Schon am ersten Tag seiner dritten Amtszeit als russischer Präsident unterzeichnete Wladimir Putin ein Präsidialdekret, in dem er die Position des Kreml zur Raketenabwehr festlegte: Die russische Regierung solle weiterhin auf eine feste Zusage der Nato hinwirken, dass die in Europa stationierten Abfangraketen nicht gegen die russischen nuklearen Fähigkeiten gerichtet seien. Wenige Tage zuvor hatte Generalstabschef Nikolai E. Makarow frühere Warnungen wiederholt, dass Russland als äußerste Reaktion auf das Raketenabwehrsystem erwäge, in seiner Exklave Kaliningrad Kurzstreckenraketen zu stationieren oder gar einen präemptiven Schlag gegen das Abwehrsystem auszuführen, falls sich die Lage eines Tages zuspitzen sollte. Trotz der Erklärung der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der Nato anlässlich des Gipfeltreffens in Chicago, dass die Raketenabwehr nicht gegen Russland gerichtet sei, hält der Konflikt mit Moskau an. Zwar sind Befürchtungen, es könne zu einem neuen Rüstungswettlauf kommen, weitgehend unbegründet, nicht aber Sorgen über die möglichen Folgen des Misstrauens und der Fehlperzeptionen in Russland. Der beste Weg, um Missverständnisse zu überwinden, wäre eine Kooperation in der Raketenabwehr in Form eines intensiveren Informationsaustauschs und einer Kombination von Fähigkeiten.