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Drei Szenarien zum Jemen-Krieg

Waffenstillstandsverhandlungen, Nord-Süd-Konfrontation oder Spaltung?

SWP-Aktuell 2022/A 03, 06.01.2022, 6 Seiten

doi:10.18449/2022A03

Forschungsgebiete

Die Zukunft des Jemen-Konflikts wird sich rund 120 Kilometer östlich der Hauptstadt Sanaa, in der Provinzhauptstadt Marib, entscheiden. Seit Februar 2021 dauern dort die Kämpfe zwischen der jemenitischen Regierung, die von Saudi-Arabien unterstützt wird und international anerkannt ist, und der aus dem Norden des Landes stammenden Huthi-Bewegung an. Die Huthis sind militärisch im Vorteil, konnten Marib bisher aber noch nicht einnehmen. Denkbare Szenarien für den weiteren Konfliktverlauf sind Waffenstillstandsverhandlungen nach einer erfolgreichen Verteidigung der Pro­vinzhauptstadt, der Fall Maribs und die Verlagerung des Konflikts in die südlichen Landesteile sowie ein Sieg der Huthis als Ausgangspunkt für eine ausgehandelte Auf­teilung des Landes unter Beteiligung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und des Iran. Deutschland und seine europäischen Partner sollten vor diesem Hintergrund Annäherungsversuche der Regionalmächte unterstützen und bereits jetzt mit den jemenitischen Konfliktparteien und der Zivilgesellschaft neue politische Perspektiven für die Zukunft des Landes diskutieren.

Der Verlust Maribs, der Hauptstadt der gleichnamigen erdölreichen Provinz, würde die jemenitische Regierung unter Übergangs­präsident Abd Rabbu Mansur Hadi erheblich schwächen. Nach fast sieben Jah­ren Krieg ist Marib heute ihre mit Abstand wichtigste Hochburg. Trotz der Unterstützung durch die von Saudi-Arabien angeführ­te Militärkoalition hat die Regierung die Kontrolle über bedeutende Teile des Staats­gebiets verloren. Besonders schwer wiegt dabei, dass es ihr seit Beginn des Konflikts nicht gelungen ist, die Hauptstadt Sanaa zurückzuerobern, die die Huthis im Sep­tem­ber 2014 eingenommen haben.

Ursprünglich kommt die Huthi-Bewe­gung, auch bekannt unter dem Namen Ansar Allah (dt. »Anhänger Gottes«), aus der nördlichen Region Saada, die an Saudi-Ara­bien grenzt. Seit der Bildung einer eigenen Regierung im November 2016 fungiert sie als De-facto-Autorität im bevölkerungs­reichen Nordwesten des Landes. Eine Mili­tärkoalition, an deren Spitze Saudi-Arabien und die VAE stehen, hatte bereits im März 2015 in den Konflikt eingegriffen, um die international anerkannte Hadi-Regie­rung zu unterstützen. Riad befürchtete damals, der Iran könnte durch das Erstarken der Huthis an Einfluss auf der Arabischen Halb­insel gewinnen. Um zwischen den Konflikt­parteien zu vermitteln, wurde im August 2021 mit Hans Grundberg bereits der vierte Sondergesandte der Vereinten Nationen (VN) eingesetzt. Bislang ist es aber weder der VN‑Mission noch der arabischen Militär­koali­tion gelungen, die in der Resolution 2216 des VN-Sicherheitsrats definierten Ziele, nämlich den Rückzug der Huthis aus den Gebieten, die sie seit 2014 besetzt haben, die Rückgabe der aus dem staat­lichen Arsenal entwendeten Waffen und die Wiederherstellung der international anerkannten Regierung, zu erreichen. Für Riad wird der Krieg zunehmend zu einer Belastung, auch deshalb, weil die Huthis mit Raketen und Drohnen strategische Ziele in Saudi-Arabien angreifen, wie zum Bei­spiel Flughäfen oder Ölraffinerien. Zudem haben die von der Koalition begangenen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen dem internationalen Ansehen des Königshauses massiv geschadet. Anstatt den iranischen Einfluss einzudämmen, hat die Militärintervention sogar zu einer Inten­sivierung der Beziehungen zwischen den Huthis und Teheran beigetragen.

