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Atomdeal mit Iran: Falls Trump aussteigen will

US-Präsident Trump hetzt gegen das Atomabkommen mit dem Iran. Die Europäer könnten es gemeinsam mit einigen US-Politikern retten – doch das hätte dann seinen Preis. Ein Beitrag von Marco Overhaus

Kurz gesagt, 02.10.2017 Forschungsgebiete

US-Präsident Trump hetzt gegen das Atomabkommen mit dem Iran. Die Europäer könnten es gemeinsam mit einigen US-Politikern retten – doch das hätte dann seinen Preis. Ein Beitrag von Marco Overhaus.

Dass er das Iran-Atomabkommen für schlecht und einseitig hält, daraus hat US-Präsident Donald Trump nie einen Hehl gemacht. Vor der UN-Vollversammlung nannte er es unlängst gar "peinlich" für die USA. Doch was geschieht, sollte Washington tatsächlich aus der 2015 unterzeichneten Nuklearvereinbarung mit dem Iran, dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), ausscheren? Vieles spricht dafür, dass das Abkommen dann erledigt wäre.

Das sind düstere Aussichten, doch ein Scheitern des JCPOA ist noch gar keine ausgemachte Sache, denn ein gemeinsamer transatlantischer Ansatz bleibt möglich. Allerdings müssen sich Deutschland und seine europäischen Partner dann schnell einig werden, unter welchen Bedingungen sie einen solchen Ansatz politisch unterstützen würden.

Der Hintergrund ist folgender: Trump hat bislang noch keine Entscheidung verkündet, ob oder wie er die USA aus dem Nuklearabkommen herausziehen will. Der schnellste und unmittelbarste Weg wäre, dass er seine Vollmachten nutzt, um amerikanische Nuklearsanktionen wieder in Kraft zu setzen. Davor ist Trump bislang allerdings zurückgeschreckt.

Der Iran hat in Washington nicht viele Freunde

Der zweite Weg läuft über den US-Kongress. Der Präsident muss alle 90 Tage gegenüber dem amerikanischen Parlament bestätigen, dass sich der Iran weiterhin an seine Verpflichtungen aus dem JCPOA hält. Die nächste Deadline ist der 15. Oktober. Im Weißen Haus arbeitet eine Arbeitsgruppe daran, Argumente dafür zusammenzutragen, warum der Iran zumindest gegen den Geist des Abkommens verstoßen habe. Verweigert Trump diese certification, dann liegt der Ball beim Kongress – der kann dann innerhalb von 60 Tagen im Schnellverfahren Nuklearsanktionen per Gesetz wieder einführen. Äußerungen aus der Trump-Administration deuten daraufhin, dass der amerikanische Präsident diesen Weg gehen will.

Hier liegt die Chance für die Gegner eines einseitigen Rückzugs der USA aus dem Abkommen. Denn sie gibt es nicht nur in den Regierungszentralen von Berlin, Paris oder London, sondern auch im Beraterstab Trumps, im US-Kongress sowie im amerikanischen Militär. Ohne Zweifel hat der Iran in Washington nicht viele Freunde. Ein Gesetz zur Verschärfung der nicht-nuklearen Sanktionen ging jüngst mit großen überparteilichen Mehrheiten durch den Senat und das Repräsentantenhaus.

Doch selbst erklärte Iran-Falken und Skeptiker des JCPOA an entscheidenden Stellen im Kongress haben sich bislang gegen den einseitigen Rückzug der USA ausgesprochen. Sie plädieren stattdessen dafür, den Druck auf den Iran auf anderen Wegen zu erhöhen – mit zusätzlichen nicht nuklearen Sanktionen, mit Diplomatie und auch sicherheitspolitisch. Dies betrifft beispielsweise die führenden Senatoren beider Parteien im Auswärtigen Ausschuss des Senats, Bob Corker von den Republikanern und Ben Cardin von den Demokraten, sowie den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, Ed Royce, ein Republikaner.

Diese Konstellation bietet die Möglichkeit für eine transatlantische Verständigung, die das JCPOA rettet. Der Preis für die Europäer wäre allerdings, den härteren Iran-Kurs der USA außerhalb des Atomabkommens zu unterstützen. Das betrifft ein strikteres Vorgehen gegen das iranische Raketenprogramm, die Bereitschaft gemeinsam mit den USA zu gegebener Zeit über ein Nachfolgeabkommen mit dem Iran zu verhandeln und zumindest diplomatisch (wenn auch nicht militärisch) eine klare Position gegen die Einmischung Teherans in die Krisen im Mittleren Osten, sei es Syrien, der Jemen, Bahrain und andernorts, zu beziehen.

Dieser Preis ist keineswegs trivial, weil er zumindest in Teilen einen Kurswechsel europäischer Politik bedeuten würde. Die europäischen Signatarstaaten des JCPOA müssten sich dann sehr bald entscheiden, ob ihnen das Überleben des Abkommens dieser Preis wert ist.

Dieser Text ist zuerst bei Zeit Online erschienen.