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Technologiepolitik unter Trump II

Der einstige Partner wird zur Gefahr für Europas Wirtschaft und Demokratie

SWP-Aktuell 2025/A 14, 08.04.2025, 7 Seiten

doi:10.18449/2025A14

Mit der Amtsübernahme von Donald Trump zeichnet sich eine Entwicklung der US‑Technologiepolitik ab, die für Deutschland und Europa eine Gefahr darstellt. Die großen US-Technologiekonzerne scheinen willens, Trumps Bemühen um eine auto­ritäre Umgestaltung der USA mitzutragen – als Gegenleistung stellt er ihnen eine Politik der Deregulierung im In- und Ausland und damit eine weitere Stärkung ihrer Marktposition in Aussicht. Im Außenverhältnis richtet sich diese Politik explizit gegen die europäische Digitalpolitik und bedroht das europäische Wirtschaftsmodell ebenso wie die hiesigen demokratischen Strukturen. Ein geschlossenes Auftreten Europas wäre erstrebenswert; parallel kommt es für die neue Bundesregierung dar­auf an, sich im Rahmen nationaler Politik auf die zu erwartenden technologiepoli­tischen Konflikte mit den USA vorzubereiten.

Seit seinem erneuten Amtsantritt im Januar 2025 verfolgt Trump eine autoritäre Um­gestaltung des US-Regierungssystems. Er arbeitet darauf hin, die eta­blierte Gewaltenteilung zu seinen Gunsten zu verändern. Dazu setzt er auf eine massive Reorganisation des Regierungsapparats, auf die Be­setzung von zentralen Positionen in den Sicher­heitsbehörden mit Personen wie Kash Patel und Tulsi Gabbard, die sich vor allem durch die Loyalität gegenüber seiner Person aus­zeichnen, und auf wachsenden Druck auf die Presse und die Universitäten des Landes. Die autoritären Ambitionen zeigen sich offen, wenn sein Vize J. D. Vance öffent­lich erklärt, es sei nicht Sache von Gerichten, die »legitime Macht« des Präsidenten zu kontrollieren, oder wenn Trump selbst andeutet, ihm stehe eine von der Verfassung eigentlich ausgeschlossene dritte Amts­zeit zu.

Außenpolitisch finden diese autoritären Ambitionen ihre Entsprechung darin, dass Trump und zentrale Ver­treter seiner Regie­rung immer wieder in öffentlichen State­ments das Recht auf demokra­tische Selbst­bestimmung anderer Länder unverhüllt in Frage zu stellen, sei es mit Blick auf die Ukraine oder auf Dänemark.

Die Technologiebranche ist dabei für Trump in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Innenpolitisch stellt sie einen wich­tigen Machtfaktor dar, von dem Widerstand gegen seine Politik ausgehen könnte; außen­politisch ist sie eine wesentliche Grundlage für die Macht der USA im Verhältnis zu anderen Staaten.

Konturen eines neuen Paktes zwischen Trump und den Tech-Unternehmen

Auch die Vorgänger Trumps wussten um diese zwei Seiten der Macht von Techno­logie-Unternehmen. So war etwa die Biden-Administration bemüht, mit Hilfe des Kar­tellrechts der massiven Konzentration wirt­schaftlicher Macht in diesem Bereich ein Stück weit entgegenzuwirken – ohne da­bei aber die internationale Stellung der Tech-Konzerne gefährden zu wollen. Damit wiederholten sich im Verhältnis zu »Big Tech« Debatten, die sich in der Geschichte der USA auch schon an der Macht von »Big Oil« und »Big Tobacco« entzündet hatten.

Trump wählt einen anderen Weg. In monarchischer Anmutung fordert er von den Führern der Unternehmen Loyalität gegenüber seiner Politik und seiner Person ein, also den Verzicht auf Kritik an seinen autoritären Ambitionen. Im Gegenzug stellt er ihnen eine Politik der regulatorischen Zurückhaltung in Aussicht, verbunden mit einer offensiven Förderung ihrer Interessen im Ausland. Zugespitzt: Trump unterstützt die Tech-Unternehmen in ihrem Profit­streben, solange diese sich ihm politisch nicht in den Weg stellen.