Karte

Die saudische Regierung hat zwar wieder­holt signalisiert, dass sie einen Weg heraus aus dem Krieg sucht, ein Rückzug ohne Ab­kommen wäre aber eine politische Blamage und würde die innere Sicherheit Saudi-Ara­biens weiter gefährden, da nicht aus­geschlos­sen werden kann, dass die Huthis ihre An­griffe fortsetzen.

Das Versprechen von US-Präsident Joe Biden vom Februar 2021, durch eine diplo­matische Offensive den Konflikt zu be­enden, ist bislang nicht erfüllt worden. Die im März 2021 vom US-Sondergesandten Tim Lender­king und der saudischen Regie­rung unter­breiteten Verhandlungsangebote wurden von den Huthis ab­gelehnt.

Stattdessen hat die amerikanische Politik die Huthis in ihrem militärischen Vorgehen eher bestärkt: zunächst dadurch, dass Biden die Einstufung der Huthis als terroristische Vereinigung, die der ehemalige Präsident Donald Trump im Februar 2021 angeordnet hatte, zurücknahm; dann durch den US-Truppenabzug aus Afghanistan, der die Absetzung der international anerkannten afghanischen Regierung durch die Taliban ermöglichte und von den Huthis als Präze­denzfall gesehen wird.

Im September 2021 erreichte die zweijährige Huthi-Offensive ihren vorläufigen Höhepunkt, als die Rebellen damit began­nen, Marib aus nördlicher, westlicher und süd­licher Richtung zu belagern. Vor diesem Hintergrund zeichnen sich für den weiteren Konfliktverlauf drei Szenarien mit durch­aus unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeit ab.

Szenario 1: Verhandlungen zwischen den Huthis und der Hadi-Regierung

Die Huthis haben an Verhandlungen auf Augenhöhe wenig Interesse, solange sie militärisch im Vorteil sind. So war auch das letzte, im Dezember 2018 von den VN ver­mittelte Abkommen mit der Hadi-Regie­rung nur möglich, weil die Huthis zu diesem Zeitpunkt auf dem Kriegsschauplatz in der Defensive waren und glaubten, von Ver­handlungen profitieren zu können. Denn letztlich wurde durch die Vereinbarung ein Einmarsch der Koalitionstruppen in die geo­strategisch wichtige Hafenstadt Hodeidah abgewendet. Voraussetzung für erneute Friedensgespräche ist daher eine deutliche Verschiebung des militärischen Gleich­gewichts zugunsten der Regierungstruppen. Vor diesem Hintergrund bemüht sich gegen­wärtig Tareq Saleh, der Neffe des im Dezem­ber 2017 von den Huthis getöteten ehema­li­gen Präsidenten Ali Abdullah Salih, die Anti-Huthi-Allianz zu vereinen. Er kom­man­diert die Joint Forces, einen losen Zu­sammenschluss verschiedener bewaffneter Gruppen. Doch ohne saudische Hilfe scheint eine militärische Wende in Marib unmöglich. Zwar wird Riad die jemenitische Regie­rung militärisch, politisch und wirtschaftlich unterstützen, solange es keine Über­einkunft mit dem Iran oder den Huthis gibt. Doch das Hauptinteresse Riads hat sich auf das im Südosten gelegene Gouvernement Mah­rah verschoben, wo die saudische und die omanische Regierung über den Bau einer Ölpipeline verhandeln. Insgesamt hat das benachbarte Königreich sein Engage­ment im Jemen deutlich zurückgeschraubt. Nach Informationen des Yemen Data Pro­jects ist die Zahl saudischer Luftangriffe seit 2018 stark gesunken, und auch die finan­zielle Unterstützung hat beträchtlich nach­gelassen: Seit 2020 zahlen die Saudis weder die Gehälter der jemenitischen Regierung noch die der Regierungstruppen. Selbst wenn es ihnen gelänge, die militärische Dynamik zu drehen, wären die Aussichten auf eine nach­haltige Konfliktlösung gering. Jenseits eines Waffenstillstands ist es un­wahrscheinlich, dass sich die Konflikt­parteien über eine Machtteilung einig wer­den. Dies liegt zum einen an der mangeln­den Kompromiss­bereitschaft der Huthis. Sie haben sich in der Vergangenheit zwar auf Abkommen eingelassen, diese aber nicht eingehalten; zum anderen liegt es am fehler­haften Verhandlungsrahmen der Vereinten Nationen, die den Krieg als Zweiparteienkonflikt missverstehen und dadurch lokale und regionale Akteure vernachlässigen. Noch problematischer ist, dass die VN-Ver­mittler einerseits die Machtposition der Huthis unterschätzen und andererseits deren Be­reitschaft, militärische Gewinne im Gegen­zug für eine politische Beteiligung in der Hadi-Regierung aufzugeben, überschätzen.

