Die Klimaverhandlungen in Kattowitz, Polen, endeten mit der Verabschiedung eines Regelwerks für das Pariser Abkommen. Es ist ein multilaterales Zeichen in Zeiten, in denen sich immer mehr Staatenlenker vom Klimaschutz verabschieden, meint Susanne Dröge.
Kurz gesagt, 17.12.2018 ForschungsgebieteSusanne Dröge
Die Klimaverhandlungen in Kattowitz, Polen, endeten mit der Verabschiedung eines Regelwerks für das Pariser Abkommen. Es ist ein multilaterales Zeichen in Zeiten, in denen sich immer mehr Staatenlenker vom Klimaschutz verabschieden, meint Susanne Dröge.
In Kattowitz im schlesischen Kohlerevier kamen in den vergangenen zwei Wochen die Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens zusammen, um dessen Inhalte von 2015 zu präzisieren. Ziel war es, für die Zeit ab 2020 klare Regeln zu formulieren, um den Vertrag anwenden zu können, beispielsweise durch Vorgaben für Messmethoden oder Berichtspflichten zu Klimadaten und Finanzströmen. Die COP24 wurde insofern zu einem entscheidenden Klimagipfel, galt es doch, das multilaterale Abkommen zukunftsfest zu machen.
Das Zustandekommen des Pariser Abkommens vor drei Jahren war ein diplomatischer Kraftakt und gelang nur, weil alte Gräben überwunden werden konnten, insbesondere jener zwischen den USA und China. Das Leitmotiv des Klimavertrags ist seine Universalität – die Pflichten gelten für alle Vertragsstaaten. Während das Abkommen beim Klimaschutz und den Finanzhilfen weiterhin die Industrieländer stärker in die Pflicht nimmt, müssen sich aufstrebende Volkswirtschaften wie Brasilien, China und Indien, ebenfalls engagieren, etwa durch nationale Klimaziele. In Kattowitz wäre dieser Fortschritt fast dahin gewesen. Als sei in den 26 Jahren seit Verabschiedung der Klimarahmenkonvention kein Fortschritt erzielt worden, verhandelten wichtige Staaten wieder entlang der alten Logik einer Zweiteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer, allen voran China und die ölreichen Länder, angeführt von Saudi Arabien.
Verwirrend waren vor allem die Töne, die China und die USA anschlugen. Seit 2011, als sich in Durban über 100 Entwicklungsländer der G77 gegen die Interessen Chinas und Indiens auf die Seite der EU begaben, fällt es den chinesischen Verhandlern schwer, sich neu zu positionieren. 2015 war es den USA unter Präsident Obama gelungen, die langjährige gegenseitige Blockade zu lösen. Dass sich die Chinesen zu Beginn der Verhandlungen in Kattowitz erneut auf alte Positionen zurückzogen, mag an dem zugespitzten Handelsstreit mit Präsident Trump liegen, der die chinesische Regierung unter wirtschaftlichen Druck setzt. So bestand China zunächst darauf, bei den Berichtspflichten als Entwicklungsland weniger streng behandelt zu werden. Doch gegen Ende der COP24 konnte die EU einen diplomatischen Erfolg erzielen und die chinesischen Unterhändler von einem Umsteuern überzeugen.
So gelang es schließlich, im Regelbuch zu verankern, dass die Mess- und Berichtspflichten für alle Staaten gleich lauten – eine Lockerung gibt es nur in Ausnahmefällen. Ab 2024 soll nun alle zwei Jahre berichtet werden, alle fünf Jahre wird geprüft, inwieweit die globalen Ziele erreicht sind (»global stocktake«). Die Volksrepublik hat sich damit zum ersten Mal als ernstzunehmender EU-Partner positioniert, nachdem den vollmundigen Ankündigungen des Präsidenten Xie Jingping, China sei auf dem Weg zur neuen Klimaführungsmacht, keine Taten zu folgen schienen.
