Der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 und die darauffolgende israelische Militärintervention im Gaza-Streifen bedeuten auch eine Zäsur für die Beziehungen zwischen Ägypten und Israel. Diese wurden während der Präsidentschaft Abdel Fattah al-Sisis im wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Bereich immer weiter ausgebaut. Nun sind sie geprägt von gegenseitigen Anschuldigungen: Während Ägypten der israelischen Führung vorwirft, auf eine Vertreibung der Bevölkerung des Gaza-Streifens auf den Sinai hinzuarbeiten, kritisiert Israel Ägyptens vermeintliche Unterstützung der Hamas. Beide Vorwürfe sind keineswegs unbegründet; auch Deutschland und seine europäischen Partner sollten sie sehr ernst nehmen. Dabei ist zu empfehlen, dass die Bundesregierung bei ihrer Ablehnung einer Vertreibung den Schulterschluss mit Ägypten sucht. Andererseits gilt es, Israels Forderung zu unterstützen, dass eine zukünftige Sicherung der Grenze zwischen Ägypten und dem Gaza-Streifen nicht allein durch Kairo erfolgen kann.
Das 1979 geschlossene Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel steht seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und der darauffolgenden israelischen Militärintervention im Gaza-Streifen schwer unter Druck. Als Reaktion auf Israels angekündigte Offensive auf die Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten drohten ägyptische Offizielle Mitte Februar sogar damit, das Abkommen für nichtig zu erklären. Der ägyptische Außenminister Sameh Shoukry betonte zwar wenig später, dass sich sein Land an das Abkommen gebunden fühle, solange Israel das auch tue. Nachdem zeitgleich der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich jedoch Ägypten beschuldigte, »eine erhebliche Verantwortung« für die Geschehnisse des 7. Oktober zu tragen, forderte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des ägyptischen Senats, die Sicherheitszusammenarbeit mit Israel auf Eis zu legen.
Der 7. Oktober als Zäsur
Bemerkenswert ist diese Verschlechterung der bilateralen Beziehungen umso mehr, als in den vergangenen zehn Jahren eine gegenteilige Entwicklung zu beobachten war. Zwar blieb der Frieden zwischen Ägypten und Israel wie schon in den Jahrzehnten davor ein kalter Frieden, also ohne wirkliche Annäherung zwischen den beiden Bevölkerungen. Die Machtübernahme des ägyptischen Militärs Anfang Juli 2013 führte aber zu einer sukzessiven Intensivierung der zwischenstaatlichen Beziehungen. Triebfeder hierbei war die Kooperation zwischen den Sicherheitsapparaten, die bereits in den Jahren zuvor durchaus gut gewesen war, nun aber eine neue Qualität erlangte. Israel gestand Ägypten zu, die durch den Friedensvertrag limitierte Militärpräsenz auf dem Sinai deutlich auszubauen, um dort gegen militant-islamistische Gruppierungen zu kämpfen. Darüber hinaus half die israelische Armee mit Luftangriffen auch selbst, gegen die Aufständischen vorzugehen.
Seit 2016 kam es offenbar zu mehreren Treffen zwischen dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, bei denen es auch um Energiekooperation zwischen den beiden Staaten gegangen sein dürfte. Anfang 2018 wurde ein Vertrag über den Export israelischen Erdgases nach Ägypten unterzeichnet. Angesichts steigender Versorgungsengpässe in den Folgejahren wurde das israelische Gas für Ägypten immer wichtiger. Im August 2023 wurde vereinbart, die israelischen Gasexporte zu erhöhen, um die häufigen Stromausfälle abzufedern. Zudem nahm die Bedeutung israelischer Urlauber für den gebeutelten ägyptischen Tourismussektor zu. 2022 wurde sogar eine direkte Flugverbindung zwischen Israel und dem ägyptischen Badeort Sharm el-Sheikh eingerichtet.
