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Sag mir, wo die Jihadisten sind

Der Aufstieg und rätselhafte Fall militant islamistischer Bewegungen in Libyen

SWP-Studie 2024/S 18, 21.06.2024, 30 Seiten

doi:10.18449/2024S18

Forschungsgebiete

Dr. Wolfram Lacher ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.

Der Autor dankt Felix Heiduk, Guido Steinberg und Clara‑Auguste Süß für ihre hilfreichen Kommentare.

  • Gängige Ansätze zur Analyse islamistischer Mobilisierung können schwer erklären, warum sich militant islamistische Bewegungen in Libyen nach 2011 zunächst rasch ausbreiteten und dann wie über Nacht fast völlig ver­schwanden. Ihr Niedergang stellt für herkömmliche Analysemuster ein Rätsel dar.

  • Taktische Handlungslogiken wie die Suche nach Schutz oder Verbündeten beförderten sowohl Aufstieg als auch Niedergang militanter Islamisten. Welche taktischen Erwägungen für Konfliktakteure in Frage kamen, wurde auch durch soziale Faktoren bedingt, zum Beispiel die Vertrauensbeziehungen, die sie unterhielten, und die gesellschaftliche Akzeptanz, die sie genossen.

  • Die kurzlebige Blüte militant islamistischer Bewegungen kann unter ande­rem als Modeerscheinung verstanden werden. Ihre Protagonisten strebten wahlweise nach sozialer Abgrenzung oder Konformität, indem sie sich ober­flächlich islamistische Rhetorik und Ästhetik aneigneten und anschlie­ßend wieder ablegten.

  • Erst ein Blick auf den dramatischen Niedergang militanter Islamisten zeigt die ganze Bandbreite der Beweggründe, die ihren Aufstieg beförderten. Insbesondere soziale Anerkennung wurde als Motivation für bewaffnete Mobilisierung bislang vernachlässigt.

  • Der libysche Fall unterstreicht, dass im Kontext anhaltender Konflikte äußerste Vorsicht gegenüber Etiketten wie »Islamisten« und »Jihadisten« geboten ist. Externe Akteure sollten erstens beachten, dass Konfliktparteien solche Kategorien gezielt einsetzen, und zweitens ein genaues Verständnis des sozialen Umfelds entwickeln, in dem militant islamistische Bewegungen agieren.

Problemstellung und Schlussfolgerungen

Wie in anderen Ländern des arabischen Frühlings hatten auch in Libyen militant islamistische Strömun­gen in den ersten Jahren nach dem Sturz des Macht­habers Hochkonjunktur. Nach dem Ende der Herr­schaft Muammar al-Gaddafis 2011 erhielten sie regen Zulauf von jungen Libyern und profitierten von der Eskalation gewaltsamer Konflikte, die sie zu Bündnispartnern anderer bewaffneter Gruppen machten. Doch von 2016 an verloren diese Strömungen drama­tisch an Bedeutung und Attraktivität – eine Entwick­lung, die etwa zeitgleich auch in anderen Staaten der Region zu beobachten war. Dafür gab es naheliegende Gründe, allen voran die militärischen Niederlagen militant islamistischer Gruppen und die Verteufelung sämtlicher Islamisten durch libysche und regionale Medien.

Dennoch gibt der jähe Fall militanter Islamisten in Libyen Rätsel auf. Er lässt sich nämlich schwer ver­einen mit den beiden führenden Erklärungsansätzen für jihadistische Mobilisierung: Eine Schule legt das Gewicht auf die Rolle ideologischer Radikalisierung bei der Ausbreitung militant islamistischer Gruppen. In dieser Radikalisierung sieht sie den Grund für die besondere Hartnäckigkeit besagter Gruppen, die in Libyen aber offenbar fehlte. Zudem stellt sich die Frage, warum islamistische Ideologie plötzlich an Attraktivität verlor. Ein anderer Ansatz betont dagegen, dass militante Islamisten von Konflikten und Missständen profitieren, da sie dadurch Zulauf von Anhängern bekommen, die nichtideologische Ziele verfolgen. Doch in Libyen dauerten die politische Spaltung und die bewaffneten Konflikte auch nach 2016 an, wäh­rend militante Islamisten in ihnen immer irrelevanter wurden. Als 2019 ein dritter Bürgerkrieg ausbrach, wurde allgemein erwartet, dass er zu einer erneuten Mobilisierung jihadistischer Gruppen führen würde. Nichts dergleichen geschah.

Die vorliegende Studie geht der Frage nach, wie sich die abrupte Schicksalswendung militanter Isla­mis­ten in Libyen erklären lässt – und was sie uns über die Triebkräfte islamistischer Mobilisierung lehrt. Der hier gewählte Ansatz stützt sich auf Inter­views mit Anhängern und Verbündeten militant islamis­tischer Gruppen sowie mit Akteuren, die deren Ent­wicklung in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld beobachteten. Wiederkehrende Muster in diesen Interviews ergeben drei Mechanismen, die im Auf­stieg und Fall militant islamistischer Bewegungen in Libyen identifizierbar sind.

Da sind erstens taktische Erwägungen: Akteure schlossen sich militanten Islamisten an und gingen Bündnisse mit ihnen ein oder distanzierten sich von ihnen, um auf die Entwicklung des Konfliktgeschehens zu reagieren – etwa um einer unmittelbaren Bedrohung zu begegnen. Dieser Aspekt ist aus gängi­gen Analysen jihadistischer Mobilisierung weithin bekannt.

Zweitens: Welche taktischen Entscheidungen in Frage kamen, hing unter anderem von der sozialen Einbettung der Akteure ab und davon, was gesellschaftlich akzeptabel war. Militante Islamisten pro­fi­tierten von einem dichten Netzwerk von Vertrauens­beziehungen mit ehemaligen Revolutionären, das auf den gemeinsamen Kampf 2011 zurückging. Deshalb konnten Jihadisten in den ersten Jahren nach 2011 offen mobilisieren und 2014 zu Bündnispartnern ihrer ehemaligen Waffenbrüder avancieren. Es waren vor allem die Konfrontationen der ehemaligen Revo­lutionäre mit dem Islamischen Staat (IS) im Jahr 2016, die deren Vertrauen auch zu anderen Akteuren im militant islamistischen Spektrum zerrütteten; alte Freundschaften brachen entzwei. Bei Ausbruch des dritten Bürgerkriegs 2019 war eine erneute taktische Allianz mit militanten Islamisten nicht nur unter realpolitischen Gesichtspunkten keine Option mehr, sondern auch deswegen, weil die sozialen Bande mit ihnen zerrissen waren.

Drittens aber speiste sich der Aufstieg militanter Islamisten ab 2011 auch aus der oberflächlichen An­eignung islamistischer Ästhetik und Rhetorik durch Akteure, die sich dadurch hervorheben oder an andere anpassen wollten. Das jähe Verschwinden militant islamistischer Bewegungen wurde ebenfalls durch dieses Wechselspiel von Abgrenzung und Nach­ahmung angetrieben. Revolutionärer Islamismus war in Libyen nach Gaddafi nicht zuletzt eine Mode­erscheinung, Jihadismus eine ephemere Jugendkultur. Das Schlüsselereignis des Kampfes gegen den IS setzte zweifellos einen wichtigen Impuls dafür, dass der damit verbundene Habitus aus der Mode kam und andere Modelle für den Gewinn an sozialem Status an seine Stelle traten. Erklärungsbedürftig ist dabei aller­dings die Rapidität, mit der dieser Impuls gesellschaftliche Kreise erfasste, die zuvor wenig Berührungsängste gegenüber militanten Islamisten gehabt hat­ten. Prozesse der Nachahmung, die sich durch das Gewicht des Konformismus verstärken, können hier zum Verständnis beitragen.

Insbesondere mit diesem dritten Mechanismus, der militanten Islamismus im Post-Gaddafi-Libyen als Mode­phänomen analysiert, setzt sich diese Studie von vielen bisherigen Arbeiten zu islamistischer Mobilisie­rung ab. Untersuchungen zu militant islamistischen Gruppen haben sich ganz überwiegend mit deren Aus­breitung beschäftigt; mit ihrem Rückgang wesent­lich seltener. Das ist nachvollziehbar, da diese Grup­pen in erster Linie als Sicherheitsproblem wahrgenom­men werden und vor allem dann ins Licht der Aufmerksamkeit rücken, wenn sie sich an eskalierenden Kon­flikten beteiligen. Doch der exzessive Fokus auf Mobi­lisierung hat analytische Ansätze begünstigt, die Ent­wicklungen wie die in Libyen nicht adäquat erklären können – und der Fall Libyen steht in dieser Hin­sicht keineswegs allein da. Wenn der Niedergang mili­tant islamistischer Bewegungen gleichermaßen in den Blick genommen wird, ergibt sich ein anderes Bild sowohl ihres Aufstiegs als auch ihres Falls.

Eine so angelegte Analyse macht es zudem leichter, die ganze Vielfalt von Beweggründen derer zu er­fassen, die sich militant islamistischen Gruppen anschlossen oder mit ihnen paktierten. Es wird deutlich, wie prob­lematisch Kategorien wie »Islamisten« und »Jihadisten« oftmals zu dem Zeitpunkt waren, als diese Eti­ket­tie­rung konfliktrelevant war. Die Protagonisten der libyschen Machtkämpfe waren sich der dämonisieren­den Wirkung dieser Bezeichnungen oft gut bewusst und verwendeten sie absichtlich in inflationärer Weise. Ausländische Beobachter übernahmen diese Praxis meist, weil sie die damit designierten Akteure und ihr soziales Umfeld nicht aus eigener Erfahrung kannten. Wie unterschiedlich die Motivationslagen und das Ausmaß ideologischer Hingabe bei jenen sein konnten, die hier unter dem breiten Begriff »militante Islamisten« subsumiert werden, zeigt diese Studie.

Aufstieg und Niedergang militanter Islamisten in Libyen, 2011–2020

Nach dem Sturz Gaddafis 2011 entwickelte sich in Libyen ein florierendes Spektrum militant islamistischer Gruppen. In immer mehr Städten traten solche Gruppen offen auf, übernahmen Sicherheitsfunktionen und schmiedeten Allianzen mit anderen Milizen in den eskalierenden Machtkämpfen. Aus radikalen Splittergruppen entwickelten sich mächtige libysche Ableger des Islamischen Staates und machten 2015 Sirt zur Hauptstadt seiner »Provinz Tripolitanien«. Zu jener Zeit schien es, als ob jihadistischen Gruppen in Libyen eine große Zukunft bestimmt sei.1 Doch ebenso rasch, wie sie sich ausgebreitet hatten, ver­schwanden militante Islamisten auch wieder aus der Akteurslandschaft Libyens. Bewaffnete Gruppen auf beiden Seiten des libyschen Machtkampfs vertrieben den IS aus den Städten. Bald distanzierten sich ehe­malige Verbündete auch von weniger radikalen Gruppen islamistischer Tendenz, die sich zunehmend isoliert sahen und rapide an Einfluss verloren. Unter den Kräften, die seit dem Ende des Krieges um Tri­polis im Juni 2020 die Politik Libyens bestimmen, spielen militante Islamisten keine Rolle mehr.

Die Ausbreitung des militanten Islamismus in Libyen speiste sich aus tiefen Wurzeln. Eine beträchtliche Zahl von Libyern war ab Ende der achtziger Jahre nach Afghanistan gegangen, um dort zu kämp­fen. In den neunziger Jahren gründeten einige von ihnen die Kämpfende Islamische Gruppe in Libyen (Libyan Islamic Fighting Group, LIFG), die sich 1995–1998 immer wieder Gefechte mit dem Gaddafi-Regime lieferte, bevor ihre Mitglieder entweder im Gefängnis saßen oder ins Ausland geflüchtet waren.2 Nach der US-amerikanischen Invasion des Irak stellten Libyer einen weit überproportionalen Anteil an den aus­ländischen Kämpfern dort. Viele von ihnen kamen zudem aus einigen wenigen libyschen Städten, von denen manche bereits LIFG-Hochburgen gewesen waren.3 Schon damals hatte sich also in bestimmten Städten Libyens eine jihadistische Subkultur ent­wickelt.

Während des ersten Bürgerkriegs (2011) waren militante Islamisten Teil der revolutionären Kräfte. Sie bildeten keine eigenen jihadistischen Gruppen, sondern kämpften Seite an Seite mit nichtislamis­tischen Revolutionären. So wurden sie mit dem Sturz Gaddafis nicht nur zu Siegern, sondern hatten dar­über hinaus solide Beziehungen zu anderen Revolutio­nären geschaffen.

Nach dem Sieg der Revolutionäre wurden ehema­lige LIFG-Anführer und militante Islamisten ohne Affiliation unter anderem zu Parlamentariern und stellvertretenden Verteidigungs- oder Innenministern. Andere bauten bewaffnete Gruppen auf, die einen offiziellen Status und Zugang zu staatlichen Mitteln erhielten. Darin unterschieden sich islamistische Akteure nicht von anderen ehemaligen Revolutio­nären. Obgleich die ehemaligen LIFG-Anführer von ihren politischen Gegnern nun oft als »al-Qaida« oder »Terroristen« diffamiert wurden, gab es keine Hin­weise darauf, dass sie weiterhin eine jihadistische Agenda verfolgten. Stattdessen gründeten sie Parteien und verschrieben sich dem Aufbau eines Staates nach ihren Vorstellungen islamischer Prinzipien – die sich im Grunde kaum vom konservativen gesellschaft­lichen Konsens in Libyen unterschieden.4

Zugleich begann sich das militant islamistische Spektrum auszudifferenzieren. Jihadisten, die sich ideologisch an al-Qaida orientierten, gründeten 2012 in mehreren Städten Gruppen unter dem Namen Ansar al-Sharia. Solche und andere Gruppen leiteten Rekruten aus Libyen und anderen nordafrikanischen Staaten nach Syrien, wo diese sich der Nusra-Front und später dem Islamischen Staat anschlossen.5 In Bengasi und Darna kam es immer häufiger zu Mor­den an ehemaligen Armeeoffizieren und Geheimdienstmitarbeitern. Obwohl die Fälle nie aufgeklärt wurden und vermutlich diverse Hintergründe hatten, fiel der Verdacht auf Ansar al-Sharia und andere Jihadisten, die in ebenjenen Städten besonders aktiv waren. Allerdings bewahrte sich Ansar al-Sharia ein bemerkenswertes Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz, etwa indem die Gruppe für Sicherheit im größ­ten Krankenhaus Bengasis sorgte oder Kampagnen gegen Drogenkonsum unternahm.6

Der zweite Bürgerkrieg (2014–2015) gab militanten Islamisten einen enormen Wachstumsschub. In Bengasi schlossen ehemalige Revolutionäre mit Ansar al-Sharia ein Bündnis, um gemeinsam gegen die be­waffneten Gruppen zu kämpfen, die von dem auf­ständischen Offizier Khalifa Haftar angeführt wurden. Die Gegner Haftars in Westlibyen, allen voran die bewaffneten Gruppen Misratas, unterstützten die Alli­anz mit Ansar al-Sharia in Bengasi politisch, medial und logistisch. In Bengasi und Darna bildeten sich lokale Ableger des Islamischen Staates. Diese profi­tier­ten davon, dass Haftars Gegner sie zunächst nicht bekämpften, da sie nicht zwei Fronten zugleich er­öffnen wollten. Aus ähnlichen Gründen gelang es dem Islamischen Staat, Sirt unter seine Kontrolle zu bringen: Die Stadt lag zwischen den Fronten, und weder die bewaffneten Gruppen Misratas noch deren Gegner östlich von Sirt wollten wertvolle Ressourcen darauf verwenden, sie zu besetzen. Der IS konnte also offen agieren und rekrutieren. Viele Gegner Haftars minimisierten das IS-Problem und spielten überdies die Gefahr herunter, die von Extremisten in ihrem eigenen Lager ausging.7

Haftars Gegner bekämpften den IS zunächst nicht – bis dieser zur Bedrohung wurde.

