Dr. Nadine Godehardt ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Asien.
Die Autorin dankt Clara Hörning für die Zusammenstellung der Daten sowie den Lektorinnen für ihre sehr hilfreiche Unterstützung.
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In der deutschen Chinapolitik ist bis jetzt keine Zeitenwende erkennbar. Umfassende strukturelle Veränderungen und Anpassungen in den chinarelevanten Institutionen und der Verwaltung sind (noch) nicht zu beobachten.
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Die Absicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland bestimmt die deutsche Chinapolitik der letzten Jahre. Die China-Strategie der Bundesregierung ist daher eher eine Deutschlandstrategie. Ein übergeordnetes und langfristiges Ziel für die deutsch-chinesischen Beziehungen fehlt.
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Die Logik der deutschen Chinapolitik ist geprägt durch zwei Handlungsprinzipien: Eigensicherung und politische Indifferenz. Eigensicherung ist stärker nach innen orientiert (»Absicherung des politischen Systems«), politische Indifferenz stärker nach außen (»Umgang mit China«). Beide Prinzipien verbindet ein reaktives Moment.
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Die an China gerichtete Zuschreibung »Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale« ist nicht mehr zeitgemäß und muss angepasst werden. Die deutsche Chinapolitik benötigt eine Debatte darüber, welches Zielbild die deutsch-chinesischen Beziehungen in der Zukunft bestimmen soll.
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Neben der Zieldebatte braucht es eine Bereitschafts-(preparedness)-Debatte, die relevante Institutionen und die Verwaltung dauerhaft entlastet und sie auf zukünftige Herausforderungen im Umgang mit chinesischen Akteuren vorbereitet.
Inhaltsverzeichnis
1 Problemstellung und Schlussfolgerungen
2 Mythos Zeitenwende und die deutsche Chinapolitik
3 Kontextfaktoren des Wandels in der deutschen Chinapolitik
3.2 Chinesische Politik unter Xi Jinping
4 Ende der Selbstverwirklichung im Umgang mit China (2013–2021)
5 Weniger Abhängigkeit, mehr Absicherung (2021–2024)
5.1 Chinapolitische Positionen im Bundestag und in der Bundesregierung
5.2 De-Risking und die wirtschaftliche Sicherheit Europas und Deutschlands
6 Handlungsprinzipien deutscher Chinapolitik
6.1 Eigensicherung und Versicherheitlichung
6.1.1 Beispiel: Industriepolitik in der Zeitenwende
6.2 Politische Indifferenz als Handlungsprinzip deutscher Chinapolitik
6.2.1 Beispiel: Auswirkungen politischer Indifferenz auf deutsch-chinesische Kommunalbeziehungen
Problemstellung und Schlussfolgerungen
Deutsche Chinapolitik steckt in einer anhaltenden Erfahrungszäsur, deren Wirkungsgrad noch nicht gänzlich abzusehen ist. Ein Epochenbruch oder gar eine Zeitenwende, aus der umfassende strukturelle Veränderungen in der deutschen Chinapolitik folgen, ist (bis jetzt) nicht erkennbar. Allerdings wirkt der Mythos Zeitenwende auch in die deutsche Chinapolitik hinein. Wie Bundeskanzler Olaf Scholz in dem US-amerikanischen Journal Foreign Affairs im Dezember 2022 beschrieb, besteht eine Wechselbeziehung zwischen dem Narrativ von der globalen Zeitenwende und der Rolle Chinas in der Welt, die den deutschen Umgang mit China prägen kann.
Die vorliegende Analyse zeigt, dass die Sprache in Dokumenten der Bundesregierung sowie in Debatten des Bundestages in Bezug auf China direkter und kritischer geworden ist. Gleichsam wuchs das Bewusstsein hinsichtlich der systemischen Rivalität mit China, strategischer Abhängigkeiten von China und weiterer wirtschaftlicher Risiken deutlich. Es wurde teilweise in der China-Strategie sowie in anderen sektorspezifischen Politikstrategien der Bundesregierung verankert. Ferner ist eine Zunahme von Debatten über »China-Themen« in den verschiedenen Gremien des Bundestages sowohl im Plenum als auch beispielsweise im Auswärtigen Ausschuss feststellbar. Einigkeit besteht zumeist darin, dass es nicht mehr so weitergehen kann wie bisher und sich etwas verändern muss. Inhaltlich zeigt sich dies in der seit 2013 zu beobachtenden schrittweisen Abkehr von der Selbstverwirklichung deutscher Akteure in und mit China. Gegenwärtig liegt der Fokus auf der Absicherung und Selbsterhaltung des Wirtschaftsstandorts Deutschland (sowie des Wirtschaftsstandorts Europa) gegenüber China (Stichwort: de-risking).
Aus der vorliegenden Analyse ergibt sich, dass Eigensicherung ein wesentliches Handlungsprinzip deutscher Chinapolitik ist. Folglich geht es in der deutschen Chinapolitik im Kern vor allem um Deutschland und nicht um China. Deshalb besteht die Gefahr, dass der Sachverhalt China in erster Linie genutzt wird (und nützlich ist), um innenpolitische Argumente und Entscheidungen zu legitimieren. Da Eigensicherung meist ein erster Schritt hin zu einem umfassenden Prozess der Versicherheitlichung darstellt, kann es zukünftig sogar vermehrt vorkommen, dass politische Entscheidungsträger:innen den Sachverhalt China für andere Kontexte und Ziele deutscher Politik strategisch einsetzen, jedoch die eigentliche und tiefergehende Auseinandersetzung mit China vernachlässigt wird, gerade in der politischen Verwaltung.
Ein weiteres zentrales Merkmal deutscher Chinapolitik ist, dass politische Akteure (bis jetzt) keine Entscheidung über ein längerfristiges Ziel (goal) für die Beziehungen mit China getroffen haben. Das Handlungsprinzip der politischen Indifferenz verdeutlicht, dass dies nicht zufällig so ist, sondern bewusst gewählt. Aus der Ziellosigkeit deutscher Chinapolitik folgt, dass Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für die Ausrichtung dieser Politik letztlich – bewusst – ambivalent bleiben. Dementsprechend fördert politische Indifferenz im Umgang mit China vor allem eine reaktive Anpassungspolitik und ein Verharren in Teilzielen und Instrumenten (objectives), wie beispielsweise die Fokussierung auf das Minimieren von Risiken, das Reduzieren strategischer Abhängigkeiten oder das Stärken von Synergien zwischen ziviler und militärischer Forschung zeigen. Selten geht es dagegen um eine strategische Entlastung der Verwaltung, etwa durch die präventive und bestmögliche Vorbereitung auf neue Krisensituationen, die Verstetigung von Erfahrung oder den strukturellen Auf- und Ausbau von Chinawissen.
Aus der Analyse lassen sich zwei Schlussfolgerungen für die deutsche Chinapolitik ziehen:
Erstens tut eine Debatte über das zukünftige Ziel der deutsch-chinesischen Beziehungen not, die über die China zugeschriebene Rolle als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale hinausgeht. Idealerweise wäre eine solche Debatte den Diskussionen um die China-Strategie vorausgegangen. Die Frage, was China für Deutschland (und Europa) ist, charakterisiert nur einen Aspekt der deutsch-chinesischen Beziehungen. Was jedoch fehlt, ist eine Antwort auf die Frage, wo die deutsche Chinapolitik am Ende hinführen soll. Bei der von der Bundesregierung markierten globalen Zeitenwende – mit anderen Worten einem Umbruch in der Weltpolitik – spielt China unter Xi Jinping, Staatspräsident, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und Vorsitzender der zentralen Militärkommission, eine entscheidende Rolle. Im Rahmen der globalen Zeitenwende ist das Ausformulieren einer Zielvision für die deutsch-chinesischen Beziehungen notwendig und gleichsam richtungsweisend für Deutschlands Sicht auf die zukünftige Struktur der internationalen Ordnung.
Zweitens ist eine Bereitschafts-(preparedness)-Debatte erforderlich, um den politischen Apparat auf künftige Herausforderungen und Krisen im Umgang mit chinesischen Akteuren vorzubereiten und ihn zu entlasten. Im Mittelpunkt steht hierbei der Auf- und Ausbau strategischen Chinawissens zunächst in der (bundes-)politischen Verwaltung (»Arbeitsebene«), das auch den nächsten Wahlzyklus überdauert.
Mythos Zeitenwende und die deutsche Chinapolitik
Der Begriff »Zeitenwende« steht wörtlich für »das Ende einer Epoche und den Beginn einer neuen Zeit«.1 Er umschreibt einen allumfassenden Epochenbruch. Ausgangspunkt ist meist ein zentraler historischer Moment, der in Gesellschaft und Politik eine Anpassung an die neuen Umstände erfordert. Folglich ordnen Zeitenwenden oder auch historische Zäsuren den Zeitfluss in ein Davor und ein Danach. Der Historiker Martin Sabrow unterscheidet darüber hinaus zwischen »nachträglicher Deutungszäsur und zeitgeschichtlicher Erfahrungs- oder Ordnungszäsur«.2 Erstere wird retrospektiv zugeschrieben, beispielsweise der 8. Mai 1945 als »Stunde Null« für Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs oder das Ende des 30-jährigen Krieges 1648 als Beginn des modernen internationalen Systems souveräner Staaten. Letztere charakterisiert dagegen laut Sabrow Ereignisse wie den Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989, »an dem die Weltgeschichte ihren Atem angehalten hat«.3 Solche Erfahrungszäsuren treffen Menschen mit unglaublicher Wucht. Sie personalisieren Geschichte.
Es ist jedoch erst nachträglich erkennbar, ob sie einen allumfassenden Epochenbruch – eine Zeitenwende – markieren oder inhaltlich wie räumlich eher begrenzte Wirkung entfalten. In diesem Sinne ist der Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022 zunächst eine Erfahrungszäsur, die das Denken und Handeln der Menschen in Europa unmittelbar und bis heute prägt. In Deutschland fand dies bereits drei Tage nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges Ausdruck in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz. Er sprach prominent von einer »Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents« und davon, dass »die Welt danach nicht mehr dieselbe wie die Welt davor [ist]«. Weiterhin betonte er, dass »Putins Krieg eine Zäsur [bedeutet], auch für unsere Außenpolitik«.4
Mehr als zwei Jahre nach Kriegsbeginn ist es allerdings noch zu früh, um die Wirkung des russischen Einmarsches in die Ukraine auf die deutsche, die europäische sowie die Globalgeschichte zu beurteilen. Daher stützt sich die vorliegende Analyse an dieser Stelle auf einen semantischen Zugang, der darauf fokussiert, die verschiedenen Bedeutungsebenen der »Zeitenwende« zu beschreiben, um anschließend den Zusammenhang zur deutschen Chinapolitik herzustellen.
Seit Scholz’ Regierungserklärung vom 27. Februar 2022 ist der Begriff »Zeitenwende« unmittelbar verbunden mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den Auswirkungen auf die deutsche Politik. Eine solche mitunter zufällig gewählte Zuschreibung markiert den Auftakt einer neuen Erzählung oder, in Anlehnung an den Philosophen Roland Barthes, hier den Beginn des Mythos Zeitenwende.5 Mythos, verstanden als ein Teil des semiologischen Konzeptes von Barthes, steht hier vereinfacht für eine »Form von Narrativ, das Sinn und Bedeutung bereitstellt und oft so selbstverständlich wird, dass solche Narrative überhaupt nicht mehr als Mythen wahrgenommen, sondern sprachlich naturalisiert werden«.6 Mythen beschreiben also offensichtliche Wahrheiten und politisieren das Selbstverständliche.7 Die Selbstverständlichkeit des Mythos wird gegenwärtig zum Beispiel darin deutlich, dass für Gesellschaft und Politik augenblicklich klar ist, worum es geht, wenn von »Zeitenwende« gesprochen wird.8 Mythen sind deshalb ab einem bestimmten Punkt unausweichlich für den politischen Diskurs, sie legitimieren sogar politische Entscheidungen.
Wie der Diskursforscher Mario Bisiada hervorhebt, entwickelt beispielsweise die deutsche Zeitenwende-Erzählung eine gewisse politische und strategische Nützlichkeit für die Bundesregierung. Bisiada betont in seiner Analyse die diskursive Konstruktion einer neuen Wirklichkeit, in der die Zeitenwende als strategisches Narrativ eine existenzielle Bedrohung für Deutschland anzeigt, die es Bundeskanzler Scholz ermöglicht, seine verteidigungspolitischen Maßnahmen als alternativlos zu präsentieren. Weiter heißt es: »Der deutsche Diskurs über die russische Invasion der Ukraine schafft [...] eine Perspektive, die ›uns‹ ausdrücklich zum passiven Beobachter degradiert, zu denjenigen, die jetzt auf den gewaltsamen Verlust der ›gestrigen Sicherheiten‹ reagieren müssen.«9 Im Mittelpunkt steht hier die Funktion, die ein Mythos als Narrativ im politischen Diskurs einnehmen kann.
Da Mythen laut Roland Barthes gesellschaftliche und sprachliche Konstruktionen sind, die bereits vorhandene Zeichen und deren Sinn umdeuten (oder wie hier einen Zusammenhang von Zeitenwende und der russischen Invasion in die Ukraine herstellen),10 können sie auch verschiedene Bedeutungsebenen entwickeln. Die semiologische Analyse hilft dabei, die verschiedenen Ebenen des Begriffs »Zeitenwende« zu erkennen.
So impliziert seine Verwendung einerseits einen konkreten »Umbruch« in der nationalen Politik, vor allem in der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, aber letztlich auch im Hinblick auf alle Bereiche der deutschen Politik – im Sinne eines allumfassenden nationalen Epochenbruchs.11 Zeitenwende beschreibt hier konkret eine Kehrtwende und befruchtet die »teils heftig geführte Debatte um die normativen Grundlagen und den Gestaltungsanspruch deutscher Außenpolitik«.12
Andrerseits schließt Zeitenwende auch einen globalen Epochenbruch mit ein. So besiegelte der russische Angriffskrieg das Ende der Ära nach dem Kalten Krieg. In der Zeitenwende manifestiert sich daher gleichsam die drastisch veränderte (deutsche) Wahrnehmung der internationalen liberalen Ordnung und der Weltpolitik. Sie impliziert hier den allumfassenden globalen Epochenbruch. Dieses globale Verständnis von Zeitenwende unterstreicht auch der Beitrag von Bundeskanzler Scholz im US-amerikanischen Journal Foreign Affairs vom Dezember 2022, in dem es direkt im ersten Satz heißt: »The world is facing a Zeitenwende: an epochal tectonic shift.«13
Die globale Zeitenwende und China werden in einen direkten sprachlichen Zusammenhang gebracht.
Wichtig für die vorliegende Analyse ist, wo innerhalb dieser globalen Bedeutung des Mythos Zeitenwende China positioniert wird. Entscheidend ist der direkte sprachliche Zusammenhang von China und globaler Zeitenwende.14 Der Foreign-Affairs-Artikel macht klar: Russlands Angriffskrieg hat die Zeitenwende ausgelöst und »beendet eine Ära«. Chinas Aufstieg dagegen ist nicht nur ein weiterer Grund für die tektonischen Verschiebungen, sondern wirkt sich darüber hinaus direkt auf die Ausgestaltung der zukünftigen internationalen Ordnung aus (new multipolar world).15 Die globale Zeitenwende impliziert folglich, dass China sowohl (eine) Ursache für den globalen Umbruch als auch (eine) Herausforderung für die Zukunft der regelbasierten Ordnung darstellt.
Aus diesem Grund ist die Analyse und Reflexion deutscher Chinapolitik durchaus repräsentativ, um die weiter gefasste Frage zu diskutieren, wie Deutschland sich gegenüber der globalen Zeitenwende aufstellt. Es geht mithin darum zu prüfen, inwiefern sich in der deutschen Chinapolitik eine Zeitenwende erkennen lässt. Dafür ist es wichtig, die Logik der gegenwärtigen deutschen Chinapolitik zu dechiffrieren. Im Mittelpunkt steht das Herausarbeiten zentraler politischer Handlungsprinzipien, die letztlich kennzeichnend sind für die deutsche Chinapolitik in der Zeitenwende. Ferner zeigt die vorliegende Analyse eine Reihe von Gefahren auf, die sich aus der Logik deutscher Chinapolitik ergeben, unterbreitet aber auch Vorschläge und Empfehlungen, um diesen zu begegnen.
Kontextfaktoren des Wandels in der deutschen Chinapolitik
Im letzten Jahrzehnt der deutsch-chinesischen Beziehungen gab es eine ganze Reihe charakterisierender Ereignisse.16 Drei Situationen in den Jahren 2014, 2022 und 2023 versinnbildlichen, wie sehr sich die bilateralen Beziehungen verändert haben. Deutlich werden auch die Auswirkungen der globalen Politikentwicklungen sowie die der chinesischen Politik unter Xi Jinping auf die deutsche Chinapolitik.
Xi Jinpings Antrittsbesuch in Europa im März 2014 führte ihn auch nach Deutschland, wo er unter anderem den Duisburger Hafen besuchte. Am dortigen Güterbahnhof nahm er zusammen mit dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und der damaligen Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft den Frachtzug des chinesischen Staatsunternehmens Yuxinou aus der zentralchinesischen Metropole Chongqing in Empfang. Xis Besuch in Duisburg unterstrich die Bedeutung der von ihm bereits im Herbst 2013 verkündeten Seidenstraßeninitiative. Die Stadt ist einer der Endpunkte der Transportroute über den Landweg von China über Zentralasien nach Europa, die als Alternative zum Seeweg und zur Luftfracht vorgestellt wurde. Hannelore Kraft nannte die Zugverbindung ein »eindrucksvolles Beispiel für die Dynamik der Handelsbeziehungen zwischen unseren beiden Ländern«,17 somit repräsentativ für die florierenden Wirtschaftsbeziehungen. Zu diesem Zeitpunkt war die politische Tragweite der Seidenstraßeninitiative in Deutschland und Europa noch nicht erkannt worden. Die heutige Belt and Road Initiative (BRI) wurde gerade zu Beginn (bis 2015) vor allem als eine Weiterentwicklung der bereits vorhandenen Transportrouteninfrastruktur zwischen China und Europa begriffen und damit insbesondere als Chance für die Logistikbranche.18 Deutsche Chinapolitik war zu diesem Zeitpunkt noch geprägt von den Chancen und Möglichkeiten der Selbstverwirklichung für bestimmte Branchen – weniger von den Risiken.19
Das zweite Ereignis beinhaltet die Wiederaufnahme der direkten Besuche noch während der Covid-19-Pandemie und im Anschluss an die im Dezember 2022 beginnende Aufhebung der Null-Covid-Politik in China. In diese Phase fiel Bundeskanzler Scholz’ Antrittsbesuch in Peking Anfang November 2022 – drei Jahre nach Angela Merkels letztem Besuch kurz vor Ausbruch der Pandemie. Bei Scholz’ Reise waren die Rahmenbedingungen noch äußerst ungewöhnlich. Wegen der damals strikten Null-Covid-Politik hielt sich Scholz mit seiner auf zwölf Vorstandschefs reduzierten Wirtschaftsdelegation nur wenige Stunden in der Hauptstadt Chinas auf. Dabei bewegten sich alle Beteiligten in einer vollständig abgeriegelten »Corona-Blase« und nur mitgereiste Journalist:innen konnten über die Treffen und die vorgelesenen Pressestatements berichten.20 Die Gründe für seinen Besuch erläuterte Scholz vorab in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. In seinem Artikel und in seinem Pressestatement nach dem Treffen mit dem damaligen Ministerpräsidenten Li Keqiang wies er auf eine ganze Reihe kritischer Themen hin, beispielsweise darauf, dass sich auch die chinesische Regierung zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet habe.21 Der Besuch unter Corona-Bedingungen machte allein durch die teilweise skurrilen Fernsehbilder sichtbar, wie sehr sich China unter Xi gewandelt hatte, ohne dass die Veränderungen im Regime im Detail dargestellt werden mussten, zum Beispiel die Zentralisierung der Entscheidungsprozesse auf die KPCh oder der Trend zur Versicherheitlichung.
