Zwei gegenläufige Entwicklungen als Stabilitätsrisiko
SWP-Studie 2004/S 31, 15.08.2004, 20 Seiten ForschungsgebieteDie Volksrepublik China, eines der letzten Einparteienregime der Welt, wird im Westen bis heute wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Menschenrechte kritisiert. Dabei haben westliche Politiker und Unternehmer seit Beginn der wirtschaftlichen Öffnung Chinas unter Deng Xiaoping 1978 angesichts wachsender internationaler Verflechtungen der Volksrepublik auf eine friedliche Evolution in Richtung Demokratie und Rechtstaatlichkeit gesetzt. Diese Hoffnungen wurden 1989 durch das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens enttäuscht und blieben auch unter Dengs Nachfolger Jiang Zemin (1998-2003) getrübt. Seither werden besondere Erwartungen an die Machtübernahme durch eine "vierte Führungsgeneration" unter Staats- und Parteichef Hu Yaobang und Premierminister Wen Jiabao geknüpft.
Während China mit seinem WTO-Beitritt 2001 erhöhtem Globalisierungsdruck ausgesetzt und vermehrt von gesellschaftlichem Protest betroffen ist, hat sich die Menschenrechtslage abermals verschlechtert. Anzeichen für politische Reformbereitschaft fehlen auch weiterhin. Die Studie sucht die Frage zu beantworten, ob diese Reformunwilligkeit temporärer Natur oder im politischen System begründet ist. Obschon diese Frage nicht kategorisch zu beantworten ist, spricht der Versuch von Staat und Partei, sich auch in privatisierten Unternehmen unverhältnismäßig großen Einfluß zu sichern, für Systemimmanenz. Chinas kommunistische Führung glaubt, den Widerspruch zwischen Modernisierungsdruck und Einparteienherrschaft mit einer Mischung aus Öffnungs- und Strukturpolitik, Verbreiterung der eigenen Basis und gewaltsamer Unterdrückung jeglicher Opposition überbrücken und seine Sprengkraft kontrollieren zu können. Diese Erwartung ist im Lichte weltweiter Erfahrungen vermutlich trügerisch.