Mit der Amtsübernahme von Donald Trump zeichnet sich eine Entwicklung der US‑Technologiepolitik ab, die für Deutschland und Europa eine Gefahr darstellt. Die großen US-Technologiekonzerne scheinen willens, Trumps Bemühen um eine autoritäre Umgestaltung der USA mitzutragen – als Gegenleistung stellt er ihnen eine Politik der Deregulierung im In- und Ausland und damit eine weitere Stärkung ihrer Marktposition in Aussicht. Im Außenverhältnis richtet sich diese Politik explizit gegen die europäische Digitalpolitik und bedroht das europäische Wirtschaftsmodell ebenso wie die hiesigen demokratischen Strukturen. Ein geschlossenes Auftreten Europas wäre erstrebenswert; parallel kommt es für die neue Bundesregierung darauf an, sich im Rahmen nationaler Politik auf die zu erwartenden technologiepolitischen Konflikte mit den USA vorzubereiten.
Seit seinem erneuten Amtsantritt im Januar 2025 verfolgt Trump eine autoritäre Umgestaltung des US-Regierungssystems. Er arbeitet darauf hin, die etablierte Gewaltenteilung zu seinen Gunsten zu verändern. Dazu setzt er auf eine massive Reorganisation des Regierungsapparats, auf die Besetzung von zentralen Positionen in den Sicherheitsbehörden mit Personen wie Kash Patel und Tulsi Gabbard, die sich vor allem durch die Loyalität gegenüber seiner Person auszeichnen, und auf wachsenden Druck auf die Presse und die Universitäten des Landes. Die autoritären Ambitionen zeigen sich offen, wenn sein Vize J. D. Vance öffentlich erklärt, es sei nicht Sache von Gerichten, die »legitime Macht« des Präsidenten zu kontrollieren, oder wenn Trump selbst andeutet, ihm stehe eine von der Verfassung eigentlich ausgeschlossene dritte Amtszeit zu.
Außenpolitisch finden diese autoritären Ambitionen ihre Entsprechung darin, dass Trump und zentrale Vertreter seiner Regierung immer wieder in öffentlichen Statements das Recht auf demokratische Selbstbestimmung anderer Länder unverhüllt in Frage zu stellen, sei es mit Blick auf die Ukraine oder auf Dänemark.
Die Technologiebranche ist dabei für Trump in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Innenpolitisch stellt sie einen wichtigen Machtfaktor dar, von dem Widerstand gegen seine Politik ausgehen könnte; außenpolitisch ist sie eine wesentliche Grundlage für die Macht der USA im Verhältnis zu anderen Staaten.
Konturen eines neuen Paktes zwischen Trump und den Tech-Unternehmen
Auch die Vorgänger Trumps wussten um diese zwei Seiten der Macht von Technologie-Unternehmen. So war etwa die Biden-Administration bemüht, mit Hilfe des Kartellrechts der massiven Konzentration wirtschaftlicher Macht in diesem Bereich ein Stück weit entgegenzuwirken – ohne dabei aber die internationale Stellung der Tech-Konzerne gefährden zu wollen. Damit wiederholten sich im Verhältnis zu »Big Tech« Debatten, die sich in der Geschichte der USA auch schon an der Macht von »Big Oil« und »Big Tobacco« entzündet hatten.
Trump wählt einen anderen Weg. In monarchischer Anmutung fordert er von den Führern der Unternehmen Loyalität gegenüber seiner Politik und seiner Person ein, also den Verzicht auf Kritik an seinen autoritären Ambitionen. Im Gegenzug stellt er ihnen eine Politik der regulatorischen Zurückhaltung in Aussicht, verbunden mit einer offensiven Förderung ihrer Interessen im Ausland. Zugespitzt: Trump unterstützt die Tech-Unternehmen in ihrem Profitstreben, solange diese sich ihm politisch nicht in den Weg stellen.