Drittens geht es um den Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock im April 2023 in Peking sowie den fast unmittelbaren Gegenbesuch des mittlerweile abgesetzten chinesischen Außenministers Qin Gang Anfang Mai 2023 in Berlin. Der Schlagabtausch zwischen Baerbock und Qin während der Pressekonferenzen vermittelte ein klares Bild davon, wie sehr sich Kontext, Sprache und Schwerpunkte in den deutsch-chinesischen Beziehungen verändert haben.22 Die Pressekonferenzen sowohl in Peking als auch in Berlin legten die unterschiedlichen Sichtweisen auf geopolitische Ereignisse offen, allen voran auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Treffen verdeutlichten, dass es auch den beiden Beteiligten – der ersten deutschen Außenministerin auf der einen und Qin Gang, einem sogenannten Wolfskrieger,23 auf der anderen Seite – schwerfiel, eine gemeinsame Sprache, ein sprachliches Miteinander zu entwickeln. Folglich war der Austausch geprägt von einer offenen, direkten und kritischen Sprache auf beiden Seiten, die Stimmung respektvoll, aber dominiert von gegenseitigem Misstrauen.
Eine ganze Reihe von Faktoren begründet die Verschiebungen in der deutschen Chinapolitik, weshalb bereits im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung steht: »Um in der systemischen Rivalität mit China unsere Werte und Interessen verwirklichen zu können, brauchen wir eine umfassende China-Strategie in Deutschland im Rahmen der gemeinsamen EU-Chinapolitik.«24 Die Entscheidung für das Verfassen der ersten Länderstrategie einer deutschen Bundesregierung überhaupt – und damit für den Versuch einer Neuausrichtung der deutschen Chinapolitik – fällt zusammen mit der schrittweisen Fragmentierung der internationalen Ordnung (globaler Kontext) und den Veränderungen in China (dem Xi-Faktor).
Globaler Kontext
Festzuhalten bleibt, dass die Phase der Weltpolitik, in der wir uns gegenwärtig befinden, durch die zunehmende Fragilität der liberalen internationalen Ordnung charakterisiert ist. Bestehende Strukturen und Institutionen der westlich-liberal geprägten internationalen Ordnung und damit auch der globalen Wirtschaftsordnung existieren zwar weiterhin, können aber oft nicht mehr für ausreichend Stabilität und Sicherheit sorgen. Weltpolitik steckt in einem Interregnum fest, einer dauerhaften Phase von Zwischenordnungen, die laut Antonio Gramsci nicht einem völligen Zustand der Unordnung entspricht, sondern vielmehr einer konsolidierten halbstrukturierten Ordnung, in der »das Alte stirbt und das Neue nicht geboren werden kann«.25 Diese Entwicklungen erschüttern lange akzeptierte Sichtweisen in der internationalen Politik und wirken sich folglich auf die deutsche Chinapolitik aus.
Einige zentrale Erkenntnisse sind mit dem Interregnum verbunden.
Erstens: Liberale Demokratie und Marktwirtschaft haben sich nach dem Ende der Sowjetunion nicht weltweit durchgesetzt; zurzeit gibt es sogar mehr autokratische als demokratische Staaten und demokratische Transformationsprozesse sind rückläufig.26
Zweitens: Globalisierung, wie wir sie kannten, verschwindet.27 So werden eine hohe wirtschaftliche Verflechtung und Konnektivität zwischen Staaten nicht mehr selbstverständlich als Garanten für Stabilität und Frieden angesehen. Dies zeigt sich politisch als Zuwachs bei den Strategien zur Wirtschaftssicherheit und als erhöhter Fokus auf Sanktionspolitik bzw. generell in der Verbindung von Wirtschaft / Industrie und nationaler Sicherheit, zum Beispiel in der EU, in Japan oder den USA. Akademisch wird dies in Diskussionen über weaponized interdependence oder über die Rückkehr von Geopolitik in Wirtschaftsfragen sichtbar, etwa beim Thema Rohstoffe oder digitale Technologie. Sowohl der politische als auch der akademische Diskurs unterstreicht, dass Wirtschafts- und Sicherheitsfragen oft nicht mehr getrennt betrachtet werden und die Möglichkeit der strategischen Instrumentalisierung wirtschaftlicher Abhängigkeiten und asymmetrischer Netzwerkstrukturen (zum Beispiel Infrastruktur, Logistik, Lieferketten) immer mehr in den Vordergrund rückt.
Daraus folgt drittens die Zunahme des Misstrauens in den internationalen Beziehungen. Vertrauen war implizit immer eine Grundlage von Beziehungen zwischen Staaten. Es begründete in Teilen die Schaffung internationaler Organisationen, genauso wie es die Überzeugung nährte, dass gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten eher befrieden als Konflikte verschärfen.28 Misstrauen lässt sich laut Niklas Luhmann keineswegs einfach gleichsetzen mit »fehlendem Vertrauen« – die Differenzierung ist grundsätzlicher. Denn Vertrauen erfüllt eine spezifische Funktion, vor allem in Institutionen und Beziehungen. Vertrauen entlastet und reduziert Komplexität – es institutionalisiert die Vertrautheit im Miteinander.29
Zunehmendes Misstrauen in den internationalen Beziehungen begünstigt radikale Zuschreibungen.
Luhmann betont: »Wer nicht vertraut, muß daher, um überhaupt eine praktisch sinnvolle Situation definieren zu können, auf funktional äquivalente Strategien der Reduktion von Komplexität zurückgreifen.«30 Dies führt oftmals zu radikalen Zuschreibungen, beispielsweise der, den anderen als Feind zu sehen, oder zu einer Lebensführung, die geprägt ist von Strategien des Vermeidens, Verzichts oder sogar Kampfes. Luhmann hebt hervor, dass Misstrauen auf seine eigene Art die Abläufe in Beziehungen auch vereinfacht, allerdings nicht positiv entlastend wie beim Vertrauen, sondern negativ.31 Es eröffnet beispielsweise im politischen Alltag leichter Möglichkeiten für Täuschung und gezielte gegenseitige Desinformation, gleichzeitig verstärkt es die Etablierung von Echokammern auf allen Seiten. Und wenn alle nur noch das wahrnehmen, was ihre eigenen Sichtweisen bestätigt, und niemand bereit ist, die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen, erschwert dies zusätzlich die Kommunikation in internationalen Beziehungen.
Viertens findet in diesem Umfeld globaler Verunsicherung weiterhin Kooperation statt. Das jüngste Aufkommen von »Konnektivität« im Bereich der internationalen Beziehungen, sowohl in der Wissenschaft als auch im politischen Denken, weist allerdings auf neue Realitäten und Herausforderungen hin.32 Einerseits schließt Konnektivität Reibung nicht aus, was den zugrunde liegenden normativen Rahmen von Kooperation verändert, aber nicht unbedingt die Quantität globaler Vernetzungen.33 Mit anderen Worten: Konnektivität definiert nicht die Natur internationaler Beziehungen. Deutlich niedrigschwelliger produziert sie internationale Beziehungen, die aber nicht per se automatisch friedlicher oder konfliktreicher sind. Andrerseits findet dieser Wandel (von Kooperation zu Konnektivität) in einem ganz anderen internationalen Umfeld statt. Die Projektion einer liberalen internationalen Ordnung mit weichen Grenzen, die Ende des letzten Jahrtausends noch vorherrschte, verliert mit dem Aufstieg stärker sicherheitsorientierter und wieder mehr auf territoriale Souveränität fokussierter Staaten zunehmend an Bedeutung.
Chinesische Politik unter Xi Jinping
Neben den Veränderungen in der Weltpolitik lösten und lösen sich weiterhin einige (scheinbare) Gewissheiten über China auf. Erstens erfüllte sich die im Westen verbreitete Hoffnung nicht, dass mit dem Amtsantritt Xi Jinpings die Anpassung Chinas an die liberale internationale Ordnung voranschreiten würde.34 Anders ausgedrückt: Wirtschaftliche und politische Reformen fanden zwar statt, aber sie hatten nicht die erhoffte weitere Öffnung Chinas oder eine Transformation des politischen Regimes hin zu einer (westlich) liberalen Demokratie zur Folge. Im Gegenteil: Spätestens seit dem 19. Parteitag der KPCh im Oktober 2017 und dem 13. Nationalen Volkskongress (NVK) im März 2018 wurde die Zentralisierung auf die Person Xi und die KPCh, deren Generalsekretär er ist, immer deutlicher. So wurden beispielsweise auf dem Parteitag die »Xi-Jinping-Ideen zum Sozialismus chinesischer Prägung für eine neue Ära« in die Parteisatzung aufgenommen und damit nach nur fünf Jahren auf eine Stufe mit den Ideen von Mao Zedong und Deng Xiaoping gehoben.35 Xi selbst wurde im Vorlauf als »›Kern des Zentralkomitees‹« bezeichnet, was seine »epochemachende« Stellung unterstreichen sollte.36 Auf dem NVK wurden dann weitere umfassende Reformen beschlossen, die der KPCh formal die wichtigste Rolle im Staat einräumten. Die Chinawissenschaftlerin Heike Holbig beschreibt es so: »Die Partei steht nicht mehr über, neben oder unter dem Gesetz, vielmehr ist sie nun das Gesetz.«37 Die Verschmelzung von Partei und Staat wird unter Xi zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Begrenzung der Amtszeit des Staatspräsidenten aufgehoben worden ist.38
Dies geht zweitens einher mit einer fortwährenden Betonung von Sicherheit in der chinesischen Politik. In seinen ersten Reden im April 2014 plädierte Xi bereits für ein »umfassendes Konzept von nationaler Sicherheit«. Die Verabschiedung des Nationalen Sicherheitsgesetzes zum 1. Juli 2015 markierte dann den Beginn einer Reihe von Gesetzen und Verordnungen, die bis heute beinahe jeden Politik-, Wirtschafts- und Gesellschaftsbereich versicherheitlichen. Es verfestigt sich der Eindruck, dass die Absicherung des Regimes in allen Bereichen das »Entwicklung zuerst«-Prinzip ablöst, also den Fokus auf wirtschaftliche Entwicklung als Voraussetzung nationaler Sicherheit. Dies verändert die Zielorientierung chinesischer Politik kontinuierlich in Richtung »Absicherung zuerst«.39
Drittens gelang es Xi gerade in seiner ersten Amtszeit, die Vorstellung von China als Werkbank der Welt durch das Bild eines supermodernen, hoch technologisierten und digitalisierten Staates zu ersetzen. Beispielhaft dafür ist die Initiative »Made in China 2025«, die bereits 2015 die Ambitionen Xis offenbarte. Das Ziel besteht darin, zu den führenden Technologienationen aufzuschließen, vor allem durch gezielte chinesische Investitionen in ausländische Industrie und Hochtechnologie. Genannt werden zehn Schlüsselbereiche, unter anderem Elektromobilität, Informationstechnologie, Luft- und Raumfahrt, Robotik und der Energiesektor, die besonders gefördert und gestärkt werden sollen.40 Damit verbunden ist der unter Xi forcierte Aufbau eines militärisch-zivilen Industriekomplexes. Denn um China als neue Weltmacht zu etablieren, ist die Integration von wirtschaftlichem, technologischem und militärischem Knowhow eine wichtige Voraussetzung.41 Dies ist seit Xis Rede auf dem 19. Parteitag der KPCh Teil der nationalen Strategie Chinas und manifestierte sich bereits im Januar 2017, also neun Monate zuvor, in der Gründung eines zentralen Entwicklungsausschusses für die militärisch-zivile Fusion, dem Xi selbst vorsitzt und dem weitere hochranginge Parteikader angehören.42
Die Welt soll chinesischer werden – das besagt Xi Jinpings Ziel einer »Gemeinschaft mit einer geteilten Zukunft für die Menschheit«.
Viertens bekräftigen die Entwicklungen das Ende des Narrativs vom chinesischen Aufstieg. China unter Xi ist Globalmacht, die danach strebt, Weltpolitik im chinesischen Sinne zu formen. Ziel ist nicht mehr die Anpassung an die internationale Ordnung, sondern Kompatibilität zwischen der Weltordnung und der KPCh herzustellen.43 Mit anderen Worten: Die Welt soll chinesischer werden. Ausdruck dieser Ambition ist vor allem der Aufbau einer »Gemeinschaft mit einer geteilten Zukunft für die Menschheit«, die Xi 2015 bei seiner ersten Ansprache vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorstellte und immer wieder als zentrales außenpolitisches Ziel im internationalen Diskurs zu etablieren versucht. Xis »Gemeinschaft« wurde auf dem 19. Parteitag in die Parteiverfassung und auf dem 13. NVK in die Staatsverfassung aufgenommen. Damit ist sie als offizieller Parteisprech gesetzt und treibt fortwährend die chinesischen Bemühungen an, das globale Governance-System im eigenen Interesse zu reformieren.44
Ende der Selbstverwirklichung im Umgang mit China (2013–2021)
Vor dem Hintergrund der Auflösung bestimmter Gewissheiten in der Weltpolitik und über China ist in der deutschen Gesellschaft sowie in Wirtschafts- und Politikkreisen letztlich seit Xi Jinpings Amtsübernahme 2012/13 eine erhöhte Sensibilität gegenüber chinesischen Akteuren zu beobachten. Darüber hinaus belegen die Entwicklungen in diesem Zeitraum auch das Ende der deutschen Selbstverwirklichung im Umgang mit China. Besser gesagt: Systemische Divergenzen treten immer mehr in den Vordergrund der Beziehungen und erschweren ein »Weiter so«.
Dies offenbarte sich als Erstes in der Erkenntnis, dass chinesische Akteure ernst machten. Der rapide Anstieg der chinesischen Direktinvestitionen in Deutschland 2016 und 2017 und vor allem die Zunahme strategischer Investitionen in technologische Schlüsselbereiche als Umsetzung der Made-in-China-2025-Strategie wiesen klar darauf hin. Augenöffner war in diesem Kontext die Übernahme des auf Robotik spezialisierten Maschinenbauunternehmens Kuka durch das chinesische Unternehmen Midea, das 2016 zunächst knapp 95 Prozent der Aktien erwarb.45 Diese Akquisition wurde damals ohne förmliches Prüfverfahren vom Wirtschaftsministerium genehmigt.46 Im Anschluss an die Übernahme verstärkte sich jedoch die Sorge um den Ausverkauf deutscher Technologie, auch aufgrund der Bedeutung von Kuka für die deutsche Initiative Industrie 4.0.
Ferner änderte sich die Bewertung von kritischen Infrastrukturen und Schlüsseltechnologien sowie deren Bedeutung für die nationale Sicherheit Deutschlands. Diese Verflechtung wurde sichtbar, als das chinesische Staatsunternehmen State Grid Corporation of China (SGCC) im März und Juni 2018 Anteile am Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz erwerben wollte. Beim ersten Versuch übte der belgische Übertragungsnetzbetreiber Elia sein Vorkaufsrecht aus und erwarb 20 Prozent vom australischen Investor IFM, auf den es State Grid eigentlich abgesehen hatte. Der zweite Versuch wurde von der deutschen Bundesregierung indirekt über die Entwicklungsbank KfW abgewendet, die weitere 20 Prozent der Anteile von IFM kaufte.47 Als direkte Folge verschärfte die Bundesregierung damals die Regeln für ausländische Direktinvestitionen. So wurde der Schwellenwert für bestimmte kritische Infrastrukturen von 25 auf 10 Prozent herabgesetzt.
Ein anderes Bild vermittelte sich jedoch in der ersten intensiven Huawei-Debatte 2018/19, in der es um die Frage ging, inwieweit Komponenten des chinesischen Telekommunikationsherstellers im deutschen 5G-Netz verbaut werden sollten. Der Unterschied zu dem Versuch State Grids, sich bei 50Hertz einzukaufen, lag darin, dass Huawei bereits ein fester Bestandteil des deutschen Telekommunikationssektors war und immer noch ist. Diskutiert wurde, inwiefern die Verwendung chinesischer Netzwerktechnologie für den neuen Mobilfunkstandard 5G ein nationales Sicherheitsrisiko darstellen könnte.48 Die Debatte legte die gesamte Bandbreite in der Auseinandersetzung mit China offen, zudem die zunehmende Verschmelzung von Geopolitik, Wirtschaft, Technologie und Sicherheit.49 Die Huawei-Debatte unterstreicht den Übergang von Kooperation zu Konnektivität als Merkmal internationaler Beziehungen – nicht zuletzt in der deutschen Chinapolitik.
Darüber hinaus wurde in Politik und Gesellschaft die Kritik an Menschenrechtsverletzungen in China lauter; dabei traten auch systemische Divergenzen immer stärker hervor. Prägend dafür waren unter anderem die Entwicklungen in der Sonderverwaltungszone Hongkong der Volksrepublik China. Direkter Auslöser für die erste Welle von Protesten der Regenschirmbewegung von September bis Dezember 2014 war ein Beschluss des NVK, der besagte, dass Kandidat:innen für die Wahl des Hongkonger Regierungschefs von Peking vorausgewählt werden. Das verhinderte die öffentliche Nominierung von Kandidat:innen und – aus Sicht der Protestierenden – eine freie und demokratische Wahl des Regierungschefs.50 2019 brachen erneut schwere und umfangreiche Proteste aus. Ursache war zunächst ein von der chinafreundlichen Hongkonger Regierung im April des Jahres vorgeschlagenes Gesetz, das Auslieferungen von Bürger:innen Hongkongs an China ermöglicht hätte.51 Obwohl die Regierung Hongkongs das umstrittene Gesetz im September zurückzog, eskalierten die Proteste bis hin zur teilweisen Lahmlegung der öffentlichen Verkehrsinfrastrukturen und zu offenen Straßenkämpfen – ein deutlicher Protest gegen die Regierung Hongkongs und den Einfluss Pekings.
Etwa ein Jahr später, am 22. Mai 2020, beschloss der NVK in Peking ein Nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong. Dieses Gesetz, das am 30. Juni 2020 in Kraft trat, veränderte die Rechtssituation in Hongkong schlagartig. Die Gründung des »Komitees zur Wahrung Nationaler Sicherheit«, das unter Aufsicht der Zentralregierung steht, ermöglicht es Peking zum Beispiel, unabhängig von der Hongkonger Justiz Strafen auszusprechen.52 Das Sicherheitsgesetz für Hongkong verdeutlicht, dass die KPCh unter Xi ihren Kontrollradius immer weiter ausdehnt.
Anders als 2014 rührte sich dieses Mal spürbar mehr Widerspruch in Deutschland und Europa. Nach einem Antrag der FDP-Fraktion wurde bereits Ende Mai 2020 im Bundestag über die Auswirkungen des Sicherheitsgesetzes debattiert und in dieser Frage aus den Reihen der damaligen CDU/CSU-Regierungsfraktion eine wesentlich härtere Linie von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel angemahnt. Gyde Jensen von der FDP-Fraktion, zu jener Zeit Opposition, forderte: »Hongkong ist am Scheideweg, und mit Hongkong steht dieser geopolitische System- und Wertewettbewerb Spitz auf Knopf. Es wird Zeit, dass die Bundesregierung in diesem Wertewettbewerb Position bezieht und endlich anfängt, China rote Linien aufzuzeigen.«53 Wichtiger als die konkrete Reaktion der Bundesregierung war, dass unterschiedliche System- und Wertvorstellungen gerade auch in den Debatten im Bundestag immer deutlicher zu Tage traten und ausgesprochen wurden. Hongkong war dafür trotz der ikonischen Proteste nur ein Beispiel.
