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Die Lösung der Zypernfrage rückt in Sichtweite

Auch wenn die Verhandlungen in der Schweiz noch nicht zum Durchbruch geführt haben, ist die Lösung der Zypernfrage in greifbare Nähe gerückt. Ioannis N. Grigoriadis über die Konflikte, die noch gelöst werden müssen, damit es im Jahr 2017 zur Wiedervereinigung der gespalteten Insel kommen kann.

Kurz gesagt, 02.12.2016 Forschungsgebiete

Auch wenn die Verhandlungen in der Schweiz noch nicht zum Durchbruch geführt haben, ist die Lösung der Zypernfrage in greifbare Nähe gerückt. Ioannis N. Grigoriadis über die Konflikte, die noch gelöst werden müssen, damit es im Jahr 2017 zur Wiedervereinigung der gespalteten Insel kommen kann.

Die Hoffnung, dass es im Zypernkonflikt nach achtzehnmonatigen Verhandlungen über die Wiedervereinigung der seit 1974 gespalteten Inselrepublik zu einem Durchbruch kommt, ist vorerst enttäuscht worden. Im schweizerischen Mont Pèlerin sind der griechisch-zypriotische Präsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiades, und der Volksgruppenführer der türkischen Zyprioten, Mustafa Akinci, vor allem am Streit über die Verhandlungsmodalitäten gescheitert. Während Akinci darauf bestand, die drei Kernthemen Territorium, Ausgestaltung der Staatsführung und Sicherheit gemeinsam zu verhandeln, beharrte Anastasiades darauf, dass man sich zunächst über Territorialfragen einigen müsse. Inhaltlich aber war durchaus Kompromissbereitschaft zu erkennen, und so bleibt es im Rahmen des Vorstellbaren, dass es doch noch zu einer Einigung kommt, wenn im Januar erneut verhandelt wird. Gelingt dies, müsste das Abkommen, das auch die Rückkehr der 250.000 Vertriebenen oder deren Entschädigung regelt, möglichst noch im Frühjahr 2017 im Rahmen zweier Referenden durch die griechischen und türkischen Zyprioten bestätigt werden. Denn die Zeit drängt: Je näher die Präsidentschaftswahlen in der Republik Zypern im Frühjahr 2018 rücken, desto schwieriger wird die Zusammenarbeit der zwei größten Parteien, der konservativen DISY und der linken AKEL. Parteiinteressen werden die Solidarität, die für eine erfolgreiche Referendumskampagne notwendig ist, schwächen.

Tauziehen um Territorium, Staatsführung und Sicherheit

Die Aufteilung des Territoriums in einer föderalen Republik Zypern war das meist diskutierte Thema in Mont Pèlerin. Vor allem die griechisch-zypriotische Seite besteht darauf, einen Teil des seit dem Krieg von 1974 unter türkisch-zypriotischer Kontrolle stehenden Territoriums zurückzuerhalten. Dabei geht es vor allem um die bis 1974 fast ausschließlich von griechischen Zyprioten bewohnte Stadt Morphou (türkisch: Güzelyurt) im Nordwesten und die küstenreiche Karpasia-Halbinsel im Nordosten. Da Akinci nicht bereit war, diese Frage losgelöst von den übrigen Themenkomplexen zu diskutieren, verweigerte er sich der griechisch-zypriotischen Forderung trotz der prinzipiellen Bereitschaft, Territorium zu übergeben.

Eine Kompromisslinie beim zweiten Schwerpunkt der Schweizer Verhandlungen, bei der Regelung der Staatsführung, könnte eine rotierende Präsidentschaft sein, bei der die griechisch-zypriotische Seite zwar den Großteil der Zeit den Präsidenten stellt, aber zeitweise auch ein türkisch-zypriotischer Präsident amtieren würde. Die griechisch-zypriotischen Verhandlungsführer zeigten hier die Bereitschaft zu Zugeständnissen, obwohl die Verfassung der Republik Zypern von 1959 einen griechisch-zypriotischen Präsidenten und einen türkisch-zypriotischen Vize-Präsidenten vorsieht. Ein Kompromiss wird wahrscheinlicher, wenn die griechisch-zypriotische Seite im Gegenzug das beanspruchte Territorium erhält.