Frühe Unterstützer
Einige Unternehmer (und in diesem Fall ist die rein männliche Form passend) hatten das Potential dieses Paktes schon früh erkannt. War Peter Thiel, der einflussreiche Tech-Investor, in der Vergangenheit noch offen kritisch gegenüber Trump, so änderte er im Wahlkampf 2016 seine Haltung und unterstützte Trump durch öffentliche Auftritte und auch finanziell. Auch in den folgenden Jahren hielt seine Unterstützung an, wenngleich er 2023 erklärte, sich aus Enttäuschung über Trumps erste Administration im Wahlkampf 2024 zurückhalten zu wollen. Dennoch war die Wiederwahl Trumps auch für Thiel persönlich ein Erfolg: Denn im Vorfeld der Wahlen hatte Trump ebenjenen Vance zum Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten auserkoren, dessen politische Karriere Thiel über Jahre massiv gefördert hatte. Was letztlich den Ausschlag für die Entscheidung zugunsten von Vance gab, lässt sich auf Basis der öffentlich zugänglichen Informationen nicht abschließend beurteilen; im Ergebnis aber hat sich das langjährige Engagement von Thiel für ihn ausgezahlt, verfügt er doch mit Vance nun über einen direkten Zugang zum Machtzentrum der US-Regierung.
Noch intensiver, und zu Recht medial stark beobachtet, ist das Verhältnis zwischen Elon Musk und Trump. Der derzeit reichste Mensch der Welt entschied sich, vor allem in der Endphase des Wahlkampfs, die Kampagne von Trump mit großem Einsatz zu unterstützen: finanziell, aber insbesondere auch mit Hilfe seiner Plattform X und nicht zuletzt, indem er seine Reputation als erfolgreicher Unternehmer für Trump in die Waagschale warf. Belohnt wurde Musk nach der Wahl mit der Freiheit, als »besonderer Regierungsangestellter« (Special Government Employee) die US-Regierung unter dem Deckmantel vermeintlicher Effizienzsteigerung nach seinen Vorstellungen umzugestalten.
Autoritäres Denken im libertären Gewand
Besonders deutlich zeigt sich hier eine ideologische Schnittmenge zwischen Thiel, Vance und Musk: Was diese drei und ihr weiteres Umfeld eint, ist die vulgär-libertäre Vorstellung, dass der Staat den Unternehmern freie Hand lassen solle. Bei ernstzunehmenden Libertären wie dem politischen Theoretiker Robert Nozick war die Betonung individueller Freiheit verbunden mit dem Verständnis für die grundlegende Bedeutung einer regelgeleiteten öffentlichen Ordnung. Bei Thiel, Vance und Musk bleibt davon nur eine vulgäre Verkürzung, bei der die individuelle Freiheit verabsolutiert wird, ohne die Wechselwirkung mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie mitzudenken. Besonders deutlich zeigt sich dies etwa im Unwillen von Musk, in seiner Funktion als Regierungsmitarbeiter geltendes Recht einzuhalten.
Was sich als libertäres Denken ausgibt, ist so letztlich nicht mehr als Ausdruck des Strebens nach uneingeschränkter Macht. Dazu passt die sehr weitgehende Zurückweisung der Idee öffentlicher Regulierung. Aber auch die Offenheit für unverhüllt autoritäre Politikvorstellungen, die sich etwa in der Geringschätzung demokratischer Wahlen offenbart, ist kein Zufall, sondern fügt sich nahtlos ein. Die politischen Ambitionen von Trump sind für diese Unternehmer entsprechend attraktiv.
Eine ähnlich verkürzte Form libertären Denkens findet sich in der Branche der Krypto-Währungsunternehmen. Auch diese zählten zu den frühen Unterstützern von Trumps zweiter Wahlkampfkampagne. Hatte Trump in der Vergangenheit Kryptowährungen noch als »Spielerei« abgetan, so änderte sich sein Bild in dem Moment, als die Firmen aus der Krypto-Branche sich bereiterklärten, seinen Wahlkampf in erheblichem Maße zu unterstützen. Noch wenige Tage vor seiner Vereidigung als Präsident schuf Trump seine eigene Kryptowährung. Als weitere Gegenleistung wurde kurz nach seinem Amtsantritt der zu lebenslänglicher Haft verurteilte Betreiber der illegalen Handelsplattform »Silk Road« begnadigt; über die Plattform waren unter anderem Drogen, Geldwäsche und Auftragsmorde vermittelt worden. Im März folgte die Ankündigung, Kryptowährungen in eine staatliche Währungsreserve aufzunehmen.
