Nach fast siebenmonatiger Fahrt im Indischen und Pazifischen Ozean ist die Fregatte »Bayern« nach Wilhelmshaven zurückgekehrt. Mit der Entsendung des Schiffes wollte Deutschland vor allem ein sichtbares politisches Zeichen für seine Bereitschaft setzen, sich aktiver für Stabilität und Sicherheit im indopazifischen Raum zu engagieren. Im Rückblick hat die Mission dazu beigetragen, die Beziehungen mit Partnern der Region durch militärpolitische und diplomatische Gespräche sowie gemeinsame Übungen von Streitkräften zu beleben und zu vertiefen. Nun gilt es, den entstandenen Schwung in den Beziehungen aufrechtzuerhalten, etwa indem Konsultationen fortgesetzt werden. Dem Anspruch, mit der Fregattenfahrt zum Erhalt der regelbasierten Ordnung und des internationalen Rechts beizutragen, ist Deutschland jedoch nicht oder allenfalls in geringem Maße gerecht geworden. Zu klären ist, welche Folgerungen die Bundesrepublik für ihr künftiges Indo-Pazifik-Engagement zieht.
Mit der Fregatte »Bayern« und ihrer rund 240 Mann starken Besatzung hat von August 2021 bis Mitte Februar 2022 erstmals seit rund zwanzig Jahren ein deutsches Kriegsschiff im Indo-Pazifik gekreuzt. Zu den Stationen gehörten Hafenbesuche in Pakistan, Australien, Guam, Japan und Südkorea sowie nach Durchfahrt des Südchinesischen Meeres weitere Stopps in Singapur, Vietnam, Sri Lanka und Indien. Es handelte sich um eine Ausbildungs- und Präsenzfahrt, die kein Bundestagsmandat voraussetzt; der Auftrag der Fregatte war somit primär politischer Natur. Im Sinne der von der Bundesregierung im September 2020 verabschiedeten Leitlinien zum Indo-Pazifik möchte Deutschland sein Engagement in diesem Raum ausweiten, um dessen gewachsener politischer wie wirtschaftlicher Bedeutung gerecht zu werden. Die Entsendung der Fregatte war somit eine praktische Operationalisierung der Leitlinien und ein sichtbares Zeichen deutscher Präsenz in der Region.
Mit dem indo-pazifischen Raum verbinden die Bundesrepublik zum einen wirtschaftliche Interessen. Der Anteil von Deutschlands Warenhandelsaustausch mit den dortigen Ländern beläuft sich auf etwa 20 Prozent, gemessen am Gesamtaufkommen. Dabei wird ein Großteil des Handels über maritime Verbindungswege abgewickelt. Deutsche Auslandsinvestitionen im indo-pazifischen Raum sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Zum anderen beruht das deutsche Interesse auf der Grundannahme, dass Entwicklungen in dieser dynamischen Region maßgeblich Einfluss haben auf die Zukunft der internationalen regelbasierten Ordnung, von der Sicherheit und Wohlstand der Bundesrepublik abhängen. Sorge bereitet dabei nicht nur, dass die amerikanisch-chinesische Rivalität primär in diesem Raum ausgetragen wird. Im Fokus steht insbesondere auch Chinas regionales Auftreten, bei dem es internationale Regeln zu umgehen sucht und mit der Macht des Stärkeren Interessen durchsetzt – beispielsweise im Kontext seiner Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer.
Vor diesem Hintergrund hatte die Entsendung der Fregatte sowohl eine diplomatische als auch eine sicherheitspolitische Zielsetzung. So sollte die Präsenz des Schiffes dazu beitragen, Deutschlands Beziehungen in die Region neu zu beleben und einen Anstoß für sicherheits- bzw. militärpolitische sowie diplomatische Konsultationen mit verschiedenen Ländern zu geben. Gleichzeitig wollte man sich durch die Aktion aber auch gemeinsam mit Partnern für die »Einhaltung des Völkerrechts und die Stärkung der Sicherheit« in diesem Raum einsetzen, wie der damalige Außenminister Heiko Maas beim Auslaufen der Fregatte erklärte.