Die Wende kam, als der IS schließlich zu einer zu großen Bedrohung wurde. Im September 2015 erklär­ten ehemalige Revolutionäre in Darna – unter ihnen auch militante Islamisten – dem dortigen IS-Ableger den Krieg. Dieser endete im April 2016 mit der Nie­der­lage und der Flucht der verbleibenden IS-Kämpfer. In Sabratha, wo der IS nicht offen aufgetreten war, aber zunehmend Morde und Entführungen beging, nutzten lokale bewaffnete Gruppen einen US-Luft­angriff im Februar 2016, um den IS in mehrtägigen Gefechten aus der Stadt zu vertreiben. Die Expansions­versuche des IS von Sirt aus – der bei weitem größten Präsenz der Gruppe in Libyen – in Richtung Misrata lösten im Mai 2016 eine Großoffensive bewaffneter Gruppen aus Misrata aus. Im Dezember 2016 nahmen diese die letzten Straßenzüge in Sirt ein, in denen der IS noch ausgehalten hatte. Solche Auseinandersetzun­gen machten es Haftars Gegnern unmöglich, weiter­hin die Gefahr zu verharmlosen, die von Extremisten ausging. Eine weitreichende Distanzierung von mili­tanten Islamisten war die Folge.8

In Bengasi endete die Präsenz des IS mit der Flucht seiner Kämpfer aus der Stadt im Januar 2017. Ansar al-Sharia war zu diesem Zeitpunkt als Organisation faktisch bereits nicht mehr existent. Andere Gegner Haftars in Bengasi leisteten weiter Widerstand, bis sie im Dezember 2017 besiegt wurden. Die meisten IS-Mitglieder, die sich aus den Städten in die Wüste Zentral- und Südlibyens gerettet hatten, fielen ame­ri­kanischen Luftangriffen zum Opfer. Die letzte ost­libysche Stadt außerhalb der Kontrolle Haftars war Darna. Auch dort waren längst nicht alle seine Geg­ner militante Islamisten – doch Letztere bildeten den harten Kern, der erst im Februar 2019 nach langen Kämpfen besiegt wurde.9

Damit waren sowohl der Islamische Staat als auch mehrere andere militant islamistische Gruppen mili­tärisch besiegt worden. In den Augen externer Ana­lysten war jedoch die Gefahr neuer jihadistischer Mobilisierung keineswegs gebannt. Libyen war wei­ter­hin politisch gespalten, Gewalt und Repression durch Haftars Kräfte und andere Milizen schufen keine nachhaltige Sicherheit, sondern Nährboden für neue Radikalisierung.10 Als Haftar im April 2019 Tripolis angriff und so einen dritten Bürgerkrieg auslöste, warnten viele wohlinformierte Beobachter, der Kon­flikt werde – wie schon der in Bengasi – jihadistischer Mobilisierung einen neuen Schub verleihen.11 Doch dazu kam es nicht. In dem vierzehnmonatigen Krieg spielten militante Islamisten keine Rolle. Ein­zelne Kämpfer mochten in früheren Phasen der Kon­flikte Verbindungen zu militant islamistischen Grup­pen gehabt haben, doch kämpften sie nun in Ver­bänden, die islamistische Ideologie ablehnten. Die Anführer jener Verbände hielten Figuren, die – oft fälschlicherweise – als Extremisten verschrien waren, von ihren Einheiten fern.12

Auch nach Haftars Niederlage und dem Ende des Krieges um Tripolis konnten militante Islamisten keinen nennenswerten Einfluss zurückgewinnen. Vielleicht am erstaunlichsten war, dass es kaum An­zeichen gab für eine anhaltende Mobilisierung im Verborgenen, das heißt keine erkennbaren Splittergruppen, die sich weiter dem bewaffneten Kampf für einen islamischen Staat nach ihren Vorstellungen verschrieben. Militanter Islamismus schien nicht nur militärisch, sondern auch ideologisch und moralisch besiegt – zumindest vorerst.

Wer war tatsächlich Islamist?

Ein Teil der Antwort auf die Frage, wie das jähe Ver­schwinden der militanten Islamisten Libyens zu erklären ist, besteht darin, dass viele vermeintliche Islamisten in Wirklichkeit nie welche waren. Nach 2011 verwendeten zahlreiche politische Akteure und Medien in Libyen und der Region »Islamist« als Kampf­begriff. Politische Gegner wurden in die islamistische Schublade gesteckt, um sie zu diskreditieren. Es war gang und gäbe, jemanden ohne jede Grundlage als Muslimbruder zu bezeichnen oder als al-Qaida-Mit­glied zu verunglimpfen. Internationale Medien, Dip­lo­maten und Analysten übernahmen vielfach derlei Kategorien. In zahlreichen Artikeln war etwa zu lesen, dass die paramilitärischen Libya-Shield-Forces der Muslimbruderschaft naheständen oder die be­waff­ne­ten Gruppen Misratas islamistisch seien – was beides ganz einfach falsch war.13

Von einem Artikel zum nächsten immer weiter reproduziert, wurden solche Legenden zu weithin anerkannten Fakten. Das dafür verantwortliche Ringen um Konfliktnarrative war besonders virulent während des zweiten Bürgerkriegs 2014–2015. Im Krieg um Tripolis 2019–2020 versuchten die Propa­gandisten des Haftar-Lagers erneut, ihre Gegner als Islamisten und Terroristen zu stigmatisieren.14 Seit Haftars Niederlage wird wesentlich weniger Rekurs auf solche Propaganda genommen, was den Eindruck verstärkt, dass der Einfluss von Islamisten in Libyen stark abgenommen habe. Tatsächlich aber war dieser Einfluss vorher maßlos aufgeblasen worden.

Diese Entwicklung erklärt allerdings nur teilweise, warum militante Islamisten bis 2016 im Rampenlicht der Aufmerksamkeit standen und seit 2020 fast völlig daraus verschwunden sind. Denn neben den Phantas­te­reien und einer oft ungenauen Berichterstattung gab es auch einen realen Aufstieg und Fall militant isla­mistischer Bewegungen. So gilt es etwa zu begrün­den, warum viele Akteure in den ersten Jahren nach 2011 geringe Berührungsängste mit militanten Isla­misten hatten – was es ihren Gegnern leichter machte, sie selbst als solche einzustufen –, bevor sie sich ab 2015 zunehmend von Islamisten distanzierten.

Analysen militant islamis­tischer Mobilisierung – und das Rätsel Libyen

Sowohl die sozialwissenschaftliche Forschung als auch praxisorientierte Analysen haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie und warum sich militant islamistische Bewegungen ausbreiten. Wodurch deren Niedergang zu erklären ist, war dagegen nur selten Untersuchungsgegenstand. Dabei sollte die Stichhaltigkeit von Erklärungsansätzen für militanten Islamismus auch daran geprüft werden, ob sie dessen Rückgang begründen können.

Die vorherrschenden Ansätze zur Erklärung militant islamistischer Mobilisierung unterscheiden sich vor allem darin, wie sie die Rolle von Ideologie gegen­über anderen Mobilisierungsgründen bewerten. Simplifizierende Positionen, die Ideologie entweder zum wichtigsten Faktor erklären oder gänzlich ver­werfen, bestimmen zwar kaum mehr die wissenschaftliche Debatte. Auch ein weiterer theoretischer Graben wird allmählich überwunden: zwischen der Tendenz, Ideologie lediglich als Instrument in der Hand von Eliten abzutun, und der Annahme, Mit­glie­der ideologisch definierter Gruppen seien ›wahre Gläubige‹, deren Handeln von ihren Glaubensgrundsätzen geleitet sei. Eine Reihe von Arbeiten zeigt, dass Ideologie in ein und derselben Organisation diese beiden und noch weitere Funktionen erfüllen kann.15

In Politik und Sicherheitsbehörden erfreut sich das schwammige Konzept der Radikalisierung immer noch großer Popularität, womit sich oftmals ein star­ker Fokus auf Ideologie verbindet.16 Nuancierte wissenschaftliche Ansätze betrachten die Verinner­lichung extremistischen Gedankenguts hingegen als einen Aspekt von Radikalisierungsprozessen, die oft stärker von sozialer Abkapselung und gewaltsamer Auseinandersetzung angetrieben werden.17 Davon abgesehen aber gilt weithin die Annahme, dass ideo­logische Sozialisierung und Indoktrination militant islamistische Gruppen überaus zäh und widerstandsfähig macht. Schon allein die Kategorie »jihadistische Gruppe« suggeriert, es handele sich dabei um einen Akteur sui generis, dessen Eigenheit in der besonders wichtigen Rolle von Ideologie besteht.18 Die These vom strategischen »Vorteil des Extremisten« geht davon aus, eine extremistische Ideologie könne Ver­trauen zwischen Mitgliedern einer bewaffneten Gruppe stärken und somit auch ihre Kampfkraft.19 Bisher kaum berücksichtigt wird, dass der Anteil hart­gesotte­ner Ideologen von einer Gruppe zur nächsten erheb­lich variiert.20

Die gängigen Ansätze würden also grundsätzlich erwarten lassen, dass Ideologie militanten Islamisten in Libyen Zusammenhalt verleiht und sie so zu einer außerordentlich hartnäckigen politischen und mili­tärischen Kraft macht. Der plötzliche Niedergang militant islamistischer Gruppen wirft folglich die Frage auf, welche Rolle Ideologie in diesen Gruppen tatsächlich gespielt hat. Die Entwicklung in Libyen in dieser Hinsicht ist über den Einzelfall hinaus rele­vant: Im gleichen Zeitraum verlor die ehemals florie­rende jihadistische Bewegung im benachbarten Tune­sien ebenfalls rapide an Zulauf.21

Auch die entgegengesetzte analytische Schule kommt mit dem libyschen Fall an die Grenzen ihrer Erklärungskraft: die Schule, die nichtideologische Gründe für jihadistische Mobilisierung in den Vorder­grund rückt. Sowohl unter Sozialwissenschaftlern als auch bei Think-Tanks und Nichtregierungsorganisa­tionen war es in den letzten zwei Jahrzehnten üblich, die Rekrutierungs- und Mobilisierungserfolge jihadis­tischer Gruppen vor allem als Symptom für grund­legende politische und gesellschaftliche Missstände zu sehen. Willkürliche Repression durch autoritäre Regime radikalisiere oppositionelle Gruppen – etwa in Gefängnissen, in denen zu Unrecht verhaftete junge Menschen zusammen mit überzeugten Ideo­logen einsitzen.22

Anwendungsorientierte Analysen von jihadistischen Gruppen als Bürgerkriegsparteien betonen oft, dass sich der Zulauf zu diesen Gruppen durch takti­sche Allianzen erkläre oder durch die Suche nach Schutz gegenüber staatlichen Sicherheitskräften und deren ausländischen Unterstützern.23 Aufgrund der zahlreichen zivilen Opfer habe sich der Antiterrorkampf der USA und verbündeter Staaten nach 2001 als ausgesprochen kontraproduktiv erwiesen; ja, er habe Jihadisten ein »Rekrutierungsbonanza« be­schert.24 In den Sahelstaaten wiederum habe pauschale Schikanierung ganze Bevölkerungsgruppen in die Arme von Jihadisten getrieben.25 Als wichtige Fakto­ren, sich an jihadistischen bewaffneten Gruppen zu beteiligen, werden ferner sozioökonomische Miss­stände genannt und aus ihnen hervorgehende Wut über eine als ungerecht empfundene Wirtschafts­ordnung sowie schließlich finanzielle Anreize.26 Demgemäß erfordere der Kampf gegen jihadistische Gruppen in erster Linie, die fundamentalen Triebkräfte der Konflikte einzuhegen und für eine gerech­tere, effektivere Staatlichkeit zu sorgen.

Dass Zusammenhänge zwischen willkürlicher oder kollektiver Bedrohung und Rekrutierungserfolgen jihadistischer Gruppen bestehen, ist empirisch um­fangreich belegt. Dem tut auch keinen Abbruch, dass bestimmte Rahmenbedingungen solche Zusammenhänge umkehren können, etwa wenn die staatliche Repressionskapazität dermaßen stark ist, dass selbst massive Ungerechtigkeit militante Mobilisierung nicht begünstigt, sondern hemmt.27

Und doch legt die Entwicklung in Libyen nahe, dass solche Erklärungsmuster relevante Aspekte außer Acht lassen. Denn Libyens militante Islamisten erfreuten sich ja schon in den ersten beiden Jahren nach dem Sturz Gaddafis eines regen Zulaufs, als die Konflikte noch nicht eskalierten, sie aber auch keiner Repression ausgesetzt waren. Vor allem aber wüteten die Konflikte in Libyen in den Jahren nach 2016 weiter, während militant islamistische Bewegungen als Konfliktakteure immer marginaler wurden. Letz­teres traf entgegen allgemeiner Erwartung ebenso auf die Zeit des Krieges um Tripolis zu. Und Libyen ist kein Einzelfall: In Konflikten wie in Somalia oder im Irak gewannen Jihadisten phasenweise an Bedeutung, als sie sich anderen Akteuren als Verbündete andien­ten, und verloren diese Bedeutung wieder, als sie für ihre Verbündeten zur Bedrohung geworden waren.28

Sowohl Ideologie als auch Konfliktdynamiken lie­fern also unzureichende Erklärungen für den Nieder­gang militant islamistischer Bewegungen in Libyen.

Was sind militante Islamisten?

Auf der Suche nach einer angemessenen Erklärung gilt es zunächst, den Gegenstand der Analyse – mili­tant islamistische Bewegungen – abzugrenzen. Es geht nicht einfach um Terrorismus: Bei Letzterem han­delt es sich um eine Taktik unter anderen, die mi­li­tant islamistische Bewegungen potentiell ein­setzen können – je nachdem, in welchem Kräfteverhältnis mit ihren Gegnern sie sich befinden.29 Auch die Be­griffe »Extremismus« und »Radikalisierung« lassen sich nicht ohne weiteres auf den Untersuchungs­gegenstand anwenden, denn Extremismus ist immer relativ: extrem im Vergleich zu gesellschaftlich akzep­tierten Vorstellungen.30

Die Literatur zu Radikalisierung beschäftigt sich hauptsächlich mit Individuen, engen Zirkeln oder kleinen Gruppen im Untergrund, die sich von der Gesellschaft abkapseln. Die wenigen Unter­suchungen des Niedergangs militant islamistischer Gruppen be­treffen explizit terroristische Gruppen und betonen daher militärische Dynamiken sowie Aspekte, die sich aus der strikten Abschottung dieser Organisationen von der Außenwelt ergeben.31 Da­gegen entwickelten sich Libyens militante Islamisten in den ersten Jahren nach 2011 weitgehend offen und genossen beträcht­liche gesellschaftliche Akzeptanz. Nicht nur aus die­sem Grund ist es sinnvoll, sie unter anderem als soziale Bewegungen aufzufassen.

Die Theorie sozialer Bewegungen wird schon seit längerem auf gewaltbereite und zivile islamistische Gruppen angewendet; sie bietet überdies einen Teil des konzeptionellen Instrumentariums, um den libyschen Fall zu verstehen. Dazu zählen etwa die Bedeutung opportuner politischer Umstände, der Zu­gang zu Ressourcen, die Mobilisierung ermöglichen, sowie die variierende Resonanz von Narrativen und Frames.32

Analysen islamistischer Bewegungen fallen in zwei Lager, was deren Kategorisierung betrifft: jene, die die Unterschiede zwischen verschiedenen Tendenzen hervorheben, und jene, die alle Islamisten in einen Topf werfen.33 Sozial- und Islamwissenschaftler im ersten Lager sind bemüht, gewaltbereite Islamisten von moderaten, zivilen Bewegungen abzugrenzen. Sie verwenden für Erstere meist den Begriff »Jihadismus« und für Letztere »Islamismus« oder »politischer Islam«.34 Im zweiten Lager benutzen autoritäre Regie­rungen von Ländern am Persischen Golf und in Nord­afrika »Islamisten« und »Terroristen« als austausch­bare Begriffe für all ihre politischen Gegner. In der westlichen Öffentlichkeit machen sich rechtsgerich­tete Sozial- und Islamwissenschaftler diese Pauscha­li­sierung zu eigen, und auch die deutschen Medien und Behörden gebrauchen »Islamist« zunehmend als Synonym für »Terrorist«.35 Dass diese Gleichsetzung grundfalsch ist, gleich ob sie aus politischer Motiva­tion oder Unkenntnis heraus geschieht, muss hier nicht näher erläutert werden.36

Der Begriff »Jihadismus« eignet sich nicht, die libyschen Realitäten adäquat zu beschreiben.

