Die Militärausgaben Russlands werden 2025 erneut beträchtlich wachsen. Sowohl die Rüstungsproduktion als auch die Rekrutierung neuer Soldaten erfordern immer größere Anstrengungen. In Teilen der russischen Wirtschaft hat die hohe staatliche Nachfrage in den vergangenen zwei Jahren einen Kriegsboom ausgelöst. Die Einkommen sind stark gestiegen, und es herrscht Aufbruchstimmung. Aufgrund des Arbeitskräftemangels und der westlichen Sanktionen ist das Wirtschaftswachstum im Laufe dieses Jahres jedoch zum Erliegen gekommen, während sich eine hartnäckige Inflation eingestellt hat. Die Zentralbank kämpft mit hohen Zinsen gegen die Preisspirale an, was die Wirtschaft bremst, die Inflation aber noch nicht dämpfen konnte. Mit Blick auf das Jahr 2025 trüben sich die Konjunkturaussichten weiter ein, wodurch Russland krisenanfälliger wird. Neue Sanktionen oder auch ein niedrigerer Ölpreis könnten eine Rezession in Gang setzen.
Am 21. November 2024 verabschiedete die russische Staatsduma den föderalen Haushalt für das kommende Jahr. Geplant ist, die Ausgaben für das Militär noch einmal deutlich aufzustocken: Der Verteidigungshaushalt soll um ein Viertel auf 13,5 Billionen Rubel steigen. Nach aktuellem Wechselkurs entspricht das 130 Milliarden Euro. Diese Zahl mag angesichts des Krieges in der Ukraine gering erscheinen, allerdings ist die Kaufkraft der Ausgaben in Russland weitaus größer. Auf deutsche Verhältnisse übertragen, würde der russische Verteidigungsetat näherungsweise 350 Milliarden Euro umfassen.
Die gesamten Militärausgaben werden wie schon im Jahr 2024 zwischen 7 und 8% des russischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen, ein Rekord in der postsowjetischen Geschichte Russlands. Im letzten Haushalt vor der Vollinvasion im Jahr 2021 hatten die Militärausgaben noch bei 3,6% des BIP gelegen. Wie groß der Anteil des Krieges an den staatlichen Ausgaben tatsächlich ist, lässt sich immer weniger trennscharf bestimmen. Der Angriff auf die Ukraine treibt auch die nichtmilitärischen Ausgaben in die Höhe, etwa im Gesundheitssystem oder für staatliche Baumaßnahmen in den besetzten ukrainischen Gebieten.
Zu Beginn der Vollinvasion im Jahr 2022 konnten die Mehrausgaben für den Krieg durch einen historischen Boom beim Energieexport finanziert werden. Seit 2023 sprudeln diese Einnahmen nicht mehr wie zuvor, weil die Preise auf internationalen Rohstoffmärkten gefallen sind und westliche Sanktionen zu Einbußen führen. Deshalb verzeichnen die öffentlichen Kassen Defizite, die indes mit etwa 2% des BIP bislang für Russland nicht bedrohlich sind. Fehlbeträge in dieser Höhe können noch für mehrere Jahre aus dem Nationalen Wohlfahrtsfonds und durch Neuverschuldung finanziert werden.
Ab 2025 sollen Steuererhöhungen dafür sorgen, dass die öffentlichen Kassen trotz wachsender Militärausgaben strukturell ausgeglichen sind: Für Gutverdiener wird die Einkommensteuer, für Unternehmen die Gewinnsteuer erhöht. Zusätzliche Einnahmen bringen auch stark steigende Importgebühren für Autos und Lastwagen. Gleichzeitig fallen im kommenden Jahr die Sozialausgaben spürbar, aber nicht wegen Leistungskürzungen, sondern weil die Zahl der Rentner zurückgeht. Grund dafür sind die schrittweise Anhebung des Rentenalters und hohe Covid-Todeszahlen. Ob das Defizit der öffentlichen Kassen tatsächlich schrumpft wie geplant, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden: Seit Beginn der Vollinvasion im Jahr 2022 waren die Ausgaben stets merklich höher als vorgesehen.
