US-Präsident Biden hat mit dem Energie-Embargo den Druck auf Russland erhöht. Damit geht Biden auch ein innenpolitisches Risiko ein, wenn Benzinpreise und Inflation steigen. Die EU und Deutschland sollten nun nachziehen und Energie-Importe aus Russlands erheblich einschränken, meint Laura von Daniels.
Mit dem Embargo gegen Einfuhren von russischem Öl, Gas und Kohle reagieren die USA auf die russische Invasion in der Ukraine. Nach den zuvor erlassenen umfassenden und tiefgreifenden Sanktionen, soll auch das Embargo dazu beitragen, dass Russlands Präsident Putin die wirtschaftlichen Mittel genommen werden, die Ukraine dauerhaft unter russische Herrschaft zu bringen. Auch Großbritannien hat sich dem US-Embargo angeschlossen und will eigene Energieimporte aus Russland bis Jahresende aufgeben. Die EU zögert weiterhin, aus teils nachvollziehbaren, teils irrationalen Gründen.
Richtig ist, dass es den USA und Großbritannien wirtschaftlich weniger schadet, auf russische Rohölimporte zu verzichten als der EU, die stärker auf russisches Gas, Öl und Kohle angewiesen ist. Und es stimmt auch, dass der Schaden für Russland begrenzt bleibt, solange die EU nicht mitzieht. Nur rund ein Prozent der russischen Rohölexporte gingen im vergangenen Jahr jeweils in die USA und nach Großbritannien. Gas- und Kohlexporte dorthin sind ebenfalls unbedeutend. Bei einem gleichzeitigen Stopp der EU-Gasimporte wäre hingegen die Hebelwirkung eines westlichen Energie-Embargos für Russland verheerend. Zusammengenommen machten Öl- und Gasexporte über ein Drittel des russischen Staatshaushalts im vergangenen Jahr aus.
Mit seinem Präsidialerlass zum Energie-Embargo ist Biden dem Kongress zuvorgekommen. Die eigenen Demokraten und auch die Republikaner forderten zuletzt weitere Sanktionen gegen Russland. Mit der Verordnung behält Biden jedoch selbst das Heft des Handels in der Hand und kann zu einem späteren Zeitpunkt Maßnahmen wieder zurücknehmen ohne den – häufig langwierigen – Abstimmungsprozess im Kongress abwarten zu müssen. Hinter wirtschaftlichen Sanktion gegen Russland stehen laut einer Umfrage mehr als 80 Prozent der US-Bevölkerung. 79 Prozent der US-Bürgerinnen und Bürger sagten in einer weiteren Umfrage, dass sie das Embargo unterstützen, selbst wenn es zu Preissteigerung führt.
Trotzdem ist die Entscheidung mutig. Nicht nur, weil Biden und andere aktive und ehemalige Spitzenpolitiker inzwischen von der russischen Regierung mit Gegensanktionen belegt wurden. Der US-Präsident geht mit dem Energie-Embargo ein schwer kalkulierbares innenpolitisches Risiko ein. Bei der Verkündung des Importstopps stimmte der US-Präsident sein Volk auf Preissteigerungen ein, vor allem an den Tanksäulen. Dies würde in erster Linie die Bevölkerung in ländlicheren Gegenden treffen, die auf das Auto als Transportmittel angewiesen ist. Auch die Produktionskosten in der Landwirtschaft, die auf günstige Treibstoffe angewiesen ist, könnten erheblich steigen. Die Folgen, so ist es für Biden zu befürchten, könnten sich schon bei den Zwischenwahlen zum US-Kongress im November zeigen. Um die ausfallenden Importe aus Russland zu ersetzen und einen zu starken Anstieg der Benzinpreise zu verhindern, geht die Biden-Regierung inzwischen auf einige ihrer strategischen Rivalen, wie die Regierungen von Venezuela, Saudi-Arabien und Iran zu, von denen sie sich erhöhte Fördermengen erhofft. Schnelle Lösungen sind hier jedoch nicht zu erwarten. Putins Krieg in der Ukraine wirkt sich auch hier negativ aus, etwa weil er die Atomverhandlungen mit dem Iran zum Erliegen gebracht hat. Scheitern Bidens Versuche russisches Öl schnell zu ersetzten, droht ihm nicht nur der Hohn des politischen Gegners über mangelndes außenpolitisches Geschick. Der US-Präsident müsste darüber hinaus mit einem Anstieg der Inflation rechnen, die derzeit so hoch steht wie seit vierzig Jahren nicht. Die Republikaner werden keine Gelegenheit auslassen, sie ihm persönlich anzulasten. Die US-Notenbank Fed hat für Mitte März eine Zinsanhebung in Aussicht gestellt und derzeit sind weitere sechs Schritte über das Jahr hinweg wahrscheinlich. Wirtschaftsforscherinnen und -forscher warnen schon seit Monaten vor einer drohenden Stagflation, einer Mischung aus stagnierendem Wachstum bei weiterhin steigender Inflation. Die Gefahr könnte durch den Ukraine-Krieg noch ansteigen. Wächst dann die politische Unzufriedenheit, auch wegen anhaltender wirtschaftlicher Belastungen durch die Pandemie, könnte Biden nicht nur die Mehrheit im Kongress, sondern auch die demokratische Präsidentschaft 2024 verlieren.