Die in dieser Studie verwendete Begrifflichkeit des »militanten Islamismus« setzt sich von beiden Lagern ab. Militanter Islamismus kann definiert werden als gewaltbereite Mobilisierung, die sich auf ein islami­sches Idiom stützt und das erklärte Ziel verfolgt, die politische und gesellschaftliche Ordnung umzugestalten. Diese Definition ist ausdrücklich breiter als die Kategorie des Jihadismus – ein Begriff, der im Übri­gen selbst nicht unumstritten ist. Denn er wird gene­rell unter der Annahme benutzt, dass damit eine klar umrissene doktrinäre Schule verbunden sei – was sich aber bei näherer Betrachtung als falsch heraus­stellt.37

Schon allein der libysche Kontext bietet mehrere Beispiele dafür, wie ambivalent der Begriff »Jihadismus« ist: Schließlich blieb der Kampf gegen die italie­nische Kolonialisierung als Jihad im kollektiven Ge­dächtnis und wurde als solcher von Gaddafi mytho­lo­gisiert.38 Zum Jihad riefen in der Post-Gaddafi-Ära aber auch der vermeintliche Islamistengegner Haftar sowie sogenannte Madkhalisten in den Reihen seiner Kräfte auf.39 Dabei handelt es sich bei den Madkhalisten doch um reaktionäre Salafisten, deren Doktrin vor allem absoluten Gehorsam dem Herrscher gegen­über betont und von Islamwissenschaftlern eigentlich als mit Salafismus-Jihadismus unvereinbarer Quie­tis­mus angesehen wird.40 Aufgrund ihrer explizit re­ak­tio­nären Agenda fallen sie nicht unter die Definition »militanter Islamismus«, dessen Phase des Niedergangs in Libyen gleichzeitig auch die des Aufschwungs der Madkhalisten war.

Dass diese Studie nicht nur eindeutig salafistisch-jihadistische Gruppen, sondern den breiter gefassten militanten Islamismus untersucht, ergibt sich eben­falls aus den libyschen Realitäten. Die salafistisch-jihadistischen Gruppen des Landes lassen sich näm­lich nicht so leicht von anderen islamistischen Strö­mungen trennen, wie es jenen lieb wäre, die den Fokus gern auf Unterschiede und Nuancen richten. Wie diese Studie zeigt, gewannen jihadistische Grup­pen ihre anfängliche Stärke nicht zuletzt aus ihren vielen Verbindungen mit Islamisten, die flexib­ler im Umgang mit Ideologie waren. Außerdem waren moderate, zivile Islamisten wie die Muslimbrüder offenbar ähnlichen Dynamiken ausgesetzt wie mili­tante Kräfte, denn der Niedergang erfasste das ge­samte islamistische Spektrum. Auch das spricht da­für, die Analyse nicht auf Gruppen zu beschränken, die sich ideologisch an al-Qaida oder dem Isla­mi­schen Staat orientierten.

Methode

Diese Studie identifiziert Mechanismen der Ausbreitung und des Rückgangs militant islamistischer Mobilisierung, wie sie in Libyen zwischen 2011 und 2020 erkennbar waren. Diese Mechanismen decken sich teilweise mit den gängigen Ansätzen, gehen aber über sie hinaus. Sie sind aus wiederkehrenden Mus­tern entwickelt, die der Autor aus 39 Interviews ex­trahiert hat – Interviews mit ehemaligen Anführern, Mitgliedern und Verbündeten militant islamistischer Gruppen sowie mit anderen Akteuren und Beobachtern, die das Aufkommen und den Niedergang sol­cher Gruppen in ihrem sozialen Umfeld aus nächster Nähe mitverfolgt haben.

Der Großteil dieser Interviews wurde 2022–2023 in Libyen und Istanbul geführt. Zu diesem Zeitpunkt waren militante Islamisten keine relevanten Konflikt­akteure mehr. Damit wurden Gespräche möglich, die meist offener und weniger von politisch motivierter Verdrehung geprägt waren, als dies zur Hochzeit der betreffenden Gruppen der Fall war. Auch deswegen kann es von Vorteil sein, islamistische Mobilisierung zu untersuchen, nachdem sie bereits wieder abgeflaut ist. Wo die Gesprächspartner zu nachträglicher Ratio­nalisierung neigten, konnte der Autor ihre Einschätzungen mit seinen eigenen vergleichen, die er in den Jahren seit 2011 durch Gespräche mit den gleichen Akteursgruppen gewonnen hat – zu der Zeit, als mili­tant islamistische Gruppen in raschem Aufschwung begriffen waren.

Soziale Mechanismen des Aufstiegs und des Niedergangs

Viele der Muster, die in gängigen Analysen jihadistischer Mobilisierung im Vordergrund stehen, sind auch in der Ausbreitung militant islamistischer Gruppen in Libyen erkennbar: Junge Männer schlos­sen sich besagten Gruppen an, und andere Milizen paktierten mit diesen, um sich gegen Bedrohungen durch dritte Akteure zu verteidigen, oder weil sie davon ausgingen, dass militante Islamisten die beste Aussicht auf militärischen Erfolg hatten. Diese Mecha­nismen werden im Folgenden als taktische Handlungs­logiken zusammengefasst. Taktische Erwägungen können ebenso dazu beitragen, den Niedergang mili­tanter Islamisten zu erklären – wenn solche Grup­pen nämlich keine Erfolgs­chancen mehr hatten und keinen Schutz mehr bieten konnten, sondern Ver­bindungen zu ihnen zur Gefahr wurden.

Allerdings liefern derartige taktische Handlungs­logiken keine Begründung dafür, warum militante Islamisten in Libyen im Zeitraum 2012–2014 starken Zulauf hatten, obwohl sie in dieser Zeit noch nicht im Kontext eines offenen Konflikts agierten. Sie geben außerdem keine ausreichende Antwort auf die Frage, warum militante Islamisten nicht vom Ausbruch des Krieges um Tripolis 2019 profitierten, so wie sie es im zweiten Bürgerkrieg 2014–2015 konnten. Zwei andere soziale Mechanismen bieten komplementäre Erklärungen: Erstens erleichterte ihre soziale Einbettung es militanten Islamisten, durch gegenseitiges Ver­trauen, Loyalität und konsensfähigen ideologischen Diskurs gesellschaftlich akzeptiert zu werden. Der Niedergang militant islamistischer Bewegungen mani­festierte sich demzufolge auch als ihre zunehmende soziale Isolation, als Distanzierung ihrer ehemaligen Verbündeten und Gefolgsleute, was mit einem Wan­del des gesellschaftlichen Diskurses einherging. Ein zweiter Mechanismus – das Streben nach sozialer An­erkennung – hilft zu verstehen, wie dynamisch und rapide solche Prozesse der Assoziation und Dissoziation ablaufen können. Besonders relevant ist hierbei die dialektische Beziehung zwischen dem Streben nach Profilierung und jenem nach Konformität.

Aufstieg: Taktische Handlungslogiken

Taktische Erwägungen beförderten sowohl den Auf­stieg militanter Islamisten als auch ihren Fall. Damit ist ein Spektrum von Handlungslogiken gemeint, das von reinem Opportunismus bis hin zu taktischer Radikalisierung und emotionsgeladenen Racheakten reicht. Ob Akteure aus nüchterner Kalkulation oder emotionalem Affekt heraus handelten, lässt sich oft schwer beurteilen; in vielen Fällen dürfte sich beides vermischen. Gemein ist diesen Handlungslogiken, dass sie Reaktionen auf das Konfliktgeschehen oder Erwartungen über dessen zukünftige Entwicklung widerspiegeln.

Ein Beispiel dafür, wie schwierig unterschiedliche Motivationsgründe voneinander zu trennen sind, ist die Toleranz vieler Akteure für militante Islamisten im Zeitraum 2011–2014. Wie weiter unten (Seite 21ff) gezeigt wird, erklärte sich diese Toleranz teilweise aus sozialer Nähe und Verbundenheit, die während des Krieges von 2011 entstanden war. Eine ebenso wich­tige Rolle spielte aber die Frage, ob sich Akteure von mili­tanten Islamisten bedroht sahen – oder ob sich deren Gewalt vielmehr gegen die politischen Gegner dieser Akteure richtete.

In Bengasi betrachteten sich viele Anführer revolutionärer Gruppen selbst als Islamisten und zeigten eine gewisse Gelassenheit gegenüber den Morden in der Stadt – von denen zumindest ein Teil sicherlich mili­tanten Islamisten zuzurechnen war. Eine Führungs­figur der Rafallah-Sahati-Brigade sagte dem Autor im November 2012, ehemalige Geheimdienstmitarbeiter seien selbst schuld, wenn sie Morden zum Opfer fie­len, denn schon allein ihre Präsenz schade dem gesell­schaftlichen Frieden. Und die Extremisten, die mög­licherweise hinter manchen Morden steckten, ließen sich besänftigen, indem man Funktionäre des alten Regimes vom politischen Leben ausschließe.41 In Darna hatten die Anführer der mächtigsten bewaffneten Gruppe, der Abu-Salim-Brigade, eine ähnliche Perspektive auf die Morde in ihrer Stadt.42 Eine Füh­rungsfigur der Partei der Muslimbrüder, der Justice and Construction Party (JCP), räumte im April 2014 zwar ein, dass Jihadisten vermutlich für einige der Morde in Bengasi verantwortlich seien, spielte aber zugleich die Gefahr herunter, die von Ansar al-Sharia ausging.43

Diese kulante Einstellung erklärt auch, warum Extremisten, die sich später Ansar al-Sharia oder dem IS anschlossen, in den ersten Jahren nach 2011 teil­weise unter dem Deckmantel staatlicher Institutionen operieren konnten, etwa des Obersten Sicherheits­komitees, und so an staatliche Ressourcen gelangten – zum Beispiel in Sirt.44 Dass so ein Zugang zu Ressourcen der Mobilisierung zuträglich sein musste, liegt auf der Hand. Theorien sozialer Bewegungen ebenso wie Analysen islamistischer Gruppen in ande­ren Kontexten betonen diesen Zusammenhang.45

Ab welchem Punkt es sich nicht mehr um Toleranz, sondern um Allianzen handelte, ist nicht immer klar. Je stärker aber die Konflikte eskalierten, desto mehr waren Akteure gewillt, mit militanten Islamisten zu paktieren. So sagte ein Anführer revolutionärer Gruppen in Sabratha rückblickend über die Betei­li­gung späterer IS-Mitglieder an seinem Verband: »Wir kannten sie, wir tolerierten sie, bis sie damit an­fin­gen, Leute zu entführen und zu töten. Davor kümmer­ten wir uns nicht um sie, und wir fanden es gut, dass sie den Kampf gegen Assad in Syrien unter­stützten. Im Krieg von 2014 war uns die Neigung Abdallah Haftars [späterer Kopf des IS in Sabratha] zum IS schon klar, aber er kämpfte bei uns als Einzelner, er hatte keine eigene Gruppe. Wir beschlossen jedoch, ihm wärme­suchende Raketen nur einzeln zu geben – denn wir wussten, bald könnten wir mit ihm und seinesgleichen in Konflikt stehen. Wir betrachteten den IS nie als Verbündeten – es waren nur Einzelne, die bei uns kämpften.«46

In Bengasi wurde besonders deutlich, wie Konflikt­dynamiken zur Bildung von Allianzen mit militanten Islamisten beitrugen. Dass sich die größten revolutionären Verbände im Juni 2014 mit Ansar al-Sharia im Schurarat der Revolutionäre von Bengasi (Majlis Shura Thuwwar Benghazi, MSTB) zusammenschlossen, war eine direkte Reaktion auf die Angriffe, denen sie seit Mai durch Haftars Allianz ausgesetzt waren. »Das ist eine Konterrevolution! Haftar hat nicht nur Ansar al-Sharia, sondern auch die Revolutionäre angegriffen. Natürlich kämpfen wir jetzt gemeinsam gegen Haftar«, sagte schon damals einer der Anführer des Bündnisses dem Autor.47

Stimmen, die sich – nicht zuletzt aus taktischen Gründen – gegen dieses Bündnis stellten, waren in der Minderheit. Prominent unter ihnen war Ziyad Balam, Chef der Omar-al-Mukhtar-Brigade, der sich weigerte, sich dem Schurarat anzuschließen.48 Eigener Auskunft zufolge warnte Balam den Anführer des Schurarats, Wissam ben Hamid, vor der Allianz mit Ansar al-Sharia: »Ich sagte Wissam: ›Das Ausland betrachtet Ansar al-Sharia als al-Qaida, und hier in Libyen verbindet man sie mit den Morden. Ausländische Kampfjets werden kommen und euch bombardie­ren.‹ Aber Wissam tat die Warnung ab – er dachte, er könne Haftar rasch besiegen, mit dessen Verbün­deten Frieden schließen und sich dann wieder von Ansar al-Sharia distanzieren.«49

Solche Logiken wiederholten sich später in abgewandelter Form, als den aus Bengasi vertriebenen Gegnern Haftars bereits klar geworden war, wie sehr ihnen die Allianz mit Jihadisten schadete. Eigentlich wollten sie sich mit der Bildung der Kompanien zur Verteidigung Bengasis (Saraya al-Difa‘ an Benghazi) von Jihadisten distanzieren, wie unten (Seite 19ff) näher erläutert wird. Doch um von Zentrallibyen aus bis nach Bengasi zu kommen, gingen sie unter anderem Bündnisse mit Kämpfern aus Ajdabiya ein, denen Verbindungen zu Jihadisten angelastet wurden. Zum damaligen Zeitpunkt verteidigten Anführer der Kompanien dieses Vorgehen: »Es stimmt, Usama al-Jadhran war früher bei Ansar al-Sharia und ist jetzt bei uns, aber er ist nicht wirklich religiös. Wir brau­chen ihn bis Ajdabiya, danach können wir uns seiner entledigen.«50 Doch im Nachhinein gab der wichtigste Führer der Kompanien, Ismail Sallabi, zu: »Das Prob­lem lag in unserer Allianz mit Ajdabiya, mit Jadhrans Leuten. Die hatten ihre eigenen Verbindungen mit Extremisten, und wir hatten wenig Einfluss darauf, wie sich ihre Gruppe zusammensetzte.«51

Zu den umstrittensten Fragen gehört das Verhältnis zwischen Haftars Gegnern in Bengasi und dem lokalen Ableger des Islamischen Staates. Während das Haftar-Lager alle Gegner pauschal als Dawaesh (IS-An­hänger) verteufelte, stritten seine Gegner oft jegliche Allianz mit dem IS ab. Mit zeitlichem Abstand ergibt sich ein nuancierteres Bild. In den Worten eines Mitglieds des Schurarats: »Als IS-Anhänger auftauchten, sagten viele unserer Kämpfer: ›Lasst sie ruhig machen, die Verteidigung unserer Stadt eint uns.‹ Andere konfrontierten Wissam [ben Hamid] mit der Frage, wie er zusammen mit dem IS kämpfen konnte. Wissam antwortete, dass er nicht in der Lage sei, den IS zu bekämpfen.«52

Ein anderes Mitglied des Schurarats bestätigte das: »Nachdem Haftars Milizen im Oktober 2014 unsere Häuser angriffen, waren wir gezwungen, in die Stadt zurückzukehren, um unsere Familien zu schützen. Diese Angriffe trieben die Kämpfer in die Arme des IS. Ich sprach mit Wissam darüber, der mir sagte, er könne jetzt keine zweite Front gegen den IS eröffnen. Er müsse ihnen auch etwas Munition geben, sonst würden sie uns angreifen. Aber er versuche, den IS nicht erstarken zu lassen, indem er ihm nur wenig Waffen zukommen lasse. Später, als wir erfuhren, dass der IS Waffen und Munition von Haftars Leuten kaufte, hörten wir ganz damit auf.«53

Während des Bürgerkriegs 2014–2015 profitierten Gruppen wie Ansar al‑Sharia und der IS von Allianzen mit revolutionären Gruppen.