Der Kniefall beim Amtsantritt
Unternehmer, die sich bis zur Wahl noch politisch bedeckt gehalten hatten, wollten nach der Wahl nicht zurückstehen. Viel berichtet wurde darüber, wie Mark Zuckerberg in den Wochen nach der Wahl auf Änderungen bei den Mechanismen zur Moderation von Inhalten auf den Plattformen des Meta-Konzerns hingewirkt hat: Unter anderem stellte das Tech-Unternehmen das Programm zur Überprüfung von Faktenaussagen durch unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen ein; gleichzeitig will Meta seine Algorithmen so umstellen, dass den Nutzern wieder vermehrt politische Inhalte (z. B. im Zusammenhang mit Wahlen) angezeigt werden.
Öffentlich inszeniert wurde der neue Pakt zwischen den Tech-Unternehmern und Trump im Rahmen der Amtseinführung am 20. Januar 2025. Medienberichten zufolge zahlten die Unternehmen 1 Million US-Dollar, um zum kleinen Kreis der Teilnehmer zählen zu können. Auch wenn diese Summe gemessen am Vermögen der Beteiligten geringfügig erscheinen mag, ist entscheidend, dass sich die Firmenchefs darauf einließen, so offen einen Tribut für den Zugang zur Macht zu zahlen. Im Ergebnis noch entscheidender ist, dass sie bereit waren, durch ihre prominent sichtbare Anwesenheit ihre Unterstützung für Trump öffentlich zu demonstrieren. Treffend, und wiederum im Rekurs auf monarchistische Herrschaftsmuster, wurde das Verhalten dieser reichen Technologie-Elite weithin als »Kniefall« gewertet.
Und in der Tat gab es seitdem keinen Fall, in dem sich diese Unternehmer öffentlich kritisch über Trump und seine Regierung geäußert hätten. Medial wird immer wieder auf eine Spannung hingewiesen zwischen jenen Tech-CEOs, die mit Blick auf die Interessen ihres Geschäfts und oftmals auch vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebensgeschichte gegenüber der Zuwanderung von Fachkräften positiv eingestellt seien, während Trump und viele seiner Anhänger eine restriktive Migrationspolitik fordern. Sofern die Tech-Unternehmer diese Spannung tatsächlich als solche wahrnehmen, hat sie dies seit dem Amtsantritt von Trump nicht dazu bewogen, dessen Migrationspolitik in der Öffentlichkeit in Frage zu stellen. Auch der Konflikt von Trumps Administration mit den Gerichten – der selbst den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten zu einer seltenen Rüge veranlasst hat – hat auf Seiten der Firmenchefs zu keiner öffentlichen Reaktion geführt.
Das Kalkül scheint auch hier zu sein, sich das Wohlgefallen des Präsidenten zu sichern und zu hoffen, für diese Art der Loyalität belohnt zu werden. Ein wichtiger Druckpunkt sind dabei laufende kartellrechtliche Verfahren. Während es nicht im Ansatz eine Diskussion über die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen von Elon Musk gibt, drohen Konzernen wie Meta, Amazon und Microsoft kartellrechtliche Einschränkungen. Gerade für diese Unternehmen kommt dabei erschwerend hinzu, dass sie wegen ihrer vermeintlich liberalen Ausrichtung über Jahre den Zorn der MAGA-Anhänger auf sich gezogen haben. Anstelle einer systematischen kartellrechtlichen Politik ist zu erwarten, dass Trump das Kartellrecht weiterhin als Drohkulisse einsetzen wird.
Ein weiterer Beleg für diese politische Instrumentalisierung ist, dass Trump denselben Unternehmen und darüber hinaus vor allem auch dem Marktführer OpenAI noch mehr Freiräume bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz lassen will.
Zudem können die US-Firmen auf die Unterstützung von Trump gegenüber anderen Staaten rechnen. Hier trifft sich ihr Unternehmensinteresse am Zugang zu weltweiten Märkten mit dem Interesse Trumps, die Machtposition der USA auch mit technologischen Mitteln abzusichern.
