Die digitale Transformation in Afrika vollzieht sich vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs zwischen wichtigen globalen Akteuren wie China, den Vereinigten Staaten und Europa. Inmitten dieser Dynamik ist die eigene Handlungsfähigkeit des Kontinents ein entscheidendes Element.
Die digitale Transformation in Afrika vollzieht sich vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs zwischen wichtigen globalen Akteuren wie China, den Vereinigten Staaten und Europa. Inmitten dieser Dynamik ist die eigene Handlungsfähigkeit des Kontinents ein entscheidendes Element, das nicht übersehen werden sollte. In einem kürzlich von Megatrends Afrika und dem Digital Transformation Lab (DigiTral) organisierten Hybrid-Workshop wurde die digitale Landschaft Afrikas diskutiert mit Fokus auf den Einfluss verschiedener globaler Akteure sowie die einzigartigen Stärken Afrikas bei der Gestaltung der eigenen digitalen Zukunft.
Der digitale Wandel in Afrika ist ein äußerst dynamischer Prozess, der von Land zu Land sehr unterschiedlich verläuft: Beeindruckenden Fortschritten stehen oft große Ungleichheiten gegenüber. Trotz der zunehmenden Verbreitung von Internet und Mobiltelefonen (in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara hatten im Jahr 2022 88,6% der Bevölkerung Abonnements für Mobiltelefone; 2021 waren 35% der Bevölkerung online) liegt der Kontinent immer noch hinter dem weltweiten Durchschnitt zurück. Vor allem das Niveau der digitalen Kompetenzen ist oft niedrig, und viele Länder haben noch Mühe, ihre Arbeitskräfte auf das digitale Zeitalter vorzubereiten. Viele afrikanischen Regierungen arbeiten daran, sich auf die digitale Zukunft einzustellen, und sind offen für neue digitale Partnerschaften.
Gleichzeitig wetteifern verschiedene globale Mächte um ihren Einfluss auf die digitale Landschaft Afrikas und starten zahlreiche Initiativen zur Verbesserung der Zusammenarbeit. China hat sich mit seiner Initiative "Digitale Seidenstraße", die als digitaler Arm der "Belt and Road Initiative" (BRI) dient, an die Spitze dieses Wettbewerbs gestellt. Die Digitale Seidenstraße deckt eine Reihe von Sektoren ab, darunter Telekommunikation, E-Commerce, E-Governance und Überwachungstechnologien. Sie ist zu einem Vorzeigeprojekt der Kommunistischen Partei Chinas geworden, was ihre Bedeutung im Rahmen der breiteren BRI-Strategie unterstreicht. Obwohl das chinesische Engagement in der digitalen Landschaft Afrikas oft als staatsgetriebenes Projekt angesehen wird, umfasst es eine Vielzahl von Akteuren. Diese arbeiten gleichzeitig zusammen und konkurrieren miteinander, wobei ihre Zusammenarbeit von einem Mangel an Koordination gekennzeichnet ist, der auf das Phänomen des "fragmentierten Autoritarismus" zurückzuführen ist. Generell stellt die Digitale Seidenstraße für viele afrikanische Länder eine attraktive Option dar, da sie eine schnelle und pragmatische Finanzierung bietet, oft ohne die politischen Bedingungen, die typischerweise mit westlicher Hilfe verknüpft sind.
Chinas Rolle als wichtiger Anbieter digitaler Infrastrukturen in Afrika hat die europäischen Länder und die Vereinigten Staaten dazu veranlasst, ihre Partnerschaften mit dem Kontinent neu zu bewerten, insbesondere in Anbetracht des wachsenden Wettbewerbs um digitale Normen wie Datenschutz und Meinungsfreiheit. Westliche Mächte sehen Chinas digitalen Fußabdruck in Afrika zunehmend als strategische Herausforderung, wenn nicht gar als direkte Bedrohung. Einige Reaktionen, z. B. US-Beschränkungen für chinesische Unternehmen wie Huawei, spiegeln die Besorgnis über Pekings Einfluss wider. Chinas wachsende Rolle in der digitalen Infrastruktur, insbesondere in Afrika, hat die Befürchtung geweckt, dass China sein Modell der Internetverwaltung und -überwachung exportieren könnte, und damit auch seine Werte, die in krassem Gegensatz zu westlichen Grundsätzen des Datenschutzes und der Privatsphäre stehen.