Gruppen wie Ansar al-Sharia und der IS profitierten jedoch nicht nur von Allianzen mit revolutionären Gruppen, sondern auch davon, dass sich Teile von Letzteren radikalisierten, da sie Konflikten ausgesetzt waren. In Bengasi und Darna hatten islamistische An­führer der Revolutionäre seit dem Sturz Gaddafis bei ihrer Gefolgschaft dafür geworben, sich staat­lichen Institutionen anzuschließen und politische Prozesse wie die Wahlen von 2012 zu unterstützen. Gruppen wie Ansar al-Sharia spalteten sich eben des­halb von den Revolutionären ab, weil sie den Staat in seiner damaligen Form ablehnten.54 Mit seinem An­griff auf die Revolutionäre schien Haftar die kompro­misslose Position Ansar al-Sharias als die richtige zu bestätigen: »Ansar-Anführer sagten zu den Shabab [jungen Män­nern, Kämpfern]: ›Seht ihr? Wir haben euch doch gesagt, dass wir gegen den Staat kämpfen müssen, dass wir ihn erobern müssen! Jetzt führt der Staat gegen euch Krieg!‹«55 Später, nachdem Haftars Ver­bün­dete Wohn­häuser der Revolutionäre angegriffen hatten, warb der IS damit, dass er jeden Kompromiss mit dem Geg­ner ablehnte.56

Zeitweise schien ebenjene Kompromisslosigkeit wiederum die Erfolgschancen des IS zu erhöhen: So er­wartete ein Mitglied des Schurarats im Januar 2015, dass der IS die Schlacht um Bengasi für sich entscheiden werde, »denn das sind brutale Kämpfer, die jeden töten, der sich ihnen in den Weg stellt. Die Stämme werden sich ihnen unterordnen, um ihren Söhnen das Leben zu retten.«57 Ein Politiker, dessen drei Söhne im Kampf gegen Haftar getötet worden waren, sagte damals, dass viele, die nun für den IS kämpften, keine Islamisten seien, sondern sich ihm aufgrund der Gewalt der Gegenseite angeschlossen hätten.58 Eine andere Person, die der Führung des Schurarats nahestand, meinte zum selben Zeitpunkt: »Wenn wir den IS brauchen, um Haftar zu besiegen, dann soll der IS kommen. Meine Familie hat alles verloren, unser Haus wurde abgebrannt, tausende von Familien sind aus Bengasi geflohen. Ich habe nichts mehr zu verlieren.«59 Einem ehemaligen Führungsmitglied der Rafallah-Sahati-Brigade zufolge erklärten solche Radi­kalisierungsprozesse, warum viele Mitglieder der Gruppe sich zunächst Ansar al-Sharia und später dem IS zuwandten.60

Nicht zuletzt gab es Leute, deren Unterstützung oder Mobilisierung für militante Islamisten aus Op­por­tunismus zustande kam, wie etwa der Tendenz, sich einer Kraft anzuschließen, die auf dem Weg zum militärischen Sieg zu sein schien: »Als der IS 2014 plötzlich fast die ganze Provinz al-Anbar [im Irak] übernahm, waren auch in Bengasi viele beeindruckt.«61 Desgleichen war in Sirt der Siegeszug des IS im Irak ein starker Ansporn für Mitglieder Ansar al-Sharias, sich dem Kalifat unterzuordnen.62 Ein Bewohner Darnas berichtete von einem Apotheker, der sich aus Eigeninitiative um eine Lizenz des IS für sein Geschäft bemüht hatte: »Ich war verwundert und fragte ihn, warum. Er antwortete: ›Libyen wollte doch schon immer ein mächtiger arabischer Staat sein. Und jetzt schau dir den IS an, sein Territorium ist größer als das von Großbritannien!‹«63 In Darna gab es Kämpfer, die sich »jeder neuen Welle anschlossen – erst dem IS, später Haftar«.64 In Bengasi fanden sich unter den IS-Kämpfern »Leute, die Alkohol tranken, Drogen kon­sumierten oder Banken ausraubten und den IS als Deckmantel für ihre Selbstbereicherung nutzten«.65 In Sirt, wo Anhänger des Gaddafi-Regimes militärisch entmachtet und der Verfolgung durch die Revolutionäre aus Misrata ausgesetzt gewesen waren, bot ihnen der IS eine Möglichkeit, an Waffen zu kommen, Schutz zu finden und vielleicht sogar Rache an Misrata zu üben.66

Niedergang: Taktische Handlungslogiken

Ähnliche taktische Erwägungen sind beim Niedergang militant islamistischer Gruppen erkennbar. Und auch hier sind solche Erwägungen in einem Spektrum angesiedelt, das von der Reaktion auf eine un­mittelbare Bedrohung bis zur kühlen Kosten-Nutzen-Kalkulation reicht.

Dass ehemalige Revolutionäre in Sabratha, Darna und Misrata von der anfänglichen Toleranz gegenüber dem IS zu einer verlustreichen Konfrontation mit ihm übergingen, hing direkt mit der Bedrohung zusammen, die er darstellte. In Sabratha duldeten die bewaffneten Gruppen die IS-Anhänger, »bis sie damit anfingen, Leute zu entführen und zu töten«.67 Zur Konfrontation kam es jedoch erst, als der IS-Ableger nach einem vernichtenden amerikanischen Luft­angriff im Februar 2016 plötzlich versuchte, offen die Kontrolle über die Stadt zu erringen – und darauf­hin aus ihr vertrieben wurde.68

In Darna lieferte sich der IS schon seit Mitte 2014 immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen mit der Abu-Salim-Brigade. Letztere bildete mit anderen Verbänden den Schurarat der Mujahidin von Darna (Majlis Shura Mujhahidi Darna), dem sich kurzzeitig auch ein Teil des lokalen Ansar-al-Sharia-Ablegers anschloss, bevor er wieder von dem Bündnis abfiel. Aber ein offe­ner Krieg zwischen dem IS und seinen Gegnern brach erst aus, als der IS einen prominenten Schurarat-Kommandeur ermordete – das ehemalige LIFG-Mit­glied Nasr al-Okr – und in den darauffolgenden Zusammenstößen der Anführer des Schurarats, Salim Derbi, getötet wurde.69 Die Kämpfe in Darna dauerten acht Monate an.

Externe Beobachter beschrieben diese Konfrontation meist verkürzt als einen internen Konflikt zwischen Jihadisten: nämlich zwischen dem IS und Gruppen, die ideologisch al-Qaida zuzurechnen waren.70 Tat­säch­lich aber galt letztere Beschreibung nur für einen Teil des harten Kerns der Abu-Salim-Brigade. Und für den Kampf gegen den IS gelang es dem Schurarat nicht nur, breite Unterstützung in Darna zu mobilisieren; er versuchte darüber hinaus zunehmend, in der öffent­lichen Kommunikation sein jihadistisches Image abzulegen. Ob damit ein wirklicher Sinneswandel zumindest einiger Anführer des Schurarats verbunden war, wie wohlinformierte Beobachter zu erken­nen glaubten, ist schwer zu beurteilen.71 Dennoch muss der Kampf gegen den IS in Darna als der Beginn eines Distanzierungsprozesses der lokalen Revolutionäre vom Jihadismus gesehen werden, der freilich nicht von allen bewältigt wurde.

Die spätere Umbenennung des Schurarats in »Schutz­truppe von Darna« (Quwat Himayat Darna) folgte derselben Logik. Die Schutztruppe vermied jegliche jihadistische Referenzen und stellte ihren Widerstand gegen Haftar als einen Kampf der ganzen Stadt gegen die Diktatur und für einen »zivilen Staat« dar.72 Ein Kommandeur der Schutztruppe, der sich nach der Niederlage gegen Haftar nach Westlibyen rettete, be­tonte, die Gruppe habe keinerlei Verbindungen mehr zu Jihadisten.73

Noch einschneidender und folgenreicher war der Wandel, der in Misrata eintrat, als der IS von Sirt aus in Richtung Misrata zu expandieren drohte. Ab An­fang 2015 brachte der IS Sirt unter seine Kontrolle und griff dort auch immer wieder eine bewaffnete Gruppe aus Misrata an.74 In Misrata steigerte das zwar das Bewusstsein für die Gefahr, löste aber noch keine Mobilisierung aus.75 Zudem ließen die führenden Akteure in Misrata weiterhin zu, dass ihre Stadt von den Haftar-Gegnern in Bengasi als logistisches Dreh­kreuz genutzt wurde – wovon eben auch IS-Anhän­ger in Bengasi profitierten.76 Das änderte sich erst, als der IS im Mai 2016 Checkpoints zwischen Sirt und Misrata angriff und damit die Stadt selbst bedrohte.

Es kam zu einer spontanen Mobilisierung der bewaffneten Gruppen Misratas, mit der eine monate­lange Offensive begann. Hunderte Kämpfer der Stadt wurden getötet, bevor der IS im Dezember 2016 be­siegt war. Wie ein Kämpfer damals sagte: »Am Tag nach dem Angriff auf den Checkpoint in al-Sdada schloss ich mich der Offensive an. Denn der IS rückte näher, er tauchte sogar in Misrata selbst auf.«77 Damit einher ging ein tiefgreifender Wandel in der Ein­stel­lung gegenüber militanten Islamisten insgesamt. Durch Verhöre und aufgefundene Dokumente wurde in Misrata bekannt, dass der IS in Sirt und Bengasi von der über Misrata laufenden Unterstützung für die Haftar-Gegner in Bengasi hatte profitieren können. Gesellschaftlicher Druck in Misrata bereitete dieser Unterstützung ein Ende.78 Auch politische Kalkulatio­nen dürften in dieser Entwicklung eine Rolle gespielt haben. Politiker aus Misrata versuchten nämlich seit der Bildung der Einheitsregierung Anfang 2016, in Ostlibyen neue Verbündete zu finden. Dies setzte vor­aus, dass sie die Unterstützung für die Gruppen in Bengasi beendeten.

Der Sinneswandel in Misrata war ein wichtiger Grund dafür, dass sich die aus Bengasi vertriebenen Haftar-Gegner zunehmend von Jihadisten zu distan­zieren versuchten. Ein Beispiel dafür war die Grün­dung der Kompanien zur Verteidigung Bengasis.79 Die Anführer verlasen die Gründungserklärung im Juni 2016 demonstrativ vor der libyschen Flagge, mit einem Armeeoffizier in ihrer Mitte, und verkündeten, dass sie sich nach der Rechtsprechung des Dar al-Ifta‘ rich­teten, also des Muftis in Tripolis.80 Damit setzten sie sich vom Schurarat ab, den Ansar al-Sharia an der Verwendung der Landesflagge hinderte, sowie von allen Gruppen, die sich auf jihadistische Rechts­gelehrte bezogen. Außerdem waren sie bestrebt, Kämpfer mit Verbindungen zu Extremisten bei der Rekrutierung auszusieben – mit gemischtem Erfolg, wie oben (Seite 17f) beschrieben. Nachdem ihnen solche Verbindungen zur Last gelegt wurden, trenn­ten sie sich von zwielichtigen Gestalten, wie sie nicht müde wurden zu betonen: gegenüber Offizieren in Tripolis und Misrata, gegenüber britischen und ame­rikanischen Vertretern sowie dem Autor.81

Auch individuelle Kämpfer suchten Schutz, indem sie sich von militanten Islamisten distanzierten. Ein junger Mann aus einer westlibyschen Stadt, der in Bengasi gegen Haftar gekämpft hatte, erzählte dem Autor: »Einer meiner Brüder hatte sich in Syrien dem IS angeschlossen und wurde dort getötet. Als ich aus Bengasi zurückkam, fingen Leute an, Fragen über meine ideologische Orientierung zu stellen. Später kämpften einige entfernte Verwandte von mir in den Reihen des IS in Sabratha. Aus all diesen Gründen suchte ich zuhause Schutz und fand ihn in der [anonymisiert]-Brigade.«82

Als Haftar 2019 Tripolis angriff, hatten seine Geg­ner aus diesen Erfahrungen gelernt. Sie waren sich nun sehr genau bewusst, wie toxisch Verbindungen mit Extremisten waren – die vom Haftar-Lager und dessen ausländischen Verbündeten vom ersten Tag des Krieges an konstruiert wurden.83 Prominente Kommandeure aus Bengasi, denen solche Verbin­dun­gen zu Recht oder Unrecht nachgesagt wurden, woll­ten sich am Kampf gegen Haftar in Tripolis betei­ligen. Doch sowohl Persönlichkeiten aus ihrem eige­nen Umfeld als auch westlibysche Führungsfiguren rieten ihnen, sich fernzuhalten, um der Sache nicht zu schaden.84 Ehemalige Fußsoldaten des Schurarats konnten sich den Verbänden anschließen, sofern sie zu keinem Zeitpunkt Mitglied von Ansar al-Sharia oder des IS gewesen waren.

Überdies ergriffen viele andere junge Männer, die von Haftars Kräften aus dem Osten des Landes ver­trieben worden waren, die Waffen. Doch anstatt eine eigene Einheit zu bilden, die negative mediale Auf­merksamkeit auf sich gezogen hätte, verteilten sie sich auf fast alle westlibyschen Verbände. Zuvor hatten sie sich in Westlibyen in einer prekären Situa­tion befunden, da Vertriebene aus dem Osten unter Generalverdacht standen, Terroristen zu sein. Sie wurden oft grundlos und ohne Gerichtsverfahren festgehalten im berüchtigten Gefängnis des »Apparats für Abschreckung«, einer der mächtigsten Milizen in Tripolis. Indem sie sich als einzelne Kämpfer west­libyschen Gruppen anschlossen, darunter auch dem Apparat für Abschreckung, wirkten sie diesem Ver­dacht entgegen und fanden Schutz.85

Aufstieg: Soziale Einbettung und gesellschaftliche Akzeptanz

Besser verständlich werden die eben analysierten tak­tischen Erwägungen durch ihren sozialen Kontext: wenn man berücksichtigt, was gesellschaftlich akzep­tabel oder aufgrund sozialer Verbundenheit nahe­liegend war. Bevor militante Islamisten mit der Eska­la­tion der Konflikte 2014 zu attraktiven Verbündeten wurden, konnten sie sich in einem Umfeld entwickeln, in dem sie und ihre Positionen sich weitreichen­der gesellschaftlicher Anerkennung erfreuten. Das war teilweise auf die unter Gaddafi vorherrschenden Moral­vorstellungen zurückzuführen, vor allem aber auf die Rolle von Islamisten in der Revolution 2011.

Zwar hatte Gaddafi islamistische Oppositionelle verfolgt und verteufelt; zeitweise hatte sein Regime junge Männer allein schon deshalb verhaftet, weil sie zum frühmorgendlichen Gebet gingen. Gleichzeitig hatte Gaddafi aber über einen strengen Moralkodex gewacht – in den Worten eines damals jungen Isla­misten, der mehrere Jahre im berüchtigten Gefängnis Abu Salim verbracht hatte: »Libyen war eine konser­vative, abgeschottete Gesellschaft. Gaddafi hatte Alko­hol, Prostitution, Nachtklubs verboten. Im Ramadan fasteten alle. Religiös zu sein war völlig normal, und viele Leute, die später als Islamisten abgestempelt wurden, waren ganz einfach fromm.«86

In den 2000er Jahren hatte das Regime zudem, innerhalb gewisser Grenzen, eine jihadistische Unter­grundkultur toleriert. Zumindest eine Zeitlang förder­ten die Geheimdienste verdeckt die Rekrutierung junger Männer für den Kampf im Irak und verhinderten auch nicht, dass die Familien der Kämpfer diese öffentlich als Märtyrer feierten, wenn sie die Nach­richt über ihren Tod erhielten.87 So entwickelten sich in Städten wie Darna, Ajdabiya und Sabratha Netz­werke, die jihadistisches Gedankengut tief in Teilen der lokalen Gesellschaft verankerten. Für junge Män­ner mit diesem sozialen Hintergrund war Jihadismus schlicht ein Aspekt von Frömmigkeit.88

Während der Revolution 2011 traten Islamisten als prominente Führungsfiguren hervor, indem sie sich aktiv am Kampf beteiligten. Auf diese Weise häuften sie ein beträchtliches »revolutionäres soziales Kapital«89 an, was ihre gesellschaftliche Stellung umso drama­tischer erhöhte, als sie noch kurz zuvor im Exil, im Gefängnis oder unter Überwachung gewesen waren. Kaum einer unter ihnen bildete rein islamistische oder gar jihadistische Einheiten. Stattdessen mobilisierten sie ebenso wie andere unter dem Banner der Revolution. Die revolutionären Verbände formierten sich meist auf der Basis einzelner Städte. Kämpfer schlossen sich in erster Linie den Gruppen an, zu deren Mitgliedern sie verwandtschaftliche, freundschaftliche oder nachbarliche Beziehungen hatten.

Dass es in manchen Gruppen – etwa jenen aus Darna – mehr Islamisten gab als in anderen, lag vor allem an lokalen Subkulturen. Aber auch in diesen Gruppen kämpften eingefleischte Jihadisten mit solchen jungen Männern Seite an Seite, deren Über­zeugungen sich auf den Einsatz für die Revolution beschränkten.90 Unter islamistischen und nicht­islamistischen Kommandeuren unterschiedlicher Gruppen entwickelte sich durch den gemeinsamen Kampf oft eine tiefe Verbundenheit, die jahrelang nachwirken sollte. Freilich existierte auch Miss­trauen – insbesondere zwischen Figuren, die nicht eng zusammen gekämpft hatten und sich erst gegen­übertraten, als mit dem Sturz des Regimes schon die ersten Rivalitäten aufkamen.91

Drei Aspekte dieser Genese waren entscheidend für den Aufstieg militant islamistischer Bewegungen nach 2011. Erstens gingen aus der Revolution viele charis­matische Anführer bewaffneter Gruppen hervor, die islamische Idiome verwendeten. Wer von ihnen Isla­mist, Jihadist oder schlicht gottesfürchtig war, ließ sich oft nicht ohne weiteres feststellen – die Grenzen waren fließend.