Durch den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober hat diese Phase der Intensivierung der bilateralen Beziehungen schlagartig geendet. In Ägypten gab es in den sozialen Medien, aber auch von semistaatlichen Akteuren wie der al-Azhar, der wichtigsten islamischen Institution des Landes, geradezu verständnisvolle Reaktionen auf das blutige Vorgehen der Hamas. Während diese oftmals als »Befreiungsorganisation« bezeichnet wurde, stieß die israelische Militärintervention als Reaktion auf den Angriff unmittelbar auf Kritik. Im ägyptischen Parlament wurde eine Kopie des Friedensvertrags zerrissen und überdies gefordert, den israelischen Botschafter auszuweisen. Am 8. Oktober erschoss ein ägyptischer Polizist zwei israelische Touristen in Alexandria. Diese Tat wurde in der ägyptischen Öffentlichkeit keineswegs einhellig verurteilt. Die Regierung in Jerusalem forderte israelische Touristen auf, Ägypten schnellstmöglich zu verlassen, was zu einem Einbruch der Besucherzahlen im südlichen Sinai führte.
Zusätzlich belastet wurden die Beziehungen auf Regierungsebene durch die Aussagen eines ägyptischen Geheimdienstmitarbeiters, man habe die israelische Seite mehrere Tage vor dem 7. Oktober über vertrauliche Kanäle mehrfach gewarnt. Für Premierminister Benjamin Netanjahu und seine Regierung war diese vermeintliche Indiskretion aus dem ägyptischen Sicherheitsapparat ein Affront; entsprechend wurde der Bericht umgehend als Lüge zurückgewiesen. Vor allem aber etablierte Israel, offenkundig ohne Kairo vorab zu informieren, eine vollständige Blockade des Gaza-Streifens, die den ägyptischen Grenzübergang in der Stadt Rafah einschloss. Das israelische Militär führte mehrere Luftschläge auf die Grenzanlage auf palästinensischer Seite aus, die nicht mit Kairo abgesprochen waren. In den Folgemonaten warfen sich beide Seiten gegenseitig vor, humanitäre Hilfe für den Gaza-Streifen zu blockieren.
Für weitere Unruhe sorgte die Entscheidung Israels, die Gasexporte nach Ägypten zu reduzieren. Begründet wurde dies mit Sicherheitsbedenken, die es erforderlich machten, eine Förderung des Tamar-Gasfeldes zunächst auszusetzen. Ende Oktober 2023 sprach die ägyptische Regierung sogar von einem kompletten Stopp der Gasimporte aus Israel, die anscheinend erst im November wieder langsam anstiegen. Zugleich gab es Berichte über die Weigerung Kairos, aus einem früheren Gasgeschäft stammende Verbindlichkeiten gegenüber Israel zu bedienen. In den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Ländern rückten indes zwei Vorwürfe, die zur eigentlichen Belastung des bilateralen Verhältnisses geworden sind.
Streitpunkt Flüchtlinge
Unmittelbar nach Beginn der israelischen Militärintervention im Gaza-Streifen warnte Kairo davor, die palästinensische Bevölkerung auf den Sinai zu vertreiben. Präsident Sisi, der bei seiner Kritik am israelischen Vorgehen grundsätzlich einen gemäßigteren Ton anschlägt als etwa das ägyptische Außenministerium, machte sehr früh deutlich, dass er einen Massenzustrom von Flüchtlingen aus dem Gaza-Streifen unter keinen Umständen dulden werde. Die Sorge vor einem solchen Szenario ist absolut nicht unbegründet. Bereits in den ersten Wochen der Militärintervention sprachen sich zahlreiche israelische Analysten und selbst Regierungsmitglieder für eine »freiwillige Abwanderung« von Palästinenserinnen und Palästinensern aus. Ende Oktober wurde eine Empfehlung des israelischen Geheimdienstministeriums zur Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung geleakt. Zeitgleich berichteten Medien über Versuche von Premierminister Benjamin Netanjahu, europäische Regierungschefs davon zu überzeugen, Druck auf Ägyptens Regierung auszuüben, damit diese Flüchtlinge aus dem Gaza-Streifen aufnehmen würde.