Angesichts zahlreicher internationaler Verpflichtungen und begrenzter Ressourcen war die Indo-Pazifik-Fahrt für die Deutsche Marine ein gewaltiger Kraftakt. Nun gilt es, Bilanz zu ziehen. Hat Deutschland seine Ziele mit Entsendung der »Bayern« erreicht? Wie waren die Reaktionen in der Region? Und welche Konsequenzen ergeben sich aus den Erfahrungen für das deutsche Engagement im Indo-Pazifik?
Türöffner: Impuls zur Vertiefung von Beziehungen
Eine Vielzahl bilateraler Konsultationen bei Hafenbesuchen und verschiedene kleinere Übungen mit regionalen Partnern entlang der Schiffsroute sprechen für eine insgesamt positive Bilanz, was das Ziel angeht, die deutschen Beziehungen mit der Region zu intensivieren und zu vertiefen. Bereits im Vorfeld führte Deutschland jeweils mit Australien und mit Japan – im letzteren Fall erstmals – sogenannte »Zwei plus zwei«-Gespräche der Außen- und Verteidigungsminister, um insbesondere Planungen für die Mission der »Bayern« abzusprechen.
Im Zuge der Indo-Pazifik-Fahrt traf dann der (mittlerweile zurückgetretene) Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, unter anderem in Australien, Japan, Südkorea, Singapur und Indien mit seinen dortigen Amtskollegen zu militärpolitischen Konsultationen zusammen. In Japan fand zusätzlich ein Treffen zwischen dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, und dem japanischen Generalstabschef Yamazaki Koji statt. Die hochrangige deutsche Präsenz wurde in den Partnerländern als Zeichen der Wertschätzung und Verbundenheit aufgenommen.
Neben militärpolitischen Konsultationen gab es begleitend auch diplomatische Treffen, bei denen regionale Entwicklungen, das deutsche Engagement sowie die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Land thematisiert werden konnten. Durch diese Gespräche haben deutsche Vertreter tiefere Einblicke in sicherheitspolitische Entwicklungen der Region und die Sichtweisen von Partnerländern gewinnen können. Insofern fungierte die Fahrt der »Bayern« als Türöffner für den bilateralen Austausch. Für Partner in der Region war die Präsenz der Fregatte wiederum ein Signal, dass Deutschland bereit ist, sich aktiver mit den Belangen des Indo-Pazifiks auseinanderzusetzen.
Diverse Auftritte und Medieninterviews deutscher Vertreter – insbesondere in Australien, Japan, Singapur und Indien – lenkten vor Ort auch die öffentliche Aufmerksamkeit auf das deutsche Engagement. Problematisch war dabei jedoch, dass Vizeadmiral Schönbachs Verlautbarungen nicht immer den Positionen der Bundesregierung entsprachen. Dies galt vor allem für seine umstrittenen Äußerungen in Indien zum Russland-Ukraine-Konflikt, die wenig später zu seinem Rücktritt führten. Schönbach wiederholte bei regionalen Auftritten aber auch mehrfach die Auffassung, eine Präsenz der Deutschen Marine im Indo-Pazifik sei künftig alle zwei Jahre denkbar und sinnvoll. Zwar gab er damit noch kein konkretes Versprechen, dennoch weckte er in der Region unweigerlich Erwartungen, die – werden sie nicht erfüllt – dazu führen könnten, dass Partner sich enttäuscht sehen und die deutsche Entschlossenheit zum Engagement in Zweifel gerät.
