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Kenias Politiker schüren ethnische Spannungen

Kenias Präsident Uhuru Kenyatta stilisiert seine eigene Ethnie zum einzigen Opfer der jüngsten Anschläge. Anstatt einen gesellschaftlichen Dialog über historisches Unrecht einzuleiten, heizt er damit ethnische Konflikte an, meint Margit Hellwig-Bötte.

Kurz gesagt, 26.06.2014 Forschungsgebiete

Kenias Präsident Uhuru Kenyatta stilisiert seine eigene Ethnie zum einzigen Opfer der jüngsten Anschläge. Anstatt einen gesellschaftlichen Dialog über historisches Unrecht einzuleiten, heizt er damit ethnische Konflikte an, meint Margit Hellwig-Bötte.

Mit den Anschlägen auf den Ort Mpeketoni unweit der somalischen Grenze und der Ferieninsel Lamu im Indischen Ozean meldete sich der Terror in Kenia zurück. Sechzig Menschen, vorwiegend Männer nicht-muslimischen Glaubens, wurden am 16. und 17. Juni 2014 von somalisch sprechenden Banden gezielt getötet. Eine Polizeistation, Geschäfte, eine Bank und ein Hotel gingen in Flammen auf. Am nächsten Tag übernahm die aus Somalia heraus operierende Al-Shabaab-Miliz die Verantwortung und kündigte weitere Attentate, auch gegen Ausländer, an. Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta dementierte jedoch die Urheberschaft Al-Shabaabs und bezeichnete die Anschläge als politisch motivierte, von lokalen Gruppen gesteuerte Gewalt gegen seine eigene Volksgruppe, die Kikuyu. In einer Fernsehansprache machte er – ohne Beweise vorzulegen – indirekt seinen politischen Widersacher Raila Odinga verantwortlich. Damit gießt er Öl ins Feuer ethnischer Konflikte, die in Kenia traditionell die politische Auseinandersetzung bestimmen.

Die Schuldzuweisungen Kenyattas, von Raila Odinga umgehend dementiert, befeuern eine ohnehin bereits heikle Stimmung: Odinga war am 30. Mai 2014 nach mehrmonatigem USA-Aufenthalt nach Kenia zurückgekehrt. Sofort hatte er seine Anhänger auf einer großen Veranstaltung in Nairobi um sich geschart und der Regierung in scharfen Worten ein Ultimatum gestellt: Sollte sie sich bis zum 7. Juli 2014 nicht zu einem breiten gesellschaftlichen Dialog über mangelnde Sicherheit, Terrorismusbekämpfung und die wirtschaftlichen Probleme, einem sogenannten »Dialog der nationalen Einheit«, bereit erklären, werde er die Diskussion auf die Straße tragen. Da er selbst regelmäßig aktiv gesellschaftliche Konflikte schürt, ist dies als glatte Kampfansage aufgefasst worden. In den sozialen Medien, die die gesellschaftliche Auseinandersetzung in Kenia dominieren, entfaltete sich daraufhin eine heftige, ethnisch aufgeheizte Debatte zwischen den Anhängern beider Lager.

Verschlechterung der Sicherheitslage führt zu Unzufriedenheit

Die Anschläge von Mpeketoni kamen nicht überraschend. Vielmehr ist ihnen eine stetige Verschlechterung der Sicherheitslage vorausgegangen. Nach mehreren Entführungen und tödlichen Geiselnahmen von Touristen im Herbst 2011, die auf das Konto Al-Shabaabs und lokaler Sympathisanten der Miliz gingen, hatte die kenianische Polizei ihre Präsenz im Lamu-Archipel verstärkt, vor allem um negative Auswirkungen auf den Tourismus zu vermeiden. Kenia gab auch seine militärische Zurückhaltung auf und marschierte in Südsomalia ein, um Al-Shabaab zurückzudrängen. Inzwischen sind die kenianischen Kräfte in die Truppen der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) eingegliedert und gehen dort erfolgreich gegen Al-Shabaab vor. Im Gegenzug ist Kenia zur Zielscheibe der somalischen Terrorgruppe sowie kenianischer radikal-islamistischer Gruppierungen geworden. In den letzten zwei Jahren verübten sie Dutzende von Anschlägen in Städten und Flüchtlingslagern nahe der somalischen Grenze, an der kenianischen Küste und in Nairobi.