Vor allem aber deutet das militärische Vorgehen selbst darauf hin, dass Israel die Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern aus dem Gaza-Streifen zumindest billigend in Kauf nehmen könnte: Die Offensive der israelischen Streitkräfte wird mit Härte fortgesetzt, trotz immenser Opferzahlen unter der palästinensischen Zivilbevölkerung, einer sich ständig verschlechternden humanitären Lage im Gaza-Streifen und wiederholter internationaler Appelle, das Völkerrecht einzuhalten. Den jüngst getroffenen Anordnungen des Internationalen Gerichtshofs, sofortige und wirksame Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten zu ergreifen, stehen Berichte über die systematische Behinderung von Hilfslieferungen durch Israel gegenüber.
Anstatt, wie auch von Präsident Sisi gefordert, Fluchtkorridore für palästinensische Zivilisten auf israelisches Staatsgebiet zu schaffen oder zumindest ausreichend große Schutzzonen auszuweisen, muss die Zivilbevölkerung innerhalb des dicht bevölkerten Gaza-Streifens Schutz suchen, insbesondere in Rafah. Dessen Einwohnerzahl ist infolge des Flüchtlingszustroms von rund 280.000 auf über 1,5 Millionen Menschen angestiegen, was über zwei Drittel der Bevölkerung des Gaza-Streifens entspricht. Dadurch hat sich der Druck auf die ägyptische Grenze ungemein erhöht. Der Ausbau der Grenzbefestigung, den Kairo schon seit geraumer Zeit vorantreibt, dürfte dabei kaum ausreichend sein, um schutzsuchende Palästinenserinnen und Palästinenser im Falle israelischer Angriffe aufzuhalten.
Auch wenn die Sisi-Administration mittlerweile Vorkehrungen für die Errichtung von Flüchtlingslagern zu treffen scheint, lehnt sie es dennoch aus mehreren Gründen kategorisch ab, die Grenze zu öffnen. Dabei geht es nicht nur um die Sorge, durch die Aufnahme von Flüchtlingen zur permanenten Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern beizutragen. Vielmehr gibt es im ägyptischen Sicherheitsestablishment ebenso Befürchtungen, dass sich militante Akteure unter die Flüchtlinge mischen würden, die die Instabilität im nördlichen Sinai befördern könnten. Die Region war zwischen 2011 und 2021 Schauplatz von teils bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen ägyptischen Sicherheitskräften und militant-islamistischen Gruppen mit Tausenden von Toten. Zudem äußerte Präsident Sisi die Befürchtung, dass solche militanten Akteure vom Sinai aus Angriffe auf Israel starten könnten, was den über vierzig Jahre alten Friedensvertrag zwischen den beiden Ländern gefährden würde.
Streitpunkt Grenzsicherung
Mit dem Krieg zwischen Israel und der Hamas wurde auch der Streit um die Kontrolle der Grenze zwischen Ägypten und dem Gaza-Streifen neu entfacht. Im Jahr 2005 hatte sich Israel aus der so genannten »Philadelphi-Passage« zurückgezogen, einer 14 Kilometer langen Sicherheitszone zwischen Ägypten und dem Gaza-Streifen, und ägyptische Grenzsoldaten wurden dort stationiert. Seitdem kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Staaten, wie diese Grenze adäquat überwacht werden könne. Äußerungen von Premierminister Netanjahu Ende 2023, Israel müsse wieder die vollständige Kontrolle über die Philadelphi-Passage übernehmen, schlugen in Ägypten hohe Wellen. Die hiermit verbundene Unterstellung, Ägypten könne seine Grenze nicht sichern und würde Waffenschmuggel zulassen, haben ägyptische Offizielle umgehend zurückgewiesen und jede Änderung des Status der Grenze abgelehnt. Tatsächlich ist diese Unterstellung aber keinesfalls aus der Luft gegriffen.
Zwar hat Ägypten nicht erst unter Präsident Sisi seine Bemühungen verstärkt, die Grenze zu sichern. Bereits während der Präsidentschaft des Muslimbruders Muhammad Mursi wurden Tunnel zum Gaza-Streifen geflutet, um die Versorgungslinien für jihadistische Gruppen auf dem Sinai zu unterbinden. Nach Mursis Entmachtung durch das ägyptische Militär im Juli 2013 wurde die Zerstörung von Tunneln fortgesetzt. Anders als unter Mursi ging es der neuen politischen Führung unter Präsident Sisi hierbei nun aber auch darum, die Hamas zu schwächen. Sie wurde wegen ihrer Verbindungen zur ägyptischen Muslimbruderschaft als Bedrohung gesehen. Zwischen 2013 und 2015 ließ die Regierung eine Pufferzone zum Gaza-Streifen errichten, wobei Tausende Häuser auf ägyptischer Seite zerstört und ihre Bewohner zwangsumgesiedelt wurden.