Frühe Unterstützer

Einige Unternehmer (und in diesem Fall ist die rein männliche Form passend) hatten das Potential dieses Paktes schon früh erkannt. War Peter Thiel, der einflussreiche Tech-Investor, in der Vergangenheit noch offen kritisch gegenüber Trump, so änderte er im Wahlkampf 2016 seine Haltung und unterstützte Trump durch öffentliche Auf­tritte und auch finanziell. Auch in den folgenden Jahren hielt seine Unterstützung an, wenngleich er 2023 erklärte, sich aus Enttäuschung über Trumps erste Adminis­tration im Wahlkampf 2024 zurückhalten zu wollen. Dennoch war die Wiederwahl Trumps auch für Thiel persönlich ein Erfolg: Denn im Vorfeld der Wahlen hatte Trump ebenjenen Vance zum Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten auserkoren, dessen politische Karriere Thiel über Jahre massiv gefördert hatte. Was letztlich den Ausschlag für die Entscheidung zugunsten von Vance gab, lässt sich auf Basis der öffent­lich zu­gänglichen Informationen nicht abschließend beurteilen; im Ergebnis aber hat sich das langjährige Engagement von Thiel für ihn ausgezahlt, verfügt er doch mit Vance nun über einen direkten Zugang zum Macht­zentrum der US-Regierung.

Noch intensiver, und zu Recht medial stark beobachtet, ist das Verhältnis zwi­schen Elon Musk und Trump. Der derzeit reichste Mensch der Welt entschied sich, vor allem in der Endphase des Wahlkampfs, die Kampagne von Trump mit großem Einsatz zu unterstützen: finanziell, aber insbesondere auch mit Hilfe seiner Platt­form X und nicht zuletzt, indem er seine Reputation als erfolgreicher Unternehmer für Trump in die Waagschale warf. Belohnt wurde Musk nach der Wahl mit der Frei­heit, als »besonderer Regierungsangestellter« (Special Government Employee) die US-Regierung unter dem Deckmantel vermeint­licher Effizienzsteigerung nach seinen Vor­stellungen umzugestalten.

Autoritäres Denken im libertären Gewand

Besonders deutlich zeigt sich hier eine ideo­logische Schnittmenge zwischen Thiel, Vance und Musk: Was diese drei und ihr weiteres Umfeld eint, ist die vulgär-libertäre Vorstellung, dass der Staat den Unter­nehmern freie Hand lassen solle. Bei ernst­zunehmenden Libertären wie dem poli­tischen Theoretiker Robert Nozick war die Beto­nung individueller Freiheit verbunden mit dem Verständnis für die grundlegende Bedeu­tung einer regelgeleiteten öffent­lichen Ordnung. Bei Thiel, Vance und Musk bleibt davon nur eine vulgäre Verkürzung, bei der die individuelle Freiheit verabsolutiert wird, ohne die Wechselwirkung mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie mit­zudenken. Besonders deutlich zeigt sich dies etwa im Unwillen von Musk, in seiner Funktion als Regierungsmitarbeiter gel­ten­des Recht einzuhalten.

Was sich als libertäres Denken ausgibt, ist so letztlich nicht mehr als Ausdruck des Strebens nach uneingeschränkter Macht. Dazu passt die sehr weitgehende Zurückweisung der Idee öffentlicher Regulierung. Aber auch die Offenheit für unverhüllt autoritäre Politikvorstellungen, die sich etwa in der Geringschätzung demokra­tischer Wahlen offenbart, ist kein Zufall, sondern fügt sich naht­los ein. Die politischen Ambitionen von Trump sind für diese Unternehmer entsprechend attraktiv.

Eine ähnlich verkürzte Form libertären Denkens findet sich in der Branche der Krypto-Währungsunternehmen. Auch diese zählten zu den frühen Unterstützern von Trumps zweiter Wahlkampfkampagne. Hatte Trump in der Vergangenheit Krypto­währungen noch als »Spielerei« abgetan, so änderte sich sein Bild in dem Moment, als die Firmen aus der Krypto-Branche sich be­reiterklärten, seinen Wahl­kampf in erheb­lichem Maße zu unterstützen. Noch wenige Tage vor seiner Vereidigung als Präsident schuf Trump seine eigene Kryptowährung. Als weitere Gegenleistung wurde kurz nach seinem Amtsantritt der zu lebenslänglicher Haft verurteilte Betreiber der illegalen Handelsplattform »Silk Road« begnadigt; über die Plattform waren unter anderem Drogen, Geldwäsche und Auftragsmorde vermittelt worden. Im März folgte die An­kündigung, Kryptowährungen in eine staatliche Währungsreserve aufzunehmen.

