmen agieren jedoch in Bezug auf risikoreiche Sektoren wie Bergbau und Großinfrastrukturprojekte zurückhaltend. Dies ist teilweise auf ihre Ausgangsposition zurückzuführen: Sie sind in der Regel Endabnehmer und somit weit entfernt vom Rohstoffabbau. Europäische Bergbauunternehmen gibt es kaum. Wenn öffentliche Finanziers nicht aktiv gegensteuern, besteht das Risiko, dass notwendige Investitionen in strukturell schwächeren Rohstoffpartnerländern ausbleiben.
Man muss abwarten, ob Industrievertreter:innen ihre Ankündigung, sich in größerem Umfang zu beteiligen, umsetzen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) betont, dass deutsche Unternehmen bereits stärker als Investoren und Abnehmer auftreten. Zudem existieren Industrieallianzen wie die European Raw Materials Alliance (ERMA), die Projekte identifizieren. Sie könnten dabei unterstützen, Unternehmenskonsortien zu bilden, die Projekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Rohstoffen bis zu Vorprodukten abdecken.
Empfehlungen: EU nur gemeinsam ein attraktiver Partner
Der CRMA hat eine solide Grundlage für eine kohärente europäische Rohstoffpolitik geschaffen. Für eine resiliente und nachhaltige Versorgung mit mineralischen Rohstoffen müssen die industriepolitischen Ambitionen der EU nun mit ihren Diversifizierungsbemühungen in Einklang gebracht werden. Die Analyse des geopolitischen Umfelds unterstreicht die Notwendigkeit eines eigenständigen und unabhängigen europäischen Ansatzes. Angesichts der quantitativen Überlegenheit von Rohstoff-Supermächten wie China und den USA sollte die EU nicht in einen direkten Wettbewerb mit diesen treten. Vielmehr sollte sie mit ausgewählten Partnerländern zielgerichtete Kooperationen eingehen und sich auf deren Ausgestaltung fokussieren.
Koordination und Kohärenz
Um international als attraktiver Wettbewerber wahrgenommen zu werden und Rohstoffpartnerschaften wirkungsvoll umzusetzen, ist eine stringente interne Koordination essenziell. Diese Aufgabe obliegt der EU-Kommission, deren Kapazitäten zu diesem Zweck ausgebaut werden müssen. Eine(n) EU-Rohstoffbeauftragte(n) zu ernennen wäre eine sinnvolle Unterstützung.
Die EU sollte Rohstoffthemen in der europäischen Handels- und Klimapolitik systematisch mitdenken, auch um potenzielle Konflikte rechtzeitig angehen zu können. Der EU-Kommission fällt es außerdem zu, die Mitgliedstaaten, auf deren Schultern ein Großteil der Umsetzung lastet, gut zu koordinieren. Bedeutende europäische Industrienationen wie Frankreich und Deutschland müssen ihr Ambitionsniveau im Rohstoffsektor auf die EU-Ebene übertragen. Die Bundesregierung kann zur Realisierung der Rohstoffpartnerschaften beitragen, indem sie ihr breites Spektrum an Wissen einbringt sowie die Vielzahl existierender Programme sowohl in der Außenwirtschaftsförderung als auch in der Forschung und der Entwicklungszusammenarbeit.
Angesichts limitierter Ressourcen sowie der Notwendigkeit, einen Glaubwürdigkeitsverlust aufgrund unzureichender Umsetzung zu vermeiden, sollte die EU ihre Anstrengungen auf Schwerpunktländer konzentrieren. Es empfiehlt sich, länderspezifische Arbeitsgruppen einzurichten, bestehend aus Vertreter:innen der Mitgliedstaaten und nichtstaatlichen Akteuren, unter anderem Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Institutionen. Die Implementierung dieser Strukturen in den Partnerländern, unter Führung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), wäre zielführend.
Attraktive Kooperationsangebote
Angebote an Partnerländer müssen kontextspezifisch und maßgeschneidert sein. Dabei gilt es, sowohl die strategische Bedeutung der Rohstoffvorkommen als auch die (industrie-)politischen Ziele und lokalen Bedingungen der Partnerländer einzubeziehen.
Viele mineralreiche Schwellenländer (»Mittlere Mächte«) wie Chile, Südafrika und Indonesien sind für die EU wichtig. Eine strategische Herangehensweise, die den Gestaltungswillen der lokalen Regierungen anerkennt, ist für eine fruchtbare Kooperation entscheidend. Berücksichtigt werden sollten Forderungen dieser Länder, Rohstoffe im eigenen Land weiterzuverarbeiten sowie nachhaltige Lieferketten zu etablieren. Kooperationen sollten sich daher auf konkrete Projekte beziehen, die wirtschaftlich realisierbar sind und zugleich im strategischen Interesse beider Seiten liegen. Ein relevanter Aspekt ist zudem der Technologietransfer, weshalb die Identifikation und Förderung von Public-Private-Partnerships sowie Investitionen in Forschungskooperationen sinnvolle Begleitmaßnahmen darstellen.
Im Mittelpunkt der EU-Partnerschaften sollten kleinere Volkswirtschaften mit strukturellen Herausforderungen und begrenzten Implementierungskapazitäten stehen, etwa Sambia oder die DR Kongo. Wegen der hohen Rohstoffnachfrage sind viele Regierungen sehr daran interessiert, Explorations- und Produktionskapazitäten ihrer Länder zu vergrößern. Die EU könnte ihre Unterstützung für Geologische Dienste ausweiten, um Potenziale auszuloten. Die Kooperation mit technischen Organisationen wie dem African Minerals Development Centre (AMDC) wäre eine Möglichkeit, zu industriepolitischen Strategien zu beraten.
Überdies bietet es sich in allen Fällen an, beim Ausbau der Infrastruktur für erneuerbare Energien enger zusammenzuarbeiten. Hier kann an bestehende bilaterale Partnerschaften angeknüpft werden, notwendige Investitionen können über das Global-Gateway-Programm und in Kooperation mit internationalen Partnern erfolgen. Darüber hinaus sollte die EU bei der Umsetzung anderer Nachhaltigkeitsstandards gezielt unterstützen. Auch daran sind Partnerregierungen oft interessiert, da es die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht und dem Anwerben von Investoren förderlich ist.
Finanzierung stärken
Für eine effektive Implementierung von Rohstoffkooperationen ist es unerlässlich, die finanziellen Möglichkeiten zu erweitern. Dies betrifft zum einen die EU-Ebene: Der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) ab 2028 sollte eine deutliche Mittelerhöhung für die Global-Gateway-Initiative vorsehen, um Infrastrukturprojekte im notwendigen Ausmaß fördern zu können. Ferner würde die nachträgliche Einrichtung eines EU-Rohstofffonds, ähnlich dem Fonds für grünen Wasserstoff und angesiedelt bei der Europäischen Investitionsbank (EIB), die Handlungsfähigkeit der EU substanziell stärken.
Zum anderen sollte die Bundesregierung die Realisierung des nationalen Rohstofffonds zügig voranbringen und zusätzliche Mittel für unterstützende Maßnahmen innerhalb von Rohstoffkooperationen bereitstellen. Dies würde Engagement für ein strategisches Vorgehen, im Rahmen eines EU-Ansatzes, signalisieren. Nicht zuletzt wäre es ein Appell an deutsche Unternehmen, sich aktiv an internationalen Rohstoffkooperationen zu beteiligen.
Meike Schulze ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Dieses Aktuell entstand im Rahmen des Projekts »Forschungsnetzwerk Nachhaltige Globale Lieferketten«, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wird.
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DOI: 10.18449/2024A22