Die erste Etappe der Beilegung des Atomkonflikts mit Iran ist geschafft. Nun geht es an die langfristige Umsetzung des Abkommens. Oliver Meier benennt drei zentrale Herausforderungen, denen die beteiligten Staaten mit langem Atem begegnen sollten.
Kurz gesagt, 19.01.2016 ForschungsgebieteDie erste Etappe der Beilegung des Atomkonflikts mit Iran ist geschafft. Nun geht es an die langfristige Umsetzung des Abkommens. Oliver Meier benennt drei zentrale Herausforderungen, denen die beteiligten Staaten mit langem Atem begegnen sollten.
Am Wochenende ist das Atomabkommen mit Iran in eine neue Phase eingetreten: Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) verkündete, dass Iran alle vereinbarten Maßnahmen zum Rückbau seines Atomprogramms umgesetzt habe. Wie für diesen Fall vereinbart, werden EU und USA nun einen Großteil ihrer Sanktionen gegen das Land aufheben. Damit beginnt die Phase der langfristigen Umsetzung der Wiener Vereinbarung, die 2025 in das Ende der Sonderbehandlung des iranischen Atomprogramms münden soll.
Auswirkungen des erfolgreich implementierten Iran-Abkommens
Dieser Erfolg ist in seiner Wirkung auf die Rolle Irans in der Region kaum zu überschätzen. Während die Gefahr eines Krieges gegen Iran zum Zwecke der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten noch vor fünf Jahren real erschien, telefoniert John Kerry mittlerweile häufiger mit seinem iranischen Kollegen Javad Zarif als mit seinem Counterpart in Saudi-Arabien. Auch der mit der Aufhebung der Sanktionen zeitgleich verkündete Austausch von Gefangenen zwischen Iran und den USA ist ein Indiz, dass beide Seiten an einer Entspannung ihres Verhältnisses interessiert sind.
Die Fortschritte bei der Lösung des Atomkonflikts dürften auch globale Nichtverbreitungsbemühungen stärken. Erstmalig könnte es gelingen, einen Konflikt um die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen ohne einen Regimewechsel zu lösen. Einmalig ist auch das Vorhaben, ein solch dichtes Netz von Sanktionen, wie man es über den Iran gespannt hat, schrittweise zu lockern. Und so sind am Wochenende die Chancen gestiegen, dass Iran einst als positives Beispiel für erfolgreiche Diplomatie im Feld der Nichtverbreitung in die Geschichte eingehen wird.
Drei Herausforderungen für die langfristige Umsetzung des Abkommens
Nichtsdestotrotz kann man den Konflikt um das iranische Atomprogramm noch nicht zu den Akten legen. Dazu bedarf es eines langen Atems und der Weitsicht der am Prozess beteiligten Regierungen Irans sowie Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Chinas, Russlands und der USA (E3/EU+3). Deren uneingeschränkte Unterstützung des Atomabkommens ist die Grundlage für die Bewältigung von drei zentralen Herausforderungen.
Die Überwachung des iranischen Atomprogramms
Erstens muss das Überwachungsregime in Iran ausgebaut und verstetigt werden. Bis 2025 wird Iran der am strengsten kontrollierte Nichtatomwaffenstaat bleiben. Die IAEO erhält weitreichende Rechte zur Überwachung aller gemeldeten iranischen Atomanlagen. Zudem kann die Wiener Behörde Zugang zu anderen Einrichtungen in Iran verlangen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass dort verbotene Atomaktivitäten stattfinden. Allein diese Bestimmungen bieten den Gegnern des Abkommens, etwa in Washington oder Teheran, viele Möglichkeiten, den Prozess zu torpedieren. Was passiert, wenn iranische Revolutionsgarden den Inspektoren Zugang zu einer Anlage verwehren? Wie reagiert Iran, wenn eine der Parteien unberechtigterweise Zugang zu einer Militärbasis verlangt? Wenn es Iran und den E3/EU+3 nicht gelingt, gegenseitige Vorwürfe einvernehmlich aus dem Weg zu räumen, könnte der sogenannte »snap back«-Mechanismus zum Zuge kommen, der eine erneute Verhängung der jetzt ausgesetzten Sanktionen vorsieht, wenn das Abkommen signifikant verletzt wird.