Der Kniefall beim Amtsantritt

Unternehmer, die sich bis zur Wahl noch politisch bedeckt gehalten hatten, wollten nach der Wahl nicht zurückstehen. Viel berichtet wurde darüber, wie Mark Zucker­berg in den Wochen nach der Wahl auf Änderungen bei den Mechanismen zur Moderation von Inhalten auf den Platt­formen des Meta-Konzerns hingewirkt hat: Unter anderem stellte das Tech-Unterneh­men das Programm zur Überprüfung von Faktenaussagen durch unabhängige zivil­gesellschaftliche Organisationen ein; gleich­zeitig will Meta seine Algorithmen so um­stellen, dass den Nutzern wieder vermehrt politische Inhalte (z. B. im Zusammenhang mit Wahlen) angezeigt werden.

Öffentlich inszeniert wurde der neue Pakt zwischen den Tech-Unternehmern und Trump im Rahmen der Amtseinführung am 20. Januar 2025. Medienberichten zufolge zahlten die Unternehmen 1 Million US-Dol­lar, um zum kleinen Kreis der Teilnehmer zählen zu können. Auch wenn diese Summe gemessen am Vermögen der Beteiligten ge­ringfügig erscheinen mag, ist entscheidend, dass sich die Firmenchefs darauf einließen, so offen einen Tribut für den Zugang zur Macht zu zahlen. Im Ergebnis noch ent­scheidender ist, dass sie bereit waren, durch ihre prominent sichtbare Anwesenheit ihre Unterstützung für Trump öffentlich zu demonstrieren. Tref­fend, und wiederum im Rekurs auf mon­archistische Herrschaftsmuster, wurde das Verhalten dieser reichen Technologie-Elite weithin als »Kniefall« ge­wertet.

Und in der Tat gab es seitdem keinen Fall, in dem sich diese Unternehmer öffent­lich kritisch über Trump und seine Regie­rung geäußert hätten. Medial wird immer wieder auf eine Spannung hingewiesen zwischen jenen Tech-CEOs, die mit Blick auf die Interessen ihres Geschäfts und oft­mals auch vor dem Hintergrund ihrer eige­nen Lebensgeschichte gegenüber der Zu­wanderung von Fachkräften positiv ein­gestellt seien, während Trump und viele seiner Anhänger eine restriktive Migrations­politik fordern. Sofern die Tech-Unter­nehmer diese Spannung tatsächlich als solche wahrnehmen, hat sie dies seit dem Amtsantritt von Trump nicht dazu bewo­gen, dessen Migrationspolitik in der Öffentlichkeit in Frage zu stellen. Auch der Konflikt von Trumps Administration mit den Gerichten – der selbst den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten zu einer seltenen Rüge veranlasst hat – hat auf Seiten der Firmenchefs zu keiner öffentlichen Reaktion geführt.

Das Kalkül scheint auch hier zu sein, sich das Wohlgefallen des Präsidenten zu sichern und zu hoffen, für diese Art der Loyalität belohnt zu werden. Ein wichtiger Druckpunkt sind dabei laufende kartellrechtliche Verfahren. Während es nicht im Ansatz eine Diskussion über die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen von Elon Musk gibt, drohen Konzernen wie Meta, Amazon und Microsoft kartellrecht­liche Einschränkungen. Gerade für diese Unternehmen kommt dabei erschwerend hinzu, dass sie wegen ihrer vermeintlich liberalen Ausrichtung über Jahre den Zorn der MAGA-Anhänger auf sich gezogen haben. Anstelle einer systematischen kar­tellrechtlichen Politik ist zu erwarten, dass Trump das Kartellrecht weiterhin als Droh­kulisse einsetzen wird.