Der verheerende Anschlag auf das Westgate-Einkaufszentrum in der kenianischen Hauptstadt am 21. September 2013, bei dem mehr als siebzig Menschen ums Leben kamen, ließ die Kenianer enger zusammenrücken. Die Solidarität der Bevölkerung versöhnte kurzfristig auch Präsident und Opposition. Da die Regierung das Versagen der Sicherheitskräfte aber nicht wie angekündigt aufklärte, brachen die Gräben zwischen beiden Lagern schnell wieder auf. Bis heute nimmt die Unzufriedenheit in der kenianischen Mittelschicht zu, weil auch darüber hinaus nichts unternommen wird, um die Sicherheitslage spürbar zu verbessern.

Die Bemühungen der Sicherheitskräfte richten sich indessen fast ausschließlich auf die somalische Gemeinde. Nach jedem Anschlag wird reflexhaft Eastleigh, der auch »Klein-Mogadischu« genannte Stadtteil Nairobis, auf der Suche nach potenziellen Terroristen von der kenianischen Polizei gefilzt. Im Frühjahr 2014 wurden hunderte, zum Teil ohne Papiere aufgegriffene somalischstämmige Personen im Kasarani-Stadion interniert und je nach Status in Flüchtlingslager oder nach Somalia deportiert. Keiner konnte als Terrorist überführt werden. Davon erholte sich das –auch illegal – boomende Geschäftsleben Eastleighs nicht mehr. Somalische Geschäftsleute verlagern ihre Aktivitäten nun nach Uganda, Ruanda oder Tansania. Böse Zungen behaupten, dass auch dies den Geschäftsinteressen der Kikuyu diene.

Ungesühntes historisches Unrecht verschärft die Spannungen

Die Anschläge von Mpeketoni bringen auch die Versäumnisse bei der Aufarbeitung historischen Unrechts wieder in Erinnerung. Die in Mpeketoni lebenden Kikuyu wurden nach Kenias Unabhängigkeit Ende der 60er Jahre unter dem ersten Präsidenten Jomo Kenyatta dort angesiedelt. Kenyatta Senior hatte nach dem Ende der britischen Kolonialherrschaft einem Teil seiner eigenen Ethnie ihre angestammten Siedlungsgebiete am Mount Kenya vorenthalten und ihnen stattdessen andere Gebiete, unter anderem an der Küste zugewiesen. In der Folge kam es zu Landkonflikten mit den dort ansässigen Stämmen, die sich seither systematisch benachteiligt fühlen. Im Juni 2013 übergab die Truth, Justic and Reconciliation Commission, die sich nach den gewaltsamen Unruhen nach den Wahlen 2007 mit der Aufarbeitung historischen Unrechts in Kenia beschäftigte, Präsident Kenyatta ihren Abschlussbericht. Darin wurde auch das Siedlungsprogramm in Mpeketoni scharf kritisiert. Konsequenzen zog die Regierung daraus bislang nicht. Gut möglich, dass die Diskussion um die Rechtmäßigkeit von Landbesitz in der ohnehin aufgeheizten Stimmung ein weiteres Mal gewaltsam aufflammt.

Seit der ungeliebten großen Koalition von 2008 bis 2013 ist der Begriff des »nationalen Dialogs« in Kenia diskreditiert. Dennoch führt auch jetzt kein Weg an einem Dialog unter Einschluss der Kirchen, des Rats der Muslime, von Wirtschaftsverbänden und Zivilgesellschaft vorbei. Eine parteiübergreifende Allianz der Vernunft ist erforderlich, um einen nationalen Konsens zu Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Terrorbekämpfung zu erzielen. Dazu muss der Präsident Führungsstärke zeigen und sein Erzrivale sich in der Kunst der Mäßigung üben.

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