Im Zeitraum von 2013 bis 2021 wurde zudem der generelle Rückgang des zivilgesellschaftlichen Austauschs (bis zum kompletten Erliegen während der Covid-19-Pandemie) immer wieder thematisiert. Und spätestens seit Veröffentlichung der China Cables 2019 waren die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang ebenfalls stark präsent in Politik und Medien.54 Zusammengenommen offenbarten all diese Entwicklungen die neue Qualität der Divergenzen zwischen Deutschland (Europa) und China.
Ausdruck fand dies einerseits im China-Grundsatzpapier des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) vom Januar 2019, in dem der Systemwettbewerb mit China und die Bedeutung des Landes als globale Gestaltungsmacht erstmals benannt wurden. Die Betonung lag hier darauf, dass »Chinas staatlich geprägtes Wirtschaftssystem in vielen Punkten im Widerspruch zu den liberalen und sozialen marktwirtschaftlichen Prinzipien der EU und vieler anderer Länder [steht]«.55 Die Ausführungen bezogen sich auf die Auswirkungen für deutsche (und europäische) Unternehmen. Im Zentrum standen daher Themen wie der eingeschränkte Marktzugang für nicht chinesische Unternehmen sowie Auswirkungen der massiven Subventionspolitik der chinesischen Regierung auf diese.
Die EU entschied sich 2019 mit dem Dreiklang »Partner, Wettbewerber, Rivale« bewusst für Ambivalenz im Umgang mit China.
Andrerseits legte die Veröffentlichung des EU Strategic Outlook im März 2019 einen neuen Maßstab für die Bewertung Chinas. Die darin gewählten Formulierungen illustrieren einmal mehr das zumindest rhetorische Ende der Selbstverwirklichungspolitik der Europäer in China und das gewachsene Empfinden einer Veränderung der Kräfteverhältnisse. So heißt es, dass »das Gleichgewicht zwischen Herausforderungen und Möglichkeiten, die China bietet, sich verschoben hat« oder dass »China nicht mehr länger als Entwicklungsland betrachtet werden kann. Es ist ein globaler Schlüsselakteur und eine führende Technologiemacht.«56 China ist, wie im Strategiepapier formuliert, Kooperations- und Verhandlungspartner, wirtschaftlicher Wettbewerber und – zum ersten Mal in einem offiziellen Dokument der EU erwähnt – Systemrivale, der ein alternatives Regierungsmodell fördert. Dennoch lag der Fokus des Strategiepapiers hauptsächlich auf der gleichwertigen Ausgestaltung der Wirtschaftsbeziehungen (Stichwort: level playing field), auf Maßnahmen zur Stärkung des EU-Binnenmarktes (Stichwort: Screening-Mechanismus bei ausländischen Direktinvestitionen) sowie auf einer stärkeren Ausrichtung auf Industriepolitik.
Die Einführung des Dreiklangs »Partner, Wettbewerber, Systemrivale« war Ausdruck einer nun deutlich ambivalenteren Haltung der EU gegenüber China. Mit anderen Worten: Die EU bewertete Chinas Auftreten mit mehr Misstrauen, was auf der subjektiven Erfahrung mit chinesischen Akteuren beruhte. Die an China gerichtete Rollenzuschreibung als Partner, Wettbewerber und Rivale ordnete die europäische (und teilweise auch die deutsche) Politik neu, was den Umgang mit China betraf. Diese Form der bewussten politischen Entscheidung für die Ambivalenz war zu diesem Zeitpunkt vor allem ein Zeichen für das Ende der europäischen Naivität, besonders vor dem Hintergrund der unfairen Wettbewerbsbedingungen für europäische Akteure in China und der somit fehlenden Reziprozität.
Trotz dieses Dreiklangs blieb das Ziel oder die Zielvision der EU-Chinapolitik unklar (ebenso wie mögliche Konsequenzen aus diesem Umstand für die zukünftigen deutsch-chinesischen Beziehungen). Folglich schärfte das Bewusstsein über die ambivalente Rolle, die China für Europa (und Deutschland) einnahm, nur in sehr geringem Maße die Ambiguitätskompetenz der Europäer im Umgang mit China.57 Zudem betont der EU Strategic Outlook aus heutiger Sicht nach wie vor die Sprache des Engagements im Hinblick auf China. Die Betitelung als systemischer Rivale war zwar eine klare Ansage der EU, dass es nicht mehr so weitergehen konnte wie zuvor; doch dies hatte zunächst nur punktuelle Folgen, etwa die Einführung des europäischen Investment-Screenings.
Die Wirkung auf den deutschen Politikdiskurs und vor allem auf die damalige Bundeskanzlerin war begrenzt. Angela Merkel verfolgte weiterhin einen eher zurückhaltenden Ansatz in der Chinapolitik und verzichtete auf direkte Konfrontationen. Ihr eher kooperativ ausgerichtetes Vorgehen, insbesondere um den Abschluss des Umfassenden Investitionsabkommens (CAI) zwischen der EU und China im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 nicht zu gefährden, führte dazu, dass sich immer mehr Widerstand in der eigenen Partei entwickelte; aber auch mit Vertretern anderer Parteien gab es Reibungen.58 Diese Situation wiederum öffnete die politische Debatte für alternative Ansichten und Themen in der deutschen Chinapolitik. Der oben genannte Dreiklang wurde dabei immer häufiger von den politischen Parteien benutzt, um die Schwierigkeiten und Herausforderungen im Umgang mit China auszudrücken.59
In den Wahlprogrammen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2021 wurde das Verhältnis zu China dann explizit thematisiert. Der Tenor dabei fiel erheblich kritischer aus und spiegelte die sich damals vertiefende Polarisierung im öffentlichen wie wissenschaftlichen Diskurs zu China wider.60 Verstärkt wurde dies durch die Covid-19-Pandemie, die spätestens mit dem Beschluss des ersten Lockdowns im März 2020 das öffentliche Leben in Deutschland und direkte Kontakte mit dem Ausland stark einschränkte. Nicht nur die Unklarheit über die Herkunft des neuartigen Coronavirus61 sowie Chinas fehlende Unterstützung bei der Aufklärung des Ursprungs von Covid-19,62 sondern insbesondere sein Monopol bei der Herstellung von Schutzmasken, Handschuhen und Desinfektionsmitteln zu Beginn der Pandemie lenkte die Aufmerksamkeit in Politik und Gesellschaft vermehrt auf die negativen Auswirkungen deutscher und europäischer Abhängigkeiten von China.63
Weniger Abhängigkeit, mehr Absicherung (2021–2024)
Mit der Verabschiedung des Koalitionsvertrags Anfang Dezember 2021 war das Ziel vorgegeben, eine umfassende China-Strategie zu formulieren. In den folgenden anderthalb Jahren beherrschte die Debatte über den Abbau strategischer Abhängigkeiten von China die öffentliche und politische Diskussion über die Ausrichtung der deutschen China-Strategie. Verstärkt wurde dies durch die transnationalen Auswirkungen der chinesischen »Null-Covid-Politik« während der Covid-19-Pandemie und die Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.
In China gab es zwei intensive Phasen von Lockdowns. Die erste direkt zu Beginn der Pandemie, in der schrittweise die Provinz Hubei abgeriegelt wurde.64 Die zweite folgte fast umgehend nach den Olympischen Winterspielen in Peking, die im Februar 2022 in einer streng kontrollierten »olympischen Blase« stattfanden.65 In dieser zweiten Phase wurde unter anderem in Shanghai ein Lockdown verhängt. Auf den Ausbruch der Omikron-Variante im Frühjahr 2022 war die chinesische Politik nicht vorbereitet; Omikron traf auf eine größtenteils ungeimpfte Gesellschaft und veränderte das Infektionsgeschehen in China rasant. Offiziell wurden in den Monaten vor November 2022 etwa 40.000 Neuinfektionen pro Tag beobachtet.66
Der Ende März 2022 angeordnete Lockdown in Shanghai war in mehrfacher Hinsicht beispielhaft: Erstens wurde deutlich, dass die Willkür des chinesischen Regimes sich gegen alle – nicht nur gegen Minderheiten – richten kann, wenn die Umstände es verlangen. Der zwei Monate währende Lockdown hinterließ eine tief traumatisierte Gesellschaft und wirkt bis heute nach.67 Zweitens bekräftigten die Bilder und Videos von leeren Straßen, abgeriegelten Wohneinheiten und besonders von hungrigen Bewohner:innen68 die Sichtweise, dass sich China unter Xi zu einem brutalen, autoritären Regime mit »totalitären Zügen« gewandelt hat.69 Drittens brachte der Shanghai-Lockdown einen riesigen Stau von Containerschiffen vor dem Hafen der Stadt mit sich, was vor allem die Abfertigung und den Abtransport der Waren erschwerte.
Auch die meisten deutschen Unternehmen vor Ort befanden sich in einem kompletten oder teilweisen Lockdown.70 Die Anfälligkeit von Lieferketten und die daraus folgenden Lieferengpässe während der Pandemie waren (und sind heute aufgrund des Krieges in der Ukraine) zwar ein globales Phänomen, aber der Stillstand in Shanghai wurde zu einem Symbol für die Abhängigkeit der deutschen Industrie von China. So heißt es noch in der im Oktober 2023 veröffentlichten Strategie zur Industriepolitik des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): »Beispielsweise stammen mehr als 80 Prozent der in Deutschland verkauften Laptops und über 90 Prozent der Photovoltaik-Anlagen aus China. Solche Abhängigkeiten werden oft nicht als Problem wahrgenommen, solange die Lieferkette funktioniert. Doch können bei einer Störung nicht kurzfristig alternative Lieferanten gefunden werden. Das wurde beispielsweise deutlich, als während der Corona-Pandemie ein anhaltender Lockdown der Hafenmetropole Shanghai auch in Deutschland die Produktion der Industrie behinderte, weil Vorprodukte fehlten.«71
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine offenbarte zusätzlich die Unberechenbarkeit autoritärer Regime. Maßgeblich wurde der deutschen Politik vor Augen geführt, was die Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland bedeutete. Die Bemühungen der Bundesregierung, die Energiesicherheit jenseits von Moskau zu gewährleisten und generell den negativen Auswirkungen der Konnektivität mit Russland zu begegnen, waren eine gänzlich neue Erfahrung für die deutsche Politik seit dem Ende des Ost-West-Konflikts. Dabei rückte die Absicherung von Lieferketten, Wirtschaftsbeziehungen, kritischen Infrastrukturen und Rohstoffzugängen in den Fokus. Unter dem Motto »Wir dürfen nicht noch mal den gleichen Fehler machen« gerieten sehr schnell die weitaus umfangreicheren Abhängigkeiten der deutschen Wirtschaft von China in den Blick.72
Die Chinapolitik der Ampelkoalition bewegt sich innerhalb eines wechselhaften Spektrums von zu viel oder gerade genug Sicherung.
Zwei Entscheidungen veranschaulichen beispielhaft das Spektrum in der Abhängigkeitsdebatte: zum einen der Kompromiss zur Beteiligung der China Ocean Shipping Company (Cosco) am Container Terminal Tollerort (CTT) der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) Ende Oktober 2022, zum anderen die Entscheidung über eine Fabrik des Chipherstellers Elmos nach einem Investitionsprüfungsverfahren. Die Bundesregierung verhinderte die Übernahme der Elmos-Fabrik durch einen chinesischen Investor im November 2022. Diese Beispiele belegen, wie unterschiedlich die Gefahr bewertet wird, die von chinesischen Akteuren für Deutschland ausgeht. In gewisser Weise zeigen sie auch, dass sich die Chinapolitik der Ampelkoalition innerhalb eines wechselhaften Spektrums von zu viel oder gerade genug Sicherung bewegt.
Die Vereinbarung zwischen der HHLA und Cosco von 2021 sah ursprünglich eine 35-prozentige Beteiligung am CTT vor. Damit hätte Cosco Entscheidungen, die Tollerort betreffen, blockieren können (Sperrminorität). Seit Sommer 2022 äußerten sich mehr Stimmen kritisch zu dem geplanten Vorhaben, gerade das BMWK meldete Bedenken bezüglich der Pläne der HHLA an. Ohne diese Interventionen wäre die Frist für das Einschreiten des Kanzleramts und eine Anpassung des Geschäfts möglicherweise einfach verstrichen. Letztlich kam im Bundeskabinett ein Kompromiss zustande: Cosco wurde am Ende zu 24,99 Prozent an Tollerort beteiligt und kann damit keinen strategischen Einfluss auf die HHLA-Tochter CTT nehmen. Für die einen geht diese Entscheidung nicht weit genug, da sie die Einflussnahme durch den chinesischen Staat auf kritische Infrastruktur in Deutschland ermöglicht, vor allem mit Blick auf den Datenverkehr am Terminal.73 Für die anderen hat dieses Geschäft nichts mit einem »Ausverkauf des Hamburger Hafens« zu tun.74 Die HHLA hebt hervor, dass kein strategisches Knowhow abfließe und die Zusammenarbeit zwischen HHLA und Cosco keine einseitigen Abhängigkeiten schaffe.
Die Diskussionen um die Cosco-Investition in den Hamburger Hafen verdeutlichen, dass die Abhängigkeit von China einerseits als Begründung gegen die Investition angeführt wurde, andrerseits als Argument für den Vertragsabschluss, da die potenzielle Gefahr nicht groß genug war, um das Geschäft komplett zu stoppen. Erkennbar wird, dass Abhängigkeiten situationsspezifisch interpretiert und dadurch auch die unterschiedlichen Sichtweisen in der Ampelkoalition aufgezeigt werden. Mit anderen Worten: Ab wann Abhängigkeiten ein Risiko darstellen – weshalb und für wen –, ist kaum pauschal benennbar. Vorstellbar wäre allenfalls der direkte Ausschluss chinesischer Investoren in bestimmten Sektoren, das heißt eine pauschale Versicherheitlichung ganzer Politikfelder und ein klares Bekenntnis zu einer umfassenden chinesischen Bedrohung. Solange Entscheidungen fallspezifisch bleiben, werden andere Kontextfaktoren immer eine Rolle spielen. Das hat der von der Bundesregierung untersagte Verkauf der Elmos-Fabrik gezeigt. Begründung in diesem Fall war, dass »der Erwerb die öffentliche Ordnung und Sicherheit Deutschlands gefährdet hätte«. Wirtschaftsminister Robert Habeck betonte ferner: »Gerade im Halbleiterbereich ist es uns wichtig, die technologische und wirtschaftliche Souveränität Deutschlands und auch Europas zu schützen.«75 Diese Sichtweise wird in dieser Form nicht von allen Expert:innen geteilt.76
Kontext und Zeitpunkt spielten sowohl im ersten als auch im zweiten Fall eine entscheidende Rolle: mit Blick auf den Hamburger Hafen Olaf Scholz’ politische Vergangenheit in Hamburg sowie seine geplante erste Reise als Bundeskanzler nach China; im Zusammenhang mit der Elmos-Fabrik vor allem die Entscheidung der US-Regierung Anfang Oktober 2022, Exportkontrollen für Halbleitertechnologie (und künstliche Intelligenz) gegenüber China einzuführen.77
Chinapolitische Positionen im Bundestag und in der Bundesregierung
Die oben genannten Entwicklungen spiegeln sich auch in der deutlichen Zunahme chinabezogener Debatten im Deutschen Bundestag seit der 19. Wahlperiode (2018–2021) wider.78 Dies unterstreicht, dass das politische Bewusstsein über die Veränderungen in China unter Xi und die Auswirkungen derselben auf Deutschland und Europa bereits vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine ausgeprägt war. Bei den Plenarsitzungen mit Chinabezug, bei denen die Tagesordnung die Wörter »China«, »chinesisch«, »Taiwan« oder »Hongkong« enthält, ist der Höhepunkt bereits im Jahr 2020 mit 17 relevanten Sitzungen zu erkennen (siehe Grafik 1, Seite 23). Seitdem ist die Anzahl konstant auf hohem Niveau geblieben: elf im Jahr 2021, jeweils zehn 2022 und 2023 und bereits sechs bis Mitte Mai 2024.79
Dieser Trend zeigt sich auch bei den Ausschusssitzungen (Tagesordnung enthält »China« oder »chinesisch«), vor allem in den Ausschüssen Auswärtiges sowie Humanitäre Hilfe und Menschenrechte (siehe Grafik 2, Seite 24). Für diese finden sich ebenfalls im Jahr 2020 die höchsten Werte, gefolgt von einem leichten Einbruch 2021. Seitdem hat sich die Anzahl der »China-Themen« auf hohem Niveau stabilisiert. Interessant ist darüber hinaus ein Blick auf die Entwicklung bei den Kleinen Anfragen, die als parlamentarisches Kontrollinstrument oft ein Indikator für die politische Brisanz von Themen sind und gleichzeitig das Spektrum von Sichtweisen auf einen Sachverhalt im Bundestag spiegeln. Hier liegt der Höhepunkt mit 19 chinarelevanten Anfragen im Jahr 2023, fällt also in die Regierungszeit der Ampelkoalition (siehe Grafik 3, Seite 25).
Inhaltlich scheint eine zentrale Lehre aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Ansicht zu sein, strategische Abhängigkeiten in den Beziehungen mit China reduzieren zu müssen. Ausdruck findet dies nicht nur in der im Juli 2023 veröffentlichten China-Strategie der Bundesregierung, sondern auch in vorab erschienenen chinapolitischen Positionspapieren der FDP-Fraktion (Februar 2023) und der CDU/CSU-Fraktion (April 2023). Die Debatte um die Ausrichtung der China-Strategie, vor allem aber der Leak einer frühen Version des Papiers im November 2022, hat die Diskussionen in den politischen Fraktionen im Bundestag merklich belebt. Neben der FDP- und der CDU/CSU- hat auch die SPD-Fraktion ihre Haltung zu China intensiv überdacht, allerdings zumeist im Kontext der globalen Zeitenwende. Deutlich wird dies beispielsweise im Grundlagenpapier der Kommission Internationale Politik (KIP) vom Januar 2023, in dem China nur ein Thema unter vielen ist. Jedoch wird die Notwendigkeit betont, eigene Stärken zu definieren, und dass »die Wirtschaft resilienter aufgestellt, einseitige Abhängigkeiten verringert und Partnerschaften diversifiziert werden müssen«.80
Die Fraktionspapiere von FDP81 und CDU/CSU82 sowie die China-Strategie83 der Bundesregierung ähneln sich in ihrem Argumentationsaufbau mitunter sehr. Ausgegangen wird meistens von den Veränderungen in China unter Xi Jinping. Sie seien der entscheidende Grund, weshalb sich auch die deutsche Chinapolitik verändern müsse. So richtig diese Feststellung ist, birgt der kausale Zusammenhang, der wie erwähnt gleichermaßen in der China-Strategie hergestellt wird, durchaus Gefahren. Erstens stellt sich die Frage, ob deutsche Politiker:innen gegenüber China generell nur reaktiv handeln und sich deutsche Politik erst dann ändert, wenn China sich ändert. Zweitens ist unklar, wie sich die deutsche Chinapolitik verändern muss, was sie bewirken will. Wie müsste China sich verändern? Geht es um eine Veränderung seines Verhaltens oder doch viel grundsätzlicher um einen Wandel des Regimes? Zwischen dem Verhalten politischer Akteure und der politischen Verfasstheit eines Staates besteht oftmals ein direkter Zusammenhang. Folglich bleibt ungeklärt, was hier konkret gemeint ist und inwiefern nicht doch der Wunsch nach einem Regimewandel in China die Verfasser:innen der China-Strategie zumindest implizit geprägt hat. Und dies trotz der langjährigen, aber gescheiterten Bemühungen, Chinas politische Entwicklung in Richtung einer westlich-liberalen Demokratisierung des Landes zu beeinflussen.