Szenario 2: Der Sieg der Huthis als Beginn einer neuen Nord-Süd-Konfrontation

Die Einnahme Maribs durch die Huthis würde die Dynamik des jemenitischen Kon­flikts entscheidend verändern. Da Marib die wichtigste Hochburg für die Hadi-Regie­rung darstellt, würde der Verlust der Stadt eine Schockwelle durch die übrigen fragilen Kon­trollbereiche der Regierung schicken und zum schrittweisen Zusammenbruch der Hadi-Administration führen. Die Gebiete außerhalb des Huthi-Territoriums stehen zwar nominell unter der Gewalt der Hadi-Regierung, tatsächlich werden sie aber von anderen bewaffneten Gruppen kontrolliert, wie dem Southern Transitional Council (STC, dt. Südübergangsrat) im Süden des Landes und den Joint Forces im Südwesten. Diese Fragmentierung erklärt sich vor allem aus den unterschiedlichen Zielen Saudi-Arabiens und der VAE im Jemen. Während es für Riad Vorrang hatte, die Huthis und damit den Einfluss Irans auf den Jemen zurückzudrängen, zielten die VAE mit ihrer Politik auf die Kontrolle der Seewege im Roten und Arabischen Meer und auf die Eindämmung der islamistischen Muslimbruderschaft ab. Diese ist im Jemen in Form der Islah-Partei aktiv. Da sich die Regierungs­armee zum gro­ßen Teil aus Truppen der Islah-Partei zusam­mensetzt, unterstützten die VAE stattdessen andere bewaffnete Gruppen. Diese sind zwar mit der Regierung verbunden, verfolgen aber letztendlich eigene Interessen, was zur Spaltung der Anti-Huthi-Allianz führte. So kämpften die Mitglieder des STC ursprünglich an der Seite der Regie­rung, trennten sich aber – angetrieben von dem Wunsch, den Süden in die Unabhängigkeit zu führen – mehr und mehr von dem Bündnis. Im August 2019 wurde die Hadi-Regierung so­gar von Kämpfern des von den VAE gestütz­ten STC aus der Übergangshauptstadt Aden vertrieben. Anschlie­ßend verlor die Regie­rung auch in den umliegenden Gebieten die Kontrolle über militärische Kräfte an den STC. Eine im Novem­ber 2019 von Saudi-Arabien vermittelte Ver­einbarung zwischen der Regie­rung und dem STC hatte das Ziel, die Gräben zu überwinden. Sie ist aber bis heute nicht umgesetzt worden. Stattdessen agiert der STC mit Unter­stützung der VAE als Quasi-Regierung in und um Aden.