Ein weiterer Beleg für diese politische Instrumentalisierung ist, dass Trump den­selben Unternehmen und darüber hinaus vor allem auch dem Marktführer OpenAI noch mehr Freiräume bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz lassen will.

Zudem können die US-Firmen auf die Unterstützung von Trump gegenüber anderen Staaten rechnen. Hier trifft sich ihr Unternehmensinteresse am Zugang zu weltweiten Märkten mit dem Interesse Trumps, die Machtposition der USA auch mit technologischen Mitteln abzusichern.

US-Technologiepolitik gegen Global Governance

US-Unternehmen haben in den letzten Jahr­zehnten die globale Verbreitung neuer Tech­nologien in vielen Hinsichten geprägt. Das wahrscheinlich wichtigste Beispiel hierfür ist die Entwicklung des weltweiten Internets aus den USA heraus; in jüngerer Zeit sind US-Firmen vor allem im Bereich Künstlicher Intelligenz führend. Das aktu­elle politische Geschehen in den USA hat darum auch sehr direkt globale Auswirkungen.

Multilaterale Technologiepolitik

Es muss davon ausgegangen werden, dass sich die US-Regierung gegen jegliche Art von verpflichtender digitaler Global Gover­nance wenden wird. Noch im September des letzten Jahres wurde im Rahmen der Vereinten Nationen der globale Digitalpakt (»Global Digital Compact«, GDC) verabschie­det. Zwar war der Preis für den Kon­sens unter den Mitgliedstaaten, dass die Beant­wortung vieler Detail­fragen auf zukünftige Verhandlungen verschoben wurde; ver­einbart wurde aber doch das Ziel, wesent­liche Entwicklungen im Bereich digitaler Technologien im Rah­men der VN gemeinsam zu regulieren.

So wie die USA unter Trump II im Inland darauf setzen, Technologie-Unternehmen möglichst viele Freiheiten einzuräumen, ist nicht davon auszugehen, dass dieselbe Regie­rung sich bereitfindet, inter­national bindende Verpflichtungen im Bereich der digitalen Governance einzugehen. Und kein anderer Staat wäre in der Lage, den nötigen Druck aufzubauen, um den USA dies ab­zunötigen. Dies wird insbe­sondere auch die Ansätze zur globalen Regulierung von KI treffen. Einen ersten Eindruck davon gab der »KI-Gipfel« in Frank­reich im Februar 2025. Die US-Delegation war nicht einmal bereit, die nicht bindende Abschlusserklärung des Gipfels mitzutragen.

Wohl als Zugeständnis betei­ligte sich auch die britische Regierung nicht an der Abschlusserklärung – dabei hatte sie selbst beim Vorgängergipfel in 2023 in London noch eine solche Erklärung initiiert.

Der Handlungsspielraum für Deutschland und Europa ist an dieser Stelle gering. Ohne die USA, oder sogar gegen die USA, lässt sich eine globale Digital-Governance aus Europa heraus nicht aufbauen. Auf ab­sehbare Zeit sollte daher die Leitlinie poli­tischen Handelns an dieser Stelle eher darin bestehen, von der Abwesenheit effek­tiver globaler Regulierung auszugehen. Das er­höht die Anforderungen an regionale und nationale Governance.

Internet-Governance

Auch für die Internet-Governance stehen die Zeichen schlecht (vgl. als Hintergrund hierzu SWP-Studie 12/2019). Mit Aus­nahme von Trump I haben alle US-Regierungen seit Ende der 1990er Jahre das sogenannte »Multistakeholder«-Modell unterstützt. In diesem Jahr nun stehen die Verhandlungen über eine Erneuerung des Mandats für das Internet Governance Forum (IGF) der VN an. Hierbei wird es nicht möglich sein, auf die Unterstützung der USA zu setzen; im schlimmsten Fall werden die USA selbst dazu beitragen, das IGF zu Fall zu bringen.