Schließlich stritt man in Mont Pèlerin über Sicherheitsfragen, die mit großen Ängsten auf beiden Seiten einhergehen: Die griechischen Zyprioten fürchten das auf der Insel stationierte türkische Militär, die türkischen Zyprioten die griechisch-zypriotische Bevölkerungsmehrheit. Die griechisch-zypriotische Seite verlangt entsprechend, die ganze Insel zu demilitarisieren, während die türkischen Zyprioten nicht auf die Anwesenheit türkischer Truppen verzichten wollen. Auch über die Zukunft des internationalen Garantieregimes wurde gestritten, in dessen Rahmen Griechenland, die Türkei und das Vereinigte Königreich seit 1959 als Garanten der Republik Zypern auftreten. Die türkischen Zyprioten wollen, dass die Türkei ihre Rolle als Garantiemacht weiterführt, während die griechischen Zyprioten die komplette Abschaffung des Garantieregimes verlangen. Ein Teilkompromiss könnte etwa darin bestehen, dass Teile der türkischen Truppen durch Verbände von Nato- oder EU-Partnern ersetzt werden. Wie es mit dem Garantieregime insgesamt weitergeht, bleibt angesichts der harten Haltung Griechenlands und der Türkei aber weiterhin offen.

Denn eine zusätzliche Unwägbarkeit bei der Lösung des Zypernkonfliktes besteht in der Haltung der Garantiemächte selbst. Die größten Eigeninteressen verfolgt die Türkei, deren über 30.000 Soldaten im Norden der Insel stationiert sind. Bisher schien Ankara dazu bereit, ein Abkommen zwischen den zwei Volksgruppen gutzuheißen, aber mit Blick auf die jüngsten politischen Entwicklungen in dem Land ist ungewiss, ob es dabei bleibt. Die Abhängigkeit der türkischen Zyprioten von der Türkei aber ist groß, so dass es ohne deren Unterstützung nicht zum Frieden kommen wird. Griechenland hat seit 1974 darauf verzichtet, eine führende Rolle in den Verhandlungen zu beanspruchen. Allerdings hat das Land bisher darauf bestanden, dass das Garantiesystem abgeschafft wird; seine strikte Ablehnung, sich auch nur an einer Diskussion über eine Reform des Garantiesystems zu beteiligen, war wohl einer der Gründe für das Scheitern in Mont Pèlerin. Das Vereinigte Königreich schließlich, die ehemalige Kolonialmacht, die noch über zwei souveräne Militärbasen auf der Insel verfügt, hat signalisiert, dass es einer Entscheidung der zwei zypriotischen Parteien über das Sicherheitsregime folgen würde. Mit dem Angebot, zugunsten der künftigen Teilstaaten auf Teile der Fläche seiner Militärbasen zu verzichten und eine Reform des Garantiesystems zu unterstützen, nimmt das Vereinigte Königreich eine konstruktive Haltung in den Verhandlungen ein.

Internationale Finanzhilfen für die Entschädigung Vertriebener

Wie stehen nun die Friedenschancen nach der Enttäuschung von Mont Pèlerin? Die Tatsache, dass sich Kompromisslinien immerhin abzeichnen, ist den Vereinten Nationen Anlass genug, die Verhandlungen fortzusetzen; dabei wird es im Januar zunächst um die umstrittenen Verhandlungsmodalitäten gehen: Welches Thema wird wann in welchem Kreis verhandelt? Gelingt es, hierüber Einigkeit zu erzielen, rücken inhaltliche Kompromisse in greifbare Nähe.

Die internationale Gemeinschaft indessen sollte ihren Teil zur Wiedervereinigung der Insel beitragen. Ein Finanzpaket zur Deckung der erheblichen Kosten einer Lösung wurde zwar von den Vereinten Nationen, den USA und der Europäischen Union versprochen, bisher aber ist es nicht konkret ausgestaltet worden. Entscheidend ist die verlässliche Bereitstellung von Mitteln für die Entschädigung Vertriebener, ohne die die Referenden scheitern könnten. Schließlich bedarf es auch innovativer Ideen zur Beilegung des Konflikts beim Thema Sicherheit. Die historische Chance, einen der ältesten Konflikte der Welt beizulegen, sollte nicht ungenutzt verstreichen.

Der Text ist auch bei EurActiv.de und Zeit.de erschienen.