US-Technologiepolitik gegen Global Governance
US-Unternehmen haben in den letzten Jahrzehnten die globale Verbreitung neuer Technologien in vielen Hinsichten geprägt. Das wahrscheinlich wichtigste Beispiel hierfür ist die Entwicklung des weltweiten Internets aus den USA heraus; in jüngerer Zeit sind US-Firmen vor allem im Bereich Künstlicher Intelligenz führend. Das aktuelle politische Geschehen in den USA hat darum auch sehr direkt globale Auswirkungen.
Multilaterale Technologiepolitik
Es muss davon ausgegangen werden, dass sich die US-Regierung gegen jegliche Art von verpflichtender digitaler Global Governance wenden wird. Noch im September des letzten Jahres wurde im Rahmen der Vereinten Nationen der globale Digitalpakt (»Global Digital Compact«, GDC) verabschiedet. Zwar war der Preis für den Konsens unter den Mitgliedstaaten, dass die Beantwortung vieler Detailfragen auf zukünftige Verhandlungen verschoben wurde; vereinbart wurde aber doch das Ziel, wesentliche Entwicklungen im Bereich digitaler Technologien im Rahmen der VN gemeinsam zu regulieren.
So wie die USA unter Trump II im Inland darauf setzen, Technologie-Unternehmen möglichst viele Freiheiten einzuräumen, ist nicht davon auszugehen, dass dieselbe Regierung sich bereitfindet, international bindende Verpflichtungen im Bereich der digitalen Governance einzugehen. Und kein anderer Staat wäre in der Lage, den nötigen Druck aufzubauen, um den USA dies abzunötigen. Dies wird insbesondere auch die Ansätze zur globalen Regulierung von KI treffen. Einen ersten Eindruck davon gab der »KI-Gipfel« in Frankreich im Februar 2025. Die US-Delegation war nicht einmal bereit, die nicht bindende Abschlusserklärung des Gipfels mitzutragen.
Wohl als Zugeständnis beteiligte sich auch die britische Regierung nicht an der Abschlusserklärung – dabei hatte sie selbst beim Vorgängergipfel in 2023 in London noch eine solche Erklärung initiiert.
Der Handlungsspielraum für Deutschland und Europa ist an dieser Stelle gering. Ohne die USA, oder sogar gegen die USA, lässt sich eine globale Digital-Governance aus Europa heraus nicht aufbauen. Auf absehbare Zeit sollte daher die Leitlinie politischen Handelns an dieser Stelle eher darin bestehen, von der Abwesenheit effektiver globaler Regulierung auszugehen. Das erhöht die Anforderungen an regionale und nationale Governance.
Internet-Governance
Auch für die Internet-Governance stehen die Zeichen schlecht (vgl. als Hintergrund hierzu SWP-Studie 12/2019). Mit Ausnahme von Trump I haben alle US-Regierungen seit Ende der 1990er Jahre das sogenannte »Multistakeholder«-Modell unterstützt. In diesem Jahr nun stehen die Verhandlungen über eine Erneuerung des Mandats für das Internet Governance Forum (IGF) der VN an. Hierbei wird es nicht möglich sein, auf die Unterstützung der USA zu setzen; im schlimmsten Fall werden die USA selbst dazu beitragen, das IGF zu Fall zu bringen.
Die wohl größte Gefahr besteht hier allerdings in Bezug auf die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN). ICANN verwaltet das globale Adressbuch des Internets und ist die Grundlage für ein gemeinsames globales Internet. In einem langen Prozess hatten frühere US-Regierungen die Kontrolle über ICANN abgegeben, so dass sich die Organisation nun über international besetzte Multistakeholder-Strukturen selbst verwaltet. Schon unter Trump I gab es Überlegungen, dies rückgängig zu machen. Die damit verbundene Hoffnung war, die Kontrolle über diese zentrale globale Infrastruktur auszubauen. Würde dieser Gedanke unter Trump II wieder aufgegriffen und in die Tat umgesetzt, wäre allerdings zu befürchten, dass sich als Reaktion auf eine solche Entscheidung andere Staaten von dieser Struktur lösen – und so das globale Internet zerfallen würde.
