Derzeit verhandelt die EU mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) über ein Nachfolgeabkommen des seit 2000 geltenden Cotonou-Abkommens. Seither haben sich die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen sehr verändert. Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den weiter entwickelten AKP-Ländern werden überwiegend durch bilaterale und regionale Wirtschaftspartnerschaftsabkommen geregelt. Seit 2015 müssen gemäß den internationalen Nachhaltigkeitszielen Sozial- und Umweltaspekte auch in internationalen Verträgen berücksichtigt werden. 2018 wurde im Rahmen der Afrikanischen Union (AU) die Afrikanische Freihandelszone beschlossen, die einen freien Markt innerhalb Afrikas schaffen soll. Ein Cotonou-Folgeabkommen bietet die Chance für moderne Regelungen zu Themen wie Investitionen, Dienstleistungen und Migration. Dies könnte auch in Deutschland mehr Interesse an den Verhandlungen wecken. Allerdings müsste die Zusammenarbeit auf ein neues Fundament gestellt werden und die afrikanischen Staaten müssen sich entscheiden, ob sie gemeinsam, das heißt als Kontinent, verhandeln möchten.
Das Cotonou-Abkommen und seine Vorgänger, die Abkommen von Lomé, regelten die Beziehungen der EU zu den ehemaligen Kolonien ihrer Mitgliedstaaten in Afrika, Karibik und Pazifik während der Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit dieser Länder. Wenn das Abkommen 2020 ausläuft, soll ein Folgeabkommen ausverhandelt sein. Die Europäische Kommission hat 2017 einen Vorschlag zu den künftigen EU-AKP-Beziehungen unterbreitet. Er sieht ein Rahmenabkommen mit der gesamten AKP-Gruppe vor, die heute 79 Länder umfasst. Es soll zwischen allen Vertragsparteien des Cotonou-Abkommens geschlossen werden und die gemeinsamen Werte, Ziele und Prinzipien der künftigen Zusammenarbeit definieren. Mit den drei Regionen sollen überdies regionale Protokolle vereinbart werden. Im Juli 2018 erteilte der Europäische Rat ein Verhandlungsmandat und bestätigte damit die Linie der Kommission. Der Ministerrat der AKP hat in seinem Verhandlungsmandat vom Mai 2018 sein Interesse an einem Gesamt-AKP-Abkommen unterstrichen. Die Verhandlungen begannen im September 2018.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob ein Abkommen zwischen der EU und den einstigen Kolonien der Mitgliedstaaten überhaupt noch nötig ist, haben sich doch die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Europas politische und wirtschaftliche Bedeutung in Afrika ist erheblich gesunken. Zwar war es im Jahr 2017 mit 29 Prozent (gegenüber rund 42 Prozent im Jahr 2000) nach wie vor wichtigster Abnehmer afrikanischer Exporte, doch China hat beträchtlich aufgeholt. Noch zu Beginn des Jahrtausends hatte es mit einem Anteil am Welthandel von 3,6 Prozent praktisch keine Rolle in der Weltwirtschaft gespielt. China zeichnet für die meisten nach Afrika fließenden Neuinvestitionen verantwortlich, nämlich 23,9 Prozent im Jahr 2016. Aus den beiden wichtigsten EU-Ländern Frankreich und Großbritannien kamen je knapp 5 Prozent, aus Deutschland, das auf Platz zehn der Investorländer rangiert, nur knapp 2 Prozent. Allerdings ist Europa noch immer führend, was die Investitionsbestände in Afrika angeht. Zuletzt ist auch das politische Interesse europäischer Staaten an Afrika wieder gestiegen. So gilt der Kontinent als Chancenreservoir, da einige Staaten dort sich schnell wirtschaftlich entwickeln und vor allem auch der afrikanische Mittelstand rasch wächst. Zugleich ist die Migration aus Afrika in die EU zu einem wichtigen Thema geworden, obwohl die Wanderungsbewegungen innerhalb Afrikas weitaus größer sind. Aber auch die Bestimmungsfaktoren für Handels- und Investitionsströme sind heute andere: Weltweit sanken die Zölle, so dass die Zollpolitik immer weniger Bedeutung hatte und globale Wertschöpfungsketten entstanden. Wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen wurden dadurch noch wichtiger für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Ausländische Direktinvestitionen gelten als maßgeblicher Faktor, wenn es darum geht, Wachstum und Beschäftigung zu sichern.