Die wohl größte Gefahr besteht hier aller­dings in Bezug auf die Internet Cor­poration for Assigned Names and Numbers (ICANN). ICANN verwaltet das globale Adressbuch des Internets und ist die Grund­lage für ein gemeinsames globales Internet. In einem langen Prozess hatten frühere US-Regierungen die Kontrolle über ICANN ab­gegeben, so dass sich die Organisation nun über international besetzte Multistake­holder-Strukturen selbst verwaltet. Schon unter Trump I gab es Überlegungen, dies rückgängig zu machen. Die damit verbundene Hoffnung war, die Kontrolle über diese zentrale globale Infrastruktur aus­zubauen. Würde dieser Gedanke unter Trump II wieder aufgegriffen und in die Tat umgesetzt, wäre allerdings zu befürchten, dass sich als Reaktion auf eine solche Ent­scheidung andere Staaten von dieser Struk­tur lösen – und so das globale Internet zerfallen würde.

Was auf den ersten Blick wie ein Nischen­thema erscheinen mag, hat weitreichende Konsequenzen. Dementsprechend ist es für die deutsche und europäische Politik wich­tig, die diesbezüglichen Debatten innerhalb der Trump-Administration genau zu ver­folgen – und bereit zu sein, gegebenenfalls den Konflikt mit den USA über diese An­gelegenheit auszuhalten. An dieser Stelle wäre es sicher möglich, eine Vielzahl inter­nationaler Verbündeter zu finden; aus­zuloten wäre zudem eine Zusammenarbeit mit dem Bundesstaat Kali­fornien, in dem sich der Hauptsitz von ICANN befindet.

US-Technologiepolitik gegen Europa

Die zu erwartenden Konflikte auf globaler Ebene legen es nahe, die europäische Ebene der Digital- und Technologiepolitik stärker zu betonen. In der Tat hat die EU über die letzten Jahre einen umfassenden regulatorischen Rahmen für die Entwicklung und Nutzung von Technologien erarbeitet. Die­ser ist getragen von der grundrechtlichen Bedeutung des Datenschutzes und umfasst kartellrechtliche Vorgaben für den Umgang mit großen Plattformen, Vorgaben zur IT-Sicherheit kritischer Infrastrukturen und Vorgaben zur Regulierung digitaler Öffent­lichkeiten, die dem Schutz demokratischer Verfahren dienen.

Wie vor kurzem im Draghi-Bericht aus­führlich dokumentiert, kann Europa techno­logisch schon seit vielen Jahren nicht mehr mit den USA Schritt halten. Tatsächlich wird Europa im Digitalbereich von US-Unternehmen dominiert und ist von diesen abhängig. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen: Die öffentliche Verwaltung großer Teile Europas wäre gefährdet, wenn Microsoft die Bereitstellung von Sicherheits­updates einstellen würde; eine Vielzahl europäischer Unternehmen ist für den täg­lichen Betrieb auf Cloud-Services von US-Anbietern angewiesen; der öffentliche Dis­kurs schließlich wird in Europa aktuell wesentlich durch die Vorgaben von Tech-Firmen wie X/Twitter, Meta und Google geprägt. Hinzu kommt hier mit TikTok eine erstarkende, nicht minder problematische Plattform aus China.

EU-Regulierung im Fokus

Im Ergebnis richten sich viele der digital­politischen Vorgaben auf europäischer Ebene an US-Unternehmen. Das war schon in der Vergangenheit nicht einfach, wird nun aber zu einem noch größeren Problem, wenn sich die Trump-Administration im Sinne des beschriebenen Paktes mit den Chefs der Tech-Firmen noch stärker als in der Vergangenheit als Vertreterin von deren Inter­essen versteht – und dabei sehr grund­legend in Frage stellt, dass Staaten als Teil ihrer Souveränität Wirtschaftsunternehmen eigene Vorgaben machen. So be­auftragte Trump mit einem Memorandum vom 21. Februar eine Reihe von US-Behör­den damit, die vermeintlich »unfaire« Be­hand­lung von US-Unternehmen zu unter­suchen, mit explizitem Verweis auf die EU. Erschwerend kommt hinzu, dass Trump offenbar eine tiefsitzende persönliche Ab­neigung gegen die EU hegt.

