Die Debatte über die künftige Unterstützung der Ukraine wirft fundamentale Fragen an die deutsche Ukraine-Politik und die Haltung der Bundesregierung zur europäischen Sicherheit auf. Mehr Klarheit tut not, meint Susan Stewart.
Ein Brief des Bundesfinanzministers an seine Kolleg:innen in den Außen- und Verteidigungsressorts, in dem er auf Grenzen der Unterstützung für die Ukraine hinweist, hat für viel Wirbel gesorgt. Dies liegt nicht nur an dem Schreiben, sondern auch daran, dass im In- und Ausland schon länger Zweifel an der Ausdauer und den langfristigen Zielen der deutschen Ukrainepolitik bestehen. Diese Zweifel werden durch die unterschiedlichen Positionen in der Ampelkoalition alles andere als beseitigt.
Vor allem kommt die Frage auf, ob die Bundesregierung bereit ist, die Ukraine mindestens auf dem bisherigen Niveau zu unterstützen. Führende Politiker:innen betonen oft, dass Deutschland der größte Unterstützer der Ukraine in Europa ist und insgesamt an zweiter Stelle hinter den USA steht. Diese starke Unterstützung erlaubt es Deutschland, auf glaubwürdige Weise einen größeren Einsatz von europäischen Verbündeten wie Frankreich oder Spanien einzufordern. Die bekanntgewordenen Absichten von Teilen der Bundesregierung, die Hilfe für die Ukraine aus dem Bundeshaushalt in den kommenden Jahren wesentlich zu reduzieren, stellen diese Position infrage.
Insbesondere die Pläne des Bundesfinanzministers, die deutsche Unterstützung durch Gelder zu ersetzen, die aus den konfiszierten russischen Vermögenswerten generiert werden, wirken scheinheilig. Schließlich ist noch unklar, wie und wann dieser Mechanismus funktionieren wird. Die Tatsache, dass darüber jetzt gesprochen wird und nicht erst dann, wenn der Mechanismus bereitsteht, legt eine Verknüpfung des Themas mit laufenden Wahlkämpfen in einigen östlichen Bundesländern nahe, in denen militärische Unterstützung für die Ukraine häufig abgelehnt wird. So kann der Eindruck entstehen, dass zumindest Teile der Ampelkoalition bereit sind, kurzfristige Wahlkampfzwecke vor langfristige Sicherheitsziele zu stellen.
Der laufende ukrainische Angriff auf die russische Region Kursk zeigt, dass die Kampfhandlungen unerwartete taktische oder gar strategische Anpassungen erforderlich machen können, die der Ukraine mehr – und nicht weniger – militärische Ressourcen abverlangen. Wenn es der Bundesregierung darum geht, dass sich die Ukraine verteidigen und in eine bessere Verhandlungsposition bringen kann, muss sie sich einen gewissen Spielraum im Hinblick auf künftige Unterstützung bewahren.
Die derzeitigen Pläne für eine erhebliche Kürzung der Hilfen lassen vermuten, dass dieser Spielraum fehlt. Auch wenn Bedarfe angemeldet werden können, stellt sich die berechtigte Frage, ob die Kriterien, nach denen über sie entschieden wird, fiskalischer oder sicherheitspolitischer Natur sind.
Die Bundesregierung befürwortet die geplante Stationierung von US-amerikanischen Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden als notwendige Abschreckungsmaßnahme gegenüber Russland. Aber die Fähigkeit der Ukraine, Russland aus ihrem Territorium zurückzudrängen und Moskau von weiteren Angriffen abzuhalten, dient ebenso der Abschreckung Russlands und damit der deutschen und europäischen Sicherheit.
Je erfolgreicher die Ukraine dabei ist, Russlands Ziele zu vereiteln, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Mittelstreckenraketen in Zukunft eingesetzt werden müssen. Die Unterstützung für die Ukraine und die Stationierung von konventionellen US-Waffen sind also zwei Elemente desselben sicherheitspolitischen Ansatzes. Das eine zu befürworten, während man das andere zurückfährt, erscheint wenig konsequent und gefährdet die Sicherheit Deutschlands und Europas.
Selbst wenn die Auswirkungen dieser Debatte auf die deutsche Unterstützung für die Ukraine relativ gering ausfallen sollten, ist die Signalwirkung der bisherigen Kommunikation mehrfach verheerend. Deutschland verliert an Glaubwürdigkeit gegenüber seinen Partnern, zumal es sich zuerst eher gegen die Nutzung der (Zinsen der) russischen Reserven positioniert hat und jetzt von einer zügigen Lösung dieser Frage ausgeht. Noch problematischer ist, dass das deutsche Verhalten Putin in seiner Annahme stärkt, dass westliche Staaten ihre militärische Unterstützung für die Ukraine mit der Zeit zurückfahren werden und er dadurch am längeren Hebel sitzt.
Dieses Vorgehen schwächt die Ukraine in einer kritischen Phase, in der sie versucht, durch einen Einsatz auf russischem Boden ihre Position in mehrfacher Hinsicht zu verbessern. Ein klares Signal der Bundesregierung, dass das Niveau der Ukraine-Hilfen 2025 mindestens so hoch sein wird wie 2024 – und zwar auch dann, wenn die russischen Reserven nicht angetastet werden können – wäre angebracht.