Die EU hatte sich für den Gipfel mit der Afrikanischen Union im Februar 2022 viel vorgenommen. Doch außer einem neuen Investitionspaket gab es wenig Ergebnisse. Die Beziehungen sind angespannt, weil die afrikanischen Staaten ihre Interessen in der Partnerschaft nicht angemessen vertreten sehen.
Emmanuel Macron hatte große Pläne für den Gipfel zwischen der Afrikanischen Union (AU) und der Europäischen Union (EU) am 17. und 18. Februar. „Das Ziel des Gipfels ist eine grundlegende Neugestaltung der Beziehungen (…)“, die „bürokratisiert“ und „erlahmt“ seien, so der Präsident bei der Vorstellung der französischen Ratspräsidentschaftspläne im Dezember 2021.
Gerade im Bereich Klima wolle man auf eine gemeinsame Agenda zwischen den beiden Unionen hinwirken, so Macron. Die EU wolle die afrikanische Klima- und Energiewende begleiten. Neue Initiativen zur Finanzierung von grüner Infrastruktur und Energie sollten eingerichtet werden.
Die afrikanische Seite reagierte verhalten auf die französischen Vorschläge. Tatsächlich ist die Klimapolitik einer der vielen Sektoren, bei denen es aktuell zu Spannungen zwischen den beiden Kontinenten kommt.
So üben einige afrikanischen Staaten Kritik an den Ergebnissen der COP26 im November 2021. Dort hatten sich 34 Staaten und fünf öffentliche Finanzinstitute dazu verpflichtet, bis Ende 2022 die staatliche Finanzierung für fossile Brennstoffe im internationalen Energiesektor einzustellen. Zu ihnen gehören etwa das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten sowie die Europäische Investment Bank (EIB). Doch der Schritt bürde afrikanischen Staaten „noch mehr Ungerechtigkeit“ auf, kritisierte der senegalesische Präsident Macky Sall im Januar. Er hat derzeit den Vorsitz der AU inne.
Aussagen wie diese bereiteten zum Jahresanfang den Boden für den Gipfel. Zwar ist man sich im Allgemeinen einig, dass Emissionen reduziert und die grüne Transformation umgesetzt werden sollen. Einige AU-Mitglieder haben aber ein starkes Interesse daran, an Gas und fossilen Brennstoffen festzuhalten.
Die Entkarbonisierung der globalen Energieproduktion, so fürchten Staaten wie Nigeria, Algerien oder Mozambique, könnte ihre Umsätze aus Gas- und Öl-Exporten einbrechen lassen. Südafrikas Wirtschaft ist zu großen Teilen abhängig von Kohle. In der Region rund um Kenias Turkana-See wiederum entsteht die größte Windfarm des Kontinents – unweit des Parks werden auch Erdölreserven erschlossen.
Einer der wesentlichen Streitpunkte ist der von der EU vorgeschlagene CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM). Als Teil des European Green Deals (EGD) sieht er eine neue Form der Besteuerung von Importen aus Drittstaaten vor. Diese richtet sich danach, wie viel CO2 bei der Herstellung eines Produktes ausgestoßen wurde. Afrikanische Staaten sehen darin ein protektionistisches Instrument. Sie befürchten zudem, dass sie nachteilige Auswirkungen auf Wirtschaft, Energiezugang und Produktionskapazitäten erfahren werde. Sie fordern Garantien von der EU, dass afrikanische Unternehmen von der Regelung ausgenommen werden.
Der Erfolg des Gipfels hing für sie auch davon ab, ob Brüssel hier Zugeständnisse machte oder nicht. In der Abschlusserklärung findet sich lediglich die Aussage, das neue Investitionspaket im Wert von EUR 150 Milliarden solle zu einer fairen, gerechten und ausgewogenen Energiewende beitragen. Das sogenannte Global Gateway Africa (GGA) trage „den spezifischen und unterschiedlichen Ausrichtungen der afrikanischen Länder in Bezug auf den Zugang zu Elektrizität Rechnung“, heißt es in dem Dokument. Ansonsten findet das Thema wenig Erwähnung.
Doch der kurze Hinweis trägt einem afrikanischen Kerninteresse Rechnung, dem Zugang zu Strom. Denn ein ausreichender Zugang zu Energie und Elektrizität ist eine wesentliche Herausforderung für Afrika. Während sich Staaten wie Marokko zu Vorreitern der erneuerbaren Energien entwickeln, ist das immense Potenzial des Kontinents im Bereich Energiequellen nicht vollständig erschlossen. Afrika verfügt über die reichsten Solarressourcen weltweit. Damit einher gehen enorme Kapazitäten für grünen Wasserstoff. Doch den Sektoren fehlt es an Investitionen. Etwa die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung hat keinen Zugang zu Strom. Für viele afrikanische Staaten ist eine Energiewende deshalb nur möglich, wenn klimapolitische Erwähnungen das zentrale Interesse der Stromversorgung nicht außer Acht lassen.