Der Workshop warf auch die Frage auf, inwieweit Europa und die Vereinigten Staaten mit China zusammenarbeiten können oder ob sie ein natürliches Gegengewicht zum chinesischen Modell bilden. Obwohl die Zusammenarbeit bei einigen technologiebasierten Lösungen –insbesondere bei Herausforderungen wie dem Klimawandel und der Ernährungssicherheit –nahe liegt, scheint eine Rivalität in Bereichen wie Überwachung und Cybersicherheit unvermeidlich. Dies liegt an den grundlegend unterschiedlichen Ansätzen und Interessen, die diese Bereiche bestimmen: Während China in strategischen Marktsektoren wie der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) einen zentralisierten, autoritären Ansatz verfolgt, der mit starken kommerziellen Interessen und umfassender staatlicher Kontrolle einhergeht, setzen sowohl die Europäische Union als auch die Vereinigten Staaten auf Datenschutz, Transparenz, individuelle Rechte in einem Markt, der überwiegend von privaten Unternehmen gestaltet wird. Diese Unterschiede führen unweigerlich zu Spannungen und Wettbewerb.
Sowohl die EU als auch die Vereinigten Staaten haben 2021 und 2022 alternative Ansätze zu Chinas Digitaler Seidenstraße entwickelt, um ihre Präsenz im digitalen Bereich in Afrika zu stärken. Im Jahr 2021 startete die EU ihre Global Gateway Initiative, die darauf abzielt, hochwertige und nachhaltige Infrastrukturprojekte in den Partnerländern zu fördern. Ähnlich wie bei Chinas BRI-Strategie spielt die Digitalisierung auch bei Global Gateway eine zentrale Rolle und ist neben Energie und Klima, Verkehr, Gesundheit sowie Bildung und Forschung einer der fünf vorrangigen Investitionsbereiche. In den Jahren 2023 und 2024 wurden die meisten Investitionen in Energie und Klima getätigt, gefolgt von Verkehr und Digitalisierung. Mit der Global Gateway Initiative möchte die EU ihren Partnern ein alternatives wirtschaftliches und politisches Modell zu dem Chinas bieten, bzw. im Bereich der Digitalisierung eine Alternative zur DSR-Initiative. Die Investitionen der EU in den digitalen Sektor zielen nicht nur auf die Verbesserung der technologischen Konnektivität ab, sondern auch auf die Förderung demokratischer Werte und digitaler Grundrechte. Durch diese Investitionen fördert die EU solche Projekte, die den digitalen Wandel vorantreiben und gleichzeitig europäische Werte wahren. Es werden vorrangig unterversorgte Regionen unterstützt, um die digitale Spaltung durch den Ausbau von Glasfasernetzen und sicheren Kommunikationssystemen zu schließen. Die Initiative legt auch großen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit, hohe Cybersicherheitsstandards und Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten und vertrauenswürdiger künstlicher Intelligenz.