Kriegsboom stößt an Grenzen
Die erheblich gestiegene Nachfrage nach Rüstung und anderen Kriegsgütern hat in vielen russischen Regionen einen kräftigen Aufschwung bewirkt. Russlands Industrieproduktion legte im Vergleich zum Vorkriegsjahr 2021 deutlich zu. Die Ausweitung entfiel dabei fast ausschließlich auf Sektoren, die mit der Rüstungsindustrie verbunden sind. Rüstungsgüter werden nicht separat erfasst, sondern Kategorien wie »Sonstige Metallerzeugnisse« zugeordnet, deren Produktion sich seit 2021 fast verdreifacht hat.
In der russischen Rüstungsindustrie laufen die entscheidenden Fertigungslinien inzwischen rund um die Uhr. Das erklärt den Großteil des Produktionsanstiegs. Nach Angaben des russischen Vizepremiers Denis Manturow haben die russischen Rüstungskonzerne dafür seit 2023 rund 520.000 Arbeiter neu eingestellt, wobei weitere 160.000 Stellen unbesetzt sind.
Im Laufe des Jahres 2024 aber ist die Produktion laut offizieller Statistik langsamer gewachsen. Der Mangel an Facharbeitern dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein. Außerdem ist der Bau neuer Anlagen zeitaufwendig und wird durch westliche Sanktionen zumindest erschwert, weil sich spezialisierte Maschinen nicht mehr ohne Weiteres importieren lassen.
Selbst die gestiegene Produktion reicht in manchen Bereichen nicht aus, um den Materialverschleiß an der Front zu ersetzen. Das zwingt Russland, Waffen aus Iran und Nordkorea zu importieren (siehe SWP-Aktuell 53/2024). Außerdem kann die russische Rüstungsindustrie bei einigen Systemen nur deshalb hohe Stückzahlen liefern, weil sie sich an den großen Altbeständen aus Sowjetzeiten bedient. Nur rund 20% der produzierten Panzerfahrzeuge sind von Grund auf neu hergestellt. Damit zehrt Russland noch heute von den Staatsausgaben längst vergangener Jahre, um seinen Krieg gegen die Ukraine führen zu können.
Auch die Rekrutierung neuer Soldaten hat sich nach offiziellen Angaben verlangsamt und ist wesentlich teurer geworden. Laut russischem Verteidigungsministerium wurden 2023 insgesamt 540.000 Soldaten neu rekrutiert. Von Januar bis Juli 2024 kamen laut dem Stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, noch einmal 190.000 Rekruten hinzu. Diese Zahlen lassen sich kaum überprüfen, werden aber von Indizien wie den Budgetausgaben für die Rekrutierung gestützt.
Abgesehen von der Teilmobilmachung im Herbst 2022 versucht die russische Regierung, die Rekrutierung größtenteils auf freiwilliger Basis und durch üppige Geldprämien zu erreichen, auch wenn Zwang oder Druck lokal eine Rolle spielen können (siehe SWP-Aktuell 26/2024). Noch finden sich genügend Freiwillige, um die personellen Verluste an der Front zumindest zahlenmäßig auszugleichen.
Die Bonuszahlungen für Neulinge sind allerdings im Laufe des Jahres 2024 in den meisten Regionen exorbitant gestiegen. Das deutet auf Probleme bei der Anwerbung hin. Beispielsweise erhalten Rekruten in der Region Nischni Nowgorod bei Unterschrift einen regionalen Bonus von 2,6 Millionen Rubel (25.000 Euro bzw. 68.000 Euro nach Kaufkraftparität). Das ist ein Vielfaches des durchschnittlichen Monatsgehalts, das in der Region bei 66.000 Rubel liegt. Anfang 2024 hatte sich der Bonus für Rekruten noch auf 50.000 Rubel belaufen, bevor er im März auf 500.000 Rubel und im April auf eine Million Rubel erhöht wurde.