Zweitens konnten Politiker und Kommandeure, die im militant islamistischen Spektrum angesiedelt waren, in den Jahren nach 2011 auf die Verbundenheit derer bauen, mit denen sie während der Revolu­tion für ein gemeinsames Ziel gekämpft hatten. Zu­mindest in der Anfangsphase besaßen sie ein hohes gesellschaftliches Ansehen, das sich 2012 in den Wahl­ergebnissen widerspiegelte und anschließend schwand, als Konflikte und Unsicherheit um sich griffen.

Drittens fanden sich in den Gruppen, die von frommen bis islamistischen Figuren nach dem Sturz Gaddafis angeführt wurden, oft sowohl Islamisten wie Nichtislamisten. Die meisten, wenn auch nicht alle Anführer der Abu-Salim-Brigade in Darna waren Jihadisten, unter ihren Kämpfern befanden sich indes »viele gewöhnliche junge Leute aus Darna, die rauch­ten und sich Gel ins Haar schmierten«.92 Die Gründer der Rafallah-Sahati-Brigade in Bengasi »vertraten isla­mistisches Gedankengut. Die meisten von uns waren ehemalige Häftlinge. Aber viele unserer Mitglieder waren Shabab, die rauchten, Drogen nahmen, Musik hörten. Wir waren für alle offen. Bei anderen Grup­pen war es ähnlich, wie bei der Brigade des 17. Feb­ruar oder der Märtyrer-von-Zintan-Brigade.«93 Führungs­figuren in Zawiya und Sabratha wie Mohamed al-Kilani, Omar al-Mukhtar und Shaaban Hadiya galten weithin als Islamisten – tatsächlich aber »war Hadiya ein charismatischer Rechtsgelehrter, der 2011 eine eini­gende Figur gewesen war, kein Extremist«.94 Kilani und Mukhtar waren »keine Mitglieder irgendwelcher ideologisierten Organisationen. Omar al-Mukhtar war im Gefängnis Abu Salim gewesen, aber er war einfach tiefgläubig. Und viele Kämpfer waren es nicht, son­dern sie rauchten und so weiter.«95 Die Anführer der Faruq-Brigade in Zawiya, die später von politischen Gegnern als Terroristen verunglimpft wurden, waren religiös – »aber unter den Mitgliedern gab es mehr Leute, die Alkohol tranken, als Strenggläubige«.96

Diese Aspekte erklären, warum viele Revolutionäre zumindest diejenigen militanten Islamisten, zu denen sie persönliche Verbindungen hatten, nicht als Ge­fahr ansahen. Auch islamistische Ideologie war des­halb für viele von ihnen nicht so fremd. Für junge Männer in der Abu-Salim-Brigade aus Darna zum Bei­spiel waren Gesänge (Nasha’id) aus dem Umfeld des al-Qaida-Netzwerks etwas Selbstverständliches.97 Ähn­liches galt für die schwarze Flagge mit dem isla­mi­schen Glaubensbekenntnis, die unter anderem vom IS und al-Qaida-Gruppen verwendet wurde. In Bengasi »mussten wir den Shabab erklären, wie das international wahrgenommen wurde«.98 Rückblickend sagte ein islamistischer Revolutionär aus dieser Stadt: »Ich kann verstehen, warum vielen die schwarze Flagge gefiel. Aber sie machte keinen guten Eindruck, es sah wie der IS aus.«99

Militant islamistische Gruppen in Libyen konnten in der Mitte der Gesellschaft agieren.

Dieser Hintergrund macht auch verständlich, warum Jihadisten weiter in der Mitte der Gesellschaft agieren konnten, als sie sich von den Revolutionären absonderten und ihre eigenen Gruppen bildeten – mit anderen Worten, warum sie als soziale Bewegung auftraten und nicht als isolierte Zellen in den Unter­grund gedrängt wurden. In Bengasi betrachteten viele Ansar al-Sharia zunächst als eine Gruppe von gottes­fürchtigen, am Gemeinwohl interessierten jungen Män­nern.100 Noch 2013 war ein Mitglied des Lokalrats der Meinung: »Alles, was sie wollen, ist die Sharia«101 – und dass diese eine zentrale Funktion einnehme, dar­über herrschte schließlich in den ersten Jahren nach 2011 weitgehender Konsens, über die politischen Gräben hinweg.102 Obwohl die Ansar-al-Sharia-Anfüh­rer den Staat und demokratische Prozesse offen ab­lehn­ten, traten ihre einstigen Waffenbrüder dafür ein, solche Meinungsverschiedenheiten durch Dialog zu lösen.103

Und nicht zuletzt erklärt sich so die Permeabilität zwischen Revolutionären und Jihadisten sowie die Tatsache, dass eine Allianzbildung zwischen ihnen sozial naheliegend war. Für Mitglieder der Rafallah-Sahati-Brigade war es umso leichter, sich Ansar al-Sharia anzuschließen, als sie dort ihre ehemaligen Mitstreiter vorfanden. Auch der IS trat zunächst in der Gestalt von Kämpfern auf, mit denen man schon früher persönliche Beziehungen gehabt hatte – so etwa die Person, die 2013 vom IS im Irak nach Bengasi gesandt wurde, um von drei revolutionären Komman­deuren vergeblich zu verlangen, dass sie sich der Orga­nisation unterordneten.104 In Sabratha agierte ein führender Revolutionär als Mittelsmann zum IS, als über Geiselnahmen verhandelt wurde, indem er Beziehungen nutzte, die auf den gemeinsamen Kampf 2011 zurückgingen: »Abdallah Haftar [der örtliche IS-Anführer] war 2011 mit uns in den Bergen gewesen. Er war ein mutiger Kämpfer – ein einfacher Mensch, nicht ideologisch, an Geld interessiert. Auch 2014 kämpfte er in unseren Reihen.«105

Soziale Verbundenheit und Einbettung in die lokale Gesellschaft spielten also eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung militanter Islamisten in früheren revolutionären Hochburgen wie Bengasi und Darna. Die spätere IS-Hauptstadt Sirt dagegen war alles andere als eine revolutionäre Hochburg, dort galten andere Zusammenhänge: Ansar al-Sharia und später der IS etablierten sich in der Stadt als kleine, isolierte Minderheiten, die davon profitierten, dass es kein Gegengewicht gab. Denn Sirt erlitt die Revolution als Niederlage, die Revolutionäre besaßen dort keine breite soziale Basis, und die Elite der Stadt war im Gefängnis, im Exil oder tot.106

In Sirt wurde Ansar al-Sharia unter anderem von Mitgliedern der Faruq-Brigade aus Misrata gegründet – einer revolutionären Gruppe, die sowohl Isla­misten als auch Nichtislamisten in ihren Reihen hatte. Die Faruq-Brigade spaltete sich, als ein Teil von ihr sich in Sirt niederließ und in Ansar al-Sharia aufging. Mit dieser Spaltung waren eine geographische und eine soziale Distanzierung verbunden, selbst wenn Beziehungen zwischen manchen Mitgliedern beider Gruppen fortbestanden.107 Ansar al-Sharia wiederum bildete den späteren Nukleus des IS in der Stadt. Fest­zuhalten ist, dass dessen Aufstieg in Sirt vom Muster in anderen libyschen Städten abweicht, was die so­ziale Einbettung der Jihadisten betrifft.

Niedergang: Soziale Distanzierung und Isolation

Kann die Bedeutung sozialer Beziehungen auch zum Verständnis des Niedergangs militanter Islamisten beitragen?

Einerseits scheint soziale Verbundenheit eine harte Distanzierung von Jihadisten oder jenen, die Kontakte zu ihnen hatten, oft eher gebremst zu haben. Das zeigte sich etwa in den Dialogversuchen mit Ansar al-Sharia in Bengasi oder in der Nachsichtigkeit gegen­über manchen Mitstreitern im Kampf gegen den IS in Darna: Zwar lehnten die einen wie die anderen Demo­kratie ab, und Letztere boten dem ägyptischen Jiha­dis­ten Omar Rifai Surur Zuflucht, aber »solche Mei­nungsverschieden­heiten sollte man durch Diskussion lösen, nicht durch Krieg«.108 Oder es äußerte sich in Beziehungen zu alten Freun­den wie einem ehema­ligen Kader Ansar al-Sharias; nach diesem hatten ame­rikanische Militärs den An­füh­rer der Kompanien zur Verteidigung Bengasis, Ismail Sallabi, gefragt: »Ich sagte ihnen: ›Ja, es stimmt, Younes und ich waren alte Freunde, schon vor 2011. Dass er sich Ansar al-Sharia anschloss, ent­fremdete uns voneinander. Danach half ich ihm nur noch in einer ganz bestimmten Angelegen­heit, und er war nie in den Kompanien dabei.‹«109

Sallabi und ein anderer Anführer der Kompanien, Ziyad Balam, ließen eine gewisse Nachsicht gegenüber Figuren erkennen, deren Beziehungen mit Terro­risten sie in den Augen ausländischer Geheimdienste zu Jihadisten machten, obwohl besagte Beziehungen rein transaktionaler Natur waren. So sagte etwa Balam über Saadi Nofili, den ein Video zusammen mit dem algerischen Terroristen Mokhtar Belmokhtar gezeigt hatte: »Ich fragte Saadi danach. Er erklärte mir, dass er einigen Leuten gegen Geld geholfen habe, von Bengasi nach Zalla zu kommen, und erst dabei heraus­fand, um wen es sich handelte. Ich überzeugte mich, dass Saadi kein Extremist war und es sich um eine reine Geschäftsbeziehung gehandelt hatte. Die Anschul­digungen waren dennoch eine Last für uns, und ich bat ihn, sich freiwillig einer polizeilichen Unter­suchung zu unterziehen.«110 Und Sallabi äußerte sich über die Beteiligung einer anderen zwielichtigen Figur an Mili­täroperationen der Kompanien: »Ahmed al-Hasnawi ist ein einfacher Mensch. Er ist nicht ›al-Qaida‹. Aber bei ihm im Süden ist das so, da macht man mit allen Geschäfte – mit dem IS, al-Qaida oder wem auch immer.«111

Andererseits: Wo die soziale Ächtung militanter Islamisten erst einmal besiegelt war, ließ sie sich nur schwer rückgängig machen. Dadurch wird verständ­licher, warum Haftars Gegner 2019 keine erneute tak­tische Allianz mit militanten Islamisten eingingen, sondern Abstand wahrten von allen, die – ob zu Recht oder zu Unrecht – in diese Kategorie gesteckt wurden. Ein ehemaliger LIFG-Anführer führte das auf die Erfahrungen zurück, die im Kampf gegen den IS in Darna, Sabratha und Sirt gemacht worden waren: »Seither wussten die Thuwwar [Revolutionäre], dass sie Jihadisten nicht trauen konnten.«112

Eine wichtige Rolle spielte bei dieser Entwicklung zudem die abstoßende Wirkung, die von der zur Schau gestellten Brutalität des IS ausging. Der IS wurde nicht nur zu einer unmittelbaren Bedrohung; seine demonstrative Grausamkeit sprengte alle Gren­zen des gesellschaftlich Akzeptablen. Der schon zitierte Kämp­fer aus Misrata, der sich der Offensive gegen den IS anschloss, begründete das auch damit, dass der IS »das Bild des Islam in den Dreck zog«.113 Dass Anhänger und Sympathisanten sich von Rebellengruppen oder Terrororganisationen abwenden, weil sie von deren Gewalt gegen Zivilisten abgeschreckt werden, ist ein weit verbreitetes Muster.114

Zur Isolation nicht nur von militanten, sondern auch moderateren Islamisten trug ebenfalls bei, dass die Markierung als »Islamist« seit 2014 zu einem wir­kungsvollen Stigma geworden war. Ein anderer ehe­maliger LIFG-Anführer erinnerte sich: »Auf einmal wollten die Leute nichts mehr mit uns zu tun haben, wollten uns nie gekannt haben. Sie schoren uns alle über einen Kamm – ›die Islamisten‹. Die Dämonisierung durch Sender wie al-Asema TV war sehr effektiv. Sie sprachen über die LIFG, als ob wir für alles ver­antwortlich seien, hinter allem steckten.«115

Dass die libyschen Muslimbrüder 2021 ihren Namen änderten und sich so von der Muslimbruderschaft zu distanzieren versuchten, erklärte ein Kader wie folgt: »Die Muslimbruderschaft findet keine Ak­zeptanz mehr. Niemand wird zu dir ins Büro kommen. Wenn ich im Namen der Muslimbruderschaft spreche, bin ich das fleischgewordene Böse.«116 Sein Name hatte auf einer Liste von »Terroristen« gestanden, veröffentlicht von dem mit Haftar verbündeten Parlament im Osten Libyens – mit spürbaren Folgen in seinem sozialen und professionellen Umfeld, wo ihm manche nun misstrauisch begegneten. Und ein Aktivist aus Darna, der versuchte, öffentliche Aufmerksamkeit für Gefangene aus seiner Heimatstadt zu gewinnen, die in Haftars Gefängnissen willkürlich festgehalten und gefoltert wurden, sagte: »Niemand will über die Ge­fangenen reden, denn sie gelten als ›Daesh‹ [IS]. Wenn du über sie redest, bist du selbst ›Daesh‹«.117

Viele der Aktivisten, Politiker und Anführer bewaffneter Gruppen, die sich auf diese Weise stigmatisiert sahen, zogen sich zurück und waren zunehmend sozial isoliert – unabhängig davon, ob sie in Libyen blieben oder sich ins Exil retteten. So etwa die ehe­maligen LIFG-Anführer in Istanbul.118 Ismail Sallabi berichtete, er treffe sich in seinem Istanbuler Exil nur mit wenigen alten Freunden und auch nicht mehr mit Journalisten. Als Haftar Tripolis angriff, wollte er kämpfen – aber man habe ihm mitgeteilt, er solle sich fernhalten; seine Beteiligung werde nur schaden, da er als Extremist verschrien sei.119

Taktische Erwägungen führten also 2019 auch des­halb nicht zu dem erwarteten Comeback militanter Islamisten, weil Letztere in der Zwischenzeit stark an gesellschaftlicher Akzeptanz verloren hatten und nun sozial isoliert waren. Viele der Vertrauensbeziehungen, die militante Islamisten durch den gemeinsamen Kampf 2011 mit ihren Waffenbrüdern geknüpft hatten, waren 2019 längst zerrüttet. Die einschneidende Er­fah­rung der Konfrontation mit dem IS sowie die mediale Verteufelung sämtlicher Islamisten hatten maßgeb­lichen Anteil daran. Allerdings dürfte die enge soziale Vernetzung militanter Islamisten diese Entwicklung eher verzögert haben. Dass sich das Blatt so schnell und vollständig wendete, bedarf also noch einer wei­teren Erklärung.

Aufstieg und Niedergang: Konformismus und Abgrenzung

Einen weiteren Schlüssel zum Verständnis der Dyna­mik seit 2011 liefern soziale Mechanismen der Ab­grenzung und des Konformismus, der Absonderung und Anpassung. Triebkraft dieser Mechanismen ist das Streben des Einzelnen nach sozialer Anerkennung und Gruppenzugehörigkeit. Für Georg Simmel und Pierre Bourdieu dienten Distinktion und Nach­ahmung dazu, einen sozialen Status auszudrücken beziehungs­weise anzustreben; die dialektische Beziehung zwi­schen ihnen war für sie der Motor von Mode und Geschmack.120 Ähnliche Prozesse lassen sich in der Ausbreitung und dem Rückgang militant islamistischer Bewegungen in Libyen beobachten.

Wie oben (Seite 21ff) dargestellt, schlossen die mili­tant islamistischen Bewegungen Libyens in den ersten Jahren nach 2011 nahtlos an einen gesellschaft­lichen Mainstream an, der einem politisch revolutionären, aber sozial konservativen Zeitgeist folgte. Militante Is­lamisten und Jihadisten stachen anfangs weder äußer­lich noch diskursiv stark aus der Masse der Revo­lu­tio­näre heraus. Die Ästhetik der Revolutionäre – bärtig, oft in Tarnkleidung – war von derjenigen militanter Islamisten kaum zu unterscheiden. Viele Milizionäre eigneten sich diese Ästhetik an. Ein ehemaliger LIFG-Anführer erinnerte sich: »Damals ließen sich selbst haschischrauchende Milizenführer einen Bart wach­sen und mit Sheikh anreden. Wir deuteten diese Ent­wicklung falsch, weil wir so lange von der liby­schen Gesellschaft isoliert gewesen waren; plötzlich schie­nen alle unsere Überzeugungen zu teilen.«121 Ein Revo­lu­tionär aus dem islamistischen Spektrum sah es ähn­lich: »Nimm zum Beispiel Ismail Sallabi oder Wissam ben Hamid. 2012 trug Ismail die Abaya [langes Ge­wand] der Islamisten, denn damals war das populär. Heute bietet er dir Zigaretten an, wenn du ihn triffst«122 (eine Beobachtung, die der Autor bestätigen kann). Mit der ästhetischen Anpassung einher gingen for­mel­hafte Bekenntnisse zu den Idealen der Revolution sowie die weit verbreitete Tendenz, die eigene Rolle in der Gaddafi-Ära zu verschweigen oder umzuinterpretieren, so dass sie in den Zeitgeist passte.