Die Vereinigten Staaten verstärken ihr Engagement ihrerseits im Rahmen der von Präsident Joe Biden im Dezember 2022 angekündigten Initiative Digitale Transformation mit Afrika (DTA), die digitalen Zugang und Bildung fördern soll. Diese Initiative wird von verschiedenen US-Regierungsstellen unterstützt und konzentriert sich auf die digitale Wirtschaft, die Entwicklung des Humankapitals und die Förderung des digitalen Umfelds. Sie sieht Investitionen von mehr als 800 Millionen USD vor. Zu den wichtigsten Zielen gehören die Überwindung der digitalen Ungleichheit durch den Ausbau von Mobilfunk- und Breitbandnetzen, die Förderung der lokalen Smartphone-Produktion und die Unterstützung von Innovationen durch Finanzierung und Netzwerke für afrikanische Start-Ups. Darüber hinaus sollen im Rahmen des DTA regulatorische Hindernisse beseitigt werden, um den nahtlosen Handel mit digitalen Dienstleistungen zwischen den Vereinigten Staaten und Afrika zu fördern. Um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, ist die Zusammenarbeit mit afrikanischen Fachleuten und der afrikanischen Diaspora von grundlegender Bedeutung. Beide Gruppen fungieren als Brücke zwischen den Vereinigten Staaten und den afrikanischen Ländern, indem sie Projekte vor Ort umsetzen und an die lokalen Gegebenheiten anpassen. Durch ihre aktive Mitwirkung wird sichergestellt, dass die Programme und Maßnahmen auf die Kenntnisse und Bedürfnisse der afrikanischen Bevölkerung zugeschnitten sind und einen langfristigen Erfolg ermöglichen.
Der Machtwettbewerb mag unvermeidlich sein, aber er birgt auch die Gefahr, dass afrikanische Akteure übersehen werden. Die Rolle der afrikanischen Akteure und der lokalen digitalen Industrien sollte nicht unterschätzt werden. Die afrikanischen Staaten gehen proaktiv mit Technologie um, nutzen sie gezielt und gehen Partnerschaften ein, die ihren strategischen Interessen entsprechen. Auf diese Weise blickt der Kontinent zunehmend über die traditionellen Partnerschaften hinaus und knüpft Beziehungen zu Ländern wie unter anderen China, Russland, Saudi-Arabien. Die Suche nach vielfältigen Partnerschaften spiegelt den Wunsch wider, die eigenen Optionen zu erweitern und Interessen unabhängig zu verfolgen, anstatt zwischen China und dem Westen wählen zu müssen – ein Narrativ, das häufig von außen verbreitet wird, um den eigenen Einfluss zu sichern.
Während des Workshops wurde die Frage aufgeworfen, warum Afrika überhaupt eine binäre Entscheidung treffen muss, wenn doch eine Strategie mit mehreren Bündnissen vorteilhafter sein könnte. Durch die Beibehaltung der Flexibilität könnten die afrikanischen Länder bessere Bedingungen aushandeln und sich die Ressourcen und Technologien sichern, die ihren besonderen Herausforderungen gerecht werden. Einige Beiträge warnten jedoch westliche Akteure davor, Afrikas Streben nach den besten Angeboten als Ablehnung zu interpretieren, sondern vielmehr als einen positiven Schritt zur Stärkung der afrikanischen Souveränität und Entscheidungsfreiheit. Eine andere Lesart sieht die Gefahren der Blockbildung, insbesondere im Hinblick auf die Robustheit und Langlebigkeit solcher Vereinbarungen.
Ein wichtiges Ergebnis des Workshops war die Betonung der Bedeutung der lokalen digitalen Industrien. Afrika muss mehr in einheimische digitale Lösungen investieren, um spezifische Herausforderungen zu bewältigen, die Abhängigkeit von ausländischen Technologien zu verringern und Talente im eigenen Land zu halten. Kenia zeigt beispielhaft, wie ein aktiver Ansatz für die digitale Entwicklung sowohl die nationalen Bedürfnisse und Interessen erfüllen als auch andere Länder inspirieren kann. Das Land verfügt über eines der fortschrittlichsten digitalen Ökosysteme des Kontinents, welches sich durch rasche Fortschritte bei der digitalen Infrastruktur, eine dynamische Start-up-Szene und eine blühende Innovationskultur auszeichnet. Allerdings steht Kenia auch vor zahlreichen Herausforderungen: Es mangelt an ausreichenden Finanzmitteln für den digitalen Sektor, und trotz der Vielzahl von Innovationen fehlt es an übergreifenden institutionellen Rahmenbedingungen, um diesen Fortschritt nachhaltig zu unterstützen. All dies erschwert die Vergrößerung neuer Unternehmen und ganzer Sektoren. Dennoch argumentierten einige Diskussionsteilnehmende, dass Kenia seine digitale Zukunft aktiv gestaltet, indem es eine gezielte, auf die spezifischen Bedürfnisse und Interessen des Landes zugeschnittene Digitalpolitik entwickelt. Dieser Ansatz ermöglicht es Kenia, die Kontrolle über seine digitale Transformation zu behalten und sicherzustellen, dass der technologische Fortschritt mit den Herausforderungen und Prioritäten seiner Bevölkerung übereinstimmt. Die zentrale Rolle Kenias auf dem afrikanischen Kontinent wurde hervorgehoben und das Land als potenzielles Vorbild und regionaler Multiplikator für die Nachbarländer erkannt.