Was auf den ersten Blick wie ein Nischenthema erscheinen mag, hat weitreichende Konsequenzen. Dementsprechend ist es für die deutsche und europäische Politik wichtig, die diesbezüglichen Debatten innerhalb der Trump-Administration genau zu verfolgen – und bereit zu sein, gegebenenfalls den Konflikt mit den USA über diese Angelegenheit auszuhalten. An dieser Stelle wäre es sicher möglich, eine Vielzahl internationaler Verbündeter zu finden; auszuloten wäre zudem eine Zusammenarbeit mit dem Bundesstaat Kalifornien, in dem sich der Hauptsitz von ICANN befindet.
US-Technologiepolitik gegen Europa
Die zu erwartenden Konflikte auf globaler Ebene legen es nahe, die europäische Ebene der Digital- und Technologiepolitik stärker zu betonen. In der Tat hat die EU über die letzten Jahre einen umfassenden regulatorischen Rahmen für die Entwicklung und Nutzung von Technologien erarbeitet. Dieser ist getragen von der grundrechtlichen Bedeutung des Datenschutzes und umfasst kartellrechtliche Vorgaben für den Umgang mit großen Plattformen, Vorgaben zur IT-Sicherheit kritischer Infrastrukturen und Vorgaben zur Regulierung digitaler Öffentlichkeiten, die dem Schutz demokratischer Verfahren dienen.
Wie vor kurzem im Draghi-Bericht ausführlich dokumentiert, kann Europa technologisch schon seit vielen Jahren nicht mehr mit den USA Schritt halten. Tatsächlich wird Europa im Digitalbereich von US-Unternehmen dominiert und ist von diesen abhängig. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen: Die öffentliche Verwaltung großer Teile Europas wäre gefährdet, wenn Microsoft die Bereitstellung von Sicherheitsupdates einstellen würde; eine Vielzahl europäischer Unternehmen ist für den täglichen Betrieb auf Cloud-Services von US-Anbietern angewiesen; der öffentliche Diskurs schließlich wird in Europa aktuell wesentlich durch die Vorgaben von Tech-Firmen wie X/Twitter, Meta und Google geprägt. Hinzu kommt hier mit TikTok eine erstarkende, nicht minder problematische Plattform aus China.
EU-Regulierung im Fokus
Im Ergebnis richten sich viele der digitalpolitischen Vorgaben auf europäischer Ebene an US-Unternehmen. Das war schon in der Vergangenheit nicht einfach, wird nun aber zu einem noch größeren Problem, wenn sich die Trump-Administration im Sinne des beschriebenen Paktes mit den Chefs der Tech-Firmen noch stärker als in der Vergangenheit als Vertreterin von deren Interessen versteht – und dabei sehr grundlegend in Frage stellt, dass Staaten als Teil ihrer Souveränität Wirtschaftsunternehmen eigene Vorgaben machen. So beauftragte Trump mit einem Memorandum vom 21. Februar eine Reihe von US-Behörden damit, die vermeintlich »unfaire« Behandlung von US-Unternehmen zu untersuchen, mit explizitem Verweis auf die EU. Erschwerend kommt hinzu, dass Trump offenbar eine tiefsitzende persönliche Abneigung gegen die EU hegt.
Zu befürchten ist, dass die Trump-Administration von der EU verlangen wird, einen Großteil ihrer regulatorischen Vorgaben aufzuheben – oder zumindest die Anwendung für US-Unternehmen auszusetzen. Schon jetzt hat die US-Regierung europäische Unternehmen, die Verträge mit US-Behörden haben, aufgefordert, sich an die Vorgaben der Verordnung von Trump zur Beendigung von Programmen zu halten, die die Sicherung von Diversität, Gleichstellung und Inklusion (Diversity, Equity and Inclusion, DEI) zum Ziel haben.
