Stand und Perspektiven der Transition nach dem Nato-Gipfel in Chicago
SWP-Studie 2012/S 17, 07.08.2012, 30 Seiten ForschungsgebieteDie Verantwortung für die Sicherheit Afghanistans soll bis Ende 2014 in allen Provinzen vollständig von der Nato-Schutztruppe auf die afghanischen Sicherheitskräfte (Afghan National Security Forces, ANSF), das heißt in erster Linie Armee und Polizei, übergehen. Der Nato-Gipfel im Mai 2012 hat den bestehenden Fahrplan der Transition noch einmal bestätigt.
Neben der operativen Entwicklung der ANSF stehen zwei Probleme im Mittelpunkt der Studie: zum einen die Existenz der Milizen, die dem Aufbau eines staatlichen Gewaltmonopols in Afghanistan entgegenstehen, und zum anderen der Zustand der afghanischen Regierungsstrukturen (governance), die gestärkt werden müssen, damit die Übergabe der Sicherheitsverantwortung dauerhaft sein kann.
Der Erfolg der Transition hängt nicht nur von den weiteren politischen Entwicklungen in Afghanistan und vom „langen Atem“ der Regierung in Kabul, der ISAF-Truppensteller und der internationalen Geber bei der Umsetzung der nötigen Reformen ab. Es geht nicht zuletzt auch darum, jene Widersprüche in den Zielsetzungen so weit wie möglich abzubauen, die die internationale Afghanistan-Politik seit 2002 gekennzeichnet haben. Weil ein gemeinsamer strategischer Rahmen fehlte und wegen der andauernd schlechten Sicherheitslage hat die von den USA geführte internationale Koalition in Afghanistan gleichzeitig den Security-Sector-Reform-Ansatz verfolgt, militärische Aufstandsbekämpfung betrieben und auf lokaler Ebene durch Ad-hoc-Vereinbarungen mit „power brokern“ versucht, Stabilität zu schaffen. Im Zuge der fortlaufenden Transition werden die Regierung in Kabul und ihre ausländischen Partner die Prioritäten stärker auf den längerfristigen Aufbau des afghanischen Sicherheitssektors ausrichten müssen.