Verstärkt wird diese Argumentation durch die Lehren, die aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gezogen und ebenfalls in den diversen China-Papieren thematisiert werden. So betonen diese, dass der Systemwettbewerb zwischen Autokratien und Demokratien ernst zu nehmen sei, weshalb in den Beziehungen mit China auch die systemische Rivalität zunehmend in den Fokus rücke. Anders als die China-Strategie sind die Fraktionspapiere allerdings deutlich direkter in der Wortwahl, was die Bedrohung bzw. umfassende Herausforderung betrifft, die China für Deutschland und Europa darstellen soll. So ist für die CDU/CSU-Fraktion der »Aufstieg des kommunistischen Chinas die zentrale, epochale Herausforderung des 21. Jahrhunderts« (CDU/CSUStrat, S. 3). Weiter heißt es, China entwickele sich »zur größten Herausforderung seit dem Ende der Sowjet-Zeiten, auch ideologisch« (CDU/CSUStrat, S. 5). Das Bild von einem umfassenden Systemwettbewerb mit China ist daher der Ausgangspunkt für die Art und Weise, wie Deutschland zukünftig mit dem Land umgehen soll. Ähnlich bei der FDP: »Wir stehen in einem neuen Systemwettbewerb […] das, was uns gegenüber Putin mit unserer Energieabhängigkeit so verwundbar gemacht hat, die Unterschätzung der Herausforderung, darf sich nicht wiederholen« (FDPStrat, S. 1).
Interessant ist hierbei die Übertragung der Kausalität von Russland auf China. Auch der wiederkehrende Hinweis, dass China – im Gegensatz zu Russland – eine »umfassende« (CDU/CSUStrat, S. 27) Herausforderung darstelle und die Umstände »komplexer« seien (FDPStrat, S. 12), unterstreicht, dass die von China ausgehende Bedrohung als erheblich weitreichender verstanden wird. Ein überaus wichtiger Aspekt sowohl für die CDU/CSU als auch die FDP ist, dass China unter Xi systematisch die bestehende regelbasierte Ordnung mit ihren Werten, insbesondere Menschen- und Freiheitsrechte, untergrabe. Ferner werde – aufgrund der veränderten Politik unter Xi – die systemische Rivalität von China an Deutschland und Europa herangetragen. Während die CDU/CSU nach einer »chinapolitischen Zeitenwende« (CDU/CSUStrat, S. 12) verlangt, spricht die FDP gar von der Notwendigkeit, eine »Abschreckungspolitik (›Deterrence‹) gegenüber der Volksrepublik China« einzusetzen (FDPStrat, S. 4).
Die China-Strategie bleibt in ihren Formulierungen deutlich moderater, sie wurde wesentlich mehr im Geiste des europäischen Dreiklangs von 2019 verfasst. China bleibt für die Bundesregierung Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Eher verhalten wird erwähnt, dass »Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in unserer Beziehung in den vergangenen Jahren zugenommen haben« (ChinStrat, S. 11). Allerdings wird auch hervorgehoben, dass die Zusammenarbeit mit China zu fairen Bedingungen ein »grundlegendes Element der China-Strategie« ist.84 China repräsentiert hier mehr eine Herausforderung als eine (existenzielle) Bedrohung.
Zentrales Thema in allen Papieren ist die Erkenntnis, die Abhängigkeiten von China reduzieren zu müssen. Dies ist ein Teilziel oder auch Instrument (objective), aber keine Zielvorstellung (goal) für die deutsch-chinesischen Beziehungen. Mit anderen Worten: Wohin diese Erkenntnis führen wird und welche Vorstellung für die deutsch-chinesischen Beziehungen längerfristig damit verbunden ist, bleibt unklar. Die grobe Fahrtrichtung, wie genau die Abhängigkeit reduziert werden soll, wurde in allen Papieren ähnlich formuliert.85 Auffällig ist die Betonung des Gedankens, die eigene (nationale wie europäische) Stärke abzusichern und auszubauen. Die Antworten fokussieren daher hauptsächlich auf die Innenpolitik; übergeordnete Ziele für den zukünftigen Umgang mit China werden selten benannt.86 Wie im Papier der Unionsparteien auf den Punkt gebracht: »Souveränität beginnt mit der eigenen Stärke zuhause – es darf deswegen keine China-Strategie ohne Deutschland-Strategie geben« (CDU/CSUStrat, S. 6).87 Offensichtlich ist zudem, dass der Aufbau von Souveränität in entscheidenden wirtschaftlichen und technologischen Bereichen, die Diversifizierung von Lieferketten und die Verbesserung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen als Teil der Aufrechterhaltung nationaler Sicherheit verstanden werden. Folglich verstärkt die Forderung nach Veränderung im Umgang mit China die Versicherheitlichung verschiedenster Politikbereiche – zumindest in den Positionspapieren von FDP und CDU/CSU.
In der China-Strategie stehen ebenfalls die Binnenausrichtung und die Absicherung der nationalen Interessen und Werte im Vordergrund.88 So soll sie »Wege und Instrumente aufzeigen, wie die Bundesregierung mit China zusammenarbeiten kann, ohne Deutschlands freiheitlich-demokratische Lebensweise, unsere Souveränität, unseren Wohlstand sowie unsere Sicherheit und Partnerschaften mit anderen zu gefährden« (ChinStrat, S. 9, Ziel 3). Die Strategie beabsichtigt überdies, eine Bestandsaufnahme der Beziehungen zu liefern (ChinStrat, S. 9, Ziel 1). Darüber hinaus soll sie das Bewusstsein in allen Ressorts für die Komplexität der Herausforderung China stärken und den Rahmen für eine kohärente Chinapolitik setzen (ChinStrat, S. 9, Ziel 2 und 4).
Deutlich wird, dass die China-Strategie in erster Linie eine »Deutschland-Strategie« mit einer klaren Ausrichtung auf die Absicherung und den Selbsterhalt Deutschlands ist.89 Dabei sind die aufgeführten Ziele der Strategie aber eigentlich objectives und nicht aims.90 Dieser Unterschied zeigt eine Problematik der Strategie auf: Ein längerfristiges oder übergeordnetes Ziel für die Beziehungen mit China wird nicht genannt, dafür aber eine ganze Reihe von Teilzielen, die in erster Linie den Selbsterhalt unterstützen. Das ist ein verhältnismäßig reaktiver Ansatz, besonders im Vergleich zu der eher proaktiven Versicherheitlichungstendenz in den Positionspapieren der FDP- bzw. der CDU/CSU-Fraktion. Insgesamt ist die China-Strategie also vorsichtiger formuliert. Es ist erkennbar ein Kompromisspapier aller Ministerien sowie des Bundeskanzleramts und repräsentiert zugleich den kleinsten gemeinsamen Nenner der Chinapolitik der Ampelkoalition.
Zentraler Bestandteil der Absicherungspolitik ist die Minimierung vor allem von wirtschaftlichen Risiken im Umgang mit China (de-risking). Laut China-Strategie bedeutet dies »die Verringerung von Abhängigkeiten in kritischen Bereichen, die Betrachtung wirtschaftlicher Entscheidungen auch unter geopolitischen Aspekten und die Steigerung der Resilienz« (ChinStrat, S. 34). In der Retrospektive kristallisiert sich dieser Ansatz immer mehr als ein weiteres wichtiges Teilziel der China-Strategie heraus – wenn es auch nicht als solches formuliert wurde.
Dabei ist De-Risking eine von der EU-Kommission übernommene Idee. Im vierten Kapitel der deutschen China-Strategie werden der Rahmen bzw. die Politikfelder genannt, in denen De-Risking umgesetzt werden soll. Die Einbettung in die EU-Politik zeigt sich hier am deutlichsten, sie reicht aber inhaltlich – zumindest in der China-Strategie – nicht sehr weit. So geht es beispielsweise um Modernisierung der Industriepolitik (in Deutschland und der EU), um Integration der grünen Transformation in Wirtschaftsabläufe, um Stärkung von Forschung und Innovation (ChinStrat, Kapitel 4.1.), um Diversifizierung von Lieferketten, besonders bei kritischen Rohstoffen (ChinStrat, Kapitel 4.2.), und sehr allgemein um technologische Souveränität, zum Beispiel durch die Förderung des europäischen Chip-Gesetzes (das am 21. September 2023 als EU-Verordnung in Kraft trat). Ebenfalls sehr offene Formulierungen finden sich zu den Unsicherheiten des chinesischen Marktes für deutsche und europäische Unternehmen, zur Umsetzung defensiver Handelsinstrumente auf EU-Ebene (Schutz des EU-Binnenmarktes), zur Überarbeitung des Investitionsprüfungsrechts sowie zur Ausdehnung der Exportkontrollregime. Abschließend hebt die Bundesregierung den verstärkten Schutz kritischer Infrastrukturen gegen hybride Bedrohungen und solche aus dem Cyberraum hervor.91
De-Risking und die wirtschaftliche Sicherheit Europas und Deutschlands
Der Ansatz des De-Risking markierte den zentralen Inhalt der Grundsatzrede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu China Ende März 2023.92 Dabei steht De-Risking für eine europäische Antwort auf die noch unter der ersten Trump-Regierung geführten Diskussionen zur Entkopplung (de‑coupling) von China.93 Rhetorisch entschärft die Akzentuierung der Minimierung von Risiken (de‑risking) die sprachliche Radikalität der Trennung, die Entkopplung dagegen impliziert. De-Risking bringt sozusagen die Komplexität in den Beziehungen mit China zum Ausdruck und vermittelt keine Schwarz-Weiß-Malerei, wie sie Donald Trumps Politik des De-Coupling durchaus suggerierte.94 Ferner beschreibt De-Risking eine Veränderung in der Ausrichtung europäischer Chinapolitik. Es führt weg von der eher statischen und ambivalenten Sicht auf China als Partner, Wettbewerber und Systemrivale und hin zu einem operativen Ansatz, wie die Beziehungen mit China in einem für die EU höchst relevanten Bereich gemanagt werden können und wie den Veränderungen in dem Land begegnet werden kann. Dieser Ansatz wurde mit der Verabschiedung der Strategie für wirtschaftliche Sicherheit in der EU im Juni 2023 und den konkreten Vorschlägen der EU-Kommission vom Januar 2024 weiter ausgearbeitet.
In ihrer Grundsatzrede unterschied von der Leyen zunächst zwischen Risikominderung durch Diplomatie (de-risking through diplomacy) und Minderung wirtschaftlicher Risiken (economic de-risking). Der erste Weg betont das weiterhin bestehende Interesse der EU an einem Austausch und auch einer Zusammenarbeit mit China, beispielsweise in Fragen des Klimawandels. Gleichzeitig macht von der Leyen deutlich, dass die EU ihre Positionen gegenüber der chinesischen Regierung offen und klar vertreten und dabei Meinungsverschiedenheiten nicht verstecken, sondern diese selbstbewusst ansprechen werde.
Wirtschaftliches De-Risking, der zweite Weg, basiert auf vier Säulen: Die erste ist die Stärkung der EU-Wirtschaft und ‑Industrie, dafür steht etwa das Europäische Gesetz zu kritischen Rohstoffen, das eine größere Unabhängigkeit der EU hinsichtlich Rohstoffen sicherstellen soll. Zweitens geht es um eine bessere Nutzung bereits vorhandener Handelsinstrumente, zum Beispiel der Investitions- oder Exportkontrollen. Drittens erfordert Chinas Politik laut von der Leyen eine Weiterentwicklung defensiver Instrumente in kritischen Bereichen wie Quanten-Computing, Robotik oder künstlicher Intelligenz. Überall hier werden ausländische Investitionen als Sicherheitsrisiko bewertet, weshalb die EU die Strategie für wirtschaftliche Sicherheit erarbeitet hat. Die vierte Säule des De‑Risking ist die Abstimmung mit Partnern beim Thema wirtschaftliche Sicherheit. Dies kann durch die Verabschiedung weiterer Handelsabkommen im Rahmen der G7 oder der G20 geschehen, aber auch durch Umsetzung der Global-Gateway-Strategie, mit der die EU Infrastrukturprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützt.
Demnach rückt wirtschaftliche Sicherheit ins Zentrum von De-Risking in der EU. Die Veröffentlichung der gleichnamigen Strategie im Juni 2023 sowie die fünf konkreten Vorschläge zur Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit in der EU vom Januar 2024 unterstreichen diese Zielsetzung. Zusammengefasst geht es in der Strategie um die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der EU (promoting), den Ausbau der wirtschaftlichen Sicherheit (protecting) sowie die Identifizierung vertrauensvoller Partner, um die Einhaltung internationaler Regeln, den Schutz multilateraler Institutionen und eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten (partnering).95
Die deutsche China-Strategie orientiert sich beim Wording stark an der EU-Strategie für wirtschaftliche Sicherheit.
Sosehr chinesische Aktivitäten und die Veränderung der chinesischen Politik unter Xi Jinping der Anlass gewesen sein mögen, die Politik in diesem Bereich zu forcieren, bleibt die EU-Kommission sich insofern treu, als dass Inhalt und Maßnahmen in der Strategie für wirtschaftliche Sicherheit länderunabhängig formuliert sind. Und dennoch liest sich diese Strategie wie eine Weiterführung der Grundsatzrede von der Leyens zu den europäisch-chinesischen Beziehungen. Deutlich wird dies auch in den erwähnten fünf Vorschlägen: Auf dem Plan stehen die Verbesserung der Überprüfung ausländischer Investitionen in die EU; das Vorantreiben der europäischen Koordinierung bezüglich Exportkontrollen; Konsultationen zwischen EU-Mitgliedstaaten wegen möglicher Risiken, die aufgrund von Investitionen in Drittstaaten entstehen können; die Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich von Technologien, die sowohl zivile als auch militärische Zwecke erfüllen; schließlich das Ausarbeiten von Empfehlungen zur Verbesserung der Forschungssicherheit.96
Die Veröffentlichung der EU-Strategie einen Monat vor Erscheinen der deutschen China-Strategie (Juli 2023) hat das Wording von Letzterer sichtlich beeinflusst. Die Eigensicherung und der Selbsterhalt Deutschlands (und auch Europas) stehen im Vordergrund. Der Fokus liegt auf Reaktion, Anpassung und Sicherung. So orientiert sich die deutsche China-Strategie im Kern stark – zumindest bei der Wortwahl – an der diplomatischen Sprache der EU.
Handlungsprinzipien deutscher Chinapolitik
Die deutsche Chinapolitik in der Zeitenwende ist von bestimmten Handlungsprinzipien gekennzeichnet, nämlich Eigensicherung und politischer Indifferenz. Zu diesem Ergebnis kommt die vorliegende Analyse. Aus methodischer Sicht ordnen bzw. typisieren solche Handlungsprinzipien die untersuchten empirischen Sachverhalte. Folglich stehen Eigensicherung und politische Indifferenz für Prinzipien, die das chinapolitische Verhalten Deutschlands strukturieren, aber nicht exakt die Wirklichkeit in all ihren Facetten abbilden. Angelehnt an den von Max Weber beschriebenen Idealtypus lassen sich Handlungsprinzipien sowohl abstrakt als auch idealisierend betrachten, sie sorgen für Überblick in einer chaotisch-komplexen Welt,97 geben in dieser Untersuchung also Orientierung hinsichtlich der Ausrichtung deutscher Chinapolitik. Dabei ist Eigensicherung stärker nach innen gerichtet (»Absicherung des politischen Systems«), politische Indifferenz stärker nach außen (»Umgang mit China«). Beide Prinzipien verbindet ein reaktives Moment.
Das Ergebnis, dass Eigensicherung und politische Indifferenz die Leitideen der gegenwärtigen deutschen Chinapolitik sind, ergibt sich aus Analysen der chinarelevanten Debatten des Deutschen Bundestages sowie aus Textanalysen chinapolitisch relevanter Dokumente der Bundestagsfraktionen. Ein besonderer Fokus liegt auf der 2023 veröffentlichten China-Strategie der Bundesregierung.
Eigensicherung und Versicherheitlichung
Versicherheitlichung ist ein etabliertes politikwissenschaftliches Konzept, das bereits 1998 von Barry Buzan, Ole Wæver und Jaap de Wilde präsentiert wurde, alle drei Vertreter der sogenannten Kopenhagener Schule.98 Ähnlich wie der von dem US-amerikanischen Politikwissenschaftler Joseph Nye eingeführte Begriff soft power oder neorealistische Ideen über Polarität, beispielsweise Uni-, Bi- oder Multipolarität, wird auch das Konzept Versicherheitlichung heute immer wieder in politischen Debatten verwendet – allerdings wird dabei oftmals die Komplexität des jeweiligen theoretischen Hintergrundes reduziert.
So bezeichnet Versicherheitlichung in der Politik etwa den Prozess, wenn ein Sachverhalt (zum Beispiel Flüchtlingspolitik) aufgrund eines Ereignisses (zum Beispiel ein islamistischer Terroranschlag) von einem politischen Akteur zu einem Sicherheitsproblem (»Alle islamischen Flüchtlinge sind Islamisten«) gemacht wird.99 Das führt häufig zu der Befürchtung, dass ohne radikale Anpassung oder Veränderung von Politik das Sicherheitsproblem nicht behoben werden kann. So kann sich Versicherheitlichung auf weitere Politikfelder (Bildungspolitik, Sozialpolitik etc.) ausbreiten. Dieser Logik folgend, kann allein durch die Verknüpfung eines bestimmten Sachverhalts mit einem bestimmten Ereignis alles zu einem Sicherheitsproblem werden. Und mit Bezug auf ebendiesen Sachverhalt lassen sich dann spezifische Politiken als alternativlos darstellen.
Die theoriegeleitete Debatte zur Versicherheitlichung fokussiert stärker darauf, wie Sicherheit entsteht und welche Maßnahmen den Prozess der Versicherheitlichung auf welche Weise legitimieren können. Zentral war dabei anfangs die Idee, dass schon die Artikulation eines Sachverhalts Handeln verändert bzw. eine Handlung repräsentiert – ganz im Sinne der Sprechakttheorie von John L. Austin. Laut Buzan, Wæver und de Wilde bedeutet dies: »When a securitizing actor uses a rhetoric of existential threat and thereby takes an issue out of what under those conditions is ›normal politics‹, we have a case of securitization.«100 Einer Versicherheitlichung geht daher die Benennung einer existenziellen Bedrohung (zum Beispiel China als epochale Herausforderung) voraus, der mit normalen Mitteln nicht mehr begegnet werden kann. Deshalb rechtfertigt eine solche Situation für den Selbsterhalt bzw. die Eigensicherung außergewöhnliche Mittel – dies impliziert auch die radikale Veränderung von Politik (eine »chinapolitische Zeitenwende«, wie von der CDU/CSU gefordert, oder auch die »Notwendigkeit einer Abschreckungspolitik gegenüber China«, wie es im FDP-Positionspapier heißt).