Sanktionen wirken vor allem dann, wenn sie an klare Ziele gebunden sind. Die von den USA, den Europäern und weiteren Partnerländern weltweit verhängten Sanktionen entfalten bereits eine für die russische Wirtschaft fatale Wirkung. Tatsächlich kann Russland aufgrund von Sanktionen keine neuen Schulden mehr aufnehmen, wichtige Banken – allerdings nicht die an den Energiesektor gebundenen – sind aus dem SWIFT-System ausgeschlossen, wodurch Zahlungen mindestens erschwert und verzögert werden. Vor allem aber führt das Einfrieren der Zentralbankreserven mit großer Wahrscheinlichkeit dazu, dass die Banken zusammenbrechen. All diese Maßnahmen haben bewirkt, dass sich internationale Unternehmen vom russischen Markt zurückziehen – auf unabsehbare Zeit. Die drei größten Rating-Agenturen haben russische Anleihen inzwischen auf Ramschniveau herabgestuft. Während die russische Regierung ausstehende Zinszahlungen zuletzt noch in US-Dollar begleichen konnte, bezweifeln Finanzmarktakteure schon seit einigen Woche die zukünftige Zahlungsfähigkeit. Daher sprechen einige bereits von einem nahenden faktischen Default, dem Bankrott des russischen Staats.
Biden hat Recht behalten, als er Russland zu Beginn der Sanktionen Ende Februar prognostizierte, binnen eines Monats zum »Paria« der globalen Wirtschaft abzusteigen. Außerdem wird zurecht darauf hingewiesen, dass weitere Maßnahmen gegen den russischen Energiesektor das Kriegsgeschehen nicht unmittelbar beeinflussen. Auch ein Gas-Embargo der EU-Staaten oder weitere Sanktionen gegen Energieunternehmen und deren Finanzierer wie die Gazprombank werden Kriegsverbrechen nicht verhindern. Warum dann ein Embargo, vor allem, wenn ausbleibende Importe den sozialen Frieden in Westeuropa bedrohen könnten?
Es gibt für die EU gute Gründe dafür, die russischen Energieimporte zu beenden und es ist auch noch nicht zu spät dafür. Wenn sich die EU tatsächlich vom russischen Gas verabschiedet, sollte sie die Ziele klar benennen. Mit dem Importende würde Russland über Jahre oder Jahrzehnte die Möglichkeit genommen, seine Schulden aus neuen Import-Einnahmen zu begleichen, wirtschaftlich zu wachsen und wichtige Investitionen zu tätigen. Über Russlands Wirtschaft hängt dann der Schatten der Insolvenz. Vermutlich beeinflusst das auch die Überlegungen Chinas und anderer Länder, Russland weiter finanzielle Mittel zukommen zu lassen. Für eine dauerhafte Besetzung der Ukraine und weitere militärische Expansion Russlands würden Putin die Mittel fehlen.
Es sollte im Eigeninteresse der EU sein, nicht länger von Putin erpressbar zu sein. Auch wenn dies bedeutet, dass hohe Kosten auf die EU zukommen und wirtschaftlich starke Mitgliedsländer wie Deutschland gezwungen wären, einen höheren Anteil an diesen Kosten zu übernehmen und andere ebenfalls stark von Russland abhängige Staaten finanziell zu unterstützen. Zum gemeinsamen Ausstieg hatte die europäische Kommission bereits den Vorschlag gemacht, die russischen Gasimporte bis Jahresende um zwei Drittel zu reduzieren. Die vollständige Loslösung von russischen Energie-Importen könne dann bis 2030 erfolgen. Der Plan mag ambitioniert klingen und es ist noch viel Detailarbeit notwendig. Doch je früher sich die EU und Deutschland an die Umsetzung machen, desto schneller und besser können Märkte und auch Konsumentinnen und Konsumenten notwendige Anpassungen vornehmen.