Im Hadhramaut unterhal­ten die VAE wiederum eigene Elite­einhei­ten, die in Konkurrenz zu den Regierungstruppen stehen. An der jemenitischen Westküste unterstützen die Emirate die Joint Forces unter Saleh. Taiz, die bevölkerungsreichste Stadt im Westen des Landes und ein wich­tiges Wirtschaftszentrum, wird sowohl poli­tisch als auch militärisch direkt von der Islah-Partei beherrscht.

Im Falle eines Siegs in Marib ist es wahrscheinlich, dass die Huthis sich mit dem Nordjemen nicht zufriedengeben und das gesamte Staatsgebiet für sich beanspruchen werden. Damit könnten die Kämpfe um Territorien auch nach einem Kollaps der Regierung zwischen den Huthis, dem STC, den Joint Forces und anderen bewaffneten Gruppen weitergehen. In der südlichen, öl- und gasreichen Provinz Shabwa stehen be­reits jetzt einige Bezirke unter dem mili­tärischen Druck der Huthis. Es besteht die Befürchtung, dass die Rebellen sich weiter in das ressourcenreiche Hadhramaut vor­kämpfen könnten. Auf jeden Fall ist damit zu rechnen, dass sie versuchen wer­den, die von ihnen bereits jetzt belagerte Stadt Taiz einzunehmen.

Zu Beginn würde eine Offensive der Huthis aus dem Norden zwar deren Gegner zusam­menschmieden. Mittel- und lang­fristig ist aber mit einer weiteren Fragmentierung der Anti-Huthi-Allianz zu rechnen. In Taiz beispielsweise haben die von den VAE unterstützten Joint Forces bereits 2019 begonnen, die Stadt allmählich zu infiltrie­ren, um der Dominanz der Islah-Partei ent­gegenzuwirken. Zwar hegen die Joint Forces heute noch Loyalitäten gegenüber Hadi, im Falle einer Niederlage der Regierung in Marib würden sie sich aber stärker an der VAE-Politik orientieren, was zu offenen Kon­flikten mit der Islah-Partei führen könnte. Zudem könnte Tareq Saleh versucht sein, die Positionen der Hadi-Regie­rung einzunehmen, was wiederum Auseinandersetzun­gen mit dem STC nach sich ziehen würde.

Szenario 3: Maribs Fall und eine verhandelte Aufteilung des Landes

In diesem Szenario verhandeln die Huthis nach dem Fall Maribs und dem Kollaps der international anerkannten Regierung direkt mit den Regionalmächten über eine Lösung, die zur Spaltung des Landes in einen Nord- und einen oder mehrere Südteile führen würde. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei den VAE zu, die ein großes Interesse an der Wahrung ihres Einflusses im Südjemen haben. Schon jetzt besitzen die Emirate faktisch die Kontrolle über den Hafen von Aden, die Meerenge von Bab al-Mandab und die Insel Sokotra vor dem Horn von Afrika. Gleichzeitig können sie die Islah-Partei, die sie als Bedrohung sehen, durch ihre lokalen Partner schwächen.

Nachdem den VAE im Jahr 2019 die eigene Verwundbarkeit vor Augen geführt worden war, als Öltanker in ihren Territo­rial­gewässern angegriffen wurden, setzten sie auf eine Entspannung ihres Verhältnisses zu Teheran. Als vertrauensbildende Maß­nahme zogen sie ihre Truppen sukzes­sive aus dem Jemen ab, insbesondere aus der Region um den Hafen von Hodeidah. Die strategisch wichtige Stadt konnte daraufhin im November 2021 komplett von den Huthis eingenommen werden.