Zu befürchten ist, dass die Trump-Ad­ministration von der EU verlangen wird, einen Großteil ihrer regulatorischen Vor­gaben aufzuheben – oder zumindest die An­wendung für US-Unternehmen aus­zusetzen. Schon jetzt hat die US-Regierung europäische Unternehmen, die Verträge mit US-Behörden haben, aufgefordert, sich an die Vorgaben der Verordnung von Trump zur Beendigung von Programmen zu halten, die die Sicherung von Diversität, Gleichstellung und Inklusion (Diversity, Equity and Inclusion, DEI) zum Ziel haben.

Im Wahlkampf stellte Vizepräsident Vance eine Verbindung zur Sicherheits­politik her, indem er öffentlich fragte, warum die USA den Euro­päern Schutz im Rahmen der Nato-Allianz bieten sollten, wenn zugleich die Europäer es wagten, Firmen wie X zu regulieren. Beim Weltwirtschaftstreffen in Davos im Januar 2025 machte Trump deutlich, dass er die Regu­lierung von US-Unternehmen in Europa als zusätzlichen Zoll für amerikanische Wirt­schaftsakteure verstehe – und stellte so einen Zusammenhang mit der Zoll- und Handelspolitik her.

Schon lange ist die Regierung in Peking bemüht, das Projekt einer gemeinsamen europäischen Digital- und Technologie­politik zu unterminieren; im Rahmen der »Belt and Road Initiative« setzt China dar­auf, seinen techno­logischen Einfluss aus­zubauen – durch Infrastrukturprojekte in Entwicklungs­ländern, aber auch in Europa. Nun kommt noch weiterer, massiver Druck aus Washington hinzu.

Die Gefahren europäischer Uneinigkeit

Gelingt es den USA, ihre Vorstellungen durch­zusetzen, wären die negativen Folgen für Europa massiv. Wirtschaftlich würde ein Verzicht auf die Durchsetzung kartell­rechtlicher Verfahren seitens der EU den US-Firmen erlauben, ihre Dominanz in Europa zu festigen und weiter auszubauen. Mittelfristig würde es die wirtschaftliche Stellung der EU erheblich gefährden, wenn damit die Entwicklungsmöglichkeiten euro­päischer Unternehmen in diesen wichtigen Zukunftssektoren massiv eingeschränkt würden. Politisch wären die Folgen wo­mög­lich noch kurzfristiger zu spüren: Ohne eine Regulierung digitaler Öffentlichkeiten ist davon auszugehen, dass diese in Zukunft noch mehr als Mittel zur Verbreitung rechts­populistischer, autoritär gesinnter Politikvorstellungen genutzt werden und die Grundlagen demokratischer Willens­bildung unterminieren. Und sollte die US-Regie­rung die Tech-Unternehmen dazu drängen, die Mechanismen zur Verschlüs­selung von Nutzer-Daten aufzuweichen, wären wesentliche Grundrechte in Gefahr.

Anders als auf globaler Ebene gibt es auf europäischer Ebene allerdings echte Hand­lungsoptionen für Europa. Auf lange Sicht besteht die Chance, durch regulatorische Erleichterungen (wie z. B. eine europaweit einheitliche Anwendung der Datenschutzgrundverordnung) und ausreichend große finanzielle Engagements im Bereich der Forschungsförderung und der öffentlichen Aufträge die technologische Eigenständigkeit wieder auszubauen. Kurz- und mittel­fristig ist es möglich, an der europäischen Digitalpolitik auch gegen die geballte Macht der US-Unternehmen und der US-Regierung festzuhalten. Dies setzt allerdings auf Seiten Europas die Bereitschaft zu einem lang­wierigen Konflikt mit erheblichen wirtschaft­lichen und vermutlich auch politischen Kosten voraus. Die bisherigen Äuße­rungen von Trump deuten darauf hin, dass er mit weiteren Zollerhöhungen oder der Einschränkung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit reagieren könnte. Ein solcher Konflikt wäre wohl nur dann durch­zuhalten, wenn es gelänge, innerhalb Europas ein gemeinsames Verständnis von der Bedeutung der Digitalpolitik für die europäische Wirt­schaft und Politik zu schaffen.