Neben den genannten Konsultationen trug die Mission der »Bayern« auch dazu bei, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zu vertiefen, indem die Fregatte sich an vorwiegend bi- und trilateralen Übungen mit den Streitkräften der Gastländer beteiligte. Bedenkt man, dass die Bundeswehr bislang nur wenig Kontakt mit dem Militär asiatischer Länder hatte, gaben diese Manöver beidseitig die Möglichkeit, sich besser miteinander vertraut zu machen. So wurden mit verschiedenen Partnern sogenannte Passing Exercises (kurz PASSEX) durchgeführt, die aus Teilübungen in Navigation und Kommunikation bestehen und dabei helfen, die Interoperabilität zwischen beiden Seiten zu erhöhen. Insgesamt bot die Fregattenfahrt den so beteiligten Seestreitkräften eine Gelegenheit, ihre jeweiligen Verfahrensweisen in unterschiedlichen Bereichen kennenzulernen und abzustimmen.
Die Schiffsmission unterstreicht, dass maritime Diplomatie als Instrument der Politik eine Aufgabe mit wachsender Bedeutung für die deutschen und europäischen Seestreitkräfte jenseits ihrer heimischen Gewässer ist. Dieser Auftrag bestand auch schon bisher, doch ist er während der letzten Jahrzehnte im Zeichen von Stabilisierungsoperationen und Krisenmanagement in den Hintergrund getreten.
Mehr Schein als Sein: Stärkung der regelbasierten Ordnung
Fraglich scheint indes, inwieweit die Entsendung der »Bayern« dem Anspruch gerecht wurde, einen Beitrag zum Erhalt der regelbasierten Ordnung, zur Achtung des Völkerrechts und zur Sicherheit in der Region zu leisten.
Dass die Fregatte rund vier Wochen lang die Überwachung von Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen gegenüber Nordkorea unterstützte, wurde von der Bundesregierung wiederholt als Beitrag zur Aufrechterhaltung der regelbasierten Ordnung hervorgehoben. Dabei handelte es sich allerdings nicht um eine direkte deutsche Beteiligung an der VN-Mission, wozu es auch eines Mandats des Bundestages bedurft hätte, sondern um eine Unterstützungsleistung durch Weitergabe bestimmter Lagebildinformationen. Zu diesem Zweck wurden zwei deutsche Marineoffiziere zur Enforcement Coordination Cell im japanischen Yokosuka abgestellt, wo die Daten teilnehmender Schiffe gesammelt werden.
Angezweifelt werden muss jedoch, ob die »Bayern« einen wahrnehmbaren Nutzen für die Gesamtmission unter VN-Mandat erbracht hat. Parallel zu der Unterstützungsleistung beteiligte sie sich an dem von Japan ausgerichteten Großmanöver »Annual Exercise 2021«, das auch amerikanische, australische wie kanadische Schiffe und Verbände einschloss. Das Bundesministerium der Verteidigung beschrieb dies als einen operativen Höhepunkt der Fregattenfahrt. Während des neuntägigen Manövers hielt sich das deutsche Kriegsschiff in der Philippinensee auf, schwerpunktmäßig südöstlich der japanischen Insel Okinawa. Damit befand es sich jenseits der Hauptschifffahrtsrouten und in einer Entfernung von bis zu 1 000 Kilometern von der koreanischen Halbinsel. Da die Reichweite des Radars zur Schiffsortung schätzungsweise 40 bis 50 Kilometer betragen haben dürfte, konnte die Fregatte hier wohl nur wenig zur Lagebildaufklärung im Sinne der VN-Mission beitragen. Hinzu kommt, dass angesichts der Kombination beider Aktivitäten im gleichen Zeitraum notwendigerweise eine Priorisierung zugunsten des Manövers erfolgt sein wird. Auch während des anschließenden Hafenbesuchs in Südkorea hat die »Bayern« wohl kaum Daten für die VN-Mission gesammelt. Daher scheint der Beitrag zur Sanktionsüberwachung eher eine öffentlichkeitswirksame Geste mit geringem operativen Mehrwert gewesen zu sein. Immerhin signalisierte Deutschland damit aber politische Unterstützung für die Partner, die an der Überwachungsmission teilnehmen.
