Bei einer Konferenz am 25. Juni geht es um die Stabilisierung der maroden Wirtschaft des Sudan. Entscheidend hierfür ist, dass finanziellen Hilfen auf das Gelingen des Transitionsprozesses in dem Land ausgerichtet werden, meint Annette Weber.
Ein Jahr nach dem Sturz des Präsidenten Umar al-Bashir im Sudan findet am 25. Juni eine von Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Sudan, der EU und den Vereinten Nationen einberufene Sudan-Partnerkonferenz statt, bei der es um die Stabilisierung der maroden Wirtschaft des Landes gehen soll. Der Zeitpunkt für die geladenen internationalen Geber und Unterstützer des Sudan ist günstig, zur demokratischen Transition im Sudan beizutragen. Diese historische Chance sollten sie nutzen.
Ein Jahr nach dem Sturz des Bashir-Regimes ist es der Regierung um Premierminister Abdalla Hamdok trotz einer fragmentierten politischen Landschaft und massiver wirtschaftlicher Probleme gelungen, das Vertrauen der Bevölkerung zu erhalten – selbst angesichts von Covid-19, das die Lebensbedingungen noch einmal verschlechtert. In den dreißig Jahren zuvor wurde das Land von einer islamistisch-militärischen Kleptokratie regiert: Unter dem Regime von Präsident Bashir wurde vor allem in Militärausgaben investiert; Energieversorgung, Gesundheitssektor und die dringend nötige Modernisierung des Landwirtschaftssektors wurden vernachlässigt. Erlöse aus Devisengeschäften, Goldschmuggel und Investitionsverträgen flossen auf die Konten von Angehörigen des Partei-Militär-Komplexes.
Mit diesem Defizit muss die heutige Regierung klarkommen. Unter anderem hat sie ein Komitee zur Aufarbeitung von Korruption, Geldwäsche und Vernetzungen zwischen Partei, Militär und Wirtschaft einberufen. Das hat monatliche Eingänge auf das Privatkonto des ehemaligen Präsidenten Bashir in zweistelliger Millionenhöhe festgestellt. Vermögen und Anlagen des alten Regimes wurden eingefroren. Ob und wann Gelder auch auf Auslandskonten gefunden, ausgelöst und dem Staat wieder zur Verfügung gestellt werden können, ist allerdings ungeklärt. Der stärkste und einflussreichste Mann im Staat, Milizenführer Mohamed Hamdan Dagalo (Hemedti), der in der Übergangsregierung den Rang des stellvertretenden Militärratsvorsitzenden innehat, beteiligt sich zumindest symbolisch am neuen Kurs der Regierung, indem er zulässt, dass Teile seiner Goldminen und Geschäfte besteuert werden. Damit stehen der Regierung jedoch längst nicht genug Mittel zur Verfügung, um die Bevölkerung verlässlich zu versorgen und in Sektoren zu investieren, die dringend benötigte Arbeitsplätze schaffen. Und so steigt das Risiko, dass die Zustimmung der Bevölkerung für die Politik der Demokratisierung sinkt – und der politische Neuanfang mit den Akteurinnen und Akteuren der Revolution scheitert. Ein Militärputsch oder ein libysches Szenario der Desintegration wären nicht ausgeschlossen und hätten destabilisierende Auswirkungen weit über die Landesgrenzen hinaus.
Um dies abzuwenden, bedarf es einer großen, internationalen Kraftanstrengung. Finanzielle Hilfen sollten dabei auf einen Prozess ausgerichtet sein, der auf politische Stabilität, die Integration der bewaffneten Opposition und die Beteiligung ziviler Akteure der Revolution an wegweisenden Entscheidungen über die politische Zukunft des Landes zielt. Substantielle Unterstützung für den Aufbau der sudanesischen Wirtschaft ist vor allem von den internationalen Finanzinstitutionen (IFI) zu erwarten. Bislang ist der Zugang zu Mitteln der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für den Sudan blockiert, da das Land auf der Liste der terrorunterstützenden Staaten (SST) der amerikanischen Regierung steht. Dennoch hat vor allem die europäisch-US-amerikanische Kooperation in der »Friends of Sudan«-Unterstützergruppe dazu geführt, dass die Weltbank Entschuldungsprozesse für den Sudan vorbereitet und der Währungsfonds nötige Wirtschaftsreformen durch eigene Expertise unterstützt. Übereinstimmend wird die historische Chance der politischen Transformation benannt, deren Gelingen, so die Einsicht, eng mit der ökonomischen Entwicklung verwoben sei. Neben den IFIs ist es vor allem an den Gläubigerstaaten im Pariser Club und Geberländern, sich am wirtschaftlichen Aufbau zu beteiligen. Darüber hinaus muss bei der Konferenz Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit auch die finanzstarken Verbündeten des Sudan am Golf und China die Transition als Stabilisierung im eigenen Interesse begreifen und Investitionen in Milliardenhöhe zusagen. Auch von ihren Mittelzusagen wird es abhängen, ob die marode kritische Infrastruktur des Landes, etwa im Energie- und Gesundheitssektor, stabilisiert werden kann. Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein funktionierender Gesundheitssektor für die Versorgung der Bevölkerung und damit auch für die Legitimität der Regierung ist; ohne zuverlässige Stromversorgung wird der wirtschaftliche Aufschwung schwierig, und Investitionen, etwa in große Agrarprojekte, wären kaum rentabel.
Die Partnerschaftskonferenz kommt zum richtigen Zeitpunkt. Die sudanesische Regierung erhofft sich im Ergebnis substantielle Unterstützung für den wirtschaftlichen Aufschwung. Dass dies nur möglich ist, wenn alle an einer gemeinsamen Lösung arbeiten, wird hoffentlich am 25. Juni deutlich. Auch sollte allen Beteiligten bewusst sein, dass der wirtschaftliche Aufschwung nicht ohne politische Stabilität und die politische Stabilität im Sudan nicht ohne politische Transition gelingen kann. Finanzhilfen müssen daher immer auf den Transitionsprozess ausgerichtet sein.
Vertrauen schaffen in der Krise
doi:10.18449/2020A30
Aktuelle Entwicklungen und mögliche Szenarien
doi:10.18449/2019A52