Weder die EU noch die AKP-Staaten stellen die Fortsetzung der Zusammenarbeit in Frage. Das Cotonou-Abkommen ruhte auf den drei Hauptpfeilern Handelspolitik (die EU gewährte einseitige Handelspräferenzen), Entwicklungspolitik (das Abkommen definierte Bereiche und Verfahren für den Europäischen Entwicklungsfonds) und politischer Dialog. Für das Folgeabkommen sehen die beiden Verhandlungsmandate vor, dass über all jene Bereiche der Zusammenarbeit zu reden sein wird, die auch Gegenstand des Cotonou-Abkommens waren. Allerdings werden sich die Schwerpunkte verschieben müssen. Europas größte Herausforderung in diesem Zusammenhang besteht darin, die Beziehungen zum Nachbarkontinent Afrika zu gestalten, was im Folgenden schwerpunktmäßig besprochen wird.
Verhandlungspartner
Unterhalb des angestrebten Rahmenabkommens ist noch unklar, ob die Afrikanische Union ein Regionalprotokoll für ganz Afrika oder das AKP-Sekretariat ein Protokoll nur für die afrikanischen Staaten mit der EU aushandeln wird. Zwischen EU und Afrika, repräsentiert durch die AU, besteht bereits die Afrika-EU-Partnerschaft, der die Gemeinsame Afrika-EU-Strategie von 2007 zugrunde liegt. Aus Sicht der EU wäre es sinnvoll, die Kooperationen mit der AU und den afrikanischen AKP-Staaten, die dort ja ebenfalls Mitglieder sind, zusammenzuführen. Das EU-Mandat sieht daher mit den AKP-Staaten Verhandlungen vor, denen sich weitere Staaten anschließen können, die die Grundwerte des Cotonou-Abkommens teilen. Innerhalb Afrikas muss noch geklärt werden, wie mit diesem Angebot umzugehen ist. In den letzten beiden Jahrzehnten hat die AU stark an Bedeutung gewonnen, auch durch ihre Rolle im Bereich Frieden und Konfliktlösung und durch den Beschluss vom Frühjahr 2018, eine gesamtafrikanische Freihandelszone zu schaffen. Folgerichtig hat der Exekutivrat der AU im März 2018 die Verhandlungsführung für ein afrikanisches Regionalprotokoll für sich beansprucht. Eine Entscheidung darüber ist aber noch nicht gefallen.
Die nordafrikanischen Länder sind nicht Teil der AKP-Gruppe. Einige von ihnen, etwa Ägypten, stehen einer Teilnahme an den Verhandlungen über ein Cotonou-Folgeabkommen skeptisch gegenüber. Mit der EU sind sie durch bilaterale Assoziierungsabkommen verbunden, von denen einige derzeit neu ausgehandelt werden. Diese Staaten verfügen also bereits über ein Format, in dem sie ihre Interessen gegenüber der EU vertreten können. Es ist unklar, ob es für sie ein Vorteil wäre, in das Cotonou-Folgeabkommen einbezogen zu werden. Allerdings kann auch nicht umstandslos vorausgesetzt werden, dass die afrikanischen AKP-Staaten einem gesamtafrikanischen Protokoll positiv gegenüberstehen. Da das Thema Entwicklungsfinanzierung eines ihrer Hauptinteressen am Folgeabkommen ist, fürchten sie möglicherweise Nachteile, wenn alle afrikanischen Staaten in einem Abkommen zusammengefasst werden. Das AKP-Verhandlungsmandat enthält dazu keine Aussage, eine Positionierung der afrikanischen Staaten steht aus.