Dass Ästhetik und Habitus der Revolutionäre und Islamisten so viele Nachahmer fanden, lag nicht zu­letzt an ihrem Status als Sieger und Helden. Wie ein Anführer der Rafallah-Sahati-Brigade sagte: »Im Okto­ber 2011 kamen wir als Helden, als Revolutionäre von der Front zurück. Als die Mordserie begann, fing man plötzlich an, uns Terroristen und Milizen zu nennen. Wir waren schockiert – nur ein Jahr vorher waren wir edle Revolutionäre gewesen!«123

Das Streben nach Heldentum und pubertäre Angeberei waren Triebkräfte hinter der Absonderung jihadistischer Splitter­gruppen.

Dieses Streben nach Heldentum war auch eine Trieb­kraft hinter der allmählichen Absonderung jiha­distischer Splittergruppen nach dem Sturz des Regimes. So gingen etwa viele junge Männer aus Darna nach Syrien, denn »diejenigen, die im Irak gegen die Ame­rikaner oder 2011 gegen Gaddafi gekämpft hatten, waren als Helden zurückgekommen. Wenn du ein Held werden wolltest, konntest du in den Jihad zie­hen.«124 Ein Kommandeur aus Bengasi erinnerte sich an einen Sechzehnjährigen, der aus dem Westen Libyens kam, um gegen Haftar zu kämpfen: »Jemand wie er ging auch nach Bengasi, um später zuhause damit angeben zu können, dort gekämpft zu haben. Zum Glück schloss er sich uns an und nicht irgendwelchen Extremisten.«125 Der Zulauf, den der IS in Bengasi erfuhr, ließ sich einem Rafallah-Sahati-Vete­ran zufolge ebenfalls (unter anderem) mit pubertärer Angeberei begründen: »Beim IS war viel Hollywood im Spiel, es ging viel um Action – ›ich hab’ dies ge­macht, ich hab’ das gemacht‹. Es waren bei weitem nicht alles Ideologen.«126 Ideologie war allerdings auch ein Mittel, um sich als überlegen abzugrenzen: Gruppen wie Ansar al-Sharia und später der IS sahen sich als die Vertreter der einzig wahren Lehre; An­hänger moderaterer Strömungen waren für sie Ab­trünnige oder Ungläubige.127

Bezeichnend für die entstehenden jihadistischen Splittergruppen war das Alter ihrer Mitglieder – bei diesen handelte es sich vor allem um Jugendliche und junge Erwachsene.128 Anführer der revolutionären Brigaden betonten oft, dass sie eine generationelle Kluft von den Mitgliedern Ansar al-Sharias und des IS trennte: »Im IS waren nur ganz junge Leute. Keiner der älteren Revolutionäre schloss sich ihm an.«129 Neben jugendlicher Prahlerei und dem Streben nach Ruhm waren dabei auch andere allgemeine Jugendphänomene zu erkennen, nämlich die Rebellion gegen Eltern und Gesellschaft sowie die Suche nach Identi­tät, Zugehörigkeit und höheren Zielen.130 Solche Dyna­miken wurden gleichermaßen in anderen Kontexten beobachtet, etwa bei jungen Salafisten in Tunesien oder sozial marginalisierten Teenagern in Europa, die von einer jihadistischen Subkultur, einem »Jihadi Cool«, angezogen wurden.131 Weitgehend unbeachtet blieb bisher, wie schnelllebig solch eine Subkultur sein kann – wie andere Jugendkulturen eben auch.

Mit der Trendwende um 2016 verschwanden die Ästhetik und der Habitus militanter Islamisten rasch. Manche, die 2012 die »Abaya der Islamisten« getragen hatten, trugen nun die »Abaya der Madkhali-Salafis­ten«, deren Bewegung einen dramatischen Aufschwung erlebte.132 Unter den Anführern bewaffneter Gruppen wurden die Bärte kürzer oder ganz abrasiert; Milizen­führer wie Haitham al-Tajuri aus Tripolis zeigten sich jetzt in Designerkleidung und verkörperten einen ostentativen Materialismus, der an die Stelle der isla­mistisch-revolutionären Rhetorik trat. Die neue Jugend­kultur der Milizionäre verherrlichte schnellen Reich­tum durch Gewalt und Kriminalität.133 Später legten die Anführer bewaffneter Gruppen Uniformen an, um den formellen und disziplinierten Charakter ihrer Einheiten zu unterstreichen.134

Ende 2023 traf sich der Autor mit einem Sheikh und Universitätsprofessor, dem von wohlinformierten Mit­bürgern nachgesagt wurde, vor 2011 mehrere Rekru­ten für den Jihad im Irak gewonnen zu haben. Er hatte 2011 eine bewaffnete Gruppe angeführt, deren Mitglieder sich später teilweise Ansar al-Sharia und anschließend dem IS in Sirt angeschlossen hatten. Doch nun trat er dem Autor im Anzug und glatt­rasiert gegenüber und hob hervor, er sei reiner Aka­demiker und habe schon seit dem Sturz Gaddafis nichts mehr mit bewaffneten Gruppen zu tun.135

Im Hinblick auf das modeartige Aufkommen und Ver­schwinden militanter Islamisten ist Libyen kein Einzel­fall. In der libanesischen Hafenstadt Tripolis, die für ihre jihadistische Subkultur berüchtigt wurde, kön­nen ältere Bürger sich noch an das ungefähre Datum erinnern, an dem die jungen Leute eines Viertels »plötzlich ›Islamisten‹ wurden – es war im Sommer 1980. [Sie] fingen an, fünfmal am Tag zu beten, lie­ßen sich Bärte wachsen … [und] hielten die schwarze Fahne des Jihad hoch.«136 Und in Tunesien, von wo aus tausende junger Männer sich nach 2011 jihadistischen Gruppen in Libyen und Syrien ange­schlossen hatten, war Jihadismus schon 2020 wieder »aus der Mode gekommen«.137

Mechanismen der Abgrenzung und Nachahmung können dazu beitragen, sowohl die rasche Ausbreitung als auch den ebenso schnellen Niedergang mili­tant islamistischer Bewegungen in Libyen zu ver­stehen. Die Impulse gingen dabei von Schlüsselereignissen wie der Revolution von 2011 und dem Kampf gegen den IS aus, aber auch von dem Faktum, dass die öffentliche Meinung durch die Medien gezielt be­einflusst wurde. Prozesse der sozialen Anpassung und das Gewicht des Konformismus helfen zu erklä­ren, wie schnell solche Impulse gesellschaftliche Trends entstehen und wieder verschwinden lassen können. Oder, um es mit dem Vokabular der Theorien sozialer Bewegungen zu sagen: wie diskursive Frames zu einem bestimmten Zeitpunkt Resonanz finden – und nur wenig später nicht mehr.138

Schlussfolgerungen

Der kometenhafte Aufstieg und abrupte Fall militant islamistischer Bewegungen in Libyen lässt sich nicht allein durch taktische Handlungslogiken und noch weniger durch die Macht ideologischer Mobilisierung erklären. Die Suche nach Schutz beispielsweise konnte sowohl zur Annäherung an Jihadisten führen als auch zur Distanzierung von ihnen. Gewiss: Es spielte eine wichtige Rolle, ob militante Islamisten Zugang zu Ressourcen hatten oder ihnen diese verwehrt blie­ben, ob sie militärische Siege feierten oder Nieder­lagen erlitten. Doch dass sie sich überhaupt ausbreiten konnten, wird erst durch ihre soziale Einbettung verständlich. Dass sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr als taktische Verbündete angesehen wur­den, lag nicht nur am taktischen Kalkül, sondern eben­falls daran, dass die aus dem Jahr 2011 her­rührende Verbundenheit durch einschneidende Erfah­rungen zerrüttet worden war.

Wie schnell aber Ausbreitung und Niedergang vor sich gingen, wird nachvollziehbarer, wenn man Mecha­nismen der Abgrenzung und Anpassung mit­einbezieht. Akteure, die nach Anerkennung und Zu­ge­hörigkeit strebten, setzten Impulse, die von Schlüssel­ereignissen ausgelöst worden waren und die sich durch das Gewicht des Konformismus selbst verstärkten. Und so waren Libyens militante Islamisten auf einmal wieder verschwunden.

Für analytische Zwecke hat diese Studie Mechanismen voneinander getrennt, die in der Realität oft schwer auseinanderzuhalten sind. Wie soll man im Einzelfall feststellen, ob jemand die »Abaya der Isla­misten« aufgrund bewusster Kalkulation oder aus Konformitätsdrang anlegt? Die Darstellungen der Akteure und genauen Beobachter in den Interviews legen jedenfalls nahe, dass es beides gab. Deutlich dürfte auch geworden sein, dass sich taktische Er­wägungen, soziale Beziehungen sowie die Dialektik von Abgrenzung und Anpassung wechselseitig be­einflussen.

All das soll nicht heißen, dass Ideologie bei militant islamistischer Mobilisierung keine Rolle spielt. Beim harten Kern und langjährigen Anhängern tut sie das zweifelsohne. Ideologie kann erheblich zur Lang­lebigkeit und Widerstandsfähigkeit von sozialen Bewe­gungen oder Rebellengruppen beitragen – ganz gleich, ob dabei islamistisches oder anderes Gedanken­gut vertreten wird. Dass sie es in diesem Fall nicht tat, kann diese Studie zwar nicht abschließend erklären; eine Hypothese ergibt sich aus dem hier gewählten Ansatz aber doch: Gefolgsleute, die sich einer Gruppe aus taktischen Gründen, sozialer Verbundenheit oder Konformismus anschließen, können deren Ideologie verinnerlichen.139 Dafür braucht es aber unter ande­rem Zeit – das heißt, die Konfliktlinien und Kräfte­verhältnisse, die militant islamistische Mobilisierung bedingt haben, müssen über einen gewissen Zeitraum ein Mindestmaß an Konstanz aufweisen. Erreicht ein Konflikt schon nach kurzer Zeit einen dramatischen Wendepunkt, der die Positionen und Kalkulationen der Akteure grundlegend ändert, kann dies Prozesse der ideologischen Verinnerlichung unterbrechen und rück­gängig machen. Anhänger, die sich ideologische Stand­punkte aus Konformismus oder Opportunismus an­geeignet haben, können sie unter solchen Umstän­den leicht wieder ändern. Genau das war jedenfalls in Libyen zu beobachten.

Damit ist noch nichts darüber gesagt, wie dauerhaft der Niedergang militanter Islamisten in Libyen sein wird. Die vorliegende Analyse legt nahe, dass er durchaus reversibel ist. Zum einen gibt es weiterhin einen harten Kern langjähriger islamistischer – aber nicht jihadistischer – Aktivisten und Ideologen, die untereinander eng vernetzt sind, wie etwa den Mufti und die ehemalige LIFG-Führungsriege. Sie warten darauf, dass sich die politischen Rahmenbedingungen zu ihren Gunsten wenden.140 Zum anderen werden hunderte, vielleicht tausende ehemalige Mitglieder von Ansar al-Sharia und des IS unter furchtbarsten Be­din­gungen in libyschen Gefängnissen festgehalten – und welche langfristigen Folgen damit verbunden sein können, ist kaum abzusehen. Dass Gefängnisse den Nährboden für langfristige Radikalisierung bereiten können, beweisen sowohl der libysche als auch andere Fälle.141

Vor allem aber zeigt das Schicksal militanter Isla­misten in Libyen: Schlüssel­ereignisse können eine unberechenbare Wirkung entfalten, die innerhalb kürzester Zeit allgemein anerkannte Annahmen dar­über revolutioniert, welche politische Haltung gesell­schaftlich akzeptabel ist.142 Jüngste Hinweise dafür liefert der Krieg im Gaza-Streifen, der im Oktober 2023 begonnen hat. Wenn er auch letztendlich kein solches Schlüsselereignis in Libyen darstellt, so hat er doch schlagartig die Sichtweise vieler Libyer auf die Hamas verändert: »Heute wird dir jeder Libyer sagen, dass er auf den Sieg der Hamas hofft. Aber vor nur drei Monaten war die Hamas noch die böse Muslimbruderschaft.«143

Tatsächlich problematisiert diese Studie zwar gän­gige Annahmen über die Gründe für militant isla­mis­tische Mobilisierung; sie versucht aber nicht, diese durch ein vermeintlich plausibleres Modell zu erset­zen. Modetrends sind bekanntlich schwer vorherzusagen.144 Um genauer zu sein: Nichtlineare Entwicklungen, die durch die Anpassung vieler an die plötzliche Re­positionierung einiger weniger Akteure angetrieben werden, sind weitgehend unberechenbar. Diese Ein­sicht macht es keineswegs leichter, Handlungs­empfehlungen dafür zu entwickeln, wie mit militan­ten Islamisten umzugehen ist. Drei Schlussfolgerungen, die auch für andere Fälle relevant sein dürften, ergeben sich dennoch aus der vorliegenden Analyse:

Erstens illustriert der libysche Fall, dass gegenüber Etiketten wie »Islamisten« und »Jihadisten« – von »Terroristen« ganz zu schweigen – äußerste Vorsicht geboten ist. Das trifft insbesondere auf Kontexte zu, in denen dichte soziale Netzwerke eine ebenso große Rolle für militante Mobilisierung spielen wie ideolo­gi­sche Nähe. Enge Beziehungen zu militanten Islamis­ten zu unterhalten, bedeutet unter solchen Umständen mitnichten, selbst einer zu sein. Das gilt umso mehr in Gesellschaften, deren strenge Wertvorstellungen für Außenstehende manchmal schwer von explizit mili­tan­ten Ideologien zu unterscheiden sind. Im Rück­blick zeigt sich, dass der Großteil internationaler Wissens­produktion zu militanten Islamisten in Libyen im hier untersuchten Zeitraum ein zu grobes Bild gezeich­net hat. So landeten Individuen und Gruppen oftmals in Schubladen, in die sie bei genauerer Betrachtung nicht hineingehörten.

Zweitens verdeutlicht die Studie, dass auch jene, die nicht nur mit jihadistischen Gruppen paktieren, sondern sich ihnen anschließen, keineswegs durch­weg ideologisch überzeugte Islamisten sind. Das ist an sich kein überraschender Befund, sondern bestätigt lediglich, was bereits Untersuchungen in vielen ande­ren Kontexten festgestellt haben. Der libysche Fall legt allerdings dar, dass die Beweggründe für militant islamistische Mobilisierung noch vielfältiger sein können als bisher angenommen. Neben taktischen, ja opportunistischen Handlungslogiken sowie Reaktionen auf Missstände wie willkürliche Repression zählen enge soziale Verbundenheit sowie das Streben nach sozialer Anerkennung und Gruppenzugehörigkeit dazu.

Drittens und letztens gelten diese Schlussfolge­rungen nicht nur für militante Islamisten. Sie weisen vielmehr darauf hin, dass diese den gleichen Hand­lungslogiken folgen wie andere bewaffnete Akteure auch. Die Analyse bewaffneter Gruppen hat sich bisher erstaunlich wenig mit dem Drang nach sozia­ler Anerkennung als Motivationsfaktor beschäftigt – verglichen etwa mit vermeintlich rationalen Inter­essen wie Macht, Selbstbereicherung oder Überleben. Abgrenzung und Konformismus sind Mechanismen, denen jede Gruppenbildung unterliegt. Sie sind glei­cher­maßen in gesamtgesellschaftlichen Prozessen am Werk, durch die politische Ideale und Feindbilder an Resonanz gewinnen oder verlieren. Sie sollten stärker berücksichtigt werden, um die mannigfaltigen Moti­va­tionen hinter militanter Mobilisierung – ob isla­mistisch oder nicht – besser zu verstehen.

Abkürzungen

AI

Artificial intelligence

HSFK

Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (Frankfurt a. M.)