Die Kluft zwischen dem erklärten Ziel, für eine regelbasierte maritime Ordnung einzutreten, und der Realität der Fregattenfahrt klaffte in Bezug auf China noch deutlicher auseinander. Gerade in den umstrittenen Gewässern des Südchinesischen Meeres hat Beijing in den letzten Jahren seine Ansprüche einseitig und gewaltsam durchgesetzt. Es wurden künstliche Inseln aufgeschüttet, darauf Militäranlagen wie Start- und Landebahnen installiert und so Fakten geschaffen. Mit Militär, Küstenwache sowie als Zivilisten auftretenden Milizen schüchtert China die Sicherheitskräfte und Fischer von Nachbarstaaten in diesem Seegebiet ein. Das Urteil des Internationalen Schiedsgerichtshofs in Den Haag von Juli 2016, das Chinas »historische« Ansprüche auf beinahe das gesamte Südchinesische Meer zurückgewiesen hatte, erklärte Beijing für »null und nichtig«. Im September 2021 trat zudem ein chinesisches Gesetz in Kraft, nach dem bestimmte Handelsschiffe beim Durchqueren des Südchinesischen Meeres detaillierte Informationen an die Behörden der Volksrepublik übermitteln müssen. Kein anderer Akteur der Region fordert die regelbasierte maritime Ordnung, die auf dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) basiert, stärker heraus als China. Dass Beijing maritime Grenzen und Gebietsansprüche ausdehnt und dabei geltendes Seerecht missachtet, stellt einen gefährlichen Eingriff in den internationalen Seeverkehr sowie die generelle Freiheit der Seewege dar.
Die »Bayern« fuhr zwar durch das Südchinesische Meer, blieb dabei aber auf den üblichen internationalen Handelsrouten und verzichtete (soweit öffentlich bekannt) auf militärische Übungen wie etwa Start und Landung eines Hubschraubers. Damit vermied Deutschland eine klare Positionierung für das Völkerrecht, auch was die Entscheidung des Internationalen Schiedsgerichtshofs von 2016 betrifft – die für Berlin laut eigenen Indo-Pazifik-Leitlinien »eine maßgebliche Bedeutung« hat. Man könnte das Vorgehen der Fregatte im Gegenteil als Anerkennung chinesischer Ansprüche auf das Südchinesische Meer verstehen. Denn nach dem Seerechtsübereinkommen (Artikel 17 bis 25) haben Handels- und Kriegsschiffe in Territorialgewässern anderer Staaten nur ein Recht auf »friedliche Durchfahrt«. Dabei müssen sie sich entlang der kürzesten Routen und damit der üblichen Handelsstrecken bewegen, und Kriegsschiffe dürfen keine militärischen Übungen durchführen. Handelt es sich dagegen um eine Fahrt auf Hoher See, genießen Schiffe – einschließlich Kriegsschiffe – nahezu uneingeschränkte Bewegungsfreiheit und können auch Manöver abhalten. Anstatt mit völkerrechtlichen Scheuklappen zu agieren, hätte Deutschland also ein Zeichen gegen Chinas rechtswidrige Gebietsansprüche setzen können, indem es den engen Verhaltenskodex einer »friedlichen Durchfahrt« übertreten hätte.
Anfänglich war zudem ein Fregattenbesuch in der chinesischen Hafenmetropole Shanghai vorgesehen. Wäre es dazu gekommen, hätte Deutschlands Positionierung noch unklarer gewirkt. So hätte ein Stopp in China vor der Fahrt durch das Südchinesische Meer wie ein Genehmigungsgesuch gewirkt und damit den Anschein verstärkt, Deutschland respektiere die Ansprüche der Volksrepublik. Entsprechend irritiert äußerten sich beispielsweise Beobachter in Japan oder Australien über den Besuchsplan. Zur Vermeidung der Taiwan-Straße hätte die Fregatte nach dem möglichen Besuch in Shanghai auf ihrem Kurs gen Süden wohl auch einen großen Bogen östlich um Taiwan gemacht – Deutschlands Zögern, sich für den seerechtlichen Status der Taiwan-Straße als internationales Gewässer einzusetzen, wäre so unterstrichen worden. Im Endeffekt lehnte die chinesische Führung den Hafenbesuch der »Bayern« ab und verwies dabei auf mangelndes Vertrauen zwischen beiden Ländern.