Wirtschaft überhitzt
Die enormen Ausgaben für den Krieg haben zu einem starken Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geführt. Der russische Finanzminister schätzt den Nachfrageimpuls in den Jahren 2022 bis 2024 auf insgesamt 10% des jährlichen BIP. Das sorgte für hohe Wachstumsraten: 2023 stieg die Wirtschaftsleistung um 3,6%. In erster Linie ist das Wachstum mit den zwei Millionen neuen Jobs zu erklären, die seit Beginn der Vollinvasion geschaffen wurden, zum größten Teil in der Rüstungsindustrie und bei der Armee.
Doch die Grenzen dieses Wachstumsmodells sind erreicht: Die Arbeitslosigkeit liegt mit 2,4% auf einem historischen Tiefststand, und es herrscht akuter Arbeitskräftemangel. Zwar erwartet die russische Zentralbank auch für 2024 einen BIP-Zuwachs von 3,5–4%. Allerdings geht der Großteil davon auf den statistischen Basiseffekt zurück, zeigt also eher die Dynamik des Vorjahres und nicht die aktuelle Situation. Seit Anfang 2024 ist die russische Wirtschaft kaum noch gewachsen. Frühindikatoren wie der S&P-Einkaufsmanagerindex für die russische Industrie ließen bereits im September 2024 auf einen Rückgang der Produktion schließen – zum ersten Mal seit 2022.
Der Arbeitskräftemangel wird durch die russische Demographie verschärft. Jedes Jahr schrumpft die Bevölkerung in der Altersgruppe von 20 bis 65 Jahren um rund eine Million Menschen. Die graduelle Anhebung des Rentenalters kann diesen Trend nur teilweise kompensieren. Hinzu kommt, dass die Arbeitsmigration nach Russland seit Beginn der Vollinvasion auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gefallen ist. Das liegt auch an den zunehmenden Schikanen und Berufsverboten, mit denen Migranten in Russland konfrontiert sind.
Für die meisten Beschäftigten in Russland ist der Mangel an Arbeitskräften erst einmal eine gute Nachricht, denn er hat die Einkommen rapide ansteigen lassen. Die durchschnittlichen Gehälter stiegen 2024 um 19% gegenüber dem Vorjahr. In der Rüstungsindustrie werden diese Zuwächse teilweise noch merklich übertroffen: So erhöhte Russlands größter Panzerhersteller Uralwagonsawod die Gehälter im Mai um 12% und im August erneut um 28%.
Die steigenden Löhne sorgen für Optimismus in der russischen Bevölkerung. In den vergangenen Jahren wurde deutlich mehr für Konsumgüter ausgegeben. Doch auch die Preise klettern immer weiter: Im Oktober 2024 lag die saisonbereinigte Kerninflationsrate annualisiert bei 9,7%. Mitverantwortlich für die Inflation sind die westlichen Sanktionen. Sie verteuern die Einfuhr nach Russland, weil Logistik und Abwicklung internationaler Zahlungen komplizierter geworden sind. Zugleich fallen die Exporteinnahmen bei Erdöl, Kohle und Gas, was den Rubel schwächt und so die Einfuhrpreise weiter erhöht.
Um die Preissteigerungen in den Griff zu bekommen, hat die russische Zentralbank den Leitzins schrittweise von 7,5% im Juli 2023 auf 21% im November 2024 angehoben, dem höchsten Niveau seit 25 Jahren. Das bringt immer stärkeren Gegenwind für die Wirtschaft, weil es die Zinskosten der Unternehmen in die Höhe treibt und die Nachfrage senkt. Besonders die Bauindustrie steht vor einem tiefen Fall: Zum einen sind die Hypothekenzinsen auf über 30% gestiegen. Zum anderen wurden im Sommer 2024 staatliche Subventionen für Wohnungskredite zusammengestrichen.