In der weiterführenden akademischen Debatte über Versicherheitlichung ist von Bedeutung, dass die Artikulation von Sicherheitsproblemen nicht isoliert vom Kontext (zum Beispiel zunehmende Fragilität der internationalen liberalen Ordnung) gesehen werden darf und dass zudem der Kontext durch die Zuschreibung einer existenziellen Bedrohung verändert wird.101 Mit anderen Worten: Wenn deutsche Politiker:innen China unter Xi als die zentrale Herausforderung für Deutschland und die EU bezeichnen würden, dann hätte dies im Sinne der Theorie nicht nur Auswirkungen auf den Umgang mit China, sondern es würde ultimativ den Kontext der Beziehungen, den Charakter der Weltordnung, verändern (zum Beispiel im Sinne eines stärkeren Denkens in politischen Blöcken wie Demokratien versus Autokratien oder einer zunehmenden Fragilität etablierter internationaler Institutionen).
Eigensicherung ist dagegen kein bereits etabliertes Konzept in der Politikwissenschaft und ist dennoch – gerade in der Abgrenzung von Versicherheitlichung – als Begriff treffender, wenn man die deutsche Chinapolitik charakterisieren will. Analytisch müssen Eigensicherung und Versicherheitlichung voneinander getrennt betrachtet werden, obwohl es sich im Grunde um ein Spektrum handelt, auf dem Politik verortet werden kann. Auch Entscheidungen in der deutschen Chinapolitik weisen mal mehr in die eine Richtung, mal mehr in die andere. Anders formuliert: Eigensicherung ist eine Form von Versicherheitlichung, aber in einem wesentlich kleineren Rahmen.
Der Fokus einer Politik der Eigensicherung liegt auf dem Erhalt und der Absicherung des eigenen Systems.
Beispielsweise wird China im Rahmen der Eigensicherung nicht als allumfassende Bedrohung für Deutschland verstanden. Wäre es so, würde dies einen Prozess umfangreicher Versicherheitlichung klar beschleunigen. China würde dann, ähnlich wie im US-amerikanischen Kongress, alle Debatten dominieren und viele politische Entscheidungen legitimieren. In einer Politik der Eigensicherung bleibt die Bedeutung des Sachverhalts hingegen immer etwas vage – so wie in der deutschen Chinapolitik die Entwicklungen in China unter Xi als Grund für eine notwendige politische Veränderung angeführt wurden (»Weil China sich verändert hat, müssen wir unseren Umgang mit China ändern«). Oder wie die Beschreibung, was China für deutsche Politik ist, weiterhin ambivalent bleibt (»Partner, Wettbewerber, Rivale«). Der Fokus einer Politik der Eigensicherung liegt daher im weiteren Sinne nicht auf der Veränderung des anderen, der Eindämmung oder Bekämpfung einer Bedrohung mit allen Mitteln, sondern in erster Linie auf dem Erhalt und der Absicherung des eigenen Systems, das heißt des Selbst. Absicherungspolitik ist deshalb eher defensiv und protektionistisch ausgerichtet. Sie ist im Kontrast zu einer umfangreichen Versicherheitlichung eine reaktive – nicht aktive – Anpassungspolitik.102
Eigensicherung als eine schwache Form von Versicherheitlichung ist immer auch mit Risiken verbunden, besonders als Handlungsprinzip deutscher Chinapolitik. Es besteht die Gefahr, dass Entscheidungsträger:innen dazu neigen, eher negative Ziele zu formulieren. Damit geht es verstärkt um Verhinderung, Schutz oder Absicherung. Zudem sind negative Ziele meist sehr konkret benannt. Bei zunehmender Versicherheitlichung kann dies dazu führen, dass jedes weitere Negativziel durch einen spezifischen Sachverhalt, beispielsweise mit Veränderungen in China, legitimiert wird – im Sinne von: »China verändert sich (weiter), deshalb müssen wir unsere Politik (weiter) verändern.«103
Im Ergebnis kann das bedeuten, dass die eigentliche Problematik – China unter Xi – in den Hintergrund rückt, da die Durchsetzung des politischen Negativziels wichtiger erscheint. So wird der Sachverhalt zu einem Narrativ, das genutzt wird, um Argumente oder Vorteile in innenpolitischen Debatten zu generieren. Es geht dann eher um parteipolitische Detailfragen (zum Beispiel »Schuldenfalle«), weniger um China. Der Fokus richtet sich demnach vermehrt auf innenpolitische Themen, nicht mehr ausschließlich auf die Beziehungen mit China. Daraus können mitunter Fehleinschätzungen folgen, was die Notwendigkeit betrifft, Chinawissen und Chinakompetenz strukturell auf- und auszubauen, das heißt in den relevanten politischen Institutionen und in der Verwaltung.
Beispiel: Industriepolitik in der Zeitenwende
Das im Oktober 2023 veröffentlichte Strategiepapier des BMWK zur Industriepolitik104 ist ein Beispiel dafür, wie man sich des Sachverhalts »China und Zeitenwende« bedient, um spezifische Positionen und Veränderungen bei der Ausrichtung deutscher Industriepolitik zu begründen. Es macht deutlich, wie der Mythos der globalen Zeitenwende, und hierbei vor allem der Fokus auf China, von Entscheidungsträger:innen genutzt werden kann bzw. genutzt wird, um bestimmte Interessen oder Ziele durchzusetzen, in diesem Fall wirtschaftspolitische. So ist die geopolitische Zeitenwende – besonders mit Blick auf China – die erste von drei zentralen Herausforderungen, die im Zusammenhang mit dem Industriestandort Deutschland in dem Strategiepapier erwähnt werden.
An dieser Stelle geht es nicht um die Richtigkeit der Aussagen, sondern um den Hinweis darauf, dass der Übergang zwischen einer Politik der Eigensicherung und einer fortschreitenden Versicherheitlichung politischer Prozesse fließend ist. Zudem zeigt sich der Nutzen, den ein strategisches Narrativ (»globale Zeitenwende« und »China«) im (innen-)politischen Diskurs entfalten kann, indem es beispielsweise bestimmte Folgen als alternativlos darstellt.
So fällt auf, dass in dem BMWK-Papier Chinas Anspruch auf Technologieführerschaft anhand der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits acht Jahre alten Made-in-China-2025-Strategie festgemacht wird. Erst jetzt, da »geopolitische und geoökonomische Aspekte mit voller Wucht in die Wirtschaftspolitik« zurückkehren, werden die Auswirkungen der chinesischen Industriepolitik als gewaltige Herausforderung – wenn nicht Bedrohung – für den Standort Deutschland erkannt. Folglich heißt es: »Im Ergebnis zielt Made in China 2025 auf die Substitution ausländischer Anbieter auf dem chinesischen Markt ab.« Gleichzeitig wird betont, dass China unter Xi – ähnlich wie Russland – darauf hinarbeite, »wirtschaftliche und technologische Abhängigkeiten zu schaffen, um diese dann zur Durchsetzung politischer Ziele und Interessen zu nutzen« (S. 12). In dem Strategiepapier wird daraus der Schluss gezogen, dass »einseitige Abhängigkeiten bei Vorprodukten, Zukunftstechnologien oder von einzelnen Märkten« (S. 13) vermieden werden sollten. Die Gefahren durch Unterbrechungen von Lieferketten und die Abhängigkeit von mineralischen Rohstoffen werden dabei vor dem Hintergrund der Stärke Chinas hervorgehoben.
Ziel ist es, die Risiken, die gerade für Deutschland als Exportnation daraus erwachsen, sowie die zunehmende Verknüpfung von wirtschaftlicher Verflechtung und Geopolitik zu erkennen.105 Dies ist der globale Rahmen, in dem die Industriestrategie platziert wird und über den hinaus weitere Herausforderungen benannt und sehr viel ausführlichere Vorschläge für die Absicherung des deutschen (wie europäischen) Marktes gemacht werden. Dieser Bogen ist bewusst weit gespannt und unterstreicht nochmals, wie der Sachverhalt China in anderen Kontexten und für andere Ziele strategisch eingesetzt werden kann, um seine Bedeutung für die deutsche Politik und besonders eine Änderung der aktuellen Politik mit zu begründen.
Politische Indifferenz als Handlungsprinzip deutscher Chinapolitik
Die Analyse der verschiedenen China-Texte, vor allem aber der China-Strategie der Bundesregierung, zeigt ein weiteres Handlungsprinzip deutscher Chinapolitik auf: die politische Entscheidungsschwäche oder auch politische Indifferenz. Dabei handelt es sich um ein in vielerlei Hinsicht unerforschtes Konzept innerhalb der Politikwissenschaft. Es charakterisiert politische Akteure, die sich in bestimmten politischen Fragen bewusst dafür entscheiden, sich nicht zu entscheiden. Mit anderen Worten: Sie sind für Wahlmöglichkeiten, für Ambivalenz und gegen eine Festlegung auf nur eine Alternative.
Diese indifferente Politik ist deutlich abzugrenzen von assoziativer oder dissoziativer Politik.106 Die erste Variante bezieht sich vor allem auf eine Politik der Kooperation. Ausgangspunkt ist die Vorstellung von Hannah Arendt, dass politische Handlungen nur in der Pluralität der Öffentlichkeit stattfinden können.107 Assoziative Politik basiert folglich auf Wechselbeziehungen und Kommunikation. Sie kann unterschiedlichen Zwecken dienen, aber im Mittelpunkt steht die freundschaftliche Interaktion als Grundvoraussetzung der politischen Assoziation.108 Dissoziativer Politik liegt ein gewisser Antagonismus zugrunde, das heißt, eine politische Gemeinschaft richtet sich beispielsweise gegen einen äußeren Gegner oder im Sinne von Carl Schmitt gegen einen öffentlichen Feind.109 Die Zuschreibung Partner (Freunde) bzw. Gegner (Feinde) kennzeichnet diese Politikstrategie, was eine konfliktive Sicht auf Politik mit sich bringt. Vereinfacht gesagt begründen die assoziative und die dissoziative Sichtweise eine Vorstellung von Politik, die sich entweder um Kooperation oder um Sicherheit gruppiert.
Indifferente Politik positioniert sich bewusst außerhalb dieser Logik; stattdessen geht es darum, Optionen offenzulassen. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Prozess der Nicht-Entscheidungsfindung (non-decision making), der vielmehr ein Ausdruck von Macht ist und bei dem ein Akteur zum Beispiel alles daransetzt, Punkte von der Agenda zu nehmen.110 Indifferente Politik bedeutet, dass Akteure bewusst eine Entscheidung gegen die Entscheidung treffen. Sie verharren im Dazwischen. Politische Akteure werden aber erst im Moment der Entscheidung sichtbar und können verantwortlich gemacht werden, was auf ein weiteres Merkmal indifferenter Politik hinweist. Denn entscheiden sich politische Akteure gegen die Entscheidung und für die Ambivalenz, erschwert dies die eindeutige Zuordnung der Zuständigkeit; folglich bleibt auch die Verantwortlichkeit der politischen Akteure unklar. So steht indifferente Politik für das Abwarten und ist damit – wie die Eigensicherung – reaktiv.
Im Rahmen der deutschen Chinapolitik zeigt sich dies an verschiedenen Stellen, am prominentesten aber dadurch, dass weiterhin ungeklärt ist, wie die Zielvorstellungen für die deutsch-chinesischen Beziehungen genau aussehen. Die Ambivalenz ist der deutschen Chinapolitik mit dem stetigen Verweis auf das EU-Strategiepapier von 2019 inhärent. China bleibt Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale, wobei »Verhalten und Entscheidungen Chinas dazu [führen], dass die Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in unseren Beziehungen in den vergangenen Jahren zugenommen haben« (ChinStrat, S. 11). Es gibt also eine minimale Verschiebung. So wichtig dieser Dreiklang 2019 war, wirkt er fünf Jahre später in der China-Strategie immer noch in erster Linie wie eine subjektive Bewertung und vor allem wie eine statische Zuschreibung, bei der nach wie vor nicht klar ist, welche Maßstäbe für die einzelnen Rollen gelten und woher sie kommen. Der Eindruck besteht fort, dass die Zuschreibung »Partner, Wettbewerber und Rivale« hauptsächlich dabei hilft, deutsche Politik mit Chinabezug zu ordnen, wobei das Ziel deutscher Chinapolitik – oder was mit dieser Ambivalenz bezweckt werden soll – weiterhin unklar ist.
Auch wenn dieser Dreiklang und seine Aufarbeitung in der gegenwärtigen China-Strategie der Bundesregierung sicherlich zu mehr Sensibilität und Bewusstsein hinsichtlich chinarelevanter Fragen führt (was auch eine zentrale Absicht der China-Strategie war), bleibt fraglich, ob sich daraus eine operationale Ambiguitätskompetenz entwickeln kann. Anders ausgedrückt: Ambivalenz allein ist noch keine Strategie und impliziert nicht automatisch strategisches Handeln. Der deutschen China-Strategie – und in der Konsequenz ebenso der deutschen Chinapolitik – fehlt es demnach an einer Entscheidung für ein längerfristiges Ziel in den Beziehungen zu China. Der Dreiklang ist deshalb nicht überflüssig, aber in der aktuellen Form nicht mehr zeitgemäß. Die Aufgabe besteht nun darin, ihn zu schärfen, vor allem durch eine Zieldebatte, die mitunter nicht in eine öffentliche Strategie münden muss.
Eine Gefahr politischer Indifferenz besteht darin, dass unterschiedliche Akteure am Ende lediglich ihre eigenen Interessen verfolgen.
Das Handlungsprinzip der politischen Indifferenz unterstreicht aber nicht nur die Ambivalenz deutscher Chinapolitik, sondern verweist auch darauf, dass diese Ambivalenz ganz bewusst gewählt ist. Dies birgt auch Gefahren, beispielsweise mit Blick auf die Politik des De-Risking, das sehr stark auf das Management der Wirtschaftsbeziehungen mit China ausgerichtet ist. Der De-Risking-Ansatz bezieht sich sowohl auf das Teilziel, Risiken vor allem in den Wirtschaftsbeziehungen mit China zu verringern, als auch darauf, die Instrumente und Prioritäten zu entwickeln, die dafür relevant sind. Im europäischen Kontext rückt daher der Dreiklang immer mehr in den Hintergrund, De-Risking und Wirtschaftssicherheit in den Vordergrund.
Dieser Trend ist teilweise auch in der deutschen Chinapolitik zu beobachten. Hier besteht gleichsam die Gefahr, dass ohne ein übergeordnetes oder langfristiges Ziel für die Beziehungen mit China De‑Risking seinerseits an Klarheit verliert. Die beteiligten Akteure entwickeln nämlich ganz unterschiedliche Vorstellungen von einer Risikominimierungsstrategie, die durchaus gegensätzlich sein können. Ambivalenz bzw. politische Indifferenz kann somit den Effekt haben, dass unterschiedliche Akteure am Ende lediglich ihre eigenen Interessen verfolgen.
Eine weitere Gefahr ist, dass die Sicht auf China als Partner, Wettbewerber und Rivale notwendige strukturelle Veränderungen in Bundesregierung und Verwaltung eher verhindert als fördert. Bisweilen kann sich der Eindruck festsetzen, dass mit diesem Dreiklang und der China-Strategie alles über das Land gesagt ist und beispielsweise der strategische Aus- und Aufbau von Chinawissen, namentlich in Bundesregierung und Verwaltung, nicht nötig sei.111
Als weitere Auswirkung der politischen Indifferenz ist die Europäisierung der deutschen Chinapolitik zu erkennen. Damit ist nicht die Einbettung der deutschen in die EU-Chinapolitik gemeint, sondern der Stil der deutschen Chinapolitik. Denn ähnlich wie innerhalb der EU werden Verantwortlichkeit und Zuständigkeit auf immer mehr Akteure verteilt – in der EU manchmal notwendigerweise, da Nationalstaaten in vielen Bereichen nach wie vor europäische Entscheidungen in ihrem Land absegnen müssen. Mit EU-Prozessen geht also zwangsläufig eine Diffusion von Verantwortung einher.
Mit der Ampelkoalition und der Verabschiedung der China-Strategie wurden Verantwortlichkeit und Zuständigkeit in der deutschen Chinapolitik deutlich unklarer. So gibt es auf allen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft viele Akteure, die für den Umgang mit China verantwortlich gemacht werden (können). Gleichzeitig wird, weil keine zusätzlichen finanziellen Ressourcen für die Umsetzung der deutschen Chinapolitik bereitgestellt werden, das Thema China stärker in vorhandene oder geplante Strategien bzw. Gesetzgebung integriert. Beispiele dafür sind die Rohstoffpolitik des BMWK in Anknüpfung an das Europäische Gesetz zu kritischen Rohstoffen, das im März 2023 angenommen wurde,112 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das federführend vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) umgesetzt wird,113 sowie das Positionspapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Forschungssicherheit im Lichte der Zeitenwende.114 Folglich werden gerade in der Chinapolitik viele Akteure und Institutionen in Deutschland – von Unternehmen über Landesregierungen und Bürgermeister:innen bis hin zu Hochschulen, Forschungsinstituten sowie einzelnen Forscher:innen – dazu angehalten, ihre Verbindungen zu chinesischen Akteuren und Institutionen zu prüfen.
Auf der einen Seite wird so deutlich, dass Chinapolitik eine umfassende Aufgabe ist und nicht einfach top-down entschieden werden kann. Allen müssen die Risiken im Umgang mit China bewusst werden. Dies ist sicherlich ein wichtiges Teilziel, das die gegenwärtige Bundesregierung anstrebt. Auf der anderen Seite birgt dieses Vorgehen Gefahren, denn so entstehen viele verschiedene Zuständigkeiten im Umgang mit chinesischen Akteuren. Gerade in einem föderalen Staat können die Bewertungen der Beziehungen mit China zum Teil ganz unterschiedlich ausfallen und beispielsweise Interessenkonflikte verstärken. Problematisch ist auch, dass durch die Diffusion von Verantwortlichkeit und Zuständigkeit Unklarheiten entstehen, wer in Deutschland jetzt eigentlich über die Chinapolitik entscheidet. Dass die China-Strategie letztlich kein klares längerfristiges Ziel für die Zukunft der deutsch-chinesischen Beziehungen vorgibt, erschwert es anderen Akteuren, etwa auf kommunaler Ebene, das Dilemma aufzulösen, einerseits Risiken im Umgang mit China zu minimieren und andrerseits die Kooperation mit dem Land aufrechtzuerhalten.
Beispiel: Auswirkungen politischer Indifferenz auf deutsch-chinesische Kommunalbeziehungen
Die Ergebnisse einer Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) mit dem Titel »Kommunen: Kernstück deutscher China-Politik. Entwicklungen und Zukunftsperspektiven«, an der die Autorin mitgewirkt hat, unterstreichen nochmals die Auswirkungen politischer Indifferenz, besonders in einem föderalen Staat.115 Viele Entscheidungen in den Beziehungen mit China werden vor allem von Akteuren auf kommunaler Ebene getroffen. Kommunale Akteure verfolgen jedoch oft andere Interessen und Ziele und sind gleichzeitig anderen administrativen Zwängen ausgesetzt als Akteure auf Bundesebene. Insgesamt fällt auf, dass trotz der Veränderungen in China unter Xi Jinping und trotz der zunehmenden Sensibilisierung bezüglich der Risiken im Umgang mit China lokale Akteure noch eher Chancen sehen, beispielsweise in den Wirtschafts- oder Bildungskooperationen mit China. Häufig sind dabei spezifische lokale Faktoren ausschlaggebend, wie etwa die Absicherung von Arbeitsplätzen durch chinesische Greenfield-Investitionen, günstige Optionen durch chinesische Bieter bei öffentlichen Ausschreibungen im Bereich Informations- oder Verkehrsinfrastruktur (Stichwort: Kostendruck), aber auch das oftmals langjährige ehrenamtliche Engagement von Einzelpersonen und die damit einhergehenden persönlichen Verbindungen, mitunter gerade im Bildungssektor.