Die »politische Dimension« der Zusammenarbeit
Sowohl AKP als auch EU schätzen die »politische Dimension« als Errungenschaft des Cotonou-Abkommens und wollen an ihr festhalten. Sie umfasst den politischen Dialog über nationale, regionale und globale Fragen im beiderseitigen Interesse ebenso wie das Bekenntnis zu Menschenrechten, guter Regierungsführung sowie Frieden und Stabilität. Als besonders wichtig wird Artikel 9 angesehen, die Klausel zu den wesentlichen Elementen des Abkommens (»essential elements clause«). Laut dem Artikel handelt es sich dabei um die Achtung der Menschenrechte, demokratische Grundsätze und das Rechtsstaatsprinzip. Für den politischen Dialog bot das Abkommen einen Rahmen und Institutionen (wie etwa den Ministerrat oder die Paritätische Parlamentarische Versammlung AKP-EU) sowie mit Artikel 96 ein Verfahren für den Umgang mit Vertragsverletzungen. Dieser Artikel wurde bisher rund 15 Mal angewandt, und zwar nach dem gewaltsamen Sturz von Regierungen, Gewalteskalation oder Menschenrechtsverletzungen in AKP-Staaten. Den Sanktionen nach Artikel 96 wird nur begrenzte Wirkung bescheinigt und auch die bestehenden EU-AKP-Institutionen werden als eher ineffizient eingeschätzt. Die bisherigen Ministerräte etwa sind ritualisiert und werden meist als nicht hochrangig wahrgenommen. Es ist daher notwendig, die Institutionen des Cotonou-Abkommens effizienter auszugestalten und mit mehr politischer Bedeutung zu versehen.
Die bestehenden bilateralen und regionalen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) der EU mit AKP-Staaten beziehen sich in ihren Aussagen zu Menschenrechten auf das Cotonou-Abkommen. Auch deshalb möchte die EU diese Formulierungen in das neue Abkommen übernehmen.
Zudem kann die Kooperation mit einer großen Staatengruppe auf der Basis lange vereinbarter Grundwerte neue Bedeutung für beide Seiten gewinnen, gerade in Zeiten wachsender außenpolitischer Instabilität wie heute. Das gilt vor allem dann, wenn ein Dialog nicht nur über die eigenen Beziehungen ermöglicht wird, sondern auch über weitere Initiativen. Die EU-AKP-Zusammenarbeit hat sich bisher als hilfreich und konstruktiv erwiesen, etwa in den Prozessen hin zum Beschluss über die internationalen Nachhaltigkeitsziele. Künftig könnte auch die notwendige Stärkung multilateraler Ansätze – wie im internationalen Handelssystem – eine Rolle spielen. In beiden Mandaten betonen EU und AKP übereinstimmend ihr Interesse an einem starken multilateralen System.
Hohe Bedeutung misst die EU dem Thema Migration bei und möchte den betreffenden Artikel (13) des Cotonou-Abkommens erhalten. Darin werden Grundprinzipien des Umgangs mit Migration beschrieben, die Einhaltung der Menschenrechte betont und die Staaten unter anderem darauf verpflichtet, illegale Migrantinnen und Migranten zurückzunehmen. Dafür ist vorgesehen, wenn nötig in bilaterale Verhandlungen zu treten. Obwohl sie relativ ausführlich ist, spielte diese Regelung aber in den bisherigen EU-AKP-Beziehungen keine Rolle. Die AKP-Staaten haben bereits dargelegt, dass sie wenig Interesse haben, diesen Artikel ins Cotonou-Folgeabkommen aufzunehmen.