Laut der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte das Angebot der Hafenvisite zum Ziel, mit China »im Dialog zu bleiben«. Die deutschen Leitlinien betonen ebenfalls einen »inklusiven« Ansatz in der Region, der alle Akteure – auch China – einschließt. Dahinter steht einerseits die Hoffnung, mit Beijing in Zukunft bei gemeinsamen Interessen weiter kooperieren zu können, etwa zur Bewältigung der Klimakrise, in Handelsfragen oder bei Abrüstungsbemühungen. Andererseits gründet dieser Ansatz auch auf der deutschen Sorge, die sino-amerikanische Konfrontation im asiatischen Raum könnte sich verfestigen, was eine regionale Blockbildung und Polarisierung befördern würde. In der Tat fürchten vor allem die Länder Südostasiens, dass wachsende Spannungen zwischen den Großmächten sie zunehmend vor die Wahl stellen könnten – zwischen China als größtem Wirtschaftspartner und den USA als sicherheitspolitischem Garanten. Es ist daher gut und wichtig, wenn Deutschland den Dialog mit China sucht und in der Region zur Deeskalation beitragen möchte. Der Versuch, mit der Fregattenfahrt beides zu vereinen – Einsatz für das Völkerrecht und Austausch mit Beijing –, muss aber als gescheitert gelten.
Der Blick nach vorn
Russlands Krieg gegen die Ukraine lenkt die politische Aufmerksamkeit hierzulande wieder mehr auf europäische Sicherheitsfragen. Dennoch wird der indo-pazifische Raum weiter eine wichtige Rolle für Deutschland und Europa spielen. Daher sollte die Bundesrepublik ihr Engagement in der Region fortsetzen.
Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung nach Abschluss der Fregattenfahrt gefordert, die gesammelten Erfahrungen zu reflektieren und Konsequenzen daraus zu ziehen. Insbesondere gilt es, das Unternehmen politisch auszuwerten. Welche Sichtweisen und Erwartungen wurden im Indo-Pazifik gegenüber dem deutschen und europäischen Engagement dort vorgebracht? Haben die Gespräche und Konsultationen darüber Aufschluss gegeben, in welchen Bereichen Deutschland bzw. Europa einen Mehrwert für die regionale Stabilität und Sicherheit leisten könnte?
Überlegungen zu den Schlussfolgerungen für die künftige Indo-Pazifik-Politik lassen sich nach drei Gesichtspunkten gliedern. Zu fragen ist erstens nach der Ausgestaltung der Beziehungen mit Partnern in der Region, zweitens nach dem militärischen Engagement und drittens nach darüber hinausgehenden Beiträgen Deutschlands auf sicherheitspolitischem Feld.
Den Schwung für die Beziehungspflege nutzen
Die Mission der »Bayern« hat in Deutschlands Beziehungen mit wichtigen Partnern des Indo-Pazifiks eine große Dynamik entfaltet, die es nun durch weitere Gespräche und darauf aufbauende Initiativen fortzusetzen gilt. Ansonsten droht die Wirkung der Fregattenfahrt schnell zu verpuffen. Durch Vertiefung des Austauschs kann sich die Bundesrepublik aktiver mit den sicherheitspolitischen und sonstigen Belangen der Region auseinandersetzen, was dazu beiträgt, destabilisierenden Faktoren und Trends zu begegnen. Regelmäßige Konsultationen mit wichtigen Partnern wie Japan, Australien, Indien oder einzelnen südostasiatischen Staaten würden die Möglichkeit bieten, gemeinsame Interessen auszuloten oder Herangehensweisen an Probleme der Region abzustimmen. Um sicherheitspolitische Fragen zu erörtern, könnte etwa das »Zwei plus zwei«-Dialogformat mit Japan und Australien fortgesetzt werden. Dies wäre auch ein Signal an die Region, dass Deutschland sein dortiges Engagement beibehält.