ICG

International Crisis Group (Brüssel)

Ifri

Institut français des relations internationales (Paris)

IS

Islamischer Staat

ISIS

Islamischer Staat in Irak und Syrien

ISRM

Institute for the Study of Radical Movements (Berlin)

JCP

Justice and Construction Party

LIFG

Libyan Islamic Fighting Group

MSTB

Majlis Shura Thuwwar Benghazi (Schurarat der Revolutionäre von Bengasi)

Endnoten

1

Wolfram Lacher, »Libyen: Wachstumsmarkt für Jihadisten«, in: Guido Steinberg/Annette Weber (Hg.), Jihadismus in Afrika. Lokale Ursachen, regionale Ausbreitung, internationale Verbindungen, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, März 2015 (SWP-Studie 7/2015), S. 33–53, <https://www.swp-berlin.org/publications/products/studien/2015_S07_sbg_web. pdf>; Daniel Byman, »The Homecomings: What Happens When Arab Foreign Fighters in Iraq and Syria Return?«, in: Studies in Conflict & Terrorism, 38 (2015) 8, S. 581–602; Inter­national Crisis Group (ICG), Exploiting Disorder: al-Qaeda and the Islamic State, Brüssel, März 2016, <https://www.crisisgroup. org/global/exploiting-disorder-al-qaeda-and-islamic-state>.

2

 Mary Fitzgerald, »Finding Their Place – Libya’s Islamists during and after the 2011 Uprising«, in: Peter Cole/Brian McQuinn (Hg.), The Libyan Revolution and Its Aftermath, London: Hurst Publishers, 2015, S. 177–204; Lacher, »Libyen: Wachs­tumsmarkt« [wie Fn. 1].

3

 Joseph Felter/Brian Fishman, Al-Qa’ida’s Foreign Fighters in Iraq. A First Look at the Sinjar Records, West Point, NY: Combating Terrorism Center, Lincoln Hall, U.S. Military Academy, Dezember 2007.

4

 Fitzgerald, »Finding Their Place« [wie Fn. 2].

5

 Nate Rosenblatt, All Jihad Is Local. What ISIS’ Files Tell Us about Its Fighters, Washington, DC: New America, Juli 2016, <https://na-production.s3.amazonaws.com/documents/ISIS-Files.pdf>; ICG, How the Islamic State Rose, Fell and Could Rise Again in the Maghreb, Brüssel, Juli 2017, <https://icg-prod. s3.amazonaws.com/178-how-the-islamic-state-rose_0.pdf>; Alexander Thurston, Jihadists of North Africa and the Sahel, Cambridge: Cambridge University Press, 2020.

6

 Mary Fitzgerald, »Jihadism and Its Relationship with Youth Culture and Ideology: The Case of Ansar al-Sharia in Libya«, in: Luigi Narbone/Agnès Favier/Virginie Collombier (Hg.), Inside Wars. Local Dynamics of Conflicts in Syria and Libya, Florenz: European University Institute, 2016, S. 44–48, <https://cadmus.eui.eu/bitstream/handle/1814/41644/Inside%20wars_2016.pdf>.

7

 David D. Kirkpatrick, »ISIS Finds New Frontier in Chaotic Libya«, in: The New York Times, 10.3.2015; David D. Kirkpatrick/ Ben Hubbard/Eric Schmitt, »ISIS’ Grip on Libyan City Gives It a Fallback Option«, in: The New York Times, 28.11.2015.

8

 ICG, How the Islamic State Rose [wie Fn. 5].

9

 Al-Zubayr Salem, The War in Derna: What’s Happening Now, and What’s Next, Florenz: European University Institute, Juni 2018, <https://cadmus.eui.eu/bitstream/handle/1814/56084/ PolicyBrief_2018_09%28EN%29.pdf>; Interview 18 (Führungs­figur in Abu-Salim-Brigade und Schutztruppe Darnas, al-Sdada, November 2018); Interview 32 (Journalist aus Darna, Istanbul, März 2023).

10

ICG, How the Islamic State Rose [wie Fn. 5]; Frederic Wehrey, »When the Islamic State Came to Libya«, in: The Atlantic, 10.2.2018; Mary Fitzgerald, »What Happened to Political Islam in Libya?«, in: Karim Mezran/Arturo Varvelli (Hg.), The Arc of Crisis in the MENA Region. Fragmentation, Decentralization, and Islamist Opposition, Mailand: Istituto per gli Studi di Politica Internazionale/Atlantic Council, 2018, S. 123–134, <https://www.ispionline.it/sites/default/files/pubblicazioni/arc_of_crisis_web_defdef_0.pdf>.

11

 ICG, Averting a Full-blown War in Libya, Brüssel, April 2019, <https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/ north-africa/libya/averting-full-blown-war-libya>; David D. Kirkpatrick, »Thugs and Extremists Join Battle for Tripoli, Complicating Libyan Fray«, in: The New York Times, 12.4.2019; Frederic Wehrey/Emadeddin Badi, »Libya’s Coming Forever War: Why Backing One Militia against Another Is Not the Solution«, in: War on the Rocks (online), 15.5.2019.

12

 Wolfram Lacher, Who Is Fighting Whom in Tripoli? How the 2019 Civil War Is Transforming Libya’s Military Landscape, Genf: Small Arms Survey, August 2019, <https://www.smallarms survey.org/sites/default/files/resources/SAS-SANA-BP-Tripoli-2019.pdf>.

13

 Vgl. z. B. Patrick Markey/Aziz El Yaakoubi, »Town vs. Town, Faction vs. Faction as Libya Descends into ›Hurricane‹«, Reuters, 31.7.2014; Borzou Daragahi, »Libyan Islamists Push Hardline Agenda amid the Chaos They Created«, in: Financial Times, 21.9.2014; Jason Pack/Karim Mezran/Mohamed Eljarh, Libya’s Faustian Bargains: Breaking the Appeasement Cycle, Wa­shing­ton, DC: Atlantic Council, Mai 2014, <https://www.atlantic council.org/wp-content/uploads/2014/05/Libyas_Faustian_ Bargains.pdf>; Lisa Watanabe, Islamist Actors: Libya and Tunisia, Zürich: Center for Security Studies, Juni 2018, <https://css. ethz.ch/en/services/digital-library/articles/article.html/a9015 e51-5197-4f68-af90-6a744cfccaf8>.

14

 Lacher, Who Is Fighting Whom? [wie Fn. 12].

15

 Francisco Gutiérrez Sanín/Elisabeth Jean Wood, »Ideol­ogy in Civil War: Instrumental Adoption and Beyond«, in: Journal of Peace Research, 51 (2014) 2, S. 213–226; Jonathan Leader Maynard, »Ideology and Armed Conflict«, in: Journal of Peace Research, 56 (2019) 5, S. 635–649; Thurston, Jihadists [wie Fn. 5].

16

Anthony Richards, »From Terrorism to ›Radicalization‹ to ›Extremism‹: Counterterrorism Imperative or Loss of Focus?«, in: International Affairs, 91 (2015) 2, S. 371–380; Hande Abay Gaspar/Christopher Daase/Nicole Deitelhoff/Julian Junk/ Manjana Sold, Was ist Radikalisierung? Präzisierungen eines um­strittenen Begriffs, Frankfurt a. M.: Hessische Stif­tung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), 2018, <https://www.prif.org/ fileadmin/HSFK/hsfk_publikationen/prif0518.pdf>.

17

 Clark McCauley/Sophia Moskalenko, »Mechanisms of Political Radicalization: Pathways Toward Terrorism«, in: Terrorism and Political Violence, 20 (2008) 3, S. 415–433; Randy Borum, »Radicalization into Violent Extremism I: A Review of Social Science Theories«, in: Journal of Strategic Security, 4 (2011) 4, S. 7–36; Donatella della Porta, »Radicalization: A Relational Perspective«, in: Annual Review of Political Science, 21 (2018), S. 461–474.

18

 Thurston, Jihadists [wie Fn. 5]; Stathis N. Kalyvas, »Jihadi Rebels in Civil War«, in: Daedalus, 147 (2018) 1, S. 36–47; Desirée Nilsson/Isak Svensson, »The Intractability of Islamist Insurgencies: Islamist Rebels and the Recurrence of Civil War«, in: International Studies Quarterly, 65 (2021) 3, S. 620–632.

19

 Barbara F. Walter, »The Extremist’s Advantage in Civil Wars«, in: International Security, 42 (2017) 2, S. 7–39.

20

 Raphaël Lefèvre, Jihad in the City. Militant Islam and Con­tentious Politics in Tripoli, Cambridge: Cambridge University Press, 2021. Ähnliches gilt für die Erkenntnis, dass die zunehmende Rekrutierung von weniger überzeugten Mit­gliedern dazu führen kann, dass auch der harte, ideologische Kern einer Gruppe das Vertrauen in Mitkämpfer verliert. Vgl. Theodore McLauchlin, Desertion. Trust and Mistrust in Civil Wars, Ithaca, NY: Cornell University Press, 2020.

21

 ICG, Jihadisme en Tunisie: Eviter la recrudescence des violences, Brüssel, Juni 2021, <https://www.crisisgroup.org/fr/middle-east-north-africa/north-africa/tunisia/b083-jihadisme-en-tunisie-eviter-la-recrudescence-des-violences>.

22

 Mohammed M. Hafez, Why Muslims Rebel. Repression and Resistance in the Islamic World, Boulder, CO: Lynne Rienner Publishers, 2003.

23

 ICG, Exploiting Disorder [wie Fn. 1]; Michael Weiss/Hassan Hassan, ISIS. Inside the Army of Terror, New York: Regan Arts, 2015; Mathieu Pellerin, Les violences armées au Sahara. Du djiha­disme aux insurrections?, Paris: Institut français des relations internationales (Ifri), November 2019, <https://www.ifri.org/ sites/default/files/atoms/files/pellerin_violence_armees_sahara_2019_002.pdf>; Adam Sandor/Aurélie Campana, »Les groupes djihadistes au Mali, entre violence, recherche de légitimité et politiques locales«, in: Canadian Journal of African Studies/Revue canadienne des études africaines, 53 (2019) 3, S. 415–430; Aisha Ahmad/Ousmane Diallo, »A Winning Team of Losers: The Logic of Jihadist Coalitions in Civil Wars«, in: Journal of Global Security Studies, 8 (2022) 1, S. 1–17.

24

 Brynjar Lia, »Jihadism in the Arab World after 2011: Explaining Its Expansion«, in: Middle East Policy, 23 (2016) 4, S. 74–91.

25

 Caitriona Dowd, »Grievances, Governance and Islamist Violence in Sub-Saharan Africa«, in: Journal of Modern African Studies, 53 (2015) 4, S. 505–531; ICG, The Social Roots of Jihadist Violence in Burkina Faso’s North, Brüssel, Oktober 2017, <https:// www.crisisgroup.org/africa/west-africa/burkina-faso/254-social-roots-jihadist-violence-burkina-fasos-north>; Tor A. Benjaminsen/Boubacar Ba, »Why Do Pastoralists in Mali Join Jihadist Groups? A Political Ecological Explanation«, in: Journal of Peasant Studies, 46 (2019) 1, S. 1–20; Luca Raineri, »Explaining the Rise of Jihadism in Africa: The Crucial Case of the Islamic State of the Greater Sahara«, in: Terrorism and Political Violence, 34 (2022) 8, S. 1632–1646.

26

 Luca Raineri/Francesco Strazzari, »State, Secession, and Jihad: The Micropolitical Economy of Conflict in Northern Mali«, in: African Security, 8 (2015) 4, S. 249–271; Fabio Merone, »Between Social Contention and Takfirism: The Evolution of the Salafi-Jihadi Movement in Tunisia«, in: Mediterranean Politics, 22 (2017) 1, S. 71–90; Clara-Auguste Süß/Ahmad Noor Aakhunzzada, The Socioeconomic Dimension of Islamist Radicalization in Egypt and Tunisia, Frankfurt a. M.: HSFK, Februar 2019, <https://www.prif.org/fileadmin/HSFK/hsfk_publikationen/ PRIF_WP_45.pdf>; Natasja Rupesinghe/Morten Bøås, Local Drivers of Violent Extremism in Central Mali, Norwegian Institute of International Affairs/United Nations Development Programme, Mai 2019, <https://www.undp.org/fr/mali/ publications/rapport-extremisme-violent-dans-le-centre-du-mali>; Khalid Mustafa Medani, Black Markets and Militants. Informal Networks in the Middle East and Africa, Cambridge: Cambridge University Press, 2021.

27

 Doha Abdelgawad, »Why Were They Not Radicalized? Young Members of the Muslim Brotherhood in the Aftermath of Egypt’s 2013 Military Coup«, in: Middle East Journal, 76 (2022) 3, S. 360–382; Colin Powers et al., »Why Individuals and Communities Do Not Turn to Violent Extremism«, in: Perspectives on Terrorism, 17 (2023) 1, S. 1–17; Yuri M. Zhukov, »Repression Works (Just Not in Moderation)«, in: Comparative Political Studies, 56 (2023) 11, S. 1663–1694.

28

 Zachary Devlin-Foltz/Binnur Ozkececi-Taner, »State Col­lapse and Islamist Extremism: Re-evaluating the Link«, in: Contemporary Security Policy, 31 (2010) 1, S. 88–113.

29

 Kalyvas, »Jihadi Rebels« [wie Fn. 18].

30

 Peter R. Neumann, »The Trouble with Radicalization«, in: International Affairs, 89 (2013) 4, S. 873–893.

31

 Audrey Kurth Cronin, How Terrorism Ends. Understanding the Decline and Demise of Terrorist Campaigns, Princeton: Princeton University Press, 2011; Julie Chernov Hwang, Why Ter­rorists Quit. The Disengagement of Indonesian Jihadists, Ithaca, NY: Cornell University Press, 2018.

32

 Quintan Wiktorowicz, »Introduction: Islamic Activism and Social Movement Theory«, in: ders. (Hg.), Islamic Activism. A Social Movement Theory Approach, Bloomington, IN: Indiana University Press, 2003, S. 1–33; Jerome Drevon, »Can (Salafi) Jihadi Insurgents Politicise and Become Pragmatic in Civil Wars? Social Movement Restraint in Ahrar al-Sham in Syria«, in: Third World Thematics: A TWQ Journal, 5 (2020) 3–6, S. 189–205.

33

 Marc Lynch, »In the Same Basket, or Not?«, Diwan (Blog), 28.4.2017, <https://carnegie-mec.org/diwan/68779>.

34

Quintan Wiktorowicz, »Anatomy of the Salafi Movement«, in: Studies in Conflict & Terrorism, 29 (2006) 3, S. 207–239; Marc Lynch, »Islam Divided between Salafi-jihad and the Ikhwan«, in: Studies in Conflict & Terrorism, 33 (2010) 6, S. 467–487.

35

 Hanna Pfeifer/Regine Schwab/Clara-Auguste Süß, »Who Are These ›Islamists‹ Everyone Talks About?! Why Academic Struggles over Words Matter«, PRIF blog (Blog), 3.12.2020, <https://blog.prif.org/2020/12/03/who-are-these-islamists-every one-talks-about-why-academic-struggles-over-words-matter/>.

36

 Hazim Fouad/Behnam Said, »Islamismus, Salafismus, Dschihadismus. Hintergründe zur Historie und Begriffs­bestimmung«, Bundeszentrale für politische Bildung (online), 17.12.2020, <https://www.bpb.de/themen/infodienst/322920/ islamismus-salafismus-dschihadismus/>; Lynch, »In the Same Basket?« [wie Fn. 33]; Pfeifer/Schwab/Süß, »Who Are These ›Islamists‹?!« [wie Fn. 35].

37

 Thomas Hegghammer, »Jihadi-Salafis or Revolutionaries? On Religion and Politics in the Study of Militant Islamism«, in: Roel Meijer (Hg.), Global Salafism. Islam’s New Religious Movement, London: Hurst Publishers, 2009, S. 245–266; Darryl Li, »A Jihadism Anti-Primer«, in: Middle East Report, (2015) 276, S. 12–17; ICG, Exploiting Disorder [wie Fn. 1], S. 2.

38

 Clémence Weulersse, »Histoire et révolution en Libye«, in: L’Année du Maghreb, 2 (2007), S. 249–260.

39

 Erklärung Ashraf al-Mayyars zur Unterstützung Haftars, al-Assema TV, 10.6.2014, <https://www.youtube.com/watch? app=desktop&a&feature=youtu.be&v=r4v_sKiYDNs>; »Khalifa Haftar erklärt Jihad und allgemeine Mobilmachung, um der türkischen Militärintervention in Libyen zu begegnen« (arab.), France24, 4.1.2020, <https://bit.ly/4bK70Ka>.