Im Wahlkampf stellte Vizepräsident Vance eine Verbindung zur Sicherheitspolitik her, indem er öffentlich fragte, warum die USA den Europäern Schutz im Rahmen der Nato-Allianz bieten sollten, wenn zugleich die Europäer es wagten, Firmen wie X zu regulieren. Beim Weltwirtschaftstreffen in Davos im Januar 2025 machte Trump deutlich, dass er die Regulierung von US-Unternehmen in Europa als zusätzlichen Zoll für amerikanische Wirtschaftsakteure verstehe – und stellte so einen Zusammenhang mit der Zoll- und Handelspolitik her.
Schon lange ist die Regierung in Peking bemüht, das Projekt einer gemeinsamen europäischen Digital- und Technologiepolitik zu unterminieren; im Rahmen der »Belt and Road Initiative« setzt China darauf, seinen technologischen Einfluss auszubauen – durch Infrastrukturprojekte in Entwicklungsländern, aber auch in Europa. Nun kommt noch weiterer, massiver Druck aus Washington hinzu.
Die Gefahren europäischer Uneinigkeit
Gelingt es den USA, ihre Vorstellungen durchzusetzen, wären die negativen Folgen für Europa massiv. Wirtschaftlich würde ein Verzicht auf die Durchsetzung kartellrechtlicher Verfahren seitens der EU den US-Firmen erlauben, ihre Dominanz in Europa zu festigen und weiter auszubauen. Mittelfristig würde es die wirtschaftliche Stellung der EU erheblich gefährden, wenn damit die Entwicklungsmöglichkeiten europäischer Unternehmen in diesen wichtigen Zukunftssektoren massiv eingeschränkt würden. Politisch wären die Folgen womöglich noch kurzfristiger zu spüren: Ohne eine Regulierung digitaler Öffentlichkeiten ist davon auszugehen, dass diese in Zukunft noch mehr als Mittel zur Verbreitung rechtspopulistischer, autoritär gesinnter Politikvorstellungen genutzt werden und die Grundlagen demokratischer Willensbildung unterminieren. Und sollte die US-Regierung die Tech-Unternehmen dazu drängen, die Mechanismen zur Verschlüsselung von Nutzer-Daten aufzuweichen, wären wesentliche Grundrechte in Gefahr.
Anders als auf globaler Ebene gibt es auf europäischer Ebene allerdings echte Handlungsoptionen für Europa. Auf lange Sicht besteht die Chance, durch regulatorische Erleichterungen (wie z. B. eine europaweit einheitliche Anwendung der Datenschutzgrundverordnung) und ausreichend große finanzielle Engagements im Bereich der Forschungsförderung und der öffentlichen Aufträge die technologische Eigenständigkeit wieder auszubauen. Kurz- und mittelfristig ist es möglich, an der europäischen Digitalpolitik auch gegen die geballte Macht der US-Unternehmen und der US-Regierung festzuhalten. Dies setzt allerdings auf Seiten Europas die Bereitschaft zu einem langwierigen Konflikt mit erheblichen wirtschaftlichen und vermutlich auch politischen Kosten voraus. Die bisherigen Äußerungen von Trump deuten darauf hin, dass er mit weiteren Zollerhöhungen oder der Einschränkung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit reagieren könnte. Ein solcher Konflikt wäre wohl nur dann durchzuhalten, wenn es gelänge, innerhalb Europas ein gemeinsames Verständnis von der Bedeutung der Digitalpolitik für die europäische Wirtschaft und Politik zu schaffen.
Bislang ist Europa in vielen der hierfür entscheidenden Fragen jedoch uneins: Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni liebäugelt damit, aus dem gemeinsamen europäischen Satellitenprojekt Iris2 auszusteigen und sich stattdessen langfristig auf die Dienste von Musks Starlink festzulegen; das Bekenntnis zu zuverlässiger Ende-zu-Ende-Verschlüsselung steht innerhalb der EU in der Debatte über die sogenannte »Chatkontrolle« auf der Kippe und wird durch Großbritannien offensiv in Frage gestellt; über alle Länder hinweg mangelt es an einer klaren Linie gegenüber Firmen wie X und TikTok. So sinnvoll ein gemeinsames technologiepolitisches Vorgehen Europas wäre, kann dieses daher keineswegs vorausgesetzt werden.