Die Inflation in Russland lässt sich bislang von der abkühlenden Konjunktur nicht beeindrucken und bleibt unverändert hoch. Deswegen denkt die Zentralbank über weitere Zinsanhebungen nach. Mit Blick auf das kommende Jahr wird in Russland immer häufiger das Szenario einer Stagflation diskutiert – also hoher Inflationsraten bei wirtschaftlicher Stagnation.
Angeschlagen ins neue Jahr
Mit abkühlender Konjunktur dürfte auch der Anstieg der Einkommen in Russland erst einmal vorüber sein. Allerdings bleiben Arbeitskräfte weiterhin knapp und die Arbeitslosigkeit gering. Nach drei Jahren mit kräftigen Lohnzuwächsen wird deshalb eine Konjunkturflaute die russische Bevölkerung im Durchschnitt nicht hart treffen, auch wenn Preissteigerungen bei Lebensmitteln Unmut erzeugen. Aufgrund der hohen Zinsen ist indes mit einer Welle von Unternehmensinsolvenzen zu rechnen. Außerdem könnten verschuldete Haushalte im kommenden Jahr in große finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die Bilanz des russischen Staatshaushalts spürbar schlechter ausfällt als geplant. Die Einnahmenschätzungen basieren auf den Prognosen des Sommers und gehen von 2,5% Wachstum im Jahr 2025 aus. Zurzeit rechnet die Zentralbank nur noch mit 0,5–1,5%. Gleichzeitig lassen die hohen Zinsen die Ausgaben steigen, da ein großer Teil der Staatsschulden variabel verzinst ist. Aus diesem Grund wird das Finanzministerium versuchen, mehr Ausgaben im nichtmilitärischen Bereich zu kürzen und Investitionen in die Zukunft zu verschieben.
Auch wenn die wirtschaftlichen Probleme den Optimismus in der russischen Bevölkerung bremsen und politische Zielkonflikte in der Regierung verursachen könnten, ist die Kriegsführung davon nicht unmittelbar betroffen. Hier sind vor allem der Erfolg der Rekrutierung und die physischen Möglichkeiten der Rüstungsindustrie entscheidend. Letztere hängen unter anderem von den Restbeständen sowjetischer Panzerfahrzeuge ab. Je nach Waffengattung sind diese Bestände erheblich geschrumpft. Bei einigen Waffensystemen dürfte es schon 2025 schwieriger werden, die Produktionsmengen aufrechtzuerhalten. Um den Krieg in der gleichen Intensität weiterführen zu können, müsste Russland die Produktionskapazitäten noch einmal deutlich erhöhen.
Wie groß die wirtschaftlichen Schwierigkeiten für Russland 2025 tatsächlich werden, hängt außerdem vom Ölpreis ab. Ein Einbruch der Exporterlöse würde die Situation beträchtlich verschärfen. Die Zentralbank könnte ihn kaum abfedern, weil der Großteil der Währungsreserven durch Sanktionen eingefroren ist. Damit wären eine starke Rubelabwertung, ein neuer Schub für die Inflation und eine Rezession unausweichlich.
Die wirtschaftliche Situation macht Russland 2025 auch anfälliger für neue Sanktionen. Angesichts des gut versorgten Ölmarktes bietet sich bei den russischen Ölexporten eine Verschärfung der Maßnahmen an. Zudem könnten die Sanktionen auf weitere wichtige russische Exportgüter wie Flüssiggas oder Düngemittel ausgeweitet werden. Für Russlands Kriegsmaschine bleibt darüber hinaus der Zugang zu importierten Dual-Use-Gütern und Maschinen ausschlaggebend. Über Drittländer, allen voran China, bezieht Russland nach wie vor große Mengen westlicher Komponenten, die es für die eigene Rüstungsproduktion braucht. Deshalb sollte noch mehr Druck auf diese Staaten und die beteiligten Unternehmen ausgeübt werden.
Dr. Janis Kluge ist Stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien.
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DOI: 10.18449/2024A59