Viele dieser Vorgänge in den deutsch-chinesischen Kommunalbeziehungen bestehen seit Jahrzehnten und entwickeln sich stetig weiter. Aber erst in den letzten Jahren und vor allem durch die Debatte über die China-Strategie der Bundesregierung rücken solche lokalen Verbindungen vermehrt in den Vordergrund. Kommunalbeziehungen sind zunehmend Teil von Geopolitik, denn auch in ihnen spiegelt sich die deutsche Sichtweise auf China wider.116 Dies begründet auch die wachsende politische wie mediale Aufmerksamkeit, die für viele kommunale Akteure eine bisher ungekannte Herausforderung darstellt. Diese Entwicklungen haben zwar in den Kommunen das Bewusstsein für das Thema China erhöht, doch gleichzeitig für Verunsicherung gesorgt – darüber, wie der »richtige« Umgang mit China aussieht. Vor diesem Hintergrund waren auf kommunaler Ebene die Erwartungen an die China-Strategie der Bundesregierung hoch, weil die politische Verantwortung, Rahmenbedingungen für den Umgang mit China zu bestimmen, in erster Linie beim Bund gesehen wurde. Die politische Indifferenz, vor allem das Fehlen eines übergeordneten Ziels für den Umgang mit China sowie die unklare Verantwortlichkeit und Zuständigkeit in der deutschen Chinapolitik, wirkt sich also auch auf die Kommunalbeziehungen aus.
Die FES-Studie zeigt, dass sich viele kommunale Vertreter:innen ein »Mehr an Unterstützung, Anleitung und Koordinierung« sowie einen »eindeutigeren Handlungsrahmen, institutionelle Strukturen und eine größere Klarheit in der Ressourcenfrage« erhofft hatten. Weiterhin heißt es, dass nicht klar sei, »wie über die Ankündigung hinaus, im Rahmen regulärer Bund-Länder-Gespräche verstärkt chinapolitische Themen aufzugreifen, die Distanz zwischen Berliner China-Politik und operativer Umsetzung in den Kommunen überwunden werden könne. […] Es verstärkt sich der Eindruck, dass die China-Politik in einer Reihe anderer ›Strategien‹ und ›Initiativen‹ der Bundesregierung bereits umgesetzt wird, die spezifische Situation der Kommunen aber auch hier keine Berücksichtigung findet.«117
Schlussfolgerungen
Aus der vorliegenden Analyse ergeben sich folgende Schlussfolgerungen für die deutsche Chinapolitik: Erstens braucht es eine intensiv geführte Debatte über mögliche Ziele der deutsch-chinesischen Beziehungen. Die Zieldebatte ist mit der an China gerichteten Zuschreibung »Partner, Wettbewerber und Rivale« sowie der Verlagerung des politischen Fokus auf den Wettbewerb und die systemische Rivalität nicht abgeschlossen. Sie müsste zumindest intern stetig weitergeführt werden. Denn wie die Analyse gezeigt hat, ist die Entscheidung für Ambivalenz nicht automatisch gleichzusetzen mit einer strategisch ausgerichteten Außenpolitik, sondern vor allem ein Merkmal politischer Indifferenz. Anders formuliert: Ambivalenz ist charakteristisch für eine Politik, der ein übergeordnetes Ziel fehlt. Politische Indifferenz forciert die Konzentration auf innenpolitische Themen und die Nutzung des Sachverhalts China für die Interessen verschiedenster Akteure in der deutschen Politik. Hingegen erschwert sie die Diskussion darüber, wie sich deutsche Außen- und Chinapolitik zu den globalen Auswirkungen der Zeitenwende verhält. Und konkreter: welches Zielbild die deutsch-chinesischen Beziehungen in Zukunft bestimmen soll.
Inhaltlich fällt auf, dass der Dreiklang oftmals vor allem die deutsche Chinapolitik ordnet. In Diskussionen zwischen Expert:innen und Vertreter:innen des Auswärtigen Amtes über die Inhalte der China-Strategie zeigte sich zum Beispiel des Öfteren deutlich, in welchen Bereichen der Wettbewerb oder die Rivalität mit China gesehen wird. Schwierig war dagegen die Benennung von Themen, bei denen China Partner ist und Zusammenarbeit möglich sein könnte. Meist wurde dann verwiesen auf die Zusammenarbeit in Klimafragen oder ganz allgemein bei anderen globalen Herausforderungen und Krisen. Der Dreiklang ohne ein übergeordnetes Ziel verhindert also inhaltlich das Denken und Handeln out of the box.
Wenn es demnach auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung vom Juni 2023118 heißt, dass sich Rivalität und Wettbewerb mit China darin zeigen, dass das Land »auf verschiedenen Wegen [versucht], die bestehende regelbasierte internationale Ordnung umzugestalten, […] und dabei immer wieder im Widerspruch zu unseren Interessen und Werten [handelt]« (S. 23), entsteht der Eindruck, dass ein Austausch zu diesen und verwandten Themen – eben wegen der Rivalität – kaum mehr möglich ist. Vor dem Hintergrund einer Welt, die multipolarer wird, ist aber der Austausch über das unterschiedliche Verständnis von Ordnung und Sicherheit umso wichtiger. Für die deutsche Chinapolitik bedeutet dies, die Fokussierung auf die Absicherung Deutschlands (und Europas) gegenüber China ein Stück weit hinter sich zu lassen und den Austausch mit ihm über (harte) Sicherheitsthemen und Ordnungsfragen zu intensivieren und sogar einzufordern. Dafür braucht es auch den Mut – trotz aller Risiken und Bedrohungen –, etwas zu wagen, beispielsweise die Initiative für den Aufbau eines EU-China-Infrastruktur- und -Technologierats (TIC) zu starten, für den der EU-US-Handels- und -Technologierat (TTC) als Muster dienen könnte. Darüber hinaus wären ernsthafte Planungen für das Abhalten einer EU-China-Konferenz für Sicherheit und Kooperation als Teil einer aktiven Anpassungspolitik vorstellbar und sinnvoll.
Eine Debatte darüber, welche Funktion der Dreiklang für die zukünftigen Ziele der deutsch-chinesischen Beziehungen einnimmt, ist angesichts des sich ständig verändernden politischen Kontextes dringend notwendig. Die gegenwärtige Bundesregierung betont mit der globalen Zeitenwende bereits den Umbruch im internationalen Ordnungssystem und verweist damit auf eine zunehmend multipolare Welt, aus der China schwer wegzudenken (oder wegzuwünschen) ist. Vor diesem Hintergrund wäre die intensive Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Koexistenz in den deutsch-chinesischen Beziehungen ein geeigneter Startpunkt einer Zieldebatte. Koexistenz muss dabei neu gedacht werden. Es geht nämlich um mehr als einen statischen Beziehungsstatus zwischen Staaten, Blöcken oder Mächten in einer vermehrt als multipolar zu charakterisierenden Welt.
Im Gegenteil: Koexistenz ermöglicht Konnektivität zwischen Akteuren ohne Vorbedingungen, wenn die Bereitschaft besteht, gemeinsame Prinzipien der Koexistenz neu auszuhandeln. Auch für die chinesische Seite kann nicht mehr gelten, dass Koexistenz in der Ära nach dem Ende des Kalten Krieges und in Zeiten eines russischen Angriffskrieges in Europa einfach mit den »Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz« von 1954 gleichgesetzt wird. Xis Aufruf an die internationale Gemeinschaft, die »Fünf Prinzipien« unter den neuen politischen Umständen fortzuführen und eine »Gemeinschaft mit einer geteilten Zukunft für die Menschheit« aufzubauen, bietet dafür nicht genug Anknüpfungspunkte.119 Es bedarf folglich einer Überarbeitung des Konzeptes auf allen Seiten, vor allem da Koexistenz im Kern die Möglichkeit beinhaltet, Reibungen, Konflikte und Trennung zuzulassen, ohne dass eine totale Entkopplung voneinander notwendig ist. Eine – wenn auch nur interne – Diskussion über Rahmenbedingungen und Prinzipien der Koexistenz könnte im besten Fall diplomatische Räume eröffnen, um neue Regeln für die globale und regionale Zusammenarbeit zu verhandeln.
Neben der Zieldebatte ist eine Bereitschafts-(preparedness)-Debatte unerlässlich, die zu konkreten Lösungen führt, um sich präventiv und bestmöglich auf den künftigen Umgang mit China vorzubereiten. Hierbei geht es um eine strategische (und dauerhafte) Entlastung des Politikapparats innerhalb relevanter Institutionen und der Verwaltung. Dies bezieht sich insbesondere auf den strategischen und dauerhaften Auf- und Ausbau von Chinawissen in der Verwaltung, das nicht mit jedem Wahlzyklus neu verhandelt werden muss und zunächst auf Bundesebene etabliert werden sollte. Denkbar wäre die Einführung verpflichtender »China-Trainings«, die Mitarbeiter:innen auf den Austausch und auf Treffen mit chinesischen Kolleg:innen gezielt vorbereiten und entsprechend schulen. Zum Beispiel könnten Checklisten für den Ablauf von Gesprächen mit chinesischen Kadern erarbeitet und innerhalb der Verwaltung fortlaufend angepasst werden. Ferner ist es überfällig, dass zentrale chinarelevante Gesetze, Leitlinien und Positionierungen Deutschlands zumindest informell und besonders für den direkten Austausch mit chinesischen Entscheidungsträger:innen von deutscher Seite ins Chinesische übersetzt werden (Stichwort: Handreichung). Denn viele technische Begriffe oder rechtliche Fachbegriffe sind für die chinesische Seite sehr schwer nachzuvollziehen, etwa wenn es um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz geht. Ein Decoding deutscher Politik für die chinesische Seite sollte selbstverständlich werden.
Mit Blick auf die Sprachkompetenz ist gleichermaßen relevant, dass an der deutschen Botschaft in Peking mindestens die Mehrheit der deutschen Angestellten auf einem guten Niveau Chinesisch sprechen kann. Darüber hinaus sollten Auswertungen offizieller chinesischer Politikdokumente nicht hauptsächlich durch chinesische Mitarbeiter:innen erfolgen – auch vor dem Hintergrund der Veränderungen in China unter Xi Jinping. Außerdem sollte weltweit an ausgewählten deutschen Botschaften jeweils eine dort angestellte Person die jeweilige Perspektive des Gastlandes auf China untersuchen und regelmäßig dazu berichten.
Nicht zuletzt wäre die Erstellung einer Plattform entlastend, die alle Expert:innen und ihren spezifischen China-Fokus erfasst. So könnten Politik und Verwaltung bei zukünftigen Problemen und in Krisensituationen einfacher Expertise anfordern, und zwar nicht nur über die vorhandenen Institutionen in Berlin, sondern deutschlandweit und gezielt. Hierbei wäre eine Zusammenarbeit beispielsweise mit der Deutschen Gesellschaft für Asienkunde denkbar, die ein sogenanntes Expertiseverzeichnis anbietet, das Mitglieder aufführt, die ihr Fachwissen für Medien sowie öffentliche und private Institutionen zur Verfügung stellen. Eine Plattform des Bundes könnte dieses Angebot durch einen Bereich wissenschaftliche Politikberatung erweitern. Damit wäre es leichter, Krisenstäbe und Runden aus Expert:innen schnell aus einem Pool von wissenschaftlichem Personal zusammenzustellen, und es müsste im Bedarfsfall nicht eigens ein neues Gremium geschaffen werden.
Abkürzungsverzeichnis
BDI |
Bundesverband der Deutschen Industrie |
BMAS |
Bundesministerium für Arbeit und Soziales |
BMBF |
Bundesministerium für Bildung und Forschung |
BMWK |
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz |
BRI |
Belt and Road Initiative |
CAI |
Umfassendes Investitionsabkommen |
Cosco |
China Ocean Shipping Company |
CTT |
Container Terminal Tollerort |
DW |
Deutsche Welle |
FES |
Friedrich-Ebert-Stiftung |
G7 |
Gruppe der Sieben (die sieben führenden westlichen Industriestaaten) |
G20 |
Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer |
GCI |
Globale Zivilisationsinitiative |
GDI |
Globale Entwicklungsinitiative |
GfdS |
Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. |
GIGA |
German Institute of Global and Area Studies (Hamburg) |
GSI |
Globale Sicherheitsinitiative |
HHLA |
Hamburger Hafen und Logistik AG |
HR / VP |
High Representative / Vice President |
ifw |
Institut für Weltwirtschaft (Kiel) |
IMF |
Internationaler Währungsfonds |
KfW |
Kreditanstalt für Wiederaufbau |
KIP |
Kommission Internationale Politik |
KPCh |
Kommunistische Partei Chinas |
MERICS |
Mercator Institute for China Studies (Berlin) |
NVK |
Nationaler Volkskongress |
SGCC |
State Grid Corporation of China |
TIC |
EU-China-Infrastruktur- und ‑Technologierat |
TTC |
EU-US-Handels- und ‑Technologierat |
Literaturhinweise
Markus Kaim / Ronja Kempin
Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Mai 2024 (SWP-Studie 15/2024).
Hanns Günther Hilpert
Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, März 2024 (SWP-Studie 9/2024).
Inga Carry / Nadine Godehardt / Melanie Müller
Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, März 2023 (SWP-Aktuell 15/2023).
Endnoten
- 1
-
Siehe Zeitenwende, Duden (online), <https://www.duden.de/ rechtschreibung/Zeitenwende> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 2
-
Martin Sabrow, »Zäsuren in der Zeitgeschichte«, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 3.6.2013, <http://docupedia. de/zg/sabrow_zaesuren_v1_de_2013> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 3
-
Ebd.
- 4
-
Bundesregierung, »Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27.2.2022«, <https://www.bundesregie rung.de/breg-de/aktuelles/regierungserklaerung-von-bundes kanzler-olaf-scholz-am-27-februar-2022-2008356> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 5
-
Siehe Roland Barthes, Mythologies, New York 1972.
- 6
-
Halvard Leira/Benjamin de Carvalho, »The Function of Myths in International Relations: Discipline and Identity«, in: Andreas Gofas/Inanna Hamati-Ataya/Nicolas Onuf (Hg.), The SAGE Handbook of the History, Philosophy and Sociology of International Relations, London 2018, S. 222–235 (223). (Englischsprachige Zitate wurden, sofern nicht anders angegeben, von der Autorin übersetzt.)
- 7
-
Siehe auch Cynthia Weber, International Relations Theory. A Critical Introduction, Abingdon 2005, S. 7.
- 8
-
»Zeitenwende« wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) e. V. zum Wort des Jahres 2022 gewählt; siehe GfdS, »GfdS wählt ›Zeitenwende‹ zum Wort des Jahres 2022«, Pressemitteilung, 9.12.2022, <https://gfds.de/wort-des-jahres-2022> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 9
-
Siehe Mario Bisiada, »The Discursive Construction of a New Reality in Olaf Scholz’s Zeitenwende Speech«, in: Critical Discourse Studies, (2023), S. 1–18 (2), DOI: 10.1080/17405904. 2023.2186450 (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 10
-
Barthes nennt dies auch Meta-Sprache.
- 11
-
Scholz betont in der Regierungserklärung vom 27.2.2022 [wie Fn. 4]: »Klar ist: Wir müssen deutlich mehr in die Sicherheit unseres Landes investieren, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen. Das ist eine große nationale Kraftanstrengung.«
- 12
-
Manuel Fröhlich, »›Wenn möglich bitte wenden?‹ Die deutsche Außenpolitik und die Navigation der Zeitenwende«, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, 33 (2023), S. 81–92 (82), DOI: 10.1007/s41358-022-00338-y (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 13
-
Olaf Scholz, »The Global Zeitenwende. How to Avoid a New Cold War in a Multipolar Era«, in: Foreign Affairs, 102 (Januar/Februar 2023) 1, <https://www.foreignaffairs. com/germany/olaf-scholz-global-zeitenwende-how-avoid-new-cold-war> (letzter Zugriff am 30.7.2024). Ähnliche Formulierungen finden sich in der Nationalen Sicherheitsstrategie Deutschlands, die Mitte Juni 2023 von der Bundesregierung vorgestellt wurde und die neben der China-Strategie einen weiteren zentralen Strategieprozess der Bundesregierung unter Schirmherrschaft des Kanzleramtes darstellte. In der Nationalen Sicherheitsstrategie heißt es: »Wir leben in einer Welt im Umbruch. Unser internationales und sicherheitspolitisches Umfeld wird multipolarer und instabiler […]«; siehe Auswärtiges Amt (Hg.), Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig. Integrierte Sicherheit für Deutschland. Nationale Sicherheitsstrategie, Berlin, Juni 2023, S. 22, <https://www.nationalesicherheits strategie.de/Sicherheitsstrategie-DE.pdf> (letzter Zugriff am 6.8.2024).
- 14
-
Siehe Scholz, »The Global Zeitenwende« [wie Fn. 13].
- 15
-
Scholz schreibt: »Russia’s war of aggression might have triggered the Zeitenwende, but the tectonic shifts run much deeper.« Und mit dieser Tiefe des Umbruchs bezieht sich Scholz in erster Linie auf China. Siehe Scholz, »The Global Zeitenwende« [wie Fn. 13].
- 16
-
Diese Zeit markiert gleichsam den Beginn der zweiten Großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (2013–2021) sowie der Amtszeit von Xi Jinping (seit 2012/13).
- 17
-
Siehe »Chinas Staatschef Xi gibt NRW die Ehre«, in: Deutsche Welle (DW) (online), 29.3.2014, <https://www.dw.com/ de/chinas-staatschef-xi-gibt-nrw-die-ehre/a-17530526> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 18
-
Siehe ausführlicher Nadine Godehardt, »Andocken – Diskursmacht – Versicherheitlichung. Chinas geopolitischer Code und die Belt and Road Initiative«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 21.10.2022, <https://www.bpb.de/shop/ zeitschriften/apuz/chinas-neue-seidenstrassen-2022/514460/ andocken-diskursmacht-versicherheitlichung> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 19
-
So auch Sebastian Heilmann, damals Direktor des Mercator Institute for China Studies (MERICS), vor der siebten China-Reise der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel: »Zum wichtigsten Thema gehört immer das deutsche Wirtschaftsengagement in China«, zitiert aus Matthias von Hein, »Heilmann: ›Wirtschaft gibt Politikempfehlungen‹«, in: DW (online), 6.7.2014, <https://www.dw.com/de/ heilmann-wirtschaft-gibt-politikempfehlungen/a-17759045> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 20
-
Es gab keine öffentlichen Pressekonferenzen.
- 21
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Olaf Scholz, »Darum geht es bei meiner Reise nach China«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.11.2022, <https:// www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/kanzler-gast beitrag-faz-china-2139416> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 22
-
Die genannten Besuche Scholz’ und Baerbocks in China sind nicht unmittelbar vergleichbar. Das ist hier auch nicht der Anspruch, sondern sie stehen symbolisch für das Ausmaß der Veränderungen in den deutsch-chinesischen Beziehungen.
