Mit seinem »Jahrhundert-Deal« für Nahost orientiert sich US-Präsident Donald Trump vor allem an den Wünschen der israelischen Rechten. Eine Grundlage für einen friedlichen Ausgleich bietet er nicht. Muriel Asseburg zeigt auf, warum und wie die Europäer jetzt reagieren sollten.
Ende Januar 2020 hat US-Präsident Donald Trump gemeinsam mit seinem Nahost-Team nach langer Verzögerung den politischen Teil des sogenannten Jahrhundert-Deals vorgestellt. Dieser formuliert den Anspruch, den Konflikt umfassend und definitiv durch eine Zweistaatenlösung zu regeln. Ergänzt wird er durch die schon im Juni 2019 in Manama, Bahrain, präsentierte ökonomische Komponente, die – nach einer Konfliktregelung – zu massiven Investitionen in Palästina und der Region führen und damit einen enormen Entwicklungsschub anstoßen soll.
Tatsächlich sieht der Plan allerdings vor, die Einstaatenrealität zu verfestigen, die sich in Israel und den von ihm besetzten palästinensischen Gebieten herausgebildet hat. Denn er würde die israelische Sicherheitsverantwortung und Israels Kontrolle über Grenzen, Luftraum und Küstengewässer dauerhaft festschreiben und legitimiert die Annexion von rund 30 Prozent der West Bank. Der palästinensische Staat hätte nach dem Skript der Trump-Administration kein zusammenhängendes Territorium. Seine Inseln würden durch Brücken, Tunnels und Transitstrecken verbunden werden.
Der vorgesehene Landtausch birgt vor allem deshalb Sprengstoff, weil das sogenannte Arabische Dreieck in Galiläa dem palästinensischen Staat zugeschlagen werden soll. De facto würden die dort ansässigen palästinensischen Israelis ausgebürgert und von ihrer Umgebung isoliert. Es gäbe aber nicht nur palästinensische Enklaven in israelischem Staatsgebiet, sondern auch 15 Siedlungsenklaven im palästinensischen Staat. Damit bliebe eine Vielzahl von Reibungspunkten bestehen.
Jerusalem würde »ungeteilte Hauptstadt Israels« bleiben, Israel die Kontrolle auch über das Gros der palästinensischen Wohngebiete sowie die Heiligen Stätten behalten. Die Palästinenser dürften die Viertel, die östlich der Sperrmauer liegen, als ihre Hauptstadt betrachten. Damit könnten auch rund 140.000 Palästinenser ihr Aufenthaltsrecht in Jerusalem verlieren. Ein Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge nach Israel schließt der Plan kategorisch aus.
Die palästinensische Führung hat den Plan und Verhandlungen auf seiner Grundlage bereits abgelehnt. Dies ist nicht verwunderlich. Denn nicht nur beruht das Dokument ganz überwiegend auf dem Narrativ der israelischen Rechten, auch lässt es palästinensische Ansprüche und Interessen fast vollständig außen vor. Es steht zudem im Widerspruch zu völkerrechtlichen Grundsätzen, wie der Unzulässigkeit der Aneignung von Territorium durch Gewalt. Darüber hinaus fällt es weit hinter den bisherigen internationalen Konsens in Bezug auf eine Konfliktregelung zurück, der einen Interessenausgleich auf Basis der Grenze von 1967 und eine einvernehmliche Regelung der Flüchtlingsfrage vorsieht.
Der amerikanische Aufschlag bietet den Palästinensern auch deutlich weniger an als bisherige israelische Verhandlungsangebote. Vor allem aber wird die Offerte eines palästinensischen Staates durch die vorgesehenen Einschränkungen völlig entwertet. Seine Verwirklichung bliebe ohnehin einem israelisch-amerikanischen Veto unterworfen – ebenso wie das Lockangebot umfangreicher Finanzhilfen. Denn Israel und die Amerikaner sollen darüber entscheiden, ob die Palästinenser die Kriterien für Staatlichkeit erfüllen und ihnen ein Staat und das umfangreiche Wirtschaftsprogramm zustehen, oder eben nicht.