Entwicklungsfinanzierung
Gegenwärtig ist offen, wie die Entwicklungsfinanzierung künftig geregelt wird. Die Europäische Kommission möchte den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF), der ein Volumen von 30,5 Milliarden Euro für 2014 bis 2020 hat, in das EU-Budget integrieren. Er würde damit den normalen Budgetverfahren unterworfen und enger vom Europäischen Parlament begleitet. Bisher wird der Fonds aus jeweils neu verhandelten Beiträgen der Mitgliedstaaten gespeist; die Verfahren sind im Cotonou-Abkommen festgelegt. Die Entwicklungsfinanzierung würde dann erstmals mit allen Staaten nach denselben Regeln funktionieren. Aus Sicht der Kommission und mancher Mitgliedstaaten der EU wäre das effizienter und würde den heutigen Außenbeziehungen der Union eher gerecht. Eine solche Ausrichtung an sachlicheren Kriterien entspräche den Vorgaben der Globalen Strategie für Außen- und Sicherheitspolitik (2016), welche die Entwicklungsfinanzierung in den Kontext globaler Herausforderungen und strategischer Interessen stellt. Die Globale Strategie und der Vorschlag zur Integration des EEF ins reguläre Budget spiegeln wider, dass die 2004 neu aufgenommenen Mitgliedstaaten keine koloniale Vergangenheit haben und deshalb auch kein Interesse an Sonderbeziehungen zu den ehemaligen Kolonien in Form der AKP-Gruppe. Sie bevorzugen eine entschiedenere Ausrichtung der (Entwicklungs-) Politik an Sachkriterien und eigenen Interessen. Diese Tendenz dürfte durch den Brexit noch verstärkt werden.
Die Diskussion über die Integration des EEF in das EU-Budget dauert an. Für die parallel verlaufenden Verhandlungen über ein Cotonou-Folgeabkommen legt sich die EU in ihrem Mandat daher nicht fest und wiederholt im Hinblick auf Finanzierungsfragen lediglich bestehende Prinzipien. Dazu gehört das Ziel, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, 0,2 Prozent davon für die ärmsten Länder. Ohnehin haben bilaterale und regionale Vergabe-wege der Entwicklungspolitik in den letzten Jahren an Bedeutung verloren, während die Zahl thematischer Fonds wuchs. Dazu zählen Instrumente wie die Investitionsoffensive der Europäischen Kommission für Drittländer oder der Treuhandfonds für Afrika (EUTF). Zudem wird der Brexit das Volumen des EEF verringern, hat doch Großbritannien bisher rund 14 Prozent dazu beigesteuert.
Handelspräferenzen und Handelsförderung
Ein Kernelement der EU-AKP-Beziehungen waren die einseitigen Handelspräferenzen, welche die EU den AKP-Staaten gewährte. Da sie dem Welthandelsrecht widersprachen, wurde im Cotonou-Abkommen vereinbart, zwischen der EU und AKP-Regionen sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) auszuhandeln. Die letzten Verhandlungen wurden 2014 abgeschlossen; 13 afrikanische Staaten und die EU setzen inzwischen solche Abkommen um. Die 33 Länder Afrikas, die zu den ärmsten der Welt gehören, genießen ohnehin zoll- und quotenfreien Marktzugang in der EU unter der Everything-but-Arms-Initiative des Allgemeinen Präferenzsystems der EU. Für die Warenexporte fast aller afrikanischen Staaten außer Nord- und Südafrika ist damit der Zugang zur EU vollkommen frei. Besonders wertvoll sind die Präferenzen für Produkte, welche die EU gegenüber anderen Ländern strikt schützt, vor allem (verarbeitete) Agrarprodukte und Textilien. Allerdings verlieren die Handelspräferenzen insofern an Wert, als die EU mit anderen Entwicklungsländern ebenfalls Handelsabkommen schließt und jenen gegenüber die Zölle senkt (was als Präferenzerosion bezeichnet wird).
Vor diesem Hintergrund lautet in den Verhandlungsmandaten von EU und AKP die wichtigste Frage im Handelsbereich, wie sich die Chancen der AKP-Staaten mehren lassen, aus den vereinbarten Abkommen Nutzen zu ziehen. Einigen afrikanischen Staaten ist dies bereits gelungen. So verzeichnen beispielsweise Südafrika Exportsteigerungen von 2016 bis 2017 für Fisch (16 Prozent) und Zucker (289 Prozent) sowie Madagaskar von 2012 bis 2016 vor allem für Textilien (65 Prozent), da unter den WPA die Ursprungsregeln vereinfacht wurden. Ghana und die Elfenbeinküste konnten ihre Ausfuhren von Schokolade, Kakaobutter, Kakaopaste und Kakaopulver zwischen 2008 und 2015 um den Faktor 4,5 beziehungsweise 2,5 erhöhen. Interessant ist dabei vor allem, dass es gelang, vor Ort mehr Weiterverarbeitung zu schaffen und damit auch Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Die WPA beginnen also zur Diversifizierung der Exporte beizutragen.