Zudem erscheint es sinnvoll für Deutschland, mit asiatischen Partnern über das Verhältnis zwischen China und Russland und den Umgang damit zu beraten. Vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine suchten diese beiden Länder zunehmend den Schulterschluss, wie ihr bilaterales Gipfeltreffen Anfang Februar 2022 verdeutlichte. Moskau und Beijing verfolgen zwar nicht immer die gleichen Ziele, wie sich auch im Ukraine-Krieg zeigt, und ihre Beziehungen sind geprägt durch eine Machtasymmetrie. Doch beide fordern die regelbasierte Ordnung massiv heraus. Seine völkerrechtswidrige Invasion in der Ukraine bereitete Russland über Jahre hinweg vor, indem es Grauzonen-Taktiken zwischen Frieden und Krieg anwandte, Desinformationskampagnen betrieb und Cyber-Angriffe durchführte. Auch China bedient sich solcher Mittel, besonders gegenüber Nachbarstaaten. Ein Austausch über Strategien im Umgang mit solchem Verhalten läge also im Interesse Deutschlands bzw. Europas und der asiatischen Partner.
Militärisches Engagement: Mehr Bundeswehr-Präsenz?
Die Fregatte hat aus funktional-maritimer Sicht zahlreiche Kenntnisse gesammelt. Dies betrifft etwa Nautik und Navigation, Verfahren in der Zusammenarbeit mit Hafenbehörden, die Etablierung logistischer Versorgungswege von Deutschland aus sowie klimatische, aber auch kulturelle Besonderheiten der Region. Nach zwanzigjähriger Abwesenheit vom Indo-Pazifik waren solche Wissensbestände nicht mehr vorhanden. Nun bietet sich also die Chance, den Erfahrungsschatz durch systematische Auswertung dauerhaft zu bewahren. Sollten die Deutsche Marine oder andere Teilstreitkräfte künftig in der Region eingesetzt werden, ließen sich damit lange Vorbereitungszeiten umgehen, Planungsfehler minimieren und etwaige Missverständnisse vermeiden.
Mit Blick auf die Zukunft muss sich die Bundesregierung damit auseinandersetzen, inwiefern sie weitere Bundeswehreinheiten in die Region entsenden will. Im Raum steht die Forderung Schönbachs nach regelmäßiger Schiffspräsenz in diesen Gewässern. Derzeit laufen zudem von der vorangegangenen Bundesregierung eingeleitete Planungen, kommenden Sommer Eurofighter sowie Tank- und Transportflugzeuge der deutschen Luftstreitkräfte im Rahmen von Langstreckenverlegungen nach Australien und Japan zu entsenden. Dort sollen sie an Manövern teilnehmen und damit das anhaltende deutsche Engagement im Indo-Pazifik unterstreichen. Mit solchen Entsendungen kann Deutschland angesichts begrenzter Fähigkeiten und Ressourcen der Bundeswehr nur politische bzw. symbolische Ziele verfolgen – wie etwa die Zusammenarbeit mit Partnerländern zu intensivieren oder die Einhaltung internationalen Rechts anzumahnen. Dabei gilt es aber abzuwägen, inwiefern entsprechende Verlegungen die militärischen Spannungen in der Region befeuern könnten.