Um aber ihre Einflussgebiete im Süd­jemen dauerhaft zu erhalten, müssen die VAE die Huthis durch eine Mischung aus militärischer Gewaltandrohung und Ver­handlungen im Norden eindämmen. Die saudische Regierung ordnet sich in diesem Szenario in ihrem militärischen und diplo­matischen Vorgehen den VAE unter, da sie ihre Inter­essen mit ihrer eigenen Strategie bisher nicht durchsetzen konnte. Im Dezem­ber 2021 verteidigte die Anti-Huthi-Allianz bereits erfolgreich Shabwa: Von den VAE protegierte Kräfte verdrängten hier die Islah-Partei aus der Lokalregierung, während die Saudis eine Offensive der Joint Forces gegen die Huthis unterstützten und so ver­lorenen Boden wieder gutmachten.

Friedensgespräche dürften in diesem Szenario an die Direktverhandlungen zwi­schen den beiden Golfmonarchien und den Huthis anknüpfen, die in der Vergangenheit im Oman stattgefunden haben. Anders als der VN-Friedensprozess berücksichtigte dieser parallele Track stärker das Interessen­geflecht und das Machtgleichgewicht der lokalen und regionalen Akteure.

Ziel der Direktverhandlungen wäre es, sowohl dem weiteren militärischen Vor­marsch der Huthis innerhalb der jemenitischen Grenzen als auch den Raketen- und Bodenangriffen auf saudisches Territorium ein Ende zu setzen. Saudi-Arabien dürfte hierzu auf eine Pufferzone an der eigenen Grenze zum Jemen bestehen. Im Gegenzug müssten die Golfstaaten die Herrschaft der Huthis im Nordjemen akzeptieren. Diese würden ihrerseits ein Ende der Luft-, Land- und Seeblockade verlangen. Außerdem könn­ten sie das Recht, Erdöl zu expor­tieren, einfordern, da dies für ein wirtschaftliches Überleben des Nord­jemen unabdingbar ist. Diese Lösung bedarf des konstruktiven Ein­flusses der Iraner auf die Huthis und einer Übereinkunft zwischen dem Iran und Saudi-Arabien. Damit ist mittelfristig aber nur zu rechnen, wenn die Golfstaaten weiter mit vertrauens­bildenden Maßnahmen auf die Regierung in Teheran einwirken und die internationalen Atom­gespräche mit dem Iran produktiv verlaufen.

Tatsächlich kann mit Verhandlungen zwischen den Golfmonarchien und den Huthis aber nur die regionale Dimension des Konflikts beendet werden. Nicht nur die Huthis, sondern auch der STC hoffen, in die­sem Szenario als Vertreter der von ihnen kontrollierten Territorien anerkannt zu wer­den. Da der STC das komplette Gebiet des ehemals unabhängigen südjemenitischen Staates fordert, müssten die VAE vor mög­lichen Verhandlungen Spannungen zwi­schen lokalen Akteuren im Südjemen klären. Der STC müsste ausgebremst und Gruppen, die sich nicht durch ihn vertreten fühlen, müssten in Gespräche involviert werden. Das gilt speziell für die Joint Forces mit ihren Untergruppierungen und für Ver­tre­ter der Provinzen Hadhramaut und Mahrah. Die Stabi­lität des Landes hängt daher nicht nur vom Agieren der Huthis, sondern auch von einem politischen Kon­sens der verblie­benen Anti-Huthi-Allianz ab.

Fazit

Das Eintreten des ersten Szenarios ist un­wahrscheinlich: Die Hadi-Regierung könnte die Stadt Marib zwar noch einige Monate halten, eine Verschiebung des militärischen Gleichgewichts zu ihren Gunsten ist aber schwer vorstellbar. Ob das dritte Szenario eintritt und eine Beendigung des Konflikts eingeleitet werden kann, hängt davon ab, ob die Regionalmächte Saudi-Arabien, die VAE und Iran eine konstruktive Rolle ein­nehmen. Denn eine stabile politische Ord­nung kann im Jemen nur entstehen, wenn die Auswirkungen der regionalen Ausein­andersetzungen auf die interne Konflikt­dynamik minimiert werden und ein prag­ma­tischer, zielgerichteter und inklusiver Dialog aufgenommen wird, in den neben den jemenitischen Streit­parteien auch Frauen und die Zivilgesellschaft eingebunden sind. Deutschland und seine europäischen Partner sollten vor die­sem Hintergrund wei­ter auf Saudi-Arabien und Iran einwirken, um eine Verhandlungslösung zwischen Riad und den Huthis zu ermöglichen. Dabei sollte ein enger Schulterschluss mit Oman gesucht werden, da Maskat zu beiden Län­dern gute Beziehungen unterhält.