Das Mandat der AKP-Staaten (Art. 67.v) bringt über das Thema Handelsförderung hinaus erneut die Möglichkeit von Handelspräferenzen ins Spiel. Die AKP-Länder möchten den Handel mit Dienstleistungen erleichtern, einschließlich der Bewegung natürlicher Personen. Unklar ist, wie dies konkretisiert werden könnte. Zwar bestände für diesen Bereich (im Gegensatz zum Warenbereich) auch gegenüber Subsahara-Afrika Spielraum für eine weitere Marktöffnung der EU, denn Handelspräferenzen für Dienstleistungsexporte sind weder Teil des Allgemeinen Präferenzsystems der EU, noch wurde das Thema bisher in die afrikanischen WPA aufgenommen. Sollten die AKP-Staaten ihren Vorschlag indes so verstehen, dass die EU ihnen einseitige Präferenzen gewährt, würde sich das gleiche Problem der Vereinbarkeit mit dem Recht der Welthandelsorganisation (WTO) stellen wie im Warenverkehr: Handelspräferenzen können nur anhand objektiver Kriterien eingeräumt, nicht aber einer Gruppe bestimmter Länder gewährt werden. Über verbesserten Marktzugang für Dienstleistungen könnte im Rahmen von Freihandelsabkommen verhandelt werden. Aus Sicht der EU sind daher die bestehenden WPA und die Assoziierungsabkommen mit nordafrikanischen Staaten der richtige Rahmen für Dienstleistungspräferenzen.
Die WTO gestattet es, den ärmsten Ländern der Welt einseitige Handelspräferenzen im Dienstleistungsbereich einzuräumen, und zwar befristet bis zum Jahr 2030. Zwar gewähren 25 Industrieländer in diesem Rahmen solche Präferenzen, doch laut dem Entwicklungsausschuss der Vereinten Nationen haben sie nur geringe ökonomische Bedeutung. Sie erstrecken sich überwiegend auf die Möglichkeit, dass Konsumenten im Ausland Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Dies ist die sogenannte zweite Erbringungsart nach dem Allgemeinen Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen (GATS). In diesem Bereich gibt es aber ohnehin kaum Beschränkungen, so dass die Bestimmungen im Wesentlichen den gegenwärtigen Liberalisierungsstand festschreiben. Für Entwicklungsländer interessanter ist die vierte Erbringungsart (»Mode 4«) des GATS. Sie sieht vor, dass Menschen Grenzen passieren, um eine Dienstleistung im Ausland zu erbringen. Denkbar wäre, dass die AKP-Staaten Dienstleistungspräferenzen und besonders Mode 4 als Gegenleistung für Zugeständnisse im Bereich Migration fordern. Die Debatte über Wanderungsbewegungen dreht sich auch darum, ob diese sich leichter begrenzen ließen, wenn Formen legaler Migration geschaffen würden.
