Was bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit Macht an die Öffentlichkeit drang, gärt seit vielen Jahren: das Bekenntnis zu mehr Engagement in der deutschen Sicherheitspolitik. Um dieses tragfähig zu gestalten, bedarf es einer breiten Debatte.
Kurz gesagt, 13.03.2014 ForschungsgebieteWas bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit Macht an die Öffentlichkeit drang, gärt seit vielen Jahren: das Bekenntnis zu mehr Engagement in der deutschen Sicherheitspolitik. Um dieses tragfähig zu gestalten, bedarf es einer breiten Debatte, meint Ekkehard Brose.
Deutschland erklärt sich bereit zu mehr Engagement im internationalen Krisenmanagement. Die Reden von Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen bei der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz setzten in dieser Hinsicht ein Fanal. Es reiche nicht aus, so der Außenminister, die internationale Politik nur von der Seitenlinie zu kommentieren. Was in München erstmals die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit erfuhr, ist Ergebnis eines längerfristigen außen- und sicherheitspolitischen Umdenkens. Der entscheidende Anstoß hierfür erfolgte bereits vor drei Jahren, genauer: am 17. März 2011 in New York. Die kritische Öffentlichkeit aber hat diesen Prozess bislang kaum nachvollzogen.
Zur Erinnerung: Am 17. März 2011 enthielt sich Deutschland bei der Abstimmung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über die Libyenresolution als einziger westlicher Staat der Stimme. Hatte sich die deutsche Sicherheitspolitik aus ihrer transatlantischen Verankerung gerissen oder war dies nur ein diplomatisches Missverständnis? Die Betroffenheit bei den Partnern, mehr noch in Deutschland selbst, war groß.
Die Verunsicherung jener Tage, vor allem das Erschrecken über das sicherheitspolitische Abseitsstehen Deutschlands, ließen in Teilen der deutschen Politik, Wissenschaft und Bürokratie die feste Überzeugung reifen: Eine aktive deutsche Außen- und Sicherheitspolitik muss ihre selbst auferlegte innere Reserve überwinden. Deutschland muss sich vollends einlassen auf die Probleme und Krisen einer internationalen Ordnung, deren bewusster Teil, Nutznießer und verantwortlicher Mitgestalter das Land seit langem ist. Der Moment der Isolation wurde zum Katalysator des Wandels. Andere Entwicklungen – die deutsche Wiedervereinigung, eine wachsende politische Entfernung der USA von Europa, die Krise des Euro – hatten den Boden dafür bereitet.
Indizien des Wandels reichen bis vor den Regierungswechsel zurück
Das deutsche Engagement in der Ukraine-Krise und die Entsendung zusätzlicher militärischer Ausbilder nach Mali unterstreichen die Signale von München. Indizien des Wandels reichen indes vor den Regierungswechsel zurück: Die vom Bundesminister der Verteidigung herausgegebenen Richtlinien vom Mai 2011 enthalten erstmals einen pointierten Hinweis, wonach stets auch zu bedenken sei, »welche Folgen ein Nicht-Einsatz hat«. Bereits 2011/12 entwickelte Bundeskanzlerin Merkel ihre sogenannte Ertüchtigungsinitiative. Deren Ausgangspunkt, Hilfe zur Selbsthilfe zu gewähren, deutet auf den Willen der Bundesregierung hin, sich in den Krisenregionen der Welt zu engagieren, jedoch in klar definierten Grenzen. Im Sommer 2013 hatte der damalige Verteidigungsminister de Maizière in der NATO Deutschlands Bereitschaft bekundet, als sogenannte Rahmennation eine Führungsrolle bei der Stärkung der militärischen Fähigkeiten Europas zu übernehmen. Die deutsche Führungserfahrung im Norden Afghanistans bildete dafür einen wichtigen Hintergrund. Zwar ist die »Responsibility to Protect«-Debatte in Deutschland leiser geworden, verstummt ist sie indes nicht. Es bleibt die Erwartung einer breiten Öffentlichkeit an jede Bundesregierung, sich für den Schutz der Zivilbevölkerung vor schweren Menschenrechtsverletzungen in aller Welt aktiv einzusetzen. An der Frage, wie weit man dabei gehen sollte, scheiden sich allerdings die Geister.
Kein Zweifel: Mehr Verantwortung zwingt Deutschland aus der Deckung, macht außen- wie innenpolitisch angreifbar. Internationales Krisenmanagement berührt die Komfortzone des Bürgers. Das ist die Kehrseite von Größe, Einfluss und Wohlstand. Das kann nur eine Regierung durchstehen, die ihre Politik auf ein breites Fundament gebaut weiß. Dies erfordert eine entwickelte parlamentarische und gesellschaftliche Bereitschaft, Kosten und Nutzen eines internationalen Engagements nüchtern zu wägen und politisch zu tragen. – Eine ständige Herausforderung für Parlament, Öffentlichkeit und Regierung.
Es ist weithin unstrittig, dass die Teilnahme an internationaler Krisendiplomatie für Deutschland niemals den Alleingang oder eine Verengung auf militärische Lösungsperspektiven bedeuten kann. Deutscher Sicherheitspolitik liegt ein weiter Begriff von Sicherheit zu Grunde und sie bleibt fest gebunden in internationale Bündnisse und Rahmen, seien es NATO, die EU oder die Vereinten Nationen. Jenseits dieser Grundsätze gilt es nun allerdings, Parlament und kritische Öffentlichkeit mitzunehmen auf dem Weg in eine Kultur der Verantwortung. Die Debatte ist eröffnet. Die in diesen Tagen ihre Arbeit aufnehmende Rühe-Kommission zur Überprüfung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes kann hierzu einen Beitrag leisten. Ebenso das Projekt »Außenpolitik Weiter Denken« des Außenministers, das den Anspruch hat, die gesellschaftliche Diskussion zu befördern.
Dabei helfen mag auch die Erinnerung an jenen Moment der politischen Einsamkeit vor drei Jahren in New York.
Ekkehard Brose verfasste diesen Text während eines Forschungsaufenthalts bei der SWP. Er ist Ministerialdirigent im Auswärtigen Amt und war bis Juni 2013 stellvertretender Leiter der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der NATO in Brüssel. Der Text gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.
Der Text ist auch bei EurActiv.de und Tagesspiegel.de erschienen.
Deutschland diskutiert über ein stärkeres Engagement in Afrika. Dies sollte im Rahmen der Vereinten Nationen erfolgen. Ein anhaltendes Missverhältnis könnte so ausgeglichen werden: Denn bisher zahlt Deutschland vor allem – mitgeredet wird nur am Rande.
Für eine produktive Debatte über deutsche Außenpolitik ist es unerlässlich, dass die Befunde der Interventionsforschung ernst genommen werden, meint Lars Brozus.
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