- 23
-
Ausführlicher zu Qin Gangs Aufstieg und politische Absetzung: Terril Yue Jones, »I Watched the Dramatic Rise of Qin Gang – and Never Expected His Sudden Fall«, in: Politico, 15.8.2023, <https://www.politico.com/news/magazine/2023/ 08/15/chinese-diplomat-qin-gang-fall-00110333> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 24
-
Siehe SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, Koalitionsvertrag 2021–2025: Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, 7.12.2021, S. 124, <https:// www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koali tionsvertrag_2021-2025.pdf> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 25
-
Antonio Gramsci, Selections from the Prison Notebooks, hg. und übers. von Quintin Hoare und Geoffrey Nowell Smith, London 1971, S. 276. Siehe hierzu ausführlicher: Nadine Godehardt, Wie China Weltpolitik formt. Die Logik von Pekings Außenpolitik unter Xi Jinping, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2020 (SWP-Studie 19/2020), <https://www. swp-berlin.org/10.18449/2020S19/> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 26
-
Siehe Bertelsmann Stiftung (Hg.), Transformation Index BTI 2022. Governance in International Comparison, Gütersloh 2022, <https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/ aktuelle-meldungen/2022/februar/demokratie-weltweit-unter-druck#detail-content-210640-3> (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 27
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Siehe hierzu die Studie vom Internationalen Währungsfonds (IMF), die verschiedene Gründe für die Veränderung der Globalisierung benennt. Siehe Shekhar Aiyar u. a., Geoeconomic Fragmentation and the Future of Multilateralism, Washington, D.C.: IMF, 15.1.2023 (IMF Staff Discussion Notes 2023/001), <https://www.imf.org/en/Publications/Staff-Discus sion-Notes/Issues/2023/01/11/Geo-Economic-Fragmen tation-and-the-Future-of-Multilateralism-527266> (letzter Zugriff am 30.7.2024). Ich danke Melanie Müller für diesen Hinweis.
- 28
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Dabei steht Vertrauen für die ganz grundsätzliche Bereitschaft der Beteiligten, eigene Interessen zurückzustellen oder sich innerhalb internationaler Organisationen sogar unter die Kontrolle anderer zu begeben; siehe Aaron M. Hoffmann, »A Conceptualization of Trust in International Relations«, in: European Journal of International Relations, 8 (2002) 3, S. 375–401.
- 29
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Ausführlicher hierzu Niklas Luhmann, Vertrauen, 5. Auflage, Wien u. a. 2014 [1968].
- 30
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Ebd., S. 92f.
- 31
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Folglich: »Wer mißtraut, braucht mehr Informationen und verengt zugleich die Information, auf die zu stützen er sich getraut. Er wird von weniger Informationen stärker abhängig.« Ebd., S. 93.
- 32
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Siehe Nadine Godehardt/Karoline Postel-Vinay, Connectivity and Geopolitics: Beware the ›New Wine in Old Bottles‹ Approach, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juli 2020 (SWP Comment 35/2020), DOI: http://doi.org/10.18449/2020C35 (letzter Zugriff am 30.7.2024).
- 33
-
So gibt es eine große Anzahl neuer minilateraler zwischenstaatlicher Bündnisse, vor allem im Indo-Pazifik, aber auch überregional; siehe Kei Koga, »A New Strategic Minilateralism in the Indo-Pacific«, in: Asia Policy/National Bureau of Asia Research, 17 (2022) 4, S. 27–34, DOI: 10.1353/ asp.2022.0063 (letzter Zugriff am 1.8.2024), und für überregionale Tendenzen Nickolay Mladenov, Minilateralism: A Concept that is Changing the World Order, Washington, D.C.: The Washington Institute, 14.4.2023, <https://www. washingtoninstitute.org/policy-analysis/ minilateralism-concept-changing-world-order> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 34
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Gerade zu Beginn wurde Xi als Reformer gesehen; siehe John Simpson, »New Leader Xi Jinping Opens Door to Reform in China«, in: The Guardian (online), 10.8.2013, <https://www. theguardian.com/world/2013/aug/10/china-xi-jinping-opens-door-reform> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 35
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Siehe Heike Holbig, Making China Great Again – Xi Jinpings Abschied von der Reformära, Hamburg: German Institute of Global and Area Studies (GIGA), 2018 (GIGA Focus Asien Nr. 2), <https://www.giga-hamburg.de/assets/tracked/pure/ 21580622/gf_asien_1802.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 36
-
Siehe Paul Joscha Kohlenberg, Chinas Kommunistische Partei vor Xi Jinpings zweiter Amtsperiode als Vorsitzender. Im Spannungsfeld individueller Machtkonsolidierung und kollektiver Parteitraditionen, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Januar 2017 (SWP-Aktuell 3/2017), S. 1, <https://www.swp-berlin.org/publications/products/aktuell/2017A03_khb.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 37
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Holbig, Making China Great Again [wie Fn. 35], S. 4.
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Für das Amt des Generalsekretärs der KPCh galt und gilt eine ähnliche Einschränkung nicht. Daher war diese Entscheidung so zentral. Verstärkt wurde dies noch durch die Auflösung des Ministeriums für Disziplinaufsicht und die Gründung einer neuen Nationalen Aufsichtskommission; siehe Jamie P. Horsley, »What’s So Controversial about China’s New Anti-corruption Body?«, Washington, D.C.: Brookings, 30.5.2018, <https://www.brookings.edu/articles/ whats-so-controversial-about-chinas-new-anti-corruption-body> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 39
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Siehe Katja Drinhausen/Helena Legarda, »Comprehensive National Security« Unleashed: How Xi’s Approach Shapes China’s Policies at Home and Abroad, Berlin: MERICS, 15.9.2022, <https://www.merics.org/ en/report/comprehensive-national-security-unleashed-how-xis-approach-shapes-chinas-policies-home-and> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 40
-
Siehe Frederik Kunze/Torsten Windels, »›Made in China 2025‹: Technologietransfer und Investitionen in ausländischen Hochtechnologiefirmen – Chinas Weg zum Konkurrenten um die Zukunftstechnologien«, in: ifo Schnelldienst, 71 (2018) 14, <https://www.ifo.de/publikationen/2018/aufsatz-zeitschrift/made-china-2025-technologietransfer-und-investi tionen> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 41
-
Siehe Richard Bitzinger, »China’s Shift from Civil-Military Integration to Military-Civil Fusion«, in: Asia Policy, 16 (2021) 1, S. 5–24, <https://www.rsis.edu.sg/wp-content/uploads/2022/ 05/Asia-Policy-16.1-Jan-2021-Richard-Bitzinger.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 42
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Siehe Cheng Li, »China’s Military-Civil Fusion: Objectives and Operations«, in: China US Focus, 30.8.2022, <https:// www.chinausfocus.com/2022-CPC-congress/chinas-military-civil-fusion-objectives-and-operations> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 43
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Siehe hierzu ausführlicher Godehardt, Wie China Weltpolitik formt [wie Fn. 25].
- 44
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Operative Säulen für die Reform und Umgestaltung des globalen Governance-Systems sind die 2021 angekündigte Globale Entwicklungsinitiative (GDI), die 2022 vorgestellte Globale Sicherheitsinitiative (GSI) und die 2023 von Xi vorgeschlagene Globale Zivilisationsinitiative (GCI).
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Kuka ist heute komplett chinesisch, alleiniger Eigentümer die Midea-Gruppe aus Guangdong. Der Hauptsitz liegt weiterhin in Augsburg, für die Mitarbeiter:innen gibt es eine Jobgarantie bis 2025. Siehe »Kuka soll komplett in chinesischen Konzern Midea übergehen«, in: Industrieanzeiger, 19.5.2022, <https://industrieanzeiger.industrie.de/technik/ automatisierung/kuka-midea-uebernahme> (letzter Zugriff am 1.8.2024). Den Ausschluss der letzten Minderheitsaktionäre verlangte die Mutterfirma im November 2022 und fand diese ab – mit Summen deutlich unter dem Angebotspreis von 2016. Im November 2021 entschied die Muttergesellschaft Midea, Kuka von der Börse zu nehmen; siehe »Deutsche High-Tech-Industrie aus China: Der Fall KUKA«, in: Spruchverfahren direkt, 26.6.2024, <https://www.spruch verfahren-direkt.de/?p=3232> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
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Kuka ist nur ein bekanntes Beispiel, andere sind die Übernahmen von Osram (LED-Technologie) durch ein chinesisches Konsortium, von EEW (Müllverbrennung) durch Beijing Enterprises und der Verkauf des Spezialmaschinenbauers KraussMaffei an ChemChina. Sie alle fanden im Jahr 2016 statt.
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Die Antwort des damaligen Parlamentarischen Staatssekretärs Oliver Wittke auf eine Frage der damaligen Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock zeigt, wie vergleichsweise zurückhaltend die Bundesregierung zu der Zeit noch auf Fragen in Richtung »kritische Infrastruktur« und Abhängigkeiten von chinesischen Investoren reagierte. Wittke bezog sich in seiner Antwort auf geltendes Recht und behandelte den Fall 50Hertz als einen von vielen. So betonte er: »Direktinvestitionen, durch die ein unionsfremder [EU-fremder] Erwerber die Kontrolle über mindestens 25 Prozent der Stimmrechte am Betreiber einer Kritischen Infrastruktur erlangt, werden wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich daraufhin geprüft, ob von dem Erwerb eine mögliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. […] Der vorliegende Erwerb wird nach Maßgabe der geltenden Gesetze geprüft. Unabhängig von konkreten Erwerbsvorgängen prüft die Bundesregierung regelmäßig die rechtlichen Grundlagen der Investitionsprüfung im Hinblick auf die Notwendigkeit von Anpassungen.« Siehe Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 19/35, Berlin, 6.6.2018, S. 3331, <https:// dserver.bundestag.de/btp/19/19035.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
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Dieser Sachverhalt wurde zweimal im Auswärtigen Ausschuss in Form von öffentlichen Gesprächen mit Expert:innen diskutiert (März und November 2019).
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Erst im Juni 2024 wurde nach jahrelangen Diskussionen in der Huawei-Frage eine Einigung gefunden. Bis Ende 2026 dürfen keine Komponenten von Huawei und ZTE mehr in den 5G-Kernnetzen verbaut werden; spätestens bis Ende 2029 sind auch in den 5G-Zugangs- und Transportnetzen kritische Komponenten beider Hersteller zu ersetzen. Siehe die Meldung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat, »Stärkung der Sicherheit und technologischen Souveränität der deutschen 5G-Mobilfunknetze«, 11.7.2024, <https://www. bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2024/07/5g. html> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
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Siehe Nadine Godehardt, »Hongkong. Regenschirmbewegung«, in: dies. (Hg.), Urbane Räume. Proteste. Weltpolitik, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, September 2017 (SWP-Studie 17/2017), <https://www.swp-berlin.org/ publikation/urbane-raeume-proteste-weltpolitik> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 51
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Der explizite Hintergrund war die Ermordung einer jungen Hongkongerin durch ihren Freund während ihres Urlaubs in Taipei; siehe hierzu Cindy Sui, »The Murder Behind the Hong Kong Protests: A Case Where No-one Wants the Killer«, BBC News, 23.10.2019, <https://www.bbc.com/news/ world-asia-china-50148577> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 52
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Siehe Moritz Rudolf, Das Gesetz zur nationalen Sicherheit in der Sonderverwaltungszone Hongkong. Ein Vorbote für Chinas neue Deutungshoheit bei internationalen Rechtsfragen, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, November 2020 (SWP-Aktuell 91/2020), <https://www.swp-berlin.org/publikation/das-gesetz-zur-nationalen-sicherheit-in-der-sonderverwaltungszone-hong kong> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 53
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Siehe Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 19/164, Berlin, 29.5.2020, S. 20422, <https://dserver.bundestag.de/ btp/19/19164.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024). Noch deutlicher wurde Michael Brand von der Fraktion CDU/CSU, damals Regierungspartei, in seinen Ausführungen, die auch veranschaulichen, wie die Sichtweisen zu China zwischen der Regierungspartei CDU/CSU und der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zunehmend voneinander abwichen. Brand betonte: »Der Führer – denn so lässt sich Xi Jinping von der Propaganda ja auch selbst nennen – hat entschieden, die Handschuhe auszuziehen und Tabula rasa zu machen. Er will unter offener Verachtung und dem Bruch internationaler Verträge den Status von Hongkong endgültig zerschlagen. Er will den ›widerspenstigen‹, den demokratischen und freiheitlichen Widerstand dort endgültig wegbrechen« (S. 20430f).
- 54
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Siehe »China Cables«, in: Süddeutsche Zeitung (online), o. D., <https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/ das-sind-die-china-cables-e185468/> (letzter Zugriff am 1.8.2024). Dieser Sachverhalt wurde ebenfalls im Plenum des Bundestages sowie im Ausschuss für Humanitäre Hilfe und Menschenrechte aufgegriffen, generell verstärkte er den Fokus einiger deutscher Parteien auf das Thema Menschenrechtslage in China. Für eine Auswertung der Tagesordnungen in verschiedenen Ausschüssen des Bundestages siehe Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 19/133, Berlin, 11.12.2019, <https:// dserver.bundestag.de/btp/19/19133.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 55
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Siehe Bundesverband der Deutschen Industrie, Grundsatzpapier China: Partner und systemischer Wettbewerber – Wie gehen wir mit Chinas staatlich gelenkter Volkswirtschaft um, Berlin 2019, S. 4, <https://www.bundestag.de/resource/blob/908170/ 02447d9bd668e912d44190c451c5a573/Stellungnahme-Iris-Ploeger-BDI-data.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 56
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Hier und im Folgenden: European Commission, Commission and HR/VP Contribution to the European Council, EU-China Strategic Outlook, Straßburg, 12.3.2019, S. 1, <https:// commission.europa.eu/system/files/2019-03/communication-eu-china-a-strategic-outlook.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 57
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Ambiguitätskompetenz ist die Fähigkeit, Unsicherheiten und Vieldeutigkeit zu erkennen, auszuhalten und produktiv umzusetzen, beispielsweise in Politik und Gesellschaft. Sie baut auf die Fähigkeit zur Ambiguitätstoleranz auf. Siehe zum Beispiel Andreas Reckwitz, Das Ende der Illusionen. Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, Berlin 2019.
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Zum Umfassenden Investitionsabkommen siehe Christiane Kühl, »Wirtschafts-Deal trotz Sorge um Menschenrechte und Sanktionen: Zerschellt Merkels China-Wunschplan?«, in: Merkur (online), 18.5.2021, <https:// www.merkur.de/politik/china-merkel-cai-eu-wirtschaft-deal-sanktionen-eklat-menschenrechte-xinjiang-widerstand-90481513.html> (letzter Zugriff am 1.8.2024). Verstärkt wurden die Unstimmigkeiten hinsichtlich der Chinapolitik auch durch Angela Merkels frühzeitige Ansage, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren und 2021 als Kanzlerkandidatin nicht mehr zur Verfügung zu stehen; siehe Noah Barkin, Germany’s Strategic Gray Zone with China, Washington D.C.: Carnegie Endowment, März 2020, <https://carnegie endowment.org/2020/03/25/germany-s-strategic-gray-zone-with-china-pub-81360> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 59
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Siehe Frank Bickenback/Wan-Hsin Liu, China: Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale – was sagen die Wahlprogramme?, Kiel: Institut für Weltwirtschaft (ifw), September 2021 (Kiel Focus), <https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/kiel-focus/china-partner-wettbewerber-systemischer-rivale-was-sagen-die-wahlprogramme> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 60
-
Hierzu beispielhaft die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Asienkunde e. V., »Ein Plädoyer gegen Polarisierung«, 12.6.2020, <https://asienforschung.de/ein-plaedoyer-gegen-polarisierung> (letzter Zugriff am 1.8.2024), und das Interview mit Doris Fischer vom Oktober 2020, Lars Friedrich, »Prof. Doris Fischer: ›Wir erleben eine Polarisierung‹«, in: Der Aktionär, 6.10.2020, <https://www.deraktio naer.de/artikel/kolumnen/prof-doris-fischer-wir-erleben-eine-polarisierung-20218389.html> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 61
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Siehe Gaviria A. Zapatero/Martin R. Barba, »What Do We Know about the Origin of COVID-19 Three Years Later?«, in: Revista Clínica Española (English Edition), 223 (April 2023) 4, S. 240–243, DOI: 10.1016/j.rceng.2023.02.010 (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 62
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Siehe Peter Beaumont, »China Stalls WHO Mission to Investigate Origins of Coronavirus«, in: The Guardian, 6.1.2021, <https://www.theguardian.com/world/2021/jan/06/china-stalls-who-mission-to-investigate-origins-of-coronavirus> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 63
-
So heißt es bereits in einem Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion vom 30.6.2020 mit dem Titel Souverän, regelbasiert und transparent. Eine sozialdemokratische China-Politik, <https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/positions papier_china.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024), S. 9: »Parallel hat die Covid-19 Pandemie verdeutlicht, dass sich Deutschland und die EU in Fragen von Schlüsseltechnologien und kritischen Rohstoffen nicht in einseitige Abhängigkeiten begeben dürfen.«
- 64
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Siehe Mooketsi Molefi u. a., »The Impact of China’s Lockdown Policy on the Incidence of Covid-19: An Interrupted Time Series Analysis«, in: BioMed Research International, (Oktober 2021), DOI: 10.1155/2021/9498029 (letzter Zugriff am 1.8.2024); siehe hierzu auch Bingqin Li/Bei Lu, »How China Made Its COVID-19 Lockdown Work«, in: East Asia Forum, 7.4.2020, <https://eastasiaforum.org/2020/ 04/07/how-china-made-its-covid-19-lockdown-work> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 65
-
Zusammenfassung der Gegenmaßnahmen während der Olympischen Spiele in Peking: International Olympic Committee, »Beijing 2022 COVID-19 Countermeasures Adjusted as the Closed Loop System Comes into Effect«, 24.1.2022, <https:// olympics.com/ioc/news/beijing-2022-covid-19-countermeasures-adjusted-as-the-closed-loop-system-comes-into-effect> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 66
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Siehe Xiao Wang, »How Chinese Attitudes toward COVID-19 Policies Changed between June and Early December 2022: Risk Perceptions and the Uses of Mainstream Media and WeChat«, in: SSM – Population Health, 23 (September 2023), DOI: 10.1016/j.ssmph.2023.101467 (letzter Zugriff am 1.8.2024). Die Zahlen können nur eine gewisse Orientierung geben. Es handelt sich um Schätzungen, da das umfangreiche Monitoringsystem bei diesen dramatischen Entwicklungen nicht mehr vollständig funktionsfähig war.
- 67
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Siehe Ruihua Li u. a., »The Negative Impact of Loneliness and Perceived Stress on Mental Health during Two-months Lockdown in Shanghai«, in: Journal of Affective Disorders, 335 (August 2023), S. 377–382, DOI: 10.1016/j.jad. 2023.05.055 (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 68
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Teilweise konnte die Versorgung mit Lebensmitteln nicht mehr gewährleistet werden. Ein Bericht mit beispielhaften Protesten von Bewohner:innen, die ihren Frust in die »Nacht« hinausschrien, findet sich hier: »Inside Shanghai’s Food Shortage Crisis Amid Covid Lockdowns«, in: The Wall Street Journal (online), o. D., <https://www.youtube. com/watch?v=usga_TymN7s> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 69
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Viele Journalist:innen waren selbst Opfer des Lockdowns und konnten kaum mehr Recherchen außerhalb ihres Wohnsitzes durchführen. Folglich verschärfte sich auch der Ton der Berichterstattung. Siehe beispielhaft Philipp Mattheis, »Chinas Zero-Covid-Totalitarismus«, in: Cicero, 14.4.2022, <https://www.cicero.de/aussenpolitik/ lockdown-in-shanghai-chinas-zero-covid-totalitarismus> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 70
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»Maschinenbau: Lockdowns in China hinterlassen Spuren«, in: Produktion (online), 10.5.2022, <https://www. produktion.de/wirtschaft/lockdowns-in-china-hinterlassen-spuren-im-maschinenbau-800.html> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
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Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (Hg.), Industriepolitik in der Zeitenwende. Industriestandort sichern, Wohlstand erneuern, Wirtschaftssicherheit stärken, Berlin, Oktober 2023, S. 13, <https://www.bmwk.de/ Redaktion/DE/Publikationen/Industrie/industriepolitik-in-der-zeiten wende.pdf?_ _blob=publicationFile&v=16> (letzter Zugriff am 7.8.2024).