Kenia wurde ebenso als Beispiel dafür angeführt, welche entscheidende Rolle bei der Organisation von Protesten soziale Medien spielen können. Besonders deutlich wurde dies als Reaktion auf das vorgeschlagene Finanzgesetz von 2024, mit dem 346 Milliarden KES durch Steuererhöhungen zur Schuldentilgung und zur Finanzierung von Entwicklungsprojekten aufgebracht werden sollten. Der Gesetzentwurf löste breit öffentliche Proteste aus, vor allem in der Generation Z, die sich gegen die Steuerbelastung wandte. Die Diskussionsteilnehmenden wiesen darauf hin, dass Plattformen wie X, TikTok und die Walkie-Talkie-App Zello für die Mobilisierung der Demonstrierenden und die Erleichterung der Kommunikation entscheidend waren. Dieser digitale Aktivismus war weitgehend führungslos, dezentralisiert und wurde von einem kollektiven Gefühl der Dringlichkeit angetrieben. Letztendlich führte der zunehmende öffentliche Druck – der zum Teil auf die Mobilisierung in den sozialen Medien zurückzuführen ist – dazu, dass Präsident William Ruto davon absah, das Gesetz zu unterzeichnen.
Neben dem Potenzial der digitalen Technologien zur Mobilisierung der Zivilgesellschaft wurde auf dem Workshop auch ihr Potenzial zur Förderung der Transparenz in der Verwaltung hervorgehoben. Die Nutzung sozialer Medien und elektronischer Behördendienste kann die Kommunikation zwischen Regierungen und der Bevölkerung verbessern und eine interaktivere Beziehung schaffen. Diese Dynamik könnte dazu beitragen, die Herausforderungen der Regierungsführung zu bewältigen, indem das Vertrauen der Öffentlichkeit in Institutionen gestärkt wird. So ermöglichen digitale Werkzeuge einen besseren Zugang zu Informationen und verbessern die Interaktion zwischen Regierungen und der Bevölkerung, was die Transparenz in dieser Beziehung weiter stärkt.
Insgesamt wurde während des Workshops deutlich, dass der digitale Wandel in Afrika sowohl immense Chancen, als auch erhebliche Herausforderungen bietet. Der Erfolg dieses Wandels hängt von der Fähigkeit der afrikanischen Länder ab, globale Partnerschaften effektiv zu nutzen und gleichzeitig robuste lokale Industrien zu schaffen oder zu festigen.
Ann-Kathrin Schumann studiert Internationalen Beziehungen und Entwicklungspolitik an der Universität Duisburg-Essen und ist spezialisiert auf China-Afrika-Beziehungen. Sie war studentische Hilfskraft bei Megatrends Afrika am IDOS.
Eine erfolgreiche Digitalpartnerschaft mit afrikanischen Ländern baut auf vertrauenswürdigen Datenaustausch, pragmatische Wirtschaftspartnerschaften und den Mittelstand. Um dies zu erreichen, bedarf es von deutscher Seite einer expliziten Auseinandersetzung mit dem afrikanischen Digitalmarkt ebenso wie einer verstärkten Koordination zwischen den einzelnen mit dem Thema betrauten Ressorts.