Wenig beachtet hat die Sisi-Administration nach 2016 indes eine Kehrtwende vollzogen. Offenbar mit dem Ziel, die Aufstandsbewegung auf dem Sinai effektiv zu bekämpfen, wurden die Beziehungen zur Hamas sukzessive verbessert. Die Hamas ist der Sisi-Administration ihrerseits weit entgegengekommen. 2017 verzichtete sie in einem Politikdokument sogar auf den Hinweis, wonach sie Teil der transnationalen Muslimbruderschaft sei, und kappte damit formal ihre Verbindungen zur ägyptischen Mutterorganisation. Infolgedessen verbesserte sich ebenfalls die Zusammenarbeit im Grenzmanagement. Dieses entwickelte sich sowohl für die Hamas als auch für die ägyptische Seite zu einem äußerst lukrativen Geschäft: Der Personenverkehr etwa wurde über den Grenzübergang Rafah abgewickelt, der immer wieder geschlossen wurde. Aufgrund zahlreicher Schikanen waren Palästinenserinnen und Palästinenser gezwungen, die kostspieligen Dienste von Vermittlungsagenturen in Anspruch zu nehmen, die offensichtlich enge Verbindungen zum ägyptischen Sicherheitsapparat unterhielten.
Noch lukrativer dürfte allerdings die gemeinsame Kontrolle eines Teils des Warenverkehrs in den Gaza-Streifen gewesen sein. Nach einer Verständigung zwischen Israel und der Hamas Ende 2018, in deren Folge es zu einer teilweisen Lockerung der jahrelangen israelischen Blockade des Gaza-Streifens kam, wurde der Grenzübergang Salah-al-Din bei Rafah in Betrieb genommen. Zwar wurden gemäß offiziellen Zahlen über diesen Übergang zunächst weniger als 10 Prozent des Warenverkehrs in den Gaza-Streifen abgewickelt; der Großteil der Transporte verlief über den israelischen Grenzübergang Kerem Shalom. In den Folgejahren erhöhte sich der Anteil aber erheblich: Im August 2023, rund einen Monat vor dem Angriff der Hamas auf Israel, gelangten 37 Prozent der offiziellen Güterimporte auf diesem Weg in den Gaza-Streifen. Über die Erhebung von Zöllen und Gebühren verdienten die Sicherheitsorgane auf beiden Seiten der Grenze hervorragend, im Falle der Hamas, wie es aussieht, rund 14 Millionen US-Dollar im Monat.
Vor allem aber unterlag der Warenverkehr über den Grenzübergang Salah-al-Din nicht der Kontrolle im Rahmen des Gaza Reconstruction Mechanism, eines Dreierabkommens zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde, der israelischen Regierung und den Vereinten Nationen, das den Wiederaufbau des Gaza-Streifens nach dem Krieg von 2014 regeln sollte. Vielmehr blieb die Abwicklung des Güterverkehrs ebenso wie diejenige des Personenverkehrs weitestgehend intransparent. Gerade der offenkundig erfolgreiche Schmuggel von Waffen und Baumaterial durch die Hamas dürfte Israel darin bestärken, auf einer direkten Kontrolle der Grenze des Gaza-Streifens zu Ägypten zu bestehen.
Ausblick und Empfehlungen
Sowohl Ägypten als auch Israel hätten viel zu verlieren, sollten sich die bilateralen Beziehungen weiter verschlechtern – insbesondere wenn dies darauf hinausliefe, dass der Friedensvertrag von 1979 ausgesetzt oder aufgekündigt würde. Dieser Vertrag ist die formale Grundlage für jährliche US-amerikanische Rüstungshilfen in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar an Ägypten. Ein Wegfall dieser Unterstützung bedeutete einen erheblichen Einschnitt in den Verteidigungshaushalt des Landes. Darüber hinaus würde Kairo seine bislang durchaus komfortable Vermittlerrolle zwischen Israel und den Palästinensern verlieren, die der Regierung in der Vergangenheit in den westlichen Hauptstädten ein gewisses politisches Gewicht eingeräumt hat.