Afrikanische Freihandelszone und Verhandlungen über ein Cotonou-Folgeabkommen
Die AKP-Staaten legen in ihrem Mandat großes Gewicht auf die weitere afrikanische Regionalintegration, um die Wertschöpfung zu erhöhen und Entwicklungsprozesse anzustoßen. Schon heute spielen Fertigwaren wie Zement, Dünger, Putzmittel oder Eisen mit 46 Prozent des Handelsvolumens eine erhebliche Rolle im Handel zwischen den Ländern südlich der Sahara. Dagegen werden die Exporte in Länder außerhalb Afrikas von Rohstoffen dominiert (85 Prozent). Der Anteil regionalen Handels am afrikanischen Außenhandel beträgt aber nur rund 20 Prozent. Nur im südlichen und östlichen Afrika ist es gelungen, innerhalb der subregionalen Integrationsgemeinschaften diesen Prozentsatz nennenswert zu steigern. Im März 2018 beschlossen zunächst 44 der 54 afrikanischen Staaten, im Rahmen der AU eine Afrikanische Kontinentale Freihandelszone (AfCFTA) einzurichten. Sie soll 90 Prozent der Zölle abbauen und auf diese Weise die Integration Gesamtafrikas beschleunigen. Nach Berechnungen der VN-Wirtschaftskommission für Afrika könnte die Abschaffung aller Zölle den innerafrikanischen Handel um mehr als die Hälfte steigern. Allerdings zielt die AfCFTA nicht auf vollständige Liberalisierung ab. Vor allem aber geriet im Zuge der überregionalen Begeisterung über das Freihandelsabkommen etwas aus dem Blickfeld, dass es nur Ziele, Bereiche und Struktur der Verhandlungen festlegt. Die ökonomisch wirksamen Bestimmungen jedoch, etwa welche Zölle wie weit gesenkt werden und welche Ursprungsregeln gelten sollen, müssen erst noch ausgehandelt werden. Zudem möchte sich das ökonomische Schwergewicht Nigeria derzeit nicht an der Freihandelszone beteiligen. Dort fürchten Industrieverband und Gewerkschaften einen Verdrängungswettbewerb mit anderen afrikanischen Ländern. Von Seiten der Industrie wird auch eingewandt, es habe wenig Sinn, etwas zu ratifizieren, dessen Inhalte noch vollkommen ungewiss seien. Es wird daher noch lange dauern, bis die Freihandelszone inhaltlich ausgestaltet ist, umgesetzt wird und dadurch tatsächlich zu steigenden Handelsströmen in der Region führen kann.
Im September 2018 hatte der Präsident der Europäischen Kommission, Juncker, die Bereitschaft der EU erklärt, mit Gesamtafrika in Handelsverhandlungen einzutreten, wenn denn die AfCFTA wirksam wird. Dies wäre nur folgerichtig, unterstützt doch die EU seit Jahrzehnten die afrikanische regionale Integration. Auch die WPA sollten diesem Ziel dienen. Für die weitere Integration auf gesamtafrikanischer Ebene könnte es nötig werden, die unterschiedlichen WPA-Zollsätze der Länder und Regionen zu vereinheitlichen. Es ist daher richtig und wichtig, dass die EU schon heute dazu bereit ist – auch wenn noch viel Zeit vergehen wird, bis sich dieses Problem stellt.
Investitionen als zentrales Thema
Um nachhaltige Entwicklung zu erreichen und Arbeitsplätze für die sich bis 2050 voraussichtlich verdoppelnde Bevölkerung Afrikas zu schaffen, müssen vor allem auch private Investitionen steigen. Die Verhandlungsmandate räumen diesem Thema entsprechend breiten Raum ein. Dabei bekennen sich die AKP-Staaten zu der Aufgabe, ein »förderliches Umfeld für die Verbesserung der Produktivität und die Erleichterung von Wertschöpfung für AKP-Produkte und Dienstleistungen zu schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte zu steigern und Investitionen auszudehnen«. Das EU-Mandat sieht vor, die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit ein attraktives und stabiles Umfeld für Investitionen entstehen kann. Zu diesem Zweck sollen die Vertragsparteien transparente und offene Regeln für Investoren aufstellen, einen regulatorischen Rahmen konzipieren sowie Mechanismen ausarbeiten, die Investitionen erleichtern.
In jüngster Vergangenheit wurden neue Instrumente zur Investitionsförderung in Afrika ins Leben gerufen. Im Rahmen des G20 Compact with Africa (CwA) führen afrikanische Staaten Reformen durch, um die Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern. Im Gegenzug unterstützen die G20-Regierungen mit verschiedenen Instrumenten ihre Privatwirtschaft dabei, sich stärker in Afrika zu engagieren. Die Europäische Kommission stellt im Zuge ihrer Investitionsoffensive für Drittländer 4,1 Milliarden Euro zur Verfügung, die bis 2020 privates Kapital in Höhe von 44 Milliarden Euro mobilisieren sollen. Das im Juni 2018 von der Kommission vorgestellte Afrikanisch-europäische Bündnis für nachhaltige Entwicklung und Arbeitsplätze (Africa-Europe Alliance for Sustainable Investment and Jobs) bündelt bestehende Initiativen in der EU-AU-Partnerschaft aus den Bereichen Entwicklungs- und Handelspolitik. Damit will die Kommission Dialog und Zusammenarbeit mit Afrika zum Thema Investitionsklima einschließlich Investitionsschutz stärken. Dazu sollen verschiedene Instrumente miteinander verknüpft werden.