Zusammenarbeit im sensiblen Bereich der Nukleartechnologie
Zweitens muss es den Parteien gelingen, aus einem Zustand des Misstrauens in einen Modus der Zusammenarbeit zu wechseln. Der gemeinsame umfassende Aktionsplan sieht nicht nur strikte Kontrollen, sondern auch eine erhebliche Ausweitung der Zusammenarbeit mit Iran bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie vor. Die Anfänge sind bereits gemacht: China will helfen, den Schwerwasserreaktor in Arak zu einem internationalen Forschungszentrum auszubauen und beabsichtigt zudem, zwei Reaktoren zur Seewasserentsalzung zu bauen; in der ehemals geheimen und schwer verbunkerten Anreicherungsanlage in Fordo sollen unter internationaler Beteiligung Isotopen für medizinische Behandlungen produziert werden; die USA kaufen einen Teil des von Iran hergestellten Schweren Wassers; und Russland schließlich will in Iran bis zu acht Leichtwasserreaktoren bauen und die Brennstoffelemente für die Anlagen möglichweise in Iran fertigen lassen. Diese und weitere Vorhaben können aber nur dann realisiert werden, wenn alle Parteien bereit sind, auf dem sensiblen Gebiet der Nukleartechnologie zusammenzuarbeiten.
Eine erfolgreiche internationale Zusammenarbeit hat zwei Vorteile: Je mehr Iran bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie international kooperiert und damit sein Atomprogramm öffnet, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass Teheran ein paralleles, geheimes Atomprogramm betreiben kann. Zudem treibt eine intensive Kooperation die Kosten eines möglichen Rückzugs aus dem Abkommen für alle Partner in die Höhe.
Fokus auf Nuklearfragen beibehalten
Die dritte Herausforderung liegt darin, der Versuchung zu widerstehen, das Atomabkommen als Hebel für die Verfolgung anderer Interessen zu nutzen. Die Erwartungen sind groß, dass nun auch weitere Probleme im Verhältnis Irans zu anderen Staaten auf der Grundlage des Atomabkommens gelöst werden können. Die bisher erfolgreiche Umsetzung der Abmachung ist jedoch lediglich eine notwendige, aber eben keine hinreichende Voraussetzung für einen Wandel im Verhältnis zu Iran. In Moskau, in Teheran und in Washington steht die Unterstützung für das Abkommen weiterhin auf wackeligen Beinen, außerdem verfolgen die drei Staaten kaum vereinbare Ziele. Russland sieht Iran nun wieder als Käufer russischer Waffensysteme. Washington möchte Irans Unterstützung für Terrorgruppen und das Assad-Regime begrenzen. Iran hingegen möchte seinen Einfluss in der Region weiter ausbauen.
Die Einigung auf das Atomabkommen war letztlich nur möglich, weil es gelang, den Fokus der Verhandlungen auf Nuklearfragen zu lenken. Die sich zuspitzende regionale Sicherheitslage blieb – zumindest offiziell – ebenso vor der Tür wie das sich verschlechternde Verhältnis zwischen den USA und Russland. Diese Trennung der Themen sollte solange wie möglich beibehalten werden, um die Umsetzung des gemeinsamen Aktionsplans nicht zu gefährden.
Deutschland, Frankreich und Großbritannien waren es, die 2003 in Teheran erstmals Gespräche über eine friedliche Lösung des Atomkonflikts führten. Mit ihrem langen Atem trugen sie dazu bei, dass die zahlreiche Hürden auf dem Weg zum Abkommen überwunden werden konnten. Nach dem Hürdenlauf kommt nun der Marathon: Die Ausdauer der Europäer ist gefragter denn je.
Der Text ist auch bei Zeit.de und Handelsblatt.com erschienen.
Innen- und wirtschaftspolitische Implikationen der erzielten Übereinkunft
Folgen für regionale Sicherheit und Nichtverbreitung
Der Atomkonflikt mit Iran und seine Auswirkungen auf das nukleare Nichtverbreitungsregime