Innerhalb der VN-Mission sollten Berlin und Brüssel für einen flexibleren Ansatz bei den Verhandlungen werben. Besonders nach einem Zusammenbruch der Hadi-Regie­rung und im Fall von Direktgesprächen zwischen den Huthis und den Golfstaaten sollten sich die VN weiterhin für eine inklusive Lösung und einen politischen Dialog starkmachen. Um die VN hierbei zu unterstützen, sollten die Europäer vor allem die VAE dahingehend in die Pflicht nehmen, dass diese mäßigend auf die von ihnen kontrollierten lokalen Gruppen einwirken. Gegenüber den Huthis sollte die Bundesregierung keine konkreten Zugeständnisse – etwa in Richtung einer völkerrechtlichen Anerkennung – machen, bevor die Rebellen nicht unter Be­weis ge­stellt haben, dass auch sie sich an Abkommen halten.

Menschenrechtsverletzungen aller Par­teien sollten auf das Schärfste verurteilt werden. Denn mit den neuen bewaffneten Gruppen an der Macht und ihren Unterstützern am Golf werden Bürger- und Men­schenrechte weiter erodieren. Besonders die Rechte von Frauen werden von allen Kon­fliktparteien stark missachtet. Die Huthis gehen hart gegen Oppositionelle, Journalisten und Akademiker vor; diese werden fest­genommen oder entführt, öffentlich hin­gerichtet oder einfach ermordet. Im Süden propagiert der STC einen nationalistischen Diskurs, der immer wieder zu Gewalt an Nordjemeniten führt. Auf der internatio­nalen Ebene sollte Deutschland daher die Initiative der niederländischen Regierung unterstützen, die Berichterstattung der Expertengruppe für den Jemen beim VN-Menschenrechtsrat wiederaufzunehmen.

Um langfristig einen inklusiven politischen Dialog im Jemen zu etablieren, soll­ten Deutschland und seine euro­päischen Partner bereits jetzt sowohl den Konflikt­parteien als auch der jemenitischen Zivil­gesellschaft dabei helfen, neue poli­tische Visionen für einen oder mehrere jemenitische Staaten zu entwickeln. Eine breite Dis­kussion darüber, wie der Jemen politisch neu geordnet werden könnte, findet bislang nicht statt. Dies ist unbedingt erforderlich, damit Ideen über eine neue integrative poli­tische Ordnung in Verhandlungen einflie­ßen können. Die Netzwerke der Berghof Foundation (Berlin) und des Centre for Humanitarian Dialogue (Genf) könnten hier­für genutzt werden. Ebenso wichtig wäre eine von Meinungsumfragen gestützte Debatte in den jemenitischen Medien über die Zukunft des Landes.

Soll der Frieden dauerhaft sein, ist be­sonders viel Arbeit auf der lokalen Ebene notwendig. Bereits jetzt liegt aufgrund der Fragmentierung des Nationalstaats viel Ver­antwortung auf den Provinzverwaltungen; diese Verantwortung wird nach einem Kollaps der Regierung noch zunehmen. Ent­sprechend sollte Deutschland im Rahmen der Stabilisierungs- und Entwicklungs­zusammenarbeit Beziehungen zu Lokalverwal­tungen unbedingt ausbauen, um diese bei der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen zu unterstützen.

Mareike Transfeld ist Doktorandin an der Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies an der Freien Universität Berlin und Mitbegründerin des Yemen Policy Center Germany e.V. Zwischen 2014 und 2015 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Stiftung Wissenschaft und Politik.

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