Klima und Energie sind zentrale Themen auf beiden Kontinenten. Als solche werden sie bereits lange innerhalb der afrikanisch-europäischen Beziehungen diskutiert. Eine gemeinsame Agenda fehlt aber. Bei dem Ausbau erneuerbarer Energien und der sogenannten Green Recovery nach der Pandemie ist man sich grundsätzlich einig; doch das gilt nicht für konkrete Maßnahmen, wie das finanziert werden soll oder wie der Weg in die grüne Industrialisierung aussehen kann.
Dabei sollten gerade Europa und Afrika eng beim Klimaschutz kooperieren. Als globaler Megatrend führt der Klimawandel auf beiden Kontinenten zu politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformationen. Die europäischen Mitgliedsstaaten sind historisch gesehen für ein Gros des CO2-Ausstoßes verantwortlich, während die Nachbarn im Süden einen Großteil der negativen Folgen des Klimawandels schultern müssen. Die Effekte eines sich erwärmenden Klimas sind dort bereits ersichtlich.
Auch deshalb ist die Kooperation zwischen Afrika und der EU ein integraler Bestandteil der außenpolitischen Dimension des European Green Deals und der Partnerschaft für grünen Wandel und Zugang zu Energie, die in der neuen Afrika-Strategie angedacht wird. „Ich hoffe aufrichtig, dass (der Gipfel) eine Gelegenheit für ein neues Paradigma, einen neuen Ansatz und eine neue Allianz zwischen Afrika und Europa sein wird“, unterstrich deshalb auch Ratspräsident Charles Michel im Januar.
Doch aus der afrikanischen Perspektive lässt sich die Situation folgendermaßen zusammenfassen: angespannte Beziehungen, nicht befriedigte Interessen und mit dem Green Deal eine Klimapolitik, die ihnen auferlegt werden soll. Kann die EU da überhaupt ein attraktiver Partner sein? Dieser Frage muss man sich in Brüssel und den europäischen Hauptstädten stellen.
Damit verbunden ist die Überlegung, welche politischen Angebote sich als kompatibel mit den afrikanischen Interessen erweisen könnten. Eine Option könnte es sein, auf Synergien zwischen dem EGD und afrikanischen Entwicklungszielen hinzuarbeiten. Im Rahmen des GGA will sich die EU auf den Ausbau grüner Wasserstoffproduktion konzentrieren und strebt den Aufbau eines afrikanischen Binnenmarkts für Elektrizität und Energiewende Partnerschaften an.
Gerade Deutschland hat hohe Erwartungen an grünen Wasserstoff, mit dem etwa die emissionsreiche Stahlindustrie transformiert werden soll. Möglicherweise könnten so auch die Abhängigkeiten gegenüber Russland bei Gasimporten abgebaut werden – seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ein zentrales Ziel der EU. Doch klimaneutralen Wasserstoff gibt es nicht in rauen Mengen. Viel muss importiert werden und dazu braucht es starke Energiepartnerschaften – etwa mit den afrikanischen Ländern.
Auf dem Gipfel im Februar warb Bundeskanzler Olaf Scholz aktiv um die Teilnahme afrikanischer Staaten an dem von ihm anvisierten Klimaclub. Er will Staaten mittels ökonomischer Anreize zu einem aktiven Einsatz für das Klima animieren. Die Bundesregierung plant, dass der Klimaclub im Gleichklang zum CBAM funktionieren soll, seine Teilnehmer aber von den „border adjustments“ ausgenommen bleiben. Kritiker sehen darin eine mögliche Schwächung des CBAM.
Grundsätzlich aber wollen afrikanische Regierungen mehr Einfluss auf die internationale Klimapolitik nehmen. Das bedeutet auch, sich auf eine gemeinsame Linie zu verständigen. Bisher besteht diese vor allem in der Auffassung, es sei zuerst die Verpflichtung der Hauptemittenten im Klimaschutz aktiv zu werden. Für afrikanische Staaten selber hat die Anpassung an den Klimawandel Priorität. Die nächste Gelegenheit, das zu vertreten, bietet sich bei der diesjährigen COP27 in Ägypten. Dafür wäre es notwendig, dass sich alle AU-Mitglieder auf einen Klima-Aktionsplan einigen.