Damit ist der Plan aber keineswegs hinfällig. Vielmehr dürfte er die Zukunft ganz entscheidend prägen und zum Bezugspunkt für künftige Lösungsansätze werden, hinter dessen Versprechungen israelische Regierungen nicht mehr zurückgehen werden. Und er erlaubt Israel, unabhängig von Verhandlungen, in den dafür vorgesehenen Gebieten Annexionen vorzunehmen sowie die Siedlungen weiter auszubauen. So verschließt er die Tür zu einer verhandelten Zweistaatenregelung.
Auch wenn bereits ein israelisch-amerikanisches Komitee eingesetzt worden ist, um die Details von Annexionen auszuarbeiten, und auch wenn das strategische Umfeld alles andere als günstig ist: Noch gibt es Handlungsspielraum, um die Kosten-Nutzen-Rechnung der nächsten israelischen Regierung zu beeinflussen und sie davon abzuhalten, eine Verhandlungslösung dauerhaft zu verbauen, sowie zu verhindern, dass der Trump-Plan zum internationalen Referenzrahmen für künftige Lösungsansätze wird. Diesen Spielraum sollten Deutschland und seine europäischen Partner nutzen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat bereits gewarnt, Annexionen würden von europäischer Seite nicht unangefochten hingenommen. Nun gilt es auszubuchstabieren, wie eine europäische Reaktion auf die De-jure-Annexionen aussehen würde. Hier gehen die Ansätze der Europäer bislang weit auseinander – von einer Anerkennung des Staates Palästina in den Grenzen von 1967 oder eine Sanktionierung Israels, etwa durch die Suspendierung des Assoziierungsabkommens, bis zu einem vorsichtigen Engagement mit der Trump-Vorlage.
Wichtig wäre erstens, sich schnell auf gemeinsame Grundlinien zu verständigen, statt bis zum Europäischen Rat am 26./27. März zu warten, und auf dieser Basis nicht nur aus Brüssel, sondern auch aus den Hauptstädten klare Signale zu senden. Dazu gehört, dass die Europäer einseitige Grenzziehungen nicht anerkennen und von Israel die Gewährung staatsbürgerlicher Rechte in annektierten Gebieten und in Gebieten unter dauerhafter Besatzung fordern. Dazu gehört auch, die Verpflichtung Israels zu bestätigen, in allen von ihm dauerhaft kontrollierten Gebieten die Lebensgrundlagen der Bevölkerung sicherzustellen – verbunden mit einem entsprechenden finanziellen Rückzug der Europäer. Außerdem müssten die EU-Mitgliedstaaten unmissverständlich klarmachen, dass De-jure-Annexionen die Beziehungen zwischen Israel und Europa empfindlich stören würden.
Solche Ankündigungen werden relativ wenig Einfluss entfalten, sollte sich in Israel nach den Wahlen am 2. März einmal mehr eine rechtsnationale Regierung unter Führung des Likud bilden. Sollte die nächste Koalition aber von dem gemäßigteren Benny Gantz geführt werden, wird es Anknüpfungspunkte für einen Dialog geben.
Zweitens gilt es zu verhindern, dass der Trump-Plan zum internationalen Referenzrahmen für künftige Verhandlungen wird. Daher müssen die Europäer alles unterlassen, was so verstanden werden könnte, als ob es dem Plan Legitimität verleiht – etwa, indem Gespräche über diese und andere Vorlagen vorgeschlagen werden.
Drittens dürfen die Europäer nicht den Eindruck erwecken, als ob sie Israel (oder irgendeinem anderen Akteur) einen Freifahrschein für Völkerrechtsverstöße ausstellten – wie es Deutschland mit seinem Brief an den internationalen Strafgerichtshof getan hat, der Israel vor einer Ermittlung vermuteter Kriegsverbrechen bewahren soll.
Dieser Text ist in gekürzter Form auch in der Fuldaer Zeitung vom 29.02.2020 erschienen.
Geschichte, Positionen, Perspektiven
Der israelisch-palästinensische Konflikt spitzt sich erneut zu, auch weil die Politik der USA einer friedlichen Regelung entgegensteht. Die EU findet sich abermals im Abseits. Warum das so ist, erläutern Muriel Asseburg und Nimrod Goren.
Mit dem US-Ansatz droht der Zweistaatenregelung das endgültige Aus
doi:10.18449/2019A19