Sollten die afrikanischen Staaten gemeinsam mit der EU die Themen Schutz, Förderung und Rahmenbedingungen von Investitionen aufnehmen, würde dies den Verhandlungen und dem Cotonou-Folgeabkommen großes Gewicht verleihen. AKP-Staaten und EU könnten dann mit vereinten Kräften modellhafte, moderne und verbindliche Regeln für den Bereich Investitionen entwerfen. Solche Vereinbarungen könnten zudem die alten bilateralen Investitionsschutzabkommen ablösen, die einseitig auf Investorenschutz ausgerichtet waren und noch die in Verruf geratene Investor-Staat-Streitschlichtung enthalten. Diese wird nicht mehr nur aus der Zivilgesellschaft kritisiert, sie unterhöhle die legitimen Regelungsinteressen eines Landes etwa im Verbraucherschutz und gestatte es Unternehmen, außerhalb der im Lande zuständigen Gerichtsbarkeit die Regierung zu verklagen. Die Europäische Union arbeitet deshalb im internationalen Rahmen auf ein transparentes, mit Berufungsmöglichkeiten versehenes multilaterales Streitschlichtungsverfahren hin.
Ein modernes Investitionsabkommen zwischen der EU und Afrika beziehungsweise der gesamten AKP-Gruppe müsste Investoren Sicherheit und Stabilität für ihre Investitionen garantieren, sie aber auch sozialen und ökologischen Zielen verpflichten, um sicherzustellen, dass Investitionen gemäß den internationalen Nachhaltigkeitszielen positive ökologische und soziale Wirkungen entfalten. Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) hat mit ihrem Investment Policy Framework for Sustainable Development Leitlinien und Optionen für moderne Investitionsabkommen vorgelegt, die genau dieses Ziel erfüllen sollen. Außer diesem umfassenden Kompendium enthält auch das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit 15 karibischen Ländern einige Formulierungen, die Investoren auf soziale und ökologische Standards verpflichten. Orientierung vermitteln zudem die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen im Hinblick auf unternehmerische Sozialverantwortung. Die Vertragsparteien könnten sich darauf festlegen, eine nationale Kontaktstelle wie jene für die OECD-Leitsätze einzurichten, die Vertretern der Zivilgesellschaft Klagemöglichkeiten einräumt.
Bei allen Diskussionen über die Förderung von Investitionen muss im Auge behalten werden, dass nicht nur ausländische Direktinvestitionen, sondern auch lokale und regionale Investitionen gestärkt werden müssen.
Ausblick
Das Cotonou-Abkommen war das letzte Abkommen, das noch vom Geiste nach-kolonialer Verpflichtungen der EU oder ihrer Mitgliedstaaten geprägt war. Dagegen wird das Folgeabkommen stärker von politischen Interessen bestimmt sein. Die AKP-Staaten betonen in ihrem Mandat vor allem Themen wie regionale Integration, Investitionen für mehr Wertschöpfung sowie Rahmenbedingungen und Dienstleistungshandel für die nachhaltige Entwicklung der afrikanischen Staaten. Sie unterstreichen ihr Interesse, mit der EU auf neuen Feldern und in Zukunftsbereichen moderne Regelungen für die Zusammenarbeit zu schaffen. Die EU sollte diese Gelegenheit nutzen, um ihre Position in Afrika zu stärken. Als Kontinent mit teilweise hohen Wachstumsraten und einer schnell wachsenden Bevölkerung (und Mittelschicht) dürfte Afrika künftig ökonomisch und politisch eine größere Rolle in der Welt spielen. Hinzu kommt das nachdrückliche Interesse Europas, Entwicklung und Stabilität in seinem Nachbarkontinent zu sichern.