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Annalena Baerbock im Gespräch mit Stephan Detjen, »Besorgnis wegen möglicher Invasion Chinas in Taiwan«, in: Deutschlandfunk, 22.7.2022, <https://www.deutschlandfunk.de/ annalena-baerbock-china-taiwan-tuerkei-syrien-100.html> (letzter Zugriff am 1.8.2024). Siehe zu kritischen Rohstoffen Inga Carry/Nadine Godehardt/Melanie Müller, Die Zukunft europäisch-chinesischer Rohstofflieferketten. Drei Szenarien für das Jahr 2030 – und was sich daraus ergibt, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, März 2023 (SWP-Aktuell 15/2023), DOI: 10.18449/2023A15 (letzter Zugriff am 1.8.2024).
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Beispielhaft Ricarda Lang von Bündnis 90/Die Grünen auf X (ehemals Twitter) am 26.10.2022, <https://x.com/ Ricarda_Lang/status/1585233020520665089> (letzter Zugriff am 1.8.2024): »Die Beteiligung Chinas am #HamburgerHafen bleibt ein Fehler. Die Untersagung des Cosco-Deals wäre der richtige Weg gewesen, um unsere kritische Infrastruktur zu schützen. Weil dieser vom Kanzleramt blockiert wurde, ist die Beschränkung auf 24,9% eine notwendige Schadensbegrenzung.«
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So Lars Klingbeil, zitiert in »SPD-Chef Klingbeil sieht keinen Ausverkauf des Hamburger Hafens«, in: Spiegel Online, 23.10.2022, <https://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-chef-klingbeil-sieht-keinen-ausverkauf-des-hamburger-hafens-a-b356bd0f-db2f-4304-8e4f-dabc481a006d> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
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Siehe die Pressemitteilung des BMWK zu diesem Sachverhalt: »Chipfabrik Elmos darf nicht an chinesischen Investor verkauft werden – Bundeskabinett untersagt Verkauf«, Pressemitteilung, Berlin, 9.11.2022, <https://www.bmwk.de/ Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/11/20221109-chip fabrik-elmos-darf-nicht-an-chinesischen-investor-verkauft-werden.html> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
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Siehe hierzu die Kurzanalyse des Technologieexperten Jan-Peter Kleinhans auf X (ehemals Twitter) vom 8.11.2022, <https://x.com/JPKleinhans/status/1589977020083363841> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 77
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Dies ist ein Beispiel dafür, dass deutsche Chinapolitik immer auch in Verbindung mit den transatlantischen Beziehungen sowie der sino-amerikanischen Rivalität gedacht werden muss. Das ist keine Kausalität, aber ein weiterer Kontext, der in dieser Analyse jedoch nicht im Fokus steht. Siehe zum Thema beispielsweise Sebastian Biba, »Germany’s Relation with the United States and China from a Strategic Triangle Perspective«, in: International Affairs, 97 (November 2021) 6, S. 1905–1924, DOI: 10.1093/ia/iiab170 (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 78
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Siehe Roderick Kefferpütz/Barbara Pongratz, China-Politik verankern: Die unterschätzte Rolle des Bundestags bei der Gestaltung deutsch-chinesischer Beziehungen, Berlin: MERICS, 8.12.2022, <https://merics.org/de/studie/china-politik-verankern-die-unterschaetzte-rolle-des-bundestags-bei-der-gestaltung-deutsch> (letzter Zugriff am 1.8.2024). Die Ergebnisse der vorliegenden Analyse basieren auf eigenen Erhebungen und Auswertungen der Tagesordnung im Deutschen Bundestag.
- 79
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Zum Vergleich: In der gesamten 18. Wahlperiode waren es nur vier Sitzungen mit Chinabezug.
- 80
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Kommission Internationale Politik (KIP) der SPD, Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch, Berlin, 20.1.2023, S. 5, <https://www.spd.de/fileadmin/internationale politik/20232001_KIP.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024). Innerhalb der SPD hat sich auch der eher wirtschaftlich orientierte Seeheimer Kreis im April 2023 mit einem Papier zum Thema China geäußert. Der Umgang mit dem Land wird hier als »eine unserer zentralen wirtschaftspolitischen Herausforderungen« beschrieben. Die Reduktion von Abhängigkeiten durch die Stärkung und Absicherung des deutschen und des europäischen Marktes, insbesondere auch von kleinen und mittleren Unternehmen, sind darin Hauptthemen. Siehe Seeheimer Kreis, Für einen mehrdimensionalen wirtschaftspolitischen Umgang mit China, Seeheimer Strategiepapier, April 2023, S. 1, <https://www.seeheimer-kreis.de/ fileadmin/data/documents/20230416_Seeheim_Strategie papier_Wirtschaft_China.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
- 81
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Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag, Positionspapier der FDP-Fraktion zur China-Strategie, Berlin, Februar 2023, <https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2023-02/Positionspapier%20zur%20China-Strategie.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024) [im Folgenden FDPStrat].
- 82
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CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Souveränität aus eigener Stärke – Eckpfeiler einer neuen China-Politik, Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Berlin, 18.4.2023, <https://www.cducsu.de/sites/default/ files/2023-04/PP%20Eckpfeiler%20China-Politik%20neu.pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024) [im Folgenden CDU/CSUStrat].
- 83
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Auswärtiges Amt (Hg.), China-Strategie der Bundesregierung, Berlin 2023, <https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2608578/ 810fdade376b1467f20bdb697b2acd58/china-strategie-data. pdf> (letzter Zugriff am 1.8.2024) [im Folgenden ChinStrat].
- 84
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Mit dem europäischen Dreiklang wird in den Papieren der Fraktionen ganz unterschiedlich umgegangen: In dem der SPD schwingt er immer mit, in dem der CDU/CSU kommt er eigentlich nur noch indirekt vor, im Zentrum steht eher die Politik des De-Risking. Das FDP-Papier setzt auf eine umgekehrte Reihenfolge des Dreiklangs, sodass die Rivalität mehr Gewicht erhält.
- 85
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Dass es in konkreten Aspekten Unterschiede gibt, liegt unter anderem an den unterschiedlichen Dokumententypen und an spezifisch parteipolitischen Sichtweisen.
- 86
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Am ehesten wird ein klares Ziel für die Beziehungen mit China noch von Seiten der FDP genannt mit dem Hinweis auf eine »strategische und abgestimmte Abschreckungspolitik« (FDPStrat [wie Fn. 81], S. 4).
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An anderer Stelle heißt es: »Mit dieser Agenda stärken wir unsere eigenen Kapazitäten, treten dem chinesischen Streben nach Technologieführerschaft entgegen und reduzieren Abhängigkeiten bei strategisch wichtigen Gütern« (CDU/CSUStrat [wie Fn. 82], S. 23). Im FPD-Papier ist ein Unterkapitel direkt mit »Stärken identifizieren und ausspielen« überschrieben (FDPStrat [wie Fn. 81], S. 7).
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Siehe ChinStrat [wie Fn. 83], S. 10: »Wir wollen die Resilienz unserer Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft stärken und dabei die Offenheit unseres Systems bewahren.«
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Das vierte Kapitel der China-Strategie [wie Fn. 83] widmet sich komplett der »Stärkung Deutschlands und der EU«.
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In der englischen Übersetzung der China-Strategie ist von »aims« die Rede. Im Englischen steht »aim« oder »goal« allerdings für ein längerfristiges, übergeordnetes Ziel. »Objectives« ist als Begriff konkreter und detaillierter, er steht eher für Teilziele oder Instrumente, die notwendig sind, um ein »goal« zu erreichen. Im Deutschen kann alles gleichermaßen mit »Ziel« übersetzt werden.
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Die 64 Seiten lange China-Strategie fokussiert zusätzlich auf internationale Instrumente der Absicherung, darunter zum Beispiel der Auf- und Ausbau globaler Partnerschaften oder die Diversifizierung der Wirtschaftsbeziehungen. Außerdem wird eine Reihe eher allgemeiner Elemente deutscher Außenpolitik betont, insbesondere die Verbundenheit zu internationalen, multilateralen Organisationen (Welthandelsorganisation, Vereinte Nationen). Auffällig ist die sehr knappe Positionierung gegenüber globalen Initiativen Chinas, vor allem die Begründung der Nichtbeteiligung an denselben, womit aber die Zusammenarbeit in bestimmten Politikfeldern nicht von vornherein ausgeschlossen wird. Auch hier spiegelt sich die Ambivalenz der deutschen Chinapolitik wider.
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European Commission, »Speech by President von der Leyen on EU-China Relations to the Mercator Institute for China Studies and the European Policy Centre«, 30.3.2023, <https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ speech_23_2063> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
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Dies bezog sich vor allem auf die Auswirkungen des Handelskrieges; siehe Chad P. Bown, Four Years into the Trade War, Are the US and China Decoupling?, Washington, D.C.: Peterson Institute for International Economics, 20.10.2022, <https://www.piie.com/blogs/realtime-economics/four-years-trade-war-are-us-and-china-decoupling> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
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Ursula von der Leyen macht dies in ihrer Rede explizit deutlich: »I believe it is neither viable – nor in Europe’s interest – to decouple from China. Our relations are not black or white – and our response cannot be either. This is why we need to focus on de-risk – not de-couple« (von der Leyen [wie Fn. 92]).
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Europäische Kommission, »Ein EU-Konzept zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherheit«, Pressemitteilung, Brüssel, 20.6.2023 (aktualisiert), <https://ec.europa.eu/ commission/presscorner/detail/de/IP_23_3358> (letzter Zugriff am 19.8.2024).
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European Commission, »Commission Proposes New Initiatives to Strengthen Economic Security«, Pressemitteilung, Brüssel, 24.1.2024, <https://ec.europa.eu/commission/ presscorner/detail/en/ip_24_363> (letzter Zugriff am 1.8.2024).
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So heißt es in Max Webers Aufsatz zur »Objektivität« sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis: »Er [der Idealtypus] ist ein Gedankenbild, welches nicht die historische Wirklichkeit oder gar die ›eigentliche‹ Wirklichkeit ist, welches noch viel weniger dazu da ist, als ein Schema zu dienen, in welches die Wirklichkeit als Exemplar eingeordnet werden sollte, sonders welches die Bedeutung eines rein idealen Grenzbegriffes hat, an welchem die Wirklichkeit zur Verdeutlichung bestimmter bedeutsamer Bestandteile ihres empirischen Gehalts gemessen, mit dem sie verglichen wird.« Max Weber, »Die ›Objektivität‹ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis«, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hg. v. Johannes Winckelmann, 7. Auflage, Tübingen: Mohr Siebeck, 1988, S. 146–214 (194).
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Barry Buzan/Ole Wæver/Jaap de Wilde, Security. A New Framework for Analysis, London 1998.
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Dieses stark vereinfachte Beispiel dient zur Verdeutlichung der Argumentation.
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Buzan/Wæver/de Wilde, Security [wie Fn. 98], S. 24f.
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Thierry Balzacq benennt diese soziologische Lesart der Versicherheitlichung. Hierbei betont er auch die aktive Rolle des Adressaten (zum Beispiel Bundestag oder Öffentlichkeit), die nicht ignoriert werden kann. Versicherheitlichung ist auf die relationale Beziehung zwischen Sprecher und Publikum angewiesen. Siehe Thierry Balzacq, »The ›Essence‹ of Securitization: Theory, Ideal Type, and a Sociological Science of Security«, in: International Relations, 29 (März 2015) 1, S. 103–113, DOI: 10.1177/0047117814526606b (letzter Zugriff am 1.8.2024).
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Siehe zur Diskussion von Anpassung, besonders zur Zunahme »reaktiver Praktiken struktureller Anpassung«, Philipp Staab, Anpassung. Leitmotiv der nächsten Gesellschaft, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2022. Staab argumentiert, dass wir nicht mehr im Zeitalter des Fortschritts, sondern dem der Anpassung leben. Das erfordere aktive Handlungsfähigkeit und passives Reagieren.
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Hierbei geht es nicht darum zu widersprechen, dass es in China tatsächlich Entwicklungen gibt, die für Deutschland und die EU relevant sind und auf die reagiert werden muss. Im Vordergrund steht an dieser Stelle vielmehr die Eigendynamik der Versicherheitlichung, die immer auch die Gefahr birgt, eine selbsterfüllende Prophezeiung zu werden. Beispielsweise weil übersehen wird, dass die politische Entscheidung einer Seite immer auch Gegenreaktionen auf der anderen Seite hervorrufen kann, und weil politische Entscheidungen nie nur in eine Richtung wirken.
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Hier und im Folgenden: BMWK, Industriepolitik in der Zeitenwende [wie Fn. 71].
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Dies spiegelt sich auch wider in einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion über die »Einsetzung einer Kommission zur Überprüfung der sicherheitsrelevanten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China« vom November 2023. Der Zusammenhang Wirtschaft, Sicherheit, China und Geopolitik war auch hier die treibende Kraft. Dabei ging es um eine vor allem von Expert:innen besetzte Kommission, die damit betraut werden sollte, dem Parlament binnen Jahresfrist Handlungsoptionen aufzuzeigen, wie die Sicherheit und Verlässlichkeit der Wertschöpfungsketten und Investitionen zwischen beiden Ländern verbessert werden könnte. Der Antrag wurde abgelehnt. In der Plenumsdebatte vom 17.5.2024 verwies Dr. Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin beim BMWK, auf die relevanten Tätigkeiten der Bundesregierung: »Sie [Bezug auf Jens Spahn] haben konkrete Punkte aufgeschrieben, und es ist gut, dass Sie das getan haben. Weite Teile davon haben wir nicht nur adressiert, sondern auch schon abgearbeitet.« Der Aspekt, dass durch eine Kommission auch mehr Chinawissen im Parlament entstehen würde, geriet in der Plenumsdebatte in den Hintergrund; siehe Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 20/170, Berlin, 17.5.2024, S. 21987, <https://dserver.bundes tag.de/btp/20/20170.pdf> (letzter Zugriff am 2.8.2024).
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Siehe dazu ausführlicher Nadine Godehardt, The Chinese Constitution of Central Asia. Regions and Intertwined Actors in International Relations, New York 2013, S. 60–69.
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Siehe hierzu Hannah Arendt, The Human Condition, 2. Auflage, Chicago und London: University of Chicago Press, 2018.
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Assoziative Politik basiert folglich auf Aristoteles’ Verständnis von Freundschaft, dessen unterschiedliche Typen er in der Nikomachischen Ethik entwarf, wie die Autorin an anderer Stelle hervorhebt; siehe Godehardt, Chinese Constitution of Central Asia [wie Fn. 106], S. 64: »[…] friendship is not only considered as a perfect friendship that stems from the goodness of people. The political and passionate types of friendship, in fact, show that aspects of conflict, controversies or distrust are constant challenges faced. Friendship does not exclude the potential for rivalries, enmity or even war. After all, friendship can also be dissolved.«
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Siehe hierzu Carl Schmitt, The Concept of the Political, 2. Auflage, Chicago und London: The University of Chicago Press, 2007.
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Peter Bachrach/Morton S. Baratz, »Decisions and Nondecisions: An Analytical Framework«, in: The American Political Science Review, 57 (1963) 3, S. 632–642, DOI: 10.2307/1952568 (letzter Zugriff am 2.8.2024).
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In der China-Strategie wird deutlich gemacht, dass keine zusätzlichen Ressourcen für die Umsetzung zur Verfügung gestellt werden und entsprechende Vorhaben »in die jeweiligen Einzelpläne des Bundeshaushalts im Wege der Priorisierung« eingefügt werden (ChinStrat [wie Fn. 83], S. 9). Dazu soll zwar die chinapolitische Koordinierung innerhalb der Bundesregierung gestärkt werden, was aber keine strukturellen Veränderungen oder den expliziten Aufbau von Chinawissen impliziert. Die China-Strategie bleibt also auch in diesem Zusammenhang vage.
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Siehe hierzu Europäische Kommission, »Europäisches Gesetz zu kritischen Rohstoffen«, 16.3.2023, <https://commis sion.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/ european-green-deal/green-deal-industrial-plan/european-critical-raw-materials-act_de> (letzter Zugriff am 2.8.2024); Eliza Gkritsi: »EU Gives Final Green Light to Critical Raw Materials Strategy«, in: Euractiv, 18.3.2024, <https://www. euractiv.com/section/circular-economy/news/eu-gives-final-green-light-to-critical-raw-materials-strategy> (letzter Zugriff am 2.8.2024).
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Das Gesetz muss aufgrund der im Mai 2024 angenommenen strengeren EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) nochmals überarbeitet werden.
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Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) veröffentlichte im März 2024 ein Positionspapier zur Forschungssicherheit in der Zeitenwende. Ausgangspunkt hierfür war der Umbruch in der internationalen Ordnung, wie es auf der Website zur Ankündigung heißt: »Multipolarität, hybride Bedrohungen und systemische Rivalität, gerade mit China, haben auch schon davor stetig zugenommen.« Ziel ist, »das hohe Gut der Wissenschaftsfreiheit mit sicherheitspolitischen Interessen in der internationalen Zusammenarbeit in Einklang« zu bringen und »die technologische Souveränität Deutschlands« zu gewährleisten. Auch im Dokument wird sowohl der Hinweis auf Russlands Überfall auf die Ukraine als auch der Verweis auf China angeführt. Ähnlich wie im Dokument zur Industriestrategie des BMWK zeigt sich hier der Nutzen des globalen Zeitenwende-Narrativs inklusive Bezug zu China vor allem darin, innenpolitische Veränderungen durchzusetzen. Siehe BMBF, »Forschungssicherheit in der Zeitenwende«, Berlin, 15.3.2024, <https:// www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/2024/03/240311-positionspapier-forschungssicherheit.html> (letzter Zugriff am 2.8.2024).
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Die im vorliegenden Kapitel dargelegten Erkenntnisse stammen aus einem dreijährigen Forschungsprojekt, das von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) gefördert wurde (2021–2023). Das Team aus Expert:innen führte über 80 Interviews, anonymisierte und analysierte sie. Der Fokus lag auf drei großflächig definierten Untersuchungsregionen: dem Großraum Düsseldorf/Duisburg, der Metropolregion Hannover–Braunschweig–Göttingen–Wolfsburg und der Metropolregion Mitteldeutschland (vor allem Sachsen/Thüringen). Die Autorin war Koleiterin des Projekts. Hier teilweise übernommen aus: Andrea Frenzel/Nadine Godehardt/Stefan Pantekoek/ David Schulze, Kommunen: Kernstück deutscher China-Politik. Entwicklungen und Zukunftsperspektiven, Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, Februar 2024 (FES-Studie), <https://library.fes.de/pdf-files/international/21026-2024 0229.pdf> (letzter Zugriff am 2.8.2024).
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Frenzel/Godehardt/Pantekoek/Schulze, Kommunen [wie Fn. 115], S. 2.
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Ebd., S. 31.
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Nationale Sicherheitsstrategie [wie Fn. 13].
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Siehe den Konferenzbericht über den 70. Jahrestag der Fünf Prinzipien für friedliche Koexistenz, »Xi Calls for Carrying Forward Five Principles of Peaceful Coexistence«, Xinhua, 9.6.2024, <https://english.www.gov.cn/news/202406/29/con tent_WS667f5847c6d0868f4e8e8adf.html> (letzter Zugriff am 7.8.2024).
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ISSN (Online) 2747-5115
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