Sollten derartige Einsätze als wünschenswert beurteilt werden, muss Berlin entscheiden, wo die Prioritäten der Bundeswehr liegen. Deren personelle und materielle Lücken sind so groß, dass Deutschland in den letzten Jahren wiederholt gezwungen war, die Entsendung eigener Einheiten zu Nato-Einsatzverbänden (beispielsweise vor der Küste Libyens) oder zu VN- und EU-Missionen (wie etwa der Anti-Piraterie-Mission vor Somalia) zumindest zeitweise auszusetzen. Auch die von Kanzler Olaf Scholz angekündigte Aufstockung der Bundeswehr-Mittel wird daran allenfalls mittelfristig etwas ändern können. Bei der Marine als kleinster Teilstreitkraft sind die Kapazitätsengpässe besonders deutlich. Gut geeignet für einen Einsatz im Indo-Pazifik sind von den 45 Schiffen der Deutschen Marine gemäß ihrer Ausrüstung nur 15 Einheiten (zwölf Fregatten, drei Einsatzgruppenversorger). Weitere fünf Korvetten wären dazu, gemessen an Reichweite, Versorgungsgüterkapazitäten an Bord und Seetauglichkeit, nur bedingt geeignet. Von diesen 15 bzw. maximal 20 zur Verfügung stehenden Einheiten wiederum ist zu jedem Zeitpunkt nur etwa ein Viertel bis ein Drittel einsatzbereit, da bei allen Schiffen durch Ausbildungs- und Instandhaltungszyklen längere Ausfallzeiten entstehen. Entsprechend schwierig ist für die Marine eine Entsendung in den Indo-Pazifik, zumal ein solcher Einsatz das jeweilige Schiff und dessen Besatzung über mehrere Monate bindet. Angesichts des Ukraine-Krieges kommen auf die Bundeswehr im Nato-Rahmen wohl zwangsweise weitere Aufgaben im euro-atlantischen Bereich zu. Die Marine beispielsweise wird verstärkt zur Lagebildaufklärung in der Ostsee und im Nordatlantik beitragen müssen. Deutschland hat also abzuwägen, wie es die begrenzten Bundeswehrkapazitäten am sinnvollsten einsetzt.
In diesem Zusammenhang sollte auch überlegt werden, inwiefern die Teilnahme an einer gemeinsamen europäischen Präsenz im Indo-Pazifik möglich wäre. Im Februar 2022 beschloss der Europäische Rat, im nordwestlichen Indischen Ozean ein Meeresgebiet auszuweisen, in dem EU-Mitgliedstaaten zu einer koordinierten maritimen Präsenz beitragen und so für gemeinsame Werte und Interessen einstehen. Damit konkretisiert sich die Idee einer maritimen Präsenz, wie sie die EU-Strategie zur Kooperation im Indo-Pazifik von September 2021 enthält. Vorstellbar wäre eine gelegentliche deutsche Beteiligung mit einem Schiff im Rahmen eines europäischen Verbandes oder im Rahmen personeller Abstellung zur Planung und Führung eines solchen Verbandes.
Weitere sicherheitspolitisch-maritime Beiträge
Unabhängig von solchen Erwägungen kann Deutschland aber auch andere Mittel nutzen, um zur maritimen Sicherheit und regelbasierten Ordnung im Indo-Pazifik beizutragen. Neben der Intensivierung sicherheitspolitischer Dialoge mit der Region hat die Bundesregierung in den letzten zwei Jahren bereits eine Reihe von Schritten unternommen, die in die richtige Richtung weisen und auf die aufgebaut werden sollte.
Auf einfachem diplomatischen Wege kann Deutschland Initiative zeigen, indem es sich öffentlich zu völkerrechtlichen Fragen und maritimen Konflikten positioniert. So wies die Bundesrepublik gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien im September 2020 mit einer Verbalnote an die VN Beijings Ansprüche auf das Südchinesische Meer zurück, wobei man sich auf das Seerechtsübereinkommen und das Urteil des Internationalen Schiedsgerichtshofs von 2016 bezog. Im Juni 2021 äußerte sich Deutschland mit den anderen G7-Staaten in einer gemeinsamen Erklärung besorgt über die Entwicklungen im Südchinesischen Meer ebenso wie im Ostchinesischen Meer, wo China die von Japan kontrollierten Senkaku-(Diaoyutai‑)Inseln beansprucht. Solche Erklärungen verdeutlichen, dass Deutschland den maritimen Spannungen im Indo-Pazifik nicht gleichgültig gegenübersteht und völkerrechtswidriges Handeln verurteilt.