Israel wiederum konnte durch seine guten Beziehungen zum südlichen Nachbarn seine Verteidigungsanstrengungen auf die nördliche Landesgrenze sowie auf die Sicherung der besetzten Gebiete konzentrieren. Bereits in den letzten Jahren äußerten israelische Analysten ihre Sorge über die massive Aufrüstung des großen Nachbarn. Sollte es nun Zweifel an der Friedfertigkeit Ägyptens geben, wäre Israel gezwungen, seine Streitkräfte entlang der südlichen Grenze aufzustocken. Mit Blick auf die bestehende Belastung für das israelische Militär wäre dies eine enorme Herausforderung. Zudem ist Ägypten nach wie vor als Vermittler gefragt, nämlich bei den fortdauernden Verhandlungen um die Freilassung der von der Hamas entführten israelischen Geiseln.
Wenig verwunderlich scheinen beide Seiten daher trotz verbaler Drohungen weiterhin das Gespräch miteinander zu suchen, wie auch ein im Februar 2024 geschlossenes, neues Abkommen über eine Erhöhung der israelischen Gasexporte zeigt. Dennoch dürfte es kaum gelingen, die beiden zentralen Streitpunkte in den bilateralen Beziehungen auszuräumen. Denn selbst wenn eine Massenflucht von Palästinenserinnen und Palästinensern auf den Sinai kurzfristig ausbleiben sollte, würde ein solches Szenario für den Gaza-Streifen wohl auch nach Beendigung der Kriegshandlungen weiter Bestand haben. Grund sind die unklaren Entwicklungsperspektiven. Und dass Israel freiwillig auf eine militärische Wiederbesetzung der Philadelphi-Passage verzichten könnte, steht angesichts der Konfliktdynamik eher nicht zu erwarten.
Deutschland und seine europäischen Partner sollten in beiden Streitpunkten klar Position beziehen. Dabei ist Ägyptens Ablehnung jeder Form von Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus dem Gaza-Streifen vorbehaltlos zu unterstützen. Die Bundesregierung hat bereits erklärt, dass eine großflächige Vertreibung nicht stattfinden darf. Allerdings droht diese keineswegs nur infolge einer weiteren militärischen Eskalation. Auch wenn der Status quo beibehalten wird, kann daraus eine solche Vertreibung resultieren, da sich die Lebensbedingungen im Gaza-Streifen stündlich verschlechtern. Die Europäer sollten deshalb nicht nur auf eine humanitäre Feuerpause drängen, sondern auf einen dauerhaften Waffenstillstand. Dieser ist Voraussetzung für eine nachhaltige Stabilisierung, wie sie etwa der vom Außenbeauftragten der Europäischen Union, Josep Borrell, unterbreitete Friedensplan zum Ziel hat.
In Bezug auf die Grenzsicherung gilt es, die Sorgen Israels ernst zu nehmen. Die Rückkehr zum Status quo ante, bei dem Ägypter und Palästinenser gemeinsam die südliche Grenze des Gaza-Streifens kontrolliert haben, ist angesichts der massiven Aufrüstung der Hamas in den vergangenen Jahren keine Option. Das zukünftige Grenzmanagement muss transparent sein und im Sinne eines zivilen Wiederaufbaus des Gaza-Streifens erfolgen. Entsprechend muss freier Personen- und Warenverkehr ermöglicht und gleichzeitig die Einfuhr von Waffen verhindert werden. Israel dürfte dabei nur dann auf die eigene Kontrolle der Grenze zwischen Ägypten und dem Gaza-Streifen verzichten, wenn diese durch vertrauenswürdige externe Akteure sichergestellt wird. Deutschland und die Europäische Union könnten hierzu ihre Unterstützung anbieten.
Dr. Stephan Roll ist Leiter der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.
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