Investitionen sind ein Kernpunkt für Afrikas weitere Entwicklung geworden. Das Thema wird daher einigen Raum in den Verhandlungen über ein Cotonou-Folgeabkommen einnehmen. Angesichts der Vielzahl schon bestehender Instrumente versprechen Verhandlungen über ein Investitionsregime, das Investorenschutz mit Verpflichtungen zur Nachhaltigkeit verbindet, einen besonders großen Mehrwert. Möglicherweise ist die Zeit bis 2020 zu knapp, um in diesem Sinne zu weitreichenden Ergebnissen zu kommen. Es wäre aber ein guter Zwischenschritt, wenn die Vertragsparteien mit dem Cotonou-Folgeabkommen auf dem Weg zu einem umfassenden Investitionsabkommen bereits wichtige Pflöcke einschlagen könnten. Das hieße, die Absicht zu fixieren, ein solches Abkommen zu schließen, und erste Grundregeln festzulegen.
Im Handelsbereich wird die Frage im Vordergrund stehen, welche Instrumente dazu taugen, den Nutzen der bestehenden Handelsregeln für die AKP-Staaten weiter zu mehren. Die Beispiele dafür, dass es gelang, Exporte und Wertschöpfung in Afrika zu steigern, sind ermutigend, reichen für einen großen Erfolg der WPA aber noch nicht aus. Es wäre sinnvoll, die Themen Investitionen und Handelsförderung enger zu verzahnen. Schließlich schufen die WPA neue und besonders starke Handelspräferenzen vor allem in solchen Bereichen, die für wenig entwickelte Länder interessant sind. Exporterfolge sind aber in erster Linie dann zu verbuchen, wenn begleitende innere Reformen stattfinden. Unterstützung von außen kann dafür sehr hilfreich sein. Diese Verknüpfung von Reformen und Investitionen hat auch der G20 Compact with Africa in Angriff genommen. Ein damit verbundener, spezifischer EU Compact with EPA Countries (also Ländern, mit denen die EU Wirtschaftspartnerschaftsabkommen geschlossen hat) könnte sich der Aufgabe widmen, neue Investitionen im Zusammenhang mit den WPA zu fördern.
Jedenfalls hat die Diskussion über Handel und Investitionen eine konstruktive Wendung genommen. Die Auseinandersetzung über Sinn und Gefahren der WPA, über die zwischen Afrika und der EU sowie in den Mitgliedstaaten teils heftig gestritten wurde, dürfte der Vergangenheit angehören. Im Verhandlungsmandat der AKP-Staaten werden die WPA nicht mehr in Frage gestellt. Angestrebt wird vielmehr, sie erfolgreich umzusetzen.
Von Seiten der AKP-Staaten werden möglicherweise Handelspräferenzen für Dienstleistungen gemäß Mode 4 auf dem Europäischen Markt verlangt, eventuell als Gegenleistung für Forderungen der EU im Bereich Migration. Die EU tritt hier als »Demandeur« auf und möchte Zusagen der AKP-Staaten erwirken, dass diese illegale Migrantinnen und Migranten zurücknehmen. Dafür wird sie in den Verhandlungen etwas anbieten müssen, vor allem wenn das für die AKP-Länder wichtige Thema Entwicklungsfinanzierung außerhalb der Verhandlungen geregelt werden wird. Aus Sicht der AKP wäre es eine konsequente Verhandlungsstrategie, Migrationsfragen mit Handelspräferenzen für Dienstleistungen, vor allem nach Mode 4, zu verbinden.
Die Verhandlungen über ein Cotonou-Folgeabkommen bieten der EU auf jeden Fall eine Chance, mit einer großen Gruppe von Staaten über eine wertebasierte politische und ökonomische Zusammenarbeit zu diskutieren. In einer Welt, in der manche Gesprächskanäle im Laufe der letzten Jahre zusammengebrochen sind, sollte die Union diese Chance nutzen.
Dr. Evita Schmieg ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe EU / Europa. Das Papier entstand im Rahmen des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderten Projekts »Außenwirtschaft und Entwicklungsländer im Lichte der Ziele zur nachhaltigen Entwicklung«.
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