40

 Zur Problematik des Quietismus bei den Madkhali-Salafisten vgl. Laurent Bonnefoy, »Quietist Salafis, the Arab Spring and the Politicisation Process«, in: Francesco Cavatorta/ Fabio Merone (Hg.), Salafism after the Arab Awakening. Contend­ing with People’s Power, Oxford: Oxford University Press, 2017, S. 205–218; Frederic Wehrey/Anouar Boukhars, Salafism in the Maghreb. Politics, Piety, and Militancy, Oxford: Oxford Uni­ver­sity Press, 2019.

41

 Interview 1 (Führungsfigur in Rafallah-Sahati-Brigade, Tripolis, November 2012).

42

 Interview 32 [wie Fn. 9].

43

 Interview 3 (Führungskader in Justice and Construction Party, die der Muslimbruderschaft nahesteht, Misrata, April 2014).

44

 Virginie Collombier, »Sirte’s Tribes under the Islamic State: From Civil War to Global Jihadism«, in: Virginie Collombier/Olivier Roy (Hg.), Tribes and Global Jihadism, London: Hurst Publishers, 2017, S. 153–180.

45

 Aaron Y. Zelin, Your Sons Are at Your Service. Tunisia’s Missionaries of Jihad, New York: Columbia University Press, 2020; Medani, Black Markets and Militants [wie Fn. 26]; Aisha Ahmad, »The Long Jihad: The Boom–Bust Cycle behind Jihadist Durability«, in: Journal of Global Security Studies, 6 (2021) 4, S. 1–17.

46

 Interview 36 (ehemalige Führungsfigur in revolutio­nären bewaffneten Gruppen, Sabratha, Dezember 2023).

47

 Interview 4 (Führungsfigur in Rafallah-Sahati-Brigade, Tripolis, Juni 2014).

48

 Interview 7 (ehemalige Führungsfigur in Brigade des 17. Februar, Berlin, Dezember 2014); Interview 27 (ehema­lige Führungsfigur im Schurarat der Revolutionäre Bengasis, Istanbul, März 2023); Interview 28 (ehemalige Führungsfigur in Rafallah-Sahati-Brigade und Schurarat der Revolutionäre Bengasis, Istanbul, März 2023).

49

 Interview 37 (Ziyad Balam, ehemaliger Anführer der Omar-al-Mukhtar-Brigade und Grün­dungsmitglied der Kom­panien zur Verteidigung Bengasis, Misrata, Dezember 2023).

50

 Interview 16 (Armeeoffizier und Führungsfigur in Kompanien zur Verteidigung Bengasis, Tripolis, März 2017). Die Expertengruppe der Vereinten Nationen zu Libyen warf Jadhran später zudem vor, Ge­schäftsbeziehungen mit dem IS in Sirt unterhalten zu haben. United Nations Security Council, Final Report of the Panel of Experts on Libya Established Pursuant to Resolution 1973 (2011), S/2017/466, 1.6.2017, S. 112, <https:// undocs.org/Home/Mobile?FinalSymbol=S%2F2017%2F466& Language=E&DeviceType=Desktop&LangRequested=False>.

51

 Interview 29 (Ismail Sallabi, ehemaliger Anführer der Rafallah-Sahati-Brigade und der Kompanien zur Verteidigung Bengasis, Istanbul, März 2023).

52

 Interview 28 [wie Fn. 48].

53

 Interview 27 [wie Fn. 48].

54

 Thurston, Jihadists [wie Fn. 5]; Interviews 27 und 28 [wie Fn. 48]; Interview 29 [wie Fn. 51]; Interview 32 [wie Fn. 9].

55

 Interview 37 [wie Fn. 49]; Interview 28 [wie Fn. 48].

56

 Interview 28 [wie Fn. 48].

57

 Interview 8 (ehemalige Führungsfigur in Rafallah-Sahati-Brigade, Tripolis, Januar 2015).

58

 Interview 9 (Politiker mit engen Verbindungen zum Schurarat der Revolutionäre Bengasis, Tripolis, Januar 2015).

59

 Interview 11 (Person mit engen familiären Verbindungen zur Führung des Schurarats der Revolutionäre Bengasis, Istanbul, Januar 2015).

60

 Interview 28 [wie Fn. 48].

61

 Interview 28 [wie Fn. 48].

62

 Collombier, »Sirte’s Tribes« [wie Fn. 44].

63

 Interview 32 [wie Fn. 9].

64

 Interview 32 [wie Fn. 9].

65

 Interview 27 [wie Fn. 48].

66

 Collombier, »Sirte’s Tribes« [wie Fn. 44].

67

 Interview 36 [wie Fn. 46].

68

 Interview 36 [wie Fn. 46].

69

 Interview 32 [wie Fn. 9]; vgl. auch Frederic Wehrey/ Ala’ Alrababa’h, »Splitting the Islamists: The Islamic State’s Creeping Advance in Libya«, Diwan (Blog), 19.6.2015, <https:// carnegie-mec.org/diwan/60447>.

70

 Vgl. z. B. Rami Musa, »Al-Qaida-linked Militants Attack IS Affiliate in Libya«, Associated Press, 10.6.2015; Thomas Joscelyn, »Veteran Jihadists Killed by Islamic State’s ›Province‹ in Derna, Libya«, in: Long War Journal (online), 12.6.2015, <https://www.longwarjournal.org/archives/2015/06/rival-jihadists-battle-derna.php>; Rosenblatt, All Jihad Is Local [wie Fn. 5]; Rhiannon Smith/Jason Pack, »Al-Qaida’s Strategy in Libya: Keep It Local, Stupid«, in: Perspectives on Terrorism, 11 (2017) 6, S. 191–200.

71

 Interview 32 [wie Fn. 9]; Interview 38 (Armeeoffizier mit Führungsrolle im Kampf gegen den IS in Darna, Tripolis, Dezember 2023).

72

 »Chef des Schurarats der Mujahidin Darnas verkündigt Vereinigung der Sicherheitskräfte der Stadt zur Schutztruppe Darna« (arab.), Alnabaa TV, 11.5.2018, <https://www.youtube. com/watch?v=vagnCVr6140>.

73

 Interview 18 [wie Fn. 9].

74

 »Tote und Verletzte durch IS-Angriff mit Granatwerfern nahe Sirt« (arab.), in: al-Arab (online), 25.3.2015, <https:// bit.ly/3wV5yoW>; »Islamic State Militants in Libya ›Seize Sirte Airport‹«, BBC News (online), 29.5.2015, <https://www. bbc.com/news/world-africa-32935412>.

75

 Interview 12 (Politiker aus Misrata, Istanbul, Januar 2015); Interview 8 [wie Fn. 57].

76

 Interview 13 (Politiker aus Misrata mit Verbindungen zu Haftar-Gegnern aus Bengasi, Misrata, September 2016); Inter­view 14 (Universitätsprofessor aus Misrata, Misrata, September 2016); Kirkpatrick/Hubbard/Schmitt, »ISIS’ Grip on Libyan City« [wie Fn. 7].

77

 Interview 15 (Kämpfer in bewaffneten Gruppen Misratas in der Offensive gegen den IS, Misrata, September 2016).

78

 Interviews 13 und 14 [wie Fn. 76].

79

 Interview 29 [wie Fn. 51]; Interview 37 [wie Fn. 49].

80

 »Gründungserklärung der Kompanien zur Verteidigung Bengasis« (arab.), in: Ean Libya (online), 2.6.2016, <https:// bit.ly/450s2Se>.

81

 Interview 18 [wie Fn. 9]; Interview 19 (Armeeoffizier, Führungsfigur in Kompanien zur Verteidigung Bengasis, al‑Sdada, November 2018); Interview 29 [wie Fn. 51]; Interview 37 [wie Fn. 49].

82

 Interview 35 (anonymisiert, September 2023).

83

 Vgl. z. B. »Libysche Armee identifiziert gesuchte Terroristen in Tripolis« (arab.), in: Sky News Arabia (online), 6.4.2019, <https://bit.ly/3yPrrGI>; Isabelle Lasserre, »Jean-Yves Le Drian: ›La France est en Libye pour combattre le terrorisme‹«, in: Le Figaro, 2.5.2019.

84

 Interview 20 (ehemalige Führungsfigur in revolutionären bewaffneten Gruppen Bengasis, Tripolis, Juni 2019); Interview 22 (ehemalige Führungsfigur in revolutionären bewaffneten Gruppen Bengasis, Istanbul, Juni 2022); Interview 29 [wie Fn. 51]; Interview 37 [wie Fn. 49].

85

 Interviews 20 und 22 [wie Fn. 84].

86

 Interview 37 [wie Fn. 49].

87

 Interview 24 (Journalist aus Darna, Istanbul, Juni 2022); Interview 21 (Einwohner von Sirt, Berlin, November 2019); Collombier, »Sirte’s Tribes« [wie Fn. 44].

88

 Interview 32 [wie Fn. 9]; Interview 28 [wie Fn. 48].

89

 Adam Baczko/Gilles Dorronsoro/Arthur Quesnay, »Le capital social révolutionnaire. L’exemple de la Syrie entre 2011 et 2014«, in: Actes de la recherche en sciences sociales, 211–212 (2016) 1–2, S. 24–35.

90

 Fitzgerald, »Finding Their Place« [wie Fn. 2].

91

 Peter Cole/Umar Khan, »The Fall of Tripoli: Part 1«, in: Cole/McQuinn (Hg.), The Libyan Revolution [wie Fn. 2], S. 55–79.

92

 Interview 32 [wie Fn. 9]; Interview 6 (Journalist aus Darna, Berlin, November 2014).

93

 Interview 28 [wie Fn. 48].

94

 Interview 34 (ehemalige Führungsfigur in revolutionären bewaffneten Gruppen, Zawiya, Juni 2023).

95

 Interview 36 [wie Fn. 46].

96

 Interview 25 (ehemalige Führungsfigur in al-Faruq-Brigade, Tripolis, November 2022).

97

 Interview 32 [wie Fn. 9].

98

 Interview 37 [wie Fn. 49]

99

 Interview 28 [wie Fn. 48].

100

 Interview 2 (Mitglied des Lokalrats Bengasi, Bengasi, März 2013); Interview 37 [wie Fn. 49]; Fitzgerald, »Jihadism and Its Relationship« [wie Fn. 6].

101

 Interview 2 [wie Fn. 100].

102

 Fitzgerald, »What Happened?« [wie Fn. 10].

103

 Interview 5 (Mitglieder des Munizipalrats Misrata, Misrata, Oktober 2014); Interview 10 (ehemalige LIFG-Füh­rungsfigur, Tripolis, Januar 2015); Interview 27 [wie Fn. 48]; Mary Fitzgerald, »›Changed Utterly‹: How the 2014–18 War Transformed Benghazi’s Social Fabric«, in: Virginie Collombier/ Wolfram Lacher (Hg.), Violence and Social Transformation in Libya, London: Hurst Publishers, 2023, S. 97–131.

104

 Interview 28 [wie Fn. 48].

105

 Interview 36 [wie Fn. 46].

106

 Collombier, »Sirte’s Tribes« [wie Fn. 44].

107

 Interview 14 [wie Fn. 76].

108

 Interview 38 [wie Fn. 71].

109

 Interview 29 [wie Fn. 51].

110

 Interview 37 [wie Fn. 49].

111

 Interview 29 [wie Fn. 51].

112

 Interview 30 (ehemalige LIFG-Führungsfigur, Istanbul, März 2023).

113

 Interview 15 [wie Fn. 77].

114

 Klaus Schlichte, In the Shadow of Violence. The Politics of Armed Groups, Frankfurt a. M.: Campus, 2009; Cronin, How Terrorism Ends [wie Fn. 31]; Hwang, Why Terrorists Quit [wie Fn. 31].

115

 Interview 23 (ehemalige LIFG-Führungsfigur, Istanbul, Juni 2022).

116

 Interview 33 (Führungskader der Muslimbruderschaft, Istanbul, März 2023).

117

 Interview 24 [wie Fn. 87].

118

 Interview 17 (ehemalige LIFG-Führungsfigur, Istanbul, November 2017); Interview 30 [wie Fn. 112]; Interview 31 (ehemalige LIFG-Führungsfigur, Istanbul, März 2023).

119

 Interview 29 [wie Fn. 51].

120

 Georg Simmel, Philosophie der Mode, Berlin: Pan-Verlag, o. J. [1905] (Moderne Zeitfragen, Bd. 11); Pierre Bourdieu, La distinction. Critique sociale du jugement, Paris: Les Editions de Minuit, 1979.

121

 Interview 23 [wie Fn. 115].

122

 Interview 36 [wie Fn. 46].

123

 Interview 28 [wie Fn. 48].

124

 Interview 32 [wie Fn. 9].

125

 Interview 37 [wie Fn. 49].

126

 Interview 28 [wie Fn. 48].

127

 Interview 32 [wie Fn. 9]; Interviews 27 und 28 [wie Fn. 48].

128

 Siehe auch Thurston, Jihadists [wie Fn. 5], S. 250; Rosenblatt, All Jihad Is Local [wie Fn. 5], S. 16.

129

 Interview 29 [wie Fn. 51]; vgl. auch Interview 28 [wie Fn. 48].

130

 Fitzgerald, »Jihadism and Its Relationship« [wie Fn. 6].

131

 Monica Marks, »Youth Politics and Tunisian Salafism: Understanding the Jihadi Current«, in: Mediterranean Politics, 18 (2013) 1, S. 107–114; Claudia Dantschke, »Pop-Jihad«. History and Structure of Salafism and Jihadism in Germany, Berlin: Institute for the Study of Radical Movements (ISRM), 2013; Daniela Pisoiu, »Subcultural Theory Applied to Jihadi and Right-Wing Radicalization in Germany«, in: Terrorism and Political Violence, 27 (2015) 1, S. 9–28; Sune Qvotrup Jensen/ Jeppe Fuglsang Larsen/Sveinung Sandberg, »Rap, Islam and Jihadi Cool: The Attractions of the Western Jihadi Subculture«, in: Crime, Media, Culture, 18 (2022) 3, S. 430–445.

132

 Interview 36 [wie Fn. 46]. Zum Aufstieg der Madkhali-Salafisten in Libyen vgl. ICG, Addressing the Rise of Libya’s Madkhali-Salafis, Brüssel, April 2019, <https://icg-prod.s3. amazonaws.com/200-libyas-madkhali-salafis.pdf>.

133

 Emadeddin Badi, »No Country for the Young: The De­generation of a Libyan Generation«, in: Collombier/Lacher (Hg.), Violence and Social Transformation in Libya [wie Fn. 103], S. 19–45.

134

 Wolfram Lacher, Libyens zum Staat gewordene Milizen. Dimensionen und Konsequenzen eines Konsolidierungsprozesses, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juli 2023 (SWP-Aktuell 50/2023), doi: 10.18449/2023A50.

135

 Interview 39 (anonymisiert, Dezember 2023).

136

 Lefèvre, Jihad in the City [wie Fn. 20], S. 128–129.

137

 ICG, Jihadisme en Tunisie [wie Fn. 21], S. 9.

138

 Robert D. Benford/David A. Snow, »Framing Processes and Social Movements: An Overview and Assessment«, in: Annual Review of Sociology, 26 (2000), S. 611–639.

139

 Maynard, »Ideology and Armed Conflict« [wie Fn. 15].

140

 Interview 26 (Mufti al-Sadeq al-Gharyani, Tripolis, November 2022); Interview 23 [wie Fn. 115].

141

 Beispielsweise argumentiert Aaron Y. Zelin, dass die tunesische Ansar al-Sharia auf die Erfah­rungen von Gefängnis­insassen während der Ben-Ali-Ära zurückging und »die Zu­kunft des tune­sischen Jihadismus in den Gefängnissen des Landes brütet«. Zelin, Your Sons [wie Fn. 45], S. 266.

142

 Giovanni Capoccia/R. Daniel Kelemen, »The Study of Critical Junctures: Theory, Narrative, and Counterfactuals in Historical Institutionalism«, in: World Politics, 59 (2007) 3, S. 341–369; Ivan Ermakoff, »The Structure of Contingency«, in: American Journal of Sociology, 121 (2015) 1, S. 64–125.

143

 Interview 38 [wie Fn. 71].

144

 Priscille Biehlmann, »›You’ve Got to Be Data-driven‹: The Fashion Forecasters Using AI to Predict the Next Trend«, in: The Guardian (online), 1.10.2023, <https://www.the guardian.com/technology/2023/oct/01/ai-artificial-intelli gence-fashion-trend-forecasting-style>.

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