Die neue Bundesregierung könnte ihr Gewicht in Europa nutzen, um in diesen Fragen eine gemeinsame Positionierung zu bewirken. Andernfalls müsste sie sich darauf einstellen, dass Europa den Vorstößen der USA unter Trump in der Technologiepolitik wenig entgegenzusetzen hat.
US-Technologiepolitik gegen Deutschland?
Bislang scheint für die US-Administration technologiepolitisch vor allem die EU im Fokus zu stehen. Gelingt es Europa nicht, hier geschlossen aufzutreten, wäre Deutschland darauf zurückgeworfen, den beschriebenen Folgen für Politik und Wirtschaft mit den Instrumenten nationaler Politik entgegenzutreten.
Langfristig gibt es hier durchaus Handlungsmöglichkeiten. Im Zusammenspiel öffentlicher Fördergelder, öffentlicher Aufträge und privater Initiative könnte Deutschland sich darum bemühen, über die nächsten Jahrzehnte wieder mehr technologische Eigenständigkeit zu gewinnen. Ziel kann dabei sinnvollerweise nicht nationale Autarkie sein; wohl aber der Ausbau eigener Fähigkeiten und die Diversifizierung von Lieferketten für Hardware und Software. Die nicht wenig anspruchsvolle Voraussetzung dafür wäre aber, die für eine solche Agenda notwendigen finanziellen Ressourcen über einen längeren Zeitraum verlässlich bereitzustellen.
Kurz- bis mittelfristig würde es darauf ankommen, zumindest im nationalen Rahmen essentielle digitale Infrastrukturen so souverän auszugestalten, dass sie nicht als Druckmittel der US-Regierung eingesetzt werden können. Dies betrifft etwa die öffentliche Verwaltung, die Netz-Infrastrukturen, digitale Identitäten und auch den weiten Bereich der für die Demokratie in Deutschland zentralen digitalen Öffentlichkeiten. Veränderungen wären in diesen Bereichen auch in überschaubarer Zeit möglich. Allerdings braucht es dafür entschlossenes politisches Handeln. Um die Größenordnung der damit verbundenen Aufgaben mit einem Vergleich zu verdeutlichen: Ein solches Programm wäre ähnlich tiefgreifend und zäsurhaft wie der Ausstieg aus der Atomkraft oder die Abkehr von Gaslieferungen aus Russland. Wie in diesen beiden Fällen aus dem Bereich der Energiepolitik wäre damit zu rechnen, dass ein solches Vorgehen auf innenpolitische Widerstände stoßen und zumindest kurzfristig substantielle zusätzliche Kosten mit sich bringen würde.
Hinzu kommt, dass in diesem Fall die Bundesregierung dem mit einem derartigen Vorgehen verbundenen Konflikt mit der Trump-Administration standhalten müsste. Denn im Ergebnis würde eine solche Politik darauf hinauslaufen, die Marktstellung der US-Tech-Unternehmen zu begrenzen.
Wie auf europäischer Ebene wird auch im nationalen Rahmen entscheidend sein, ob es gelingt, die strategische Bedeutung der Digitalpolitik zu erkennen, die von Trump ausgehende Bedrohung nüchtern anzuerkennen und daraus schließlich die nötigen Konsequenzen zu ziehen.
Dr. Daniel Voelsen ist Leiter der Forschungsgruppe Globale Fragen.
Dieses Werk ist lizenziert unter CC BY 4.0
Das Aktuell gibt die Auffassung des Autors wieder.
SWP-Aktuells werden intern einem Begutachtungsverfahren, einem Faktencheck und einem Lektorat unterzogen. Weitere Informationen zur Qualitätssicherung der SWP finden Sie auf der SWP-Website unter https://www. swp-berlin.org/ueber-uns/ qualitaetssicherung/
SWP
Stiftung Wissenschaft und Politik
Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit
Ludwigkirchplatz 3–4
10719 Berlin
Telefon +49 30 880 07-0
Fax +49 30 880 07-100
www.swp-berlin.org
swp@swp-berlin.org
ISSN (Print) 1611-6364
ISSN (Online) 2747-5018
DOI: 10.18449/2025A14