Ebenso kann die Bundesrepublik einen Beitrag zur maritimen Sicherheit leisten, indem sie etwa das bestehende, vom Auswärtigen Amt finanzierte Schulungsprojekt in Südostasien zum Seerecht fortführt und ausbaut. Mit diesem Programm werden Vertreterinnen und Vertreter der Vereinigung südostasiatischer Länder (ASEAN) bzw. Ministerialbeamte ihrer Mitgliedstaaten darin geschult, wie das VN-Seerechtsübereinkommen auszulegen und anzuwenden ist. In diesem Zusammenhang sollte Deutschland auch an Länder wie die Philippinen oder Vietnam appellieren, ihre maritimen Ansprüche klar auf Basis des Übereinkommens zu definieren.
Neben Staaten, die rechtswidrig handeln, gefährden auch nichtstaatliche Akteure die maritime Ordnung im Indo-Pazifik, so etwa in Südostasien. Fälle von Piraterie, bewaffneten Raubüberfällen auf See, illegaler Fischerei oder maritimem Schmuggel sind dort an der Tagesordnung. Um diese transnationalen Probleme anzugehen, bedarf es vielfach ebenfalls einer zwischenstaatlichen Kooperation, die auf internationalem Recht basiert. Deutschland könnte hier seine Unterstützung für kooperative Ansätze anbieten, denen regionale Staaten aufgrund ungelöster maritimer und territorialer Streitigkeiten oft mit Vorsicht begegnen. Da Fragen zur Auslegung internationalen Rechts in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen, könnte die Bundesregierung dabei auf dem erwähnten Schulungsprojekt zum Seerecht aufbauen bzw. entsprechende Ausbildungsprogramme anbieten.
Im August 2021 trat Deutschland dem Regional Cooperation Agreement on Combating Piracy and Armed Robbery against Ships in Asia (ReCAAP) bei. Mit diesem Abkommen soll die zwischenstaatliche Kooperation verbessert werden, um in Asien Piraterie und Raubüberfälle auf See zu bekämpfen. Für den Austausch von Informationen zum Lagebild und zu sicherheitsrelevanten Übergriffen wurde in Singapur das sogenannte Information Fusion Centre eingerichtet. Dafür stellt Deutschland nun permanent einen Verbindungsoffizier der Marine ab. Da es regionalen Staaten an Fähigkeiten für die Lagebilderfassung eher mangelt, ist dies ein sinnvoller Beitrag zur maritimen Sicherheit.
Angesichts der großen Herausforderungen für die maritime Ordnung im Indo-Pazifik und Deutschlands Interessen in der Region ist ein aktiveres Engagement der Bundesregierung vonnöten. Auch jenseits der begrenzten Ressourcen der Bundeswehr bieten sich Deutschland eine Reihe von Möglichkeiten, sein Engagement zu vertiefen.
Dr. Alexandra Sakaki ist Stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe Asien. Göran Swistek ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik.
© Stiftung Wissenschaft und Politik, 2022
Alle Rechte vorbehalten
Das Aktuell gibt die Auffassung der Autoren wieder.
SWP-Aktuells werden intern einem Begutachtungsverfahren, einem Faktencheck und einem Lektorat unterzogen. Weitere Informationen zur Qualitätssicherung der SWP finden Sie auf der SWP-Website unter https://www. swp-berlin.org/ueber-uns/ qualitaetssicherung/
SWP
Stiftung Wissenschaft und Politik
Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit
Ludwigkirchplatz 3–4
10719 Berlin
Telefon +49 30 880 07-0
Fax +49 30 880 07-100
www.swp-berlin.org
swp@swp-berlin.org
ISSN (Print) 1611-6364
ISSN (Online) 2747-5018
doi: 10.18449/2022A22