Die USA, die 2020 aus dem Pariser Abkommen aussteigen wollen, sind in Polen, wie schon 2017, in drei Formationen aufgetreten: Zum einen engagierten sich US-Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen als »We are still in«-Bewegung demonstrativ für das Paris-Abkommen. Das US-Verhandlerteam trat überwiegend mit Personal aus der Obama-Ära an, das bei Erstellung der Textentwürfe darauf achtete, dass eine Rückkehr in das Paris-Abkommen nach einem künftigen Regierungswechsel möglich bleibt. Die offizielle US-Position hingegen kam zum Tragen, als die US-Verhandlungsführung für den Einsatz von Kohle und Gas warb und sich weigerte, den jüngsten Bericht des Weltklimarats zum 1,5 Grad-Ziel zu begrüßen – ein Bericht, der für die vom Klimawandel stark betroffenen armen Länder hohen symbolischen Wert hat, da er deutlich die zu erwartenden Klimarisiken illustriert. Auch Saudi-Arabien, Kuwait und Russland wollten den Bericht lediglich »zur Kenntnis« nehmen, statt ihn zu »begrüßen«. Damit war die Stimmung zur Halbzeit der Verhandlungen zunächst einmal im Keller. Am Ende konnte man sich immerhin die gemeinsame Formel abringen, man begrüße das pünktliche Erscheinen des Berichts.
Seit dem Ausscheren der USA aus dem Paris-Abkommen sucht die Europäische Union händeringend nach neuen Verbündeten mit Potenz; mit China könnte eine solche neue Partnerschaft entstehen. Fraglich bleibt, ob sie substanziellen Klimaschutz hervorbringt. Dasselbe gilt für die angestrebten Allianzen auch mit Kanada und Mexiko. Es ist entscheidend, dass sich hier etwas tut, denn die armen Länder, die sich vor allem an der EU orientieren, erkennen zunehmend, dass es in der Union Probleme mit der Umsetzung der eigenen Klimaziele gibt. So erhielt etwa die Bundesregierung in Kattowitz den Negativpreis »Fossil des Tages« der Zivilgesellschaft, weil weder die Emissionsziele für 2020 erreicht wurden, noch die Kohleverstromung absehbar eingestellt wird.
Dass die EU an Stärke gewinnt, ist auch deshalb wichtig, weil Brasilien, das in den vergangen Jahren als konstruktiver Partner in den Klimaverhandlungen aufgetreten ist, unter dem neuen nationalistischen Präsidenten Jair Bolsonaro zum Ausfall werden dürfte. Dies wird für die Gruppe der lateinamerikanischen Länder zur Herausforderung, mit denen Brasilien bisher an einem Strang gezogen hatte.
Die Gastgeber Chile und Costa Rica haben 2019 für die COP25 bzw. dem Vorbereitungstreffen Pre-COP zwei dicke Bretter zu bohren. Zum einen fehlen dem Regelbuch noch Details zu der Frage, wie der globale Emissionshandel ab 2020 gestaltet werden soll. Eine Einigung scheiterte in Kattowitz an den Brasilianern. Mit Emissionszertifikaten, die unter dem Kyoto Protokoll eingeführt wurden, können Unternehmen mit Projekten, die dem Klimaschutz dienen, Geld verdienen. Brasilien hatte in der Vergangenheit aber Projekte angemeldet, die keinen zusätzlichen Klimaeffekt hatten, und möchte diese Praxis fortführen. Mit dem Amtsantritt Bolsonaros steht nicht zu erwarten, dass Brasilien von dieser Position abweicht. Zum anderen müssen die Gastgeber der COP25 erreichen, dass die Staaten die notwendigen und zum Teil bereits verkündeten höheren Klimaschutzanstrengungen und Klimafinanzierungen auch tatsächlich liefern.
Das Paris-Abkommen wird durch die Verabschiedung des Regelbuchs gefestigt, denn es enthält nun verbindliche Anleitungen, wie Staaten bei ihren Bemühungen rund um das Klima vorankommen sollen. Der politische Wille, dies auch zu tun, bleibt angesichts der wachsenden Verwerfungen zwischen den bedeutendsten Akteuren ungewiss.
Dieser Text ist auch bei EurActiv.de erschienen.
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