Bislang ist Europa in vielen der hierfür entscheidenden Fragen jedoch uneins: Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni liebäugelt damit, aus dem gemeinsamen europäischen Satellitenprojekt Iris2 auszusteigen und sich stattdessen lang­fristig auf die Dienste von Musks Starlink festzulegen; das Bekenntnis zu zuverläs­siger Ende-zu-Ende-Verschlüsselung steht innerhalb der EU in der Debatte über die sogenannte »Chatkontrolle« auf der Kippe und wird durch Großbritannien offensiv in Frage gestellt; über alle Länder hinweg mangelt es an einer klaren Linie gegenüber Firmen wie X und TikTok. So sinnvoll ein gemeinsames technologiepolitisches Vor­gehen Europas wäre, kann dieses daher keineswegs vorausgesetzt werden.

Die neue Bundesregierung könnte ihr Gewicht in Europa nutzen, um in diesen Fragen eine gemeinsame Positionierung zu bewirken. Andernfalls müsste sie sich dar­auf einstellen, dass Europa den Vorstößen der USA unter Trump in der Technologie­politik wenig entgegenzusetzen hat.

US-Technologiepolitik gegen Deutschland?

Bislang scheint für die US-Administration technologiepolitisch vor allem die EU im Fokus zu stehen. Gelingt es Europa nicht, hier geschlossen aufzutreten, wäre Deutsch­land darauf zurückgeworfen, den beschriebenen Folgen für Politik und Wirt­schaft mit den Instrumenten nationaler Politik ent­gegenzutreten.

Langfristig gibt es hier durchaus Handlungs­möglichkeiten. Im Zusammenspiel öffentlicher Fördergelder, öffentlicher Auf­träge und privater Initiative könnte Deutsch­land sich darum bemühen, über die nächsten Jahrzehnte wieder mehr technologische Eigenständigkeit zu gewinnen. Ziel kann dabei sinnvollerweise nicht nationale Autarkie sein; wohl aber der Ausbau eige­ner Fähigkeiten und die Diversifizierung von Lieferketten für Hardware und Software. Die nicht wenig anspruchsvolle Voraus­setzung dafür wäre aber, die für eine solche Agenda notwendigen finanziellen Ressourcen über einen längeren Zeitraum verlässlich bereitzustellen.

Kurz- bis mittelfristig würde es darauf ankommen, zumindest im nationalen Rah­men essentielle digitale Infrastrukturen so souverän auszugestalten, dass sie nicht als Druckmittel der US-Regierung eingesetzt werden können. Dies betrifft etwa die öffent­liche Verwaltung, die Netz-Infrastruk­turen, digitale Identitäten und auch den weiten Bereich der für die Demo­kratie in Deutschland zentralen digitalen Öffentlichkeiten. Veränderungen wären in diesen Bereichen auch in überschaubarer Zeit mög­lich. Aller­dings braucht es dafür ent­schlossenes poli­tisches Handeln. Um die Größenordnung der damit verbundenen Aufgaben mit einem Vergleich zu verdeut­lichen: Ein solches Programm wäre ähnlich tiefgreifend und zäsurhaft wie der Ausstieg aus der Atomkraft oder die Abkehr von Gaslieferungen aus Russland. Wie in diesen beiden Fällen aus dem Bereich der Energie­politik wäre damit zu rechnen, dass ein solches Vorgehen auf innenpolitische Wider­stände stoßen und zumindest kurz­fristig substantielle zusätzliche Kosten mit sich bringen würde.

Hinzu kommt, dass in diesem Fall die Bundesregierung dem mit einem derartigen Vorgehen verbundenen Konflikt mit der Trump-Administration standhalten müsste. Denn im Ergebnis würde eine solche Politik darauf hinauslaufen, die Marktstellung der US-Tech-Unternehmen zu begrenzen.

Wie auf europäischer Ebene wird auch im nationalen Rahmen entscheidend sein, ob es gelingt, die strategische Bedeutung der Digitalpolitik zu erkennen, die von Trump ausgehende Bedrohung nüchtern anzuerkennen und daraus schließlich die nötigen Konsequenzen zu ziehen.

Dr. Daniel Voelsen ist Leiter der Forschungsgruppe Globale Fragen.

Dieses Werk ist lizenziert unter CC BY 